ebook img

Nation als Form PDF

293 Pages·1996·12.017 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Nation als Form

Dirk Richter Nation als Form Dirk Richter Nation als Form Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Richter, Dirk: Nation als Form / Dirk Richter. - Opladen: Westdt. Ver!., 1996 ISBN 978-3-531-12797-2 ISBN 978-3-663-12253-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-12253-1 Alle Rechte vorbehalten © 1996 Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1996. Das Werk einschließlich aller selller Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzuläs sig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem Papier Danksagung Eine Dissertation zu verfassen ist normalerweise ein langwieriges und einsames Geschäft (die vorliegende Arbeit lag im Sommersemester 1994 der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelrns-Universität Münster zur Begutachtung vor). Glücklich kann sich derjenige schätzen, der vor dieser Aufgabe nicht vollkommen allein steht. Zu diesen Glücklichen kann ich mich zählen. Ich möchte mich daher bei denen bedanken, die mir während der vielen Monate, die eine solche Arbeit braucht, mit Rat und Tat zur Seite gestanden und auf vielfältig ste Art geholfen haben: bei Prof. Georg Weber, der die AIbeit betreut und trotz des ungewöhnlichen Zustande kommens von Anfang an voll unterstützt hat, und der mir auch als 'Chef alle Freihei ten gewährte, die ich brauchte; bei Prof. Rolf Eickelpasch, der die Arbeit nicht nur als Korreferent zu lesen hatte, sondern in dessen Kolloquium ich über Jahre hinweg in einem Rahmen lernen konnte, der seinesgleichen sucht (ein Dank auch an die Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Neuen Münsteraner Schule!); bei Armin Nassehi für viele Hinweise, vor allem aber für diverse Gespräche in freund schaftlicher Atmosphäre, in denen die Idee zu dieser Arbeit sowie ihre spätere Umset zung ihre Konturen bekamen; bei Jutta Keller, Wichard Puls und ganz besonders bei Irmhild Saake, denen ich viele Anregungen und Hinweise verdanke, die in den Text eingegangen sind; bei meiner Schwiegemrutter Marga Konermann, meinen Eltern Karin und Rolf Richter sowie bei Tim fiir Entlastung und Ablenkung; bei Doris für alles. Dirk Richter Lienen-Kattenvenne, im Februar 1995 5 Inhalt Einleitung: Die 'Nation' - das unterschätzte Konstrukt. . . . . . . . . . . . . .. 9 1. Soziologische Nation- und Nationalismustheorie ................. 13 1.1 Klassische Soziologie: Tönnies, Durkheim, Simmel ................ 14 1.2 Klassischer Marxismus: Marx, Engels, Kautsky, Bauer, Lenin, Stalin .... 26 1.3 'Bürgerliche' Soziologie: Weber, Ziegler, Sombart ................. 37 1.4 Strukturfunktionalismus und Modemisierungstheorien ............... 48 1.5 Nationalismustheorien der Gegenwart: Ungleiche Entwicklung und Rückkehr der Ethnien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1.6 Fazit ............................................... 67 2. Die Form 'Nation' und die Struktur der Weltgesellschaft ........... 72 2.1 Gesellschaftsstruktur und Semantik ........................... 74 2.2 Form, Code und Programm ................................ 78 2.3 Die modeme Gesellschaft als Weltgesellschaft .................... 87 2.4 Die Form 'Nation': Ein Beobachtungsmodus der Weltgesellschaft ....... 97 2.5 Stereotype als Selbst-und Fremdbeschreibungen ................. 111 Exkurs: Stereotype und Vorurteile ........................... 120 2.6 Vom Patriotismus zum Nationalismus: Feindsemantiken ............ 123 2.7 'Nationale' Identität und Einheit durch Differenz ................. 141 2.8 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 150 3. Die Evolution der Form 'Nation': Zur Entwicklung europäischer nationaler Semantiken in historisch-soziologischer Perspektive ........................ 152 3.1 Segmentäre Gesellschaft. Identität durch absolute Differenz .. . . . . . . .. 154 3.2 Stratifizierte Gesellschaft I. Hohes und spätes Mittelalter: Die Erosion der christlichen Universalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 158 3.3 Stratifizierte Gesellschaft 11. Neuzeit: Konfession und Territorium ...... 171 3.4 Transformation zur modemen Gesellschaft. Die Form 'Nation' als Inklusionssemantik gegen die stratifikatorische Differenzierung . . . . . . .. 185 3.5 Funktional differenzierte Gesellschaft I. 1750 bis 1870: Nation, Inklusion und Status .............................. 192 3.6 Funktional differenzierte Gesellschaft 11. 1870 bis 1945: Nationale Exklusivität in der Weltgesellschaft ................... 204 7 3.7 Funktional differenzierte Gesellschaft III. Europäischer Nationalismus in der Gegenwart ................... 228 3.8 Fazit .............................................. 248 4. Schluß: Die Theorie der 'Nation' .......................... 250 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Sachregister ........................................... 287 Personenregister ........................................ 291 8 Einleitung: Die 'Nation' - das unterschätzte Konstrukt Über die 'Nation', so hätte man meinen können, habe die Soziologie bereits alles Wesentliche gesagt. Von einer Disziplin, die für sich die kompetente Gesamt-Zustän digkeit für alle sozialen Phänomene beansprucht, hätte man erwarten können, über die Bedeutung 'nationaler' Ideen für die modeme Gesellschaft informiert zu sein. Doch dem war nicht so. Die 'Nation' verschwand nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Aufmerksamkeit des wissenschaftlichen Europa und zog sich dorthin zurück, wo man ihr aus soziologischer Sicht noch die einzig legitime Existenzberechtigung gelassen hatte, nämlich in das Nation-building der um Selbstständigkeit ringenden, ehemals kolonialisierten Staaten der Dritten Welt. Wer sich in Europa und insbesondere in Deutschland mit der 'Nation' beschäftig te, der war, wenn er einen positiven politischen Bezug herstellen wollte, einer der Ewig-Gestrigen, die nichts lernen wollten. Wenn er sich historisch-wissenschaftlich um die 'Nation' bemühte, dann war er vielleicht einer jener Geschichtswissenschaftier, denen es - zum Teil über die Relativierung der Nazi-Greuel- um die 'Normalisie rung' jener verqueren deutschen Geschichte zu tun war. Die Soziologie jedenfalls schien dieses Forschungsobjekt ein für allemal ad acta gelegt, in die Archive und in die langsam verstaubenden Bücher verbannt zu haben. Die 'Nation', da war man sich sicher, konnte in einem so zivilisierten und hochtechnisierten Teil der Welt keine ernsthafte Rolle mehr spielen. Schließlich schien die verspielte Postmoderne an gebrochen zu sein, die, bei aller Ästhetisierung, auf derartige Verzierungen aus der historischen Mottenkiste doch wohl verzichten konnte. Stattdessen widmete man sich in der Soziologie Wichtigerem: der Verfeinerung von Erhebungs-und Auswertungs methoden, dem Vorantreiben der Theoriebildung auf vormals unbekannte Abstrak tionshöhen, oder man versuchte dem vertrackten Verhältnis von Individualisierung und sozialer Ungleichheit auf die Spur zu kommen. Ob "wir", d.h. die Soziologen, von solchen Konstrukten wie der 'Nation' und ihren Verwandten wie 'Ethnie' und 'Rasse' "nichts wissen wollten", wie KarlOtto Hondrich in einem Artikel meinte (Hondrich 1992), glaube ich eher nicht. Auch die soziologische Forschung ist immer nur ein Kind ihrer Zeit, und man muß einfach zugestehen, daß die 'Nation' vor Mitte/Ende der 1980er Jahre nur wenig öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Klüger ist man ohnehin immer nur hinterher. Diese Vernachlässigung des Untersuchungsobjekts 'Nation' brachte es mit sich, daß auch ihre theoretische Analyse weithin unterbelichtet blieb. Im Jahre 1978 konnte ein Rezensionsaufsatz über eine Arbeit von A.D. Smith (1971) mit Fug und Recht mit "The Undeveloped Theory ofNationalism" betitelt werden (Stokes 1978). Knapp zehn 9 Jahre später noch wußte Bassam Tibi zu konstatieren: "Nach wie vor ist der Anteil der theorie-orientierten und somit konzeptualisierenden Untersuchungen an der um fangreichen Nationalismusforschung sehr gering." (Tibi 1991 [1987], S. XXVIIn Als einzige Ausnahme wurde von Tibi wiederum A.D. Smith hervorgehoben, der aber im deutschen Sprachraum bislang nur wenig rezipiert wird. Es blieb allenfalls ein paar theoretischen Außenseitern überlassen, auf die Bedeutung der 'Nation' für die Gegen wartsgeseUschaft hinzuweisen. Norbert Elias etwa beschrieb in seinen Studien über die Deutschen den Nationalismus als "eines der mächtigsten, wenn nicht das mächtigste soziale Glaubenssystem des 19. und 20. Jahrhunderts." (Elias 1989, S. 194) Und im Hinblick auf die soziologische Theoriebildung meinte er wenige Seiten weiter: "Jede soziologische Theorie muß der Tatsache Rechnung tragen, daß auf den vergangenen und gegenwärtigen Stufen der Gesellschaftsentwicklung dem Überleben einer Gruppe von Individuen als solcher vielfach ein höherer Wert beigemessen wurde und wird als dem Überleben dieser Individuen als einzelner." (Ebd., S. 207; meine Herv.) Ähnliche Versäumnisse, wie sie hier von Elias gegenüber normativen Theorieansätzen bean standet wurden, hatte mit Isaiah Berlin schon ein weiterer, eher der politischen Philo sophie zuzurechnender Außenseiter fiir die Theoriebildung des 19. Jahrhunderts im all gemeinen und die soziologische im besonderen beklagt (vgl. Berlin 1972; 1990). Umso erstaunter war man, als festzustellen war, daß die 'Nation' ihre Zurückhal tung mit dem Ablauf der achtziger Jahre dieses Jahrhunderts in Europa aufgegeben hatte. Nicht IIlf die öffentliche Meinung, auch die soziologische Fachöffentlichkeit sah sich ehrlich überrascht und erschrocken über Nationalismen cl la Jugoslawien, die Wahlsiege der rechtsextremen Parteien sowie die rassistisch-nationalistische Gewalt gegen Flüchtlinge und Ausländer hierzulande. Ganz offensichtlich war man darauf nicht vorbereitet gewesen. Die soziologische Theoriebildung mußte eine eklatante Lücke verzeichnen, sie hatte die 'Nation' nahezu vollständig von ihrer analytischen und kategorialen Agenda gestrichen. Mit der hier vorliegenden Untersuchung soll nun ein Versuch unternommen werden, die angesprochene Leerstelle ein wenig zu füllen. Worum geht es in dieser Arbeit? Die untersuchungsleitende Frage lautet: Wie kann ein, auch den Problemstellungen der jüngsten Zeit adäquater und zugleich gesellschaftstheoretisch informierter soziologischer Nation-Begriff heute aussehen? Mein Ziel ist es also, einen Nation-Begriff zu entwickeln, der die Schwächen und Versäumnisse soziologischer Nation-Theorie zumindest ansatzweise zu kompensieren vermag. Es geht mir darum, ein theoretisches Instrumentarium zu finden, das sich für die Analyse der Gegenwarts-Nationalismen eignet, aber gleichermaßen auch für ver gangene Zeitpunkte seine Anwendung finden kann. Bei allen Anstößen, die die Nation und Nationalismusforschung gegenwärtig erhält, kann man sich nicht nur darauf beschränken, die 'neuen' Nationalismen zu untersuchen, jedenfalls dann nicht, wenn man ein geseUschaftstheoretisches Vorgehen wählt. Ein derartiger Nation-Begriff muß, das versteht sich fast von selbst, hinreichend abstrakt sein, um nicht nur den Heraus forderungen der Gegenwart zu genügen. 10 Um eine Antwort auf die oben gestellte Frage zu erhalten, ist es zunächst notwen dig, sich zu vergewissern, wie die soziologisch-theoretische Tradition das Phänomen 'Nation' zu fassen versucht hat. Dieser Aufgabe stellt sich der Teil 1 der Unter suchung. Darin erfolgt ein Überblick über die theoretische Nation-und Nationalismus forschung von den klassischen Anfängen der Soziologie bis hinein in die Gegenwart. Die fiir eine Neu-Fassung der 'Nation' notwendig zu vermeidenden Mängel älterer und neuerer Ansätze sollen hier identifiziert werden. Darauf aufbauend wird in Teil 2 der Arbeit eine Neu-Formulierung des Nation-Begriffs versucht. Im Anschluß an eine Begrifflichkeit des Logikers George Spencer Brown und die an Gesellschaftstheorie Niklas Lllbmanns schlage ich vor, die 'Nation' als eine "Form" zu fassen, als die Form 'Nation'. Die von mir zu belegende These lautet, daß die Form 'Nation' den in der Modeme dominanten Beobachtungsmodus überregionaler sozialer Prozesse, nämlich den der Weltgesellschaft darstellt. Ich werde aufzuzeigen versuchen, welche Funktionen 'Nation' und Nationalismus in der modemen Gesellschaft als Weltgesell schaft übernehtnen. In Teil 3 der Untersuchung geht es darum, den theoretisch formu lierten Nation-Begriff in seiner sozialen Entwicklung nachzuzeichnen, um überprüfen zu können, ob die Theorie auch 'empirisch' tauglich ist. Die dort zu erfiillende Aufgabe lautet, die Evolution der Form 'Nation' zu beschreiben. Dabei gehe ich zwar davon aus, daß die 'Nation' ihre Funktion erst in der modemen Gesellschaft stabili siert, mich interessiert andererseits aber auch, auf welchen kulturellen Wegen es zur Bildung der 'Nation' gekommen ist und welche gesellschafts strukturellen Bedingungen ihren Beitrag dazu geleistet haben. Der abschließende Teil 4 resümiert die Ergebnisse dieser Untersuchung und diskutiert noch einmal das Verhältnis von Gesell SChaftstheorie und 'Nation'. Nachdem ich kurz den Fahrplan der Arbeit skizziert habe, möchte ich noch darauf hinweisen, was hier nicht zu erwarten ist. Nicht erwarten kann man Rezepte und Lösungsvorschläge dazu, wie mit nationalistischen Konflikten, oder, was die Öffentlichkeit hierzulande beschäftigt, wie mit dem Rechtsradikalismus umzugehen sei. Statt dessen können vielleicht Einsichten in die Funktionsweisen und Auslöse mechanismen von Nationalismen angeboten werden. Ebenfalls keine Antwort gibt es auf die vielgestellte Frage, ob die modeme Gesellschaft solche Kategorien wie die 'Nation' objektiv 'braucht'. Wie immer man diese Frage beantworten mag: Offensicht lich hält sich die 'Nation' nicht in jedem Fall an die ihr zugedachten Funktions beschreibungen und Prognosen. Des weiteren nicht zu erwarten ist etwas, das normalerweise die Aufgabe einer Arbeit wäre, die einen derart allgemeinen Anspruch verfolgt wie die vorliegende, nämlich die Aufarbeitung der gesamten Literatur zum Themenfeld. Doch abgesehen von dem Utnstand, daß die Fülle von (vor allem geschichtswissenschaftlichen) Einzel untersuchungen kaum in ihrer Gesamtheit zur Kenntnis genommen werden, geschwei ge denn produktiv verarbeitet werden kann, wird hier der Akzent bewußt auf die soziologische Theoriebildung gesetzt, die erst in einem zweiten Schritt mit historisch 'empirischem' Material konfrontiert werden soll. Wie vielleicht an der Bibliographie 11

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.