Verwendung von Hochdurchsatz-Methoden zur Untersuchung starker Metall-Träger-Wechselwirkungen bei Cu/ZnO-Katalysatoren für die Methanolsynthese DISSERTATION zur Erlangung des Grades des Doktors der Naturwissenschaften vorgelegt der Fakultät für Chemie der Ruhr-Universität Bochum von Christoph Kiener aus Ottobeuren 2004 1 1. Gutachter: Prof. Dr. Ferdi Schüth 2. Gutachter: Prof. Dr. Martin Muhler Tag der mündlichen Prüfung: 19. Oktober 2004 2 Danksagung Die Durchführung dieser Dissertation war nur möglich durch die enge Zusammenarbeit mit vielen Menschen, die mit Ideen, Kraft und Motivation und den notwendigen materiellen Ressourcen zur Seite standen. Meinem Betreuer Prof. Dr. Ferdi Schüth danke ich für die interessante und sehr vielseitige Themenstellung, die hervorragenden technischen und materiellen Möglichkeiten am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung sowie die wissenschaftliche Betreuung dieser Dissertation. Nicht nur in meiner fachlichen Entwicklung brachte mich das weiter: Ich hatte in Mülheim das Glück, eine Strategie der Führung mit maximalen Freiheiten und Entfaltungs- möglichkeiten genießen zu dürfen und lernte eine Art des Umgangs mit Menschen kennen, die mir selbst als Leitbild dienen wird. Herrn Prof. Dr. Martin Muhler danke ich für die Übernahme des Koreferats. Ohne den Reaktor keine Reaktion: Mein Vorgänger Dr. Christian Hoffmann hat durch Vorarbeiten an Hochdurchsatz-Reaktoren während seiner Dissertation viele Steine aus dem Weg geräumt. Dafür, sowie für eine engagierte Zusammenarbeit während der ersten Aufbauphase, danke ich ihm sehr. Ebenso dankbar bin ich meinem Nachfolger Sascha Vukojevic für intensive Gespräche, wertvolle Ratschläge und eine gelungene gegenseitige Abstimmung. Schön zu wissen, dass die entstandene Anlage weiter benutzt wird, denn letztlich ist doch die Weiterverwendung in Folgeprojekten der überzeugendste Beleg für die Funktionsfähigkeit und den Nutzen eines jeden Konzeptes. Innerhalb der Arbeitsgruppe möchte ich allen 50 Kollegen danken, die mich in den drei Jahren der Dissertation mit Rat und Tat, aber auch mit „Spässkens“ und aufmunternden Worten aus 19 Nationen und fünf Kontinenten begleiteten. Wissenschaftliche Anregungen und Hilfestellungen erhielt ich namentlich von Dr. Akira Taguchi, Dr. Chia-Min Yang, Ulrich Wüstefeld, Dr. Stefan Kaskel, Dr. Claudia Weidenthaler und Dr. Wolfgang Schmidt, dem ich auch für das Redigieren dieser Arbeit danke. Über das Fachliche hinaus liessen diverse Weihnachtsfeiern, Badeveranstaltungen, Gruppenausflüge, International Dinners sowie noch einige weitere Begebenheiten den Aufenthalt in Mülheim zu etwas Besonderem und Unvergleichlichem werden. Unterstützung rund um das Themengebiet der Metallkolloide erhielt ich von Prof. Dr. Helmut Bönnemann sowie Herrn Rainer Brinkmann, denen ich für die Hilfe und Diskussionsbereitschaft danke. Insbesondere die erste Hälfte der Arbeit war geprägt von einer intensiven Konstruktions- und Bauphase. Ohne die entsprechenden Fachabteilungen des Max-Planck- Instituts für Kohlenforschung – feinmechanische Werkstätten, Gaschromatographie, Elektrowerkstatt, Computerbetreuung, Durcktechnikum – wäre es nicht möglich gewesen, eine solche Anlage aufzubauen und am Laufen zu halten. Außerhalb der Gruppe von Ferdi Schüth fand meine Arbeit ihre wissenschaftliche Einbettung im Sonderforschungsbereich 558 der Ruhr-Universität Bochum „Starke Metall- Träger-Wechselwirkungen“, der auch dank der Deutschen Forschungsgemeinschaft meine wirtschaftliche Existenz in Mülheim sicherte. Ferner konnte ich an dem Forschungsprogramm 3 der Zeitstiftung Ebelin und Gerd Bucerius „Nanochemie für eine zukünftige Automobil- technologie“ teilnehmen. Die Herrn Prof. Dr. Christof Wöll, Prof. Dr. Martin Muhler, Prof. Dr. Roland Fischer und Prof. Dr. Wolfgang Grünert möchte ich neben allen anderen Akteuren im SFB hervorheben. Mit Dr. Ralf Becker und Dr. Julia Hambrock unter Leitung von Prof. Roland Fischer ergaben sich interessante Aspekte im Bereich der metallorganischen Synthese. In der Arbeitsgruppe von Prof. Martin Muhler erfolgte mit Dr. Olaf Hinrichsen, Dr. Melanie Kurtz und Dr. Hagen Wilmer eine intensive Kooperation im Hinblick auf die Charakterisierung von Cu/ZnO-Systemen, Horst Otto erleichtete mir durch viele nützliche Tipps einen schnellen Start in die Programmierung in LabView. Sehr fruchtbare Ergebnisse lieferten die EXAFS-Messungen und die sich daran anschließende wissenschaftliche Diskussion mit Prof. Dr. Alfons Baiker und Dr. Jan-Dierk Grunwaldt vom Labor für Chemie- und Bioingenieurwissenschaften der ETH Zürich. Insbesondere Jan-Dierk Grunwaldt danke ich für die Möglichkeit, bei zwei Messwochen an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble und bei der Angströmquelle Karlsruhe (ANKA) meine Proben an seinen Apparaturen vermessen zu können sowie für die sich anschließende Auswertung der Rohdaten und seine intensive Hilfestellung bei der Interpretation. Weite Teile meines Studiums und meiner Promotion waren geprägt durch den Förder- verein Chemie-Olympiade e.V.: Ob als Vereinsvorsitzender und Projektkoordinator, als Tutor für Schülerinnen und Schüler oder schließlich sogar als „Nutznießer“ meiner Schüler- Ferienpraktikanten Jan Rossa und Andreas Baum vom Internatsgymnasium Schulpforte: Der FChO war und ist ein nützlicher und kraftgebender Begleiter seit über einem Jahrzehnt! Viele Freundschaften und gemeinsame Erlebnisse gründen auf dieser Vereinigung. Ohne den Rückhalt und die Unterstützung meiner Familie wären Studium und Promotion nicht möglich gewesen. Der Beitrag meiner Schwester, meiner Eltern und aller meiner Unterstützer aus der Großeltern-Generation, und last – but not least – auch von Claudia (mit Familie) in materieller und ideeller Hinsicht während mancher nervzehrenden Phasen der Dissertation hat mir sehr geholfen. Nur so war es möglich, diese Arbeit in der nun vorliegenden Form zu vollenden: Danke! Mülheim an der Ruhr / München, 2004 4 Wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht. Georg Christoph Lichtenberg 1.7.1742 - 24.2.1799 Schriftsteller und Naturforscher Für meine Familie 5 6 Kurzzusammenfassung - Summary Kurzzusammenfassung Methanol wird schon seit längerem als potentieller zukünftiger Energieträger angesehen. In jüngster Zeit rückte der Alkohol stark in den Fokus, um als Automobilkraftstoff verwendet zu werden. Darüber hinaus gewinnt Methanol sowohl im Kontext begrenzter Erdöl- und Erdgas- reserven als auch aus Sicht des Treibhauseffektes und fiskalischer Regelungen für Kohlen- dioxidemissionen wachsendes Interesse, da die Verbindung prinzipiell über Synthesegas aus biogenen Kohlenstoffquellen oder kohlenstoffhaltigen Abfällen zugänglich ist. Methanol wird heute über die Erdgas/Synthesegasroute an Aluminiumoxid-stabilisierten Cu/ZnO-Katalysatoren bei Drucken von 4 – 10 MPa und Temperaturen von 473 - 573 K hergestellt. Das Katalysatorsystem wird klassischerweise aus wässrigen Metallnitraten durch Fällung mit Carbonaten, Calcinierung der entstandenen (Cu,Zn)-Hydroxycarbonate sowie eine erst im Reaktor erfolgende Reduktion der CuO/ZnO-Vorläufer hergestellt. Aufgrund des stofflich schwierigen und komplexen Systems sind sowohl die mechanistische Wirkungsweise (Problematik der Bestimmung von Reaktionsmechanismen bei Hochdruck- reaktionen) als auch der Einfluss der Herstellungsparameter (Fällung; Calcinierung; Re- duktion) auf die Aktivität des Katalysators Gegenstand reger Forschung. Der Zusammenhang zwischen Synthese, Struktur und Aktivität des Katalysators ist noch immer nicht verstanden. Aktivitätstests von Cu/ZnO-Katalysatoren sind gekennzeichnet von langen Konditionierungs- zeiten (Reduktion, Druckaufbau, Äquilibrierung). Um diese Tests zu beschleunigen, wurde im Rahmen der Dissertation ein 49-facher Hochdurchsatz-Parallelreaktor für Druckreaktionen (50 bar Synthesegas, kontinuierlicher Fluss) entwickelt und automatisiert, so dass die Testung von 49 verschiedenen Katalysatorproben bei verschiedenen Reaktionstemperaturen, Gas- zusammensetzungen, -drucken und –flüssen nun in vier Tagen möglich ist, statt wie bisher in mehreren Monaten mit Einzelrohr-Reaktoren. Zahlreiche Katalysatorproben wurden durch pH-geregelte, automatisierte Fällung synthe- tisiert. Dabei wurden als Herstellungsparameter das Fällungsmittel, der pH-Wert während der Fällung, die Alterungszeit und die Calcinierungstemperatur detaillierter betrachtet. Ferner wurden Modellkatalysatoren auf Basis kolloidaler, metallischer Kupfer-Nanopartikel über die Reduktion mit Metallalkylverbindungen dargestellt und auf Oxiden geträgert. Im schnellen Aktivitätstest im Hochdurchsatz-Reaktor wurden unter realen Reaktionsbedin- gungen hinsichtlich Gasfluss, Druck und Temperatur aus einer Vielzahl von Proben interes- 7 Kurzzusammenfassung - Summary sante Kandidaten für eine weitere Untersuchung identifiziert. Diese aus dem Aktivitätstest selektierten Proben wurden durch detailliertere Methoden weiter untersucht. Dazu gehören Strukturuntersuchungen mittels verschiedener Techniken der Pulver-Röntgendiffraktometrie (XRD), Massenspektrometrie-gekoppelter Thermogravimetrie (TG-MS), reaktiver N O-Fron- 2 talchromatographie zur Bestimmung der Kupferoberfläche im aktiven Katalysator, Transmis- sionselektronenmikroskopie (TEM), energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDX) sowie bezüglich des Reduktionsverhaltens der Katalysatoren in situ-Röntgenabsoptionsstudien (XAS bzw. EXAFS). Dabei zeigt sich, dass die katalytische Aktivität signifikant von der Herstellungsweise des (Cu,Zn)-Hydroxycarbonates bestimmt wird. pH-Wert der Fällung und Calcinierungstempera- tur sind sehr kritische Größen; gute Katalysatoren werden bei Fällungen in alkalischem Milieu erhalten. Eine niedrige Calcinierungstemperatur führt ebenso zu aktiveren Katalysatoren. Weiterhin ist die Alterungszeit des Niederschlages sehr wichtig. So durchläuft die katalytische Aktivität mit zunehmender Alterungszeit des Präzipitats in der Mutterlauge ein Maximum und fällt mit langer Alterungszeit wieder ab. Die Lage des Maximums hängt aber stark von den Fällungsbedingungen ab. Es wurde ebenfalls deutlich, dass Rückschlüsse aus einfachen Vorcharakterisierungsergebnissen (XRD) auf den Katalysator keinesfalls leichtfertig ohne weitergehende detaillierte Untersuchungen gezogen werden dürfen. Wie in situ-Studien zum Reduktionsverhalten der Katalysatoren zeigen, geht hohe kataly- tische Aktivität in der Methanolbildung einher mit leicht zu reduzierenden Kupferoxidspezies im Katalysator, der sich auch durch große Kupferoberflächen auszeichnet. Dabei variiert die oberflächenspezifische Aktivität sehr stark, was ein Hinweis auf unterschiedlich aktive Kupferzentren ist, die bereits durch ihre Herstellungsbedingungen determiniert werden. Exemplarisch konnte gezeigt werden, dass Hochdurchsatz-Experimente nicht nur als Schnelltest-Screeningmethode interessant sind. Vielmehr ermöglicht die Verbindung von rationalen, automatisierten Synthesekonzepten und dem Aktivitätsscreening unter Realbedin- gungen neue Wege in der Katalyseforschung, die durch konventionelle Routine- charakterisierung und selektive Detailuntersuchung ausgewählter Systeme hervorragend ergänzt werden. Die Verknüpfung aller Methoden lässt gerade für Reaktionen bei erhöhtem Druck in Zukunft weitere, viel versprechende Fortschritte erwarten. Die Methanolbildung aus Synthesegas an Cu/ZnO-Systemen mit ihren technisch herausfordernden Reaktionsbedin- gungen und dem komplexen Katalysatorsystem ist dafür eine interessante Beispielreaktion. 8 Kurzzusammenfassung - Summary Summary Methanol is being discussed as a future energy carrier for many years. Recently, developments in the automotive industry had a focus on methanol as a potential fuel for mobile applications. As methanol is accessible via synthesis gas from natural carbon sources like biomass or carbon containing waste, there is a strong interest in this compound from energy supply as well as a climate control and green house gas emissions point of view. Since several decades methanol is produced from synthesis gas feed stocks with catalysts consisting of alumina stabilized Cu/ZnO. Pressures of 4 to 10 MPa and temperature of 473 to 573 K are used. The catalysts are produced by precipitation of metal nitrate solutions by carbonate, followed by the calcination of the (Cu,Zn)-hydroxycarbonates. This leads to CuO/ZnO materials, which are finally reduced to the active Cu/ZnO species in the reactor. Caused by this complex system, both the reaction mechanisms and the influence of production parameters on the activity of the final catalyst (precipitation, calcination, reduction) are still an attractive topic in catalysis research. The correlation between synthesis, structure and activity of the catalyst is not yet completely understood. Activity tests of Cu/ZnO catalysts need long conditioning times to reduce, pressurize and equilibrate the system. To accelerate these tests, an automated 49-fold high throughput parallel reactor for pressure reactions (5,0 MPa synthesis gas, continuous flow) was developed and is described in this thesis. Now, catalytic tests on up to 49 different solids can be performed at different reaction temperatures, gas compositions, pressures and gas flows within about four days instead of several months using conventional single tube reactors. Several catalyst samples were synthesized by pH controlled automated precipitation with a variation of the precipitant, the pH during precipitation, the ageing time of the precipitate as well as the calcination temperature. Further, model catalysts were prepared consisting of metallic copper nanoparticles which were supported on metal oxides. These colloids were synthesized by a new reduction method using metal alkyls. Fast catalytic screening for methanol synthesis activity at high pressure conditions brought up several interesting samples series which were analyzed in more detailed studies. Methods like powder X-ray diffraction for morphology studies (XRD), mass spectroscopy coupled thermogravimetry (TG-MS), reactive N O frontal chromatography (RFC) for copper surface 2 area determination, transmission electron microscopy (TEM), energy dispersive X-ray 9 Kurzzusammenfassung - Summary spectroscopy (EDX) and in situ X-ray absorption studies (XAS, EXAFS) to determine the reduction behaviour of the catalyst were performed on the samples. It was found that the catalytic activity is determined significantly by the steps in the production procedure of the (Cu,Zn)-hydroxycarbonates as well as the calcination conditions. Good catalysts were precipitated in more alkaline solutions. A low calcination temperature leads to more active catalysts, too. A further critical parameter is the aging time during the precipitation. The catalyst’s performance shows a maximum if aged at ageing times of some 100 – 300 minutes depending on the precipitation conditions, while longer ageing periods lead to less active catalysts. It was evident, that standard characterization techniques like XRD do not provide enough information for an estimation of the catalytic activity in methanol synthesis. By in situ XAS/EXAFS monitoring of temperature programmed reduction experiments the catalyst’s reduction behaviour was studied. High catalytic activity in methanol formation corresponds to low temperature reduction of copper oxides and high copper metal surface areas. Variations in the surface related activity are a hint to differently active copper sites. In a more general view, it was demonstrated that high throughput experimentation is not just a fast screening tool. The combination of automated rational synthesis and activity screening is rather an interesting concept in catalysis research which should be supplemented by conventional characterization as well as detailed studies on selected samples. Especially for high pressure reactions the combination of these methods seems to be an attractive and promising tool. Therefore, the high pressure synthesis of methanol over the complicated Cu/ZnO catalyst system is a well suited example reaction to prove this concept. 10
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