Heidelberger Ta schenbiicher Band 94 Basistext Medizin Felix Anschutz Die korperliche Untersuchung U nter Mitarbeit von H. und B. MARX STRAHRINGER Mit 56 Abbildungen Sp ringer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1973 Dr. med. FELIX ANSCHiiTz, Professor, Direktor der Medizinischen Klinik, Stadtische Kliniken Darmstadt ISBN-13: 978-3-540-06007-9 e-JSBN-13: 978-3-642-96128-1 DOl: 10.1007/978-3-642-96128-1 Das Werk ist urheberrechtlich geschUtzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdruckes, der Bntnahme von Abbildungen, der Funksen dung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder iihnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vor behalten. Bei Vervielfiiltigungen fUr gewerbliche Zwecke ist gemiiB § 54 UrhG eine Vergiitung an den Verlag zu zahlen, deren Hohe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © by Springer-Verlag Berlin' Heidelberg 1973. Library of Congress Catalog Card Number 72-90187. Herstellung: Julius Beltz, Hemsbach Vorwort Die Krankheitslehre handelt von der Beschreibung einzelner Krankheitsbilder, die als Krankheitseinheiten (Entitaten) in ih rer Ursache (Xtiologie) und Entstehung (Pathogenese) so gleich sind, daB das Erscheinungsbild bei den verschiedenen von der Krankheit betroffenen Patienten wiedererkannt und eine logische Therapie begonnen werden kann. Die Grundlage fur eine derartige Therapie ist die Erhebung des korperlichen Befundes, die unmittelbare Krankenuntersuchung. Diese Technik muB jeder beherrschen, der eine Diagnose stel len und daraus eine Therapie ableiten will. Das Studium der Medizin beginnt in der Vorklinik mit den theo retischen Grundlagen, u. a. der Anatomie, Physiologie und phy siologischen Chemie. So ist es begreiflich, daB wahrend des kli nischen Studiums die Pathophysiologie und die medizinisch technischen Untersuchungsmethoden, wie Labor, Rontgen, EKG, das Hauptinteresse des Anfangers einnehmen. Die Ana mneseerhebung und die unmittelbare Krankenuntersuchung wird nicht ausreichend gelehrt und wird im gleichen MaBe ver nachlassigt wie die genannten technischen Untersuchungsmetho den an Umfang und Wichtigkeit zunehmen. Sicher sind bei dem groBen technischen Fortschritt viele fruher angewandte korperliche Untersuchungsmethoden bzw. Befunde als historisch zu betrachten, wie z. B. das amphorische Atmen bei Kavernenbildung der Lunge. Aber der Wert der korperlichen Untersuchung bleibt bestehen und es ist unabdingbar, deren Technik zu beherrschen. Nach den mit der korperlichen Untersuchung erhobenen Be funden mussen gezielt zur weiteren Diagnostik belastende, evtl. sogar eingreifende Methoden angewandt werden. AuBerdem gibt es Befunde, die nur und allein mit der korperlichen Unter suchung erhoben werden konnen (z. B. tastbare Achseldrusen). Daruber hinaus ist eine gute Anamnese durch keine Technik zu ersetzen. Sie bleibt in ihrer Wertigkeit mit an der ersten Stelle von allen Daten, die zur Krankheitserkennung erhoben werden konnen. 1m Augenblick der Not muB bei Akutkranken ein Be fund auch ohne technischen Aufwand erhoben werden konnen, der eine gezielte Soforttherapie ermoglicht. v Die Anamneseerhebung und die korperliche Untersuchung brin gen den Arzt in die unmittelbare geistige und korperliche Be riihrung mit dem leidenden Menschen, worauf kein Arzt ver zichten kann oder darf. VI Inhaltsverzeichnis Geistige Voraussetzungen Vorgeschichte 5 Eigenanamnese 7 Friihere Erkrankungen 14 Die 11 Pflichtfragen 15 Familienanamnese 18 Erfassung der psychischen Situation des Patienten 21 Technik der Aussprache 21 Beurteilung der Intelligenz 22 Psychische Abnormitaten 22 Beurteilung der psychischen Situation 22 Korperliche Untersuchung 26 Technische Voraussetzung 26 Lagerung des Patienten 27 Das zur korperlichen Untersuchung unbedingt not- wendige Handwerkszeug 28 Die sag. Grundmeflgroflen 30 1. Gewicht ..... 30 2. GroBe ..... 30 3. Korpertemperatur 31 4. Atmung ..... 34 5. PuIs . . . . . 34 6. Blutdruckmessung 34 7. Messung weiterer UmfanggroBen 35 Gesamteindruck des Patienten 36 Haltung 36 Gang 37 Sprache 37 Ernahrungszustand 38 Haut ....... 40 Erhebung des korperlichen Befundes 42 Untersuchung des Kapfes und des Halses 43 Schadel .............. 43 VII Gesicht 45 Untersuchung des Halses 48 Schilddriise ..... . 53 Untersuchung der Mundhohle 55 Augen ...... . 59 Ohren ...... . 61 Beurteilung der Nase 62 Untersuchung des Brustkorbes 62 Topographische Anatomie und Grenzlinien des Thorax ...... 64 Die weibliche Brust 65 Untersuchung von Thorax und Lunge 67 Inspektion 67 Atmung 70 Palpation 72 Priifung des Stimmfremitus 73 Perkussion ........ 75 Technik der Perkussion 77 1. Vergleichende, direkte Perkussion 77 2. Indirekte Methode der Perkussion 78 3. Abgrenzende, indirekte Perkussion 79 Auskultation der Lunge 82 Atemgerausch 83 Nebengerausche 85 Die mit der unmittelbaren Krankenuntersuchung durch Inspektion, Palpation, Perkussion, Auskultation Jeststell- baren LungenafJektionen ................ 88 1. Wasseransammlungen im Pleuraraum, der Pleura- erguB ............... 89 2. Infiltrat .............. 89 3. Vermehrter Luftgehalt der Lungen 90 a) Spontanpneumothorax 90 b) Emphysen 91 4. Atelektase 93 Untersuchung des HerzkreislauJsystems 94 Arterienpuls 94 Pulsfiillung 98 VIII Beurteilung der Herztatigkeit durch die Pulsbetastung 101 Untersuchung des Herzens ....... 103 Topographische Anatomie des Thorax 103 Eigentliche Untersuchung des Herzens 104 1. Inspektion des Herzens 105 2. Palpation des Herzens 105 3: Perkussion des Herzens 108 Technik der Herzperkussion 108 Auskultation des Herzens 111 Herztone ....... 112 Uberzahlige HerztOne 113 Perikarditisches Reiben 113 Herzgerausche 116 Einzelne Herzklappenfehler 119 Aorteninsuffizienz 119 Klinisches Bild 120 Aortenstenose 122 Mitralfehler 123 Kreislaufdekompensation bei Herzmuskelinsuf- fizienz ........ 127 Weitere Klappenfehler 129 Untersuchung des Abdomens 130 Lagerung des Patienten 130 Topographie ..... 130 Inspektion und Auskultation 131 Perkussion ...... . 133 Palpation des Abdomens 136 Leberpalpation 138 Milzpalpation 140 Nierenpalpation 141 Palpation der anderen Abdominalorgane 143 Rectale Untersuchung ........ . 145 Untersuchung des Ruckens 147 Untersuchung der Extremitaten 150 Obere Extremitat 150 Untere Extremitat 155 IX Internistische Untersuchung des N ervensystems 159 Stand und Gang .......... 160 U ntersuchung der Hirnnerven 162 Untersuchung der oberen Extremitat 167 Priifung der Sensibilitat ...... 168 U ntersuchung des Rumpfes 171 U ntersuchung der unteren Extremitat 172 Priifung der latenten Parese ..... 173 Untersuchung des akut bedrohten NotJallpatienten 179 1. Festhalten von Begleitpersonen 180 2. Uberpriifung der Atmung 180 3. Uberpriifung von Herz und Kreislauf 181 4. Uberpriifung des BewuBtseins 183 5. Uberpriifung der Lunge 183 6. Uberpriifung des Abdomens 184 7. Beurteilung des Zentralnervensystems 184 Feststellung des Todes ......... 184 Literatur 187 Sachverzeichnis 189 x Geistige Voraussetzungen Die diagnostische Abklarung und die Therapie von Krankheiten muB nach strengen und eindeutigen Grundsatzen herbeigefiihrt wer den, die der wissenschaftlichen Medizin entnommen sind. Als wis Die Natur senschaftliche Medizin wird die arztliche Tatigkeit ausschlieBlich wissenschaft unter Verwendung von objektiven Daten, die logisch zueinander in liefert die Beziehung gebracht worden sind, bezeichnet. Je deutlicher bei der Technik, Befunderhebung und bei der Therapie zahlenmaBig festgelegte Be ziige benutzt werden, des to mehr ist die arztliche Tatigkeit und das Denken naturwissenschaftlich. Dies steht so im strengen Gegensatz zum ungeordneten Erfahrungswissen der Empirie. Mit der Betonung der naturwissenschaftlichen Denkweise in der die Ethik ist Medizin soll nicht gesagt sein, daB diese das gesamte arztliche Han die Basis deln ausfiillt oder sogar ausfiillen solI. Zweifelsfrei nimmt die am Krankenbett in der Praxis ausgeiibte arztliche Tatigkeit wesentliche Handlungs- und Denkprinzipien auch aus anderen Teilen der Wis senschaft, da sie eine eigentlich pragmatische Wissenschaft ist, deren Grundlage auf einer ganzen Reihe von Einzelwissenschaften be ruht. Zu diesen gehort die geisteswissenschaftliche Psychologie, vor allem aber auch die Soziologie und die sich aus ihr oft ergebende Praventivmedizin. Die Bedeutung und die Notwendigkeit des Aus baus der Praventivmedizin mit ihren weiten, in der Gesellschaft verankerten Anwendungsbereichen und Moglichkeiten kann heute iiberhaupt nur z. T. abgesehen werden. Dariiber hinaus haben aber metaphysische Begriffe fiir die Medizin eine ganz zentrale Bedeutung. Diese werden unter dem Begriff der medizinischen Ethik mit ihren schwerwiegenden Fragen iiber Tod und Leben, Willensfreiheit, Aufklarung mit allen, das einzelne menschliche Individuum betreffenden Noten zusammengefaBt. 1m Mittclpunkt der modernen arztlichen Tatigkeit tcht die. a turwissen 'chatt, mil ihr die Ph} sik, die hemic, die Biologll. die natllrwis enschaftlichc Psychologic so~ ie die biologische An lhropologie. Durch geistige Tatigkeit soll eine Verbindung zwischen dem Objekt (Patient) lind dem Subjekt (Arzt) hergestellt werden. Das wissen schaftliche Denken am Krankenbett sei kllrz dargestellt; es enthalt folgende, zeitlich nacheinander ablaufende Stu fen: