DAS ZWISCHENHIRN HYPOPHYSENSYSTEM VON WOLFGANG BARGMANN O. PROFESSOR DER ANATOMIE, DR. MED. DlREKTOR DES ANATOMISCHEN INSTITUTES DER UNIVERSITAT KIEL MIT 104 TEXTABBILDUNGEN SPRINGER· VERLAG BERLIN· GOTTINGEN . HEIDELBERG 1954 ISBN-13:978-3-540-0l775-2 e-ISBN-13:978-3-642-92616-7 DOl: 10-1007/978-3-642-92616-7 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER UBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN OHNE AUSDRUCKLICHE GENEHMIGUNG DES VERLAGES 1ST ES AUCH NICHT GESTATTET, DIESES BUCH ODER TEILE DARAUS AUF PHOTOMECHANISCHEM WEGE (PHOTOKOPIE, MIKROKOPIE) ZU VERVIELFALTIGEN COPYRIGHT 1054 BY SPRINGER-VERLAG OHG. IN BERLIN, GOTTINGEN AND HEIDELBERG Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung . . . . . . . . . .. ........... . . . . . . . .. 1 I. Uberblick iiber Entwickhing und Morphologie des Zwischenhirn.Hypophysen- systems . . . . . . . . . . 2 1. Die Entwicklung der Hypophyse . . . . . . • . . . . . . . . . . . 3 2. Der Bau der Hypophyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3. Der Hypothalamus und seine nervosen Verbindungen mit der Hypophyse. 14 4. Das hypothalamisch-hypophysare GefaBsystem . . . . . . . . . . 32 II. Die funktionellen Beziehungen zwischen Diencephalon und Hypophyse und ihr Substrat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. \Vasserhaushalt und Osmoregulation. . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Zur Theorie des Diabetes insipidus und anderer zentraler Storungen des Wasser· haushaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Zwischenhirn.Hypophysensystem und Blutdruckregulation . . . . . . . . . 67 4. Zwischenhirn.Hypophysensystem und Regulation der Uterustatigkeit . . . . 72 .5. Die Neurohypophyse als Abgabeort der Hypothalamushormone Adiuretin, Vaso- pressin und Oxytocin . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 6. Zwischenhirn.Hypophysensystem und Laktation. . . . . . 81 7. Zwischenhirn.Hypophysensystem und Kohlenhydrathaushalt 83 8. Zwischenhirn.Hypophysensystem und Fettstoffwechsel . 87 9. Die diencephal.hypophysare Steuerung der Keimdriisen . . 92 10. Zwischenhirn, Hypophyse und Pigmenthaushalt. . . . . . III III. Die Stellung des hypothalamisch.hypophysaren Systems innerhalb des endokrinen Systems . 115 IV. Riickblick 124 Literatur . 125 Einleitung. Das Interesse, mit dem sich Mediziner und Biologen der Erforschung des Zwischenhirn-Hypophysensystems in steigendem Maf3e zuwenden, entspringt einmal der Haufung klinischer Beobachtungen, welche die Existenz dieses Systems, der diencephal-hypophysaren Einheit (LICHTWITZ 1936), zu fordern scheinen. Die auf solche Erfahrungen sich griindende Anerkennung des Begriffes Zwischenhirn-Hypophysensystem seitens der Inneren Medizin spiegelt sich unter anderem in entsprechend betitelten Abschnitten der Lehrbuchdarstellungen z.B. von JORES (1949) und REINWEIN (1952), die Krankheitsbilder wie den Diabetes insipidus und die Dystrophia adiposo-genitalis umfassen. Dem Zwischen hirn-Hypophysensystem ist ferner von internistischer Seite eine Rolle beim Zustandekommen von BASEDowscher Erkrankung, von Fettsucht, Diabetes mellitus und Hochdruck zugesprochen worden (vgl. VEIL und STURM 1946, KOSSMANN und PIRRUNG 1953), teilweise schon zu einem Zeitpunkt, in welchem wir von einer Einsicht in die morphologischen und funktioneUen Verhalt nisse eines derartigen Systems wesentlich weiter als heute entfernt waren. Auch in den Betrachtungen der Gyniikologen wird dem hypothalamisch-hypo physaren System in den letzten J ahren zunehmend Bedeutung beigemessen. Krankhafte Prozesse im Hypothalamus z.B. gelten als Grundlagen einer dience phalo-hypophysaren Ovarialinsuffizienz, in klimakterischen Beschwerden und Ausfallserscheinungen erblickt man den Ausdruck einer "diencephalo-hypophy saren Dysfunktion" (MICHELS 1952). ELERT (1952) faf3t das Zwischenhirn Hypophysensystem im Anschluf3 an HOFF als GIied eines "Funktionskreises" auf, der Nebenniere und Gonaden einschlief3t. Nicht zu iiberharen ist ferner die Stimme des Neurologen, der von einem hypothalamisch-hypophysaren System deswegen spricht, weil die Leistungen des Hypothalamus "denen der Hypophyse vielfach ahneln, zum Teil sogar gleichen", ganz abgesehen von der Tatsache einer geweblichen Verbindung beider Organe (GAGEL 1949). Der von seiten des Rhinologen stammende Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen diencephal hypophysarem System, Riechsphare und Ozaena (MIEHLKE und DIE PEN 1951) mage geniigen, um die Reichweite der klinischen Betrachtungen zu kennzeich nen, die sich auch in der Therapie auszuwirken beginnen. Nicht nur aus klinischer Erfahrung geborene Postulate, sondern auch die Entwicklung einer funktionellen und dynamischen Betrachtungsweise in der Mor phologie haben die Erforschung des Zwischenhirn-Hypophysensystems begiinstigt und gefi:irdert. Zu dem Studium der Organe als in sich geschlossener, mehr oder weniger klar abgrenzbarer Funktionstrager im Sinne der klassischen Form betrachtung ist seit HERMANN BRAUS und ALFRED BENNINGHOFF jenes der funktionellen Systeme getreten, von Funktionsgemeinschaften, deren Elemente nach einem Worte von BENNINGHOFF (1952) "am Faden der Funktion aufgereiht sind". Das bekannteste dieser Systeme ist das reticulo-endotheliale System (LUDWIG ASCHOFF). Ein solches funktionelles System steUt offenbar auch das Zwischenhirn Hypophysensystem dar, dessen Komponenten in friiherer Zeit getrennt als Gegenstande der Neuroanatomie (Zwischenhirn) und der mikroskopischen Ana tomie der Organe (Neurohypophyse, Adenohypophyse) in Verbindung mit der Bargmann, Zwischenhirn. 1 2 Uberblick iiber Entwicklung und Morphologie des Zwischenhirn-Hypophysensystems. Endokrinologie untersucht wurden. Fragmentbetrachtungen dieser Art offnen jedoch nicht den Blick fur das Sehen und Erkennen der funktionellen Zusammen hange. Der Gehirnabschnitt des Zwischenhirn-Hypophysensystems, aus Neuro hypophyse und diencephalen Kernen bestehend, verkorpert keine organhaft ab gegrenzte Bildung. Er ist ein Glied im zentralnervosen Gefuge, durch Besonder heiten seiner Funktion aus diesem hervorgehoben, das mit dem Driisenabschnitt der Hypophyse, einem extracerebralen endokrinen Organ, in nervoser, vielleicht auch humoraler Verbindung steht. Der Morphologe muB bestrebt sein, die strukturellen Eigentiimlichkeiten der einzelnen Glieder der Kette Zwischenhirn-Neurohypophyse-Adenohypophyse auf zudecken und nach den gestaltlichen Grundlagen einer nervosen und humoralen Wechselbeziehung zu fahnden. Mit Recht unterstreicht W. R. HESS (1943) die Notwendigkeit, die Wechselwirkungen zwischen Hypothalamus und Hypophyse zu prazisieren. Es ist weiterhin Aufgabe des Morphologen, das strukturelle .Aquivalent verschiedener Tatigkeitsphasen des Z wischenhirn -H ypophysensystems, die ProzeBhaftigkeit seines Gefiiges aufzuspiiren, ein Versuch, der die Heran ziehung cytochemischer und experimenteller Verfahren erfordert. Nur auf diesem Wege konnen wir hoffen, eines Abglanzes der Dynamik dieses funktionellen Systems habhaft zu werden. Die dem Zwischenhirn-Hypophysensystem in verschiedenen Lagern und unter verschiedenen Gesichtspunkten gewidmeten Bemiihungen haben eine Fiille von Veroffentlichungen gezeitigt, die zu uberblicken bereits Schwierigkeiten bereitet. Eine zusammenfassende, wenngleich auswahlende Darstellung der bisher ge wonnenen Ergebnisse und Hypothesen, welche die Morphologie, Physiologie und Klinik des diencephal-hypophysaren Systems betreffen, liegt daher im Interesse weiterer Forschung. DaB die starke Beriicksichtigung im Kieler Anatomischen Institut erzielter Resultate1 dieser Monographie eine subjcktive Note verleiht, wird hoffentlich nicht als Nachteil empfunden werden. 1m Hinblick auf die Notwendigkeiten der Forschungsarbeit habe ich mich nicht auf die schwer durchschaubaren Verhaltnisse beim Menschen beschrankt. Nur die Ausschopfung der in der vergleichenden Morphologie und der Physiologie gelegenen Moglichkeiten kann uns jene Einsicht in das Wirken des Zwischenhirn Hypophysensystems schenken, welche die Klinik fordert und deren sie bedarf, will sie nicht einer "diffusen hypothalamischen Problematik" (STURM 1949) zum Opfer fallen. I. Uberblick fiber Entwicklung und Morphologie des Zwischenhirn-Hypophysensystems. Das Zwischenhirn-Hypophysensystem wird durch Kerngruppen des mark armen Hypothalamus, die aus dem Diencephalon hervorgegangene, mit dem Hypothalamus verbundene Neurohypophyse und die Adenohypophyse gebildet, an der man den Vorder-, Zwischen- und Trichterlappen topographisch und strukturell unterscheidet. Als Neurohypophyse bezeichnen SPATZ (1951(52) und CHRIST (1951) den Hinterlappen, den Stiel und den Trichter (Infundibulum). Hypothalamische Kerne und Neurohypophyse stehen durch nervose Bahnen miteinander in Verbindung, stellen also ein Kontinuum dar. Welcher Art die Beziehungen zwischen Neuro- und Adenohypophyse sind, ist umstritten. Es handelt sich sicherlich nicht nur urn Kontaktbeziehungen, wie man auf Grund 1 Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Rockefeller Foundation danke ich auch an dieser Stelle fiir die Fiirderung unserer Studien. Die Entwicklung der Hypophyse. 3 eiller fluchtigen Betrachtung der anatomischen Verhaltnisse zunachst annehmen konnte, sondern um eine teils nervose, teils vasculare Verbindung zwischen beiden Hypophysenabschnitten. Die innige Vereinigung einer dem Zentralnervensystem angehorenden Bildung mit einer inkretorischen Druse (Adenohypophyse) - vergleichbar dem Zu sammenschluB des dem vegetativen Nervensystem angehorenden Nebennieren markes mit dem epithelialen Rindenorgan - ist das Ergebnis eines komplizierten Entwicklungsvorganges, der im AnschluB an ROMEIS (1940) kurz geschildert sei. o.s.--- Zz. c::::=J c=:J IIlIIIIIIIIII[I • •• • •• •• • ;// / // 1 2 J 1I S Abb. 1. Schema eines nicht ganz median gelegenen Sagittalschnittes durch das Tuber cinereum und die Hypo physe zur Erliiuterung der Lage der verschiedenen Abschnitte des Tuber cinereum und der Hypophyse. 1 Neurohypophyse (= Hinterlappen, Trichterstiel, Trichter); 2 Gebiet des Nucleus infundibularis; 3 GefiiB nervenzone (= Neurovascularzone von GREEN und HARRIS) mit Inseln der Pars infundibularis der Adeno hypophyse; 4 aullere Gliafaserdeckschicht; 5 Gebiet der Verzahnung von Infundibulum und Tuber cinereum. L.t. Lamina terminalis; R.S.D. Recessus supraopticus; Ch. Chiasma fasc. opt.; S.i. Sulcus infundibularis; P.i.Ad. Pars infund. Adenohyp.; Hst. Hypophysenstiel; D.B. Diaphragma sellae; VI. Vorderlappen; Zz. Zwischenzone; HI. Hinterlappen; 7's!. Trichterstiel; In'. Infundibulum; R.i. Recessus infundibuli; Rad.in!. Radix infundibuli; R.m. Recessus mamillaris; C.m. Corpus mamillare. Aus CHRIST 1951. 1. Die Entwicklung der Hypophyse. Die gesamte menschliche Hypophyse geht aus einer als Hypophysenfeld be zeichneten neuroektodermalen Zellplatte im dorsalen Bereich der Mundbucht hervor (GILBERT 1934), die sich spater in eine dem Boden des primaren Hirn blaschens angehorende neurale und eine der Auskleidung der Mundbucht zu gehorige ektodermale Schicht sondert (Keimling von 16 mm Lange). In der Region der Hypophysenanlage sind Epithel der Mundbucht und Boden des Hirnblaschens zunachst eng miteinander verbunden. Mit Entfaltung des Vorder hirnblaschens und Entstehung der Kopfbeuge bildet sich der sog. Hypophysen winkel an der Stelle, an der sich das Ektoderm des Hypophysenfeldes in das der Rachenmembran fortsetzt. Dieser Winkel vertieft sich zur Hypophysenbucht, wahrend die Rachenhaut einreiBt und ruckgebildet wird. Bereits bei einem 6,5 mm langen Keimling liegt eine abge£lachte H ypophysentasche (RATHKEsche Tasche) vor, deren Vorderwand sich dem Boden des Zwischenhirns anschmiegt, an dem auf dieser Entwicklungsstufe noch keine Anzeichen einer Beteiligung an der Organgestaltung wahrzunehmen sind. Die Mundung der RATHKEschen 1* 4 Uberblick iiber Entwicklung und Morphologie des Zwischenhirn-Hypophysensystems. Tasche ("Hypophysenmund"), stellt eine halbmondformige Offnung dar. In der Hypophysentasche haben wir die Anlage der Adenohypophyse vor uns. Die Abdrangung der Hypophysentasche yom Boden des Zwischenhirns, die bei etwa 8 mm langen Keimlingen einsetzt, wird mit dem Einwuchern von Mesenchym zwischen Hirnboden und Tasche von beiden Seiten her eingeleitet. HH n b Abb. 2a-u. b. a Hypophysentasche eines menschlichen Embryo von 12,5 mm S.S.L. in der Ansicht von frontal. HH Horner des Vorderlappens; I Incisur iiir den Hirnteil; Mw Mittelwulst. Nach einem Plattenmodell. Yergr. 1:50. (Nach HOCHSTETTER.) b Anlage der Adenohypophyse eines menschlichen Embryo von 16mm S.S.L. von frontal ge.ehen. Mw Mittelwnl.t; Hg Hypophysengang; v.R. verdiinnter Rand des Hypophysensackes. Nach einem Plattcnmodell. Yergr. 1: 50. Nach HOCHSTETTER. 1m medianen Teil der Anlage bleibt die Verbindung yon frontaler Taschenwand und Hirnboden zunachst erhalten. Diesem Zusammenhang entspricht ein sagittal gerichteter sog. Mittelwulst auf der Vorderwand der Hypophysentasche. Bei Embryonen etwa gleicher Entwicklungsstufe erscheint auch erstmalig eine Ver dickung des Zwischenhirnbodens als Anlage des Hirnteils der Hypophyse. Aus ihr geht eine Ausbuchtung hervor, der Processus infundibularis. Diese Buchtbildung legt sich an die Ruckflache der Hypophysentasche an, wo sie eine Eindellung hervorruft. Beiderseits des Einschnittes fur den ",' Hirnteil wachst die Hypophysen J>.I. 1J tasche flugelartig aus. Aus der dem Abb. 3. Hypophysenkorbchen eines menschlichen Em Infundibularfortsatz angelagerten bryo von 26 mm S.S.L. von frontal und oben gesehen. P.t. Anlage der Pars tnberalis; B seitlicher Binnenraum Wandpartie der Tasche bildet sich der des Kiirbchens. Nach einem Plattenmodell. Yergr. 1: 50. Xach ATWELL 1926. Mittellappen (Zwischenlappen, Pars intermedia) der Adenohypophyse. Infolge des Vordringens des Mesenchyms wird die ursprunglich weite Offnung des Hypophysenmundes zu einem stielartigen Hypophysengang eingeengt, der sich streckt und sein Lumen verliert. Der Hypophysenstiel, der das Hypophysen sackchen mit dem Rachendach verbindet, wird in solide epitheliale Fragmente zerlegt, die schliel3lich mehr oder weniger vollstandig verschwinden (Keimling von 20 mm Lange). Aus den zwischen Keilbeinkorper und Epithel des Rachen daches gelegenen Resten entwickelt sich die Rachendachhypophyse. Wahrend und nach der Abschnurung der Hypophysentasche von ihrem Mutterboden gestaltet sich die Tasche selbst zum H ypophysenkorbchen um, in dem sich caudaler und seitlicher Sackchenrand in Richtung auf das Gehirn Die Entwicklung der Hypophyse. 5 umkrempeln. Aus demEpithel der frontalen Wand des Sackchens wuchernEpithel knospen in das umgebende Mesenchym vor, aus dem Rand des Sackchens beider seits des Stiels entwickeln sich kleine V orspriinge als Anlage des Trichterlappen8 (Par8 tuberalis). Zur gleichen Zeit gewinnt der Processus infundibularis die Gestalt eines hohlen Zapfens. Bei einem 26 mm langen Embryo zeigt die Anlage der Adenohypophyse das Aussehen eines Korbchens, das mit Mesenchym gefiillt ist: Die Korboffnung ist dem Zwischenhirnboden zugewandt. Der erwahnte Mittelwulst gliedert den Binnen raum in eine linke und rechte Halfte. Aus dem Mittelwulst ent sprieBende Epithelstrange errei chen einmal die Oberflache des Zwischenhirns und vereinigen sich andererseits mit Aussprossungen der umgekrempelten Frontalwand zu einer epithelialen Platte, wah rend der vom Mesenchym einge nommene Raum des Korbchens in des sen Seitenpartien hirnwarts geoffnet ist. Der eingangs als Pars tubemlis bezeichnete Abschnitt der Adeno hypophyse, dessen Anlage von HOCHSTETTER (1924) erstmalig bei einem Keimling von 41,4 mm Scheitel-SteiBlange beo bachtet wurde, geht aus der frontalen Wand des Hypophysenkorbchens hervor und wachst gegen die Chiasmaplatte hin aus. Die Anlage des Zwischenlappens wird durch die dem Hirnteil benachbarte Wand des Hypophysensackes verkorpert, deren Proliferationen in das Mesen Abb. 4. Diencephalon (pnnktiert), Hypophysenstiel (schwarz), und Hypophyse beim Meerschweinchen (oben) und beim chym zwischen Neurohypophyse erwachsenen Menschen (unten). Aus DIEPEN 1948. und Adenohypophyse eindringen. Bei Embryonen von etwa 40 mm Lange ist der Processus infundibularis, die Anlage der Neurohypophyse, in ein kurzes Infundibulum - dessen Lichtung als Recessus infundibularis bezeichnet wird - und die verdickte, nun lichtungslose N eurahypo physe gesondert. Dieser Entwicklungsvorgang erfahrt mit der Streckung des Hypo physenstieles weitere Fordcrung und wird mit einer Knickbildung des Stieles abgeschlossen, welche durch die Verlagerung des Zwischenhirnbodens nach dorsal bedingt ist. Noch bei Embryonen des 6. Monats findet man den Hypophysenstiel ventrocaudal gerichtet, wie dies bei erwachsenen Nichtprimaten die Regel ist; beim Saugling ist die ventro-orale Orientierung vollzogen. Die fUr hohere Primaten und den Menschen bezeichnende ventra-orale Aus richtung von Infundibulum und Hypophyse (Abb. 4) hangt nach DIEPEN (1948) mit der Massenzunahme des GroBhirns zusammen (s. auch CHRIST 1951). Der durch diese bedingte Wachstumsdruck solI passive Veranderungen von Form und Lage jener Hirnteile zur Folge haben, die massenmaBig hinter der GroBhirnent faltung zuriickbleiben. Die Hypophyse in der Sella turcica wird in frontaler Richtung verlagert, das Chiasma nach occipital. 6 Uberblick tiber Entwicklung und Morphologie des Zwischenhirn-Hypophysensystems. z 11 Abb. 5. Frontalschnitt durch Zwischenhirn (Z) und Hypophyse eines iiltoren Mausembryos. H Hypophysen hOhle; St Stiel der Neurohypophyse. (Hiimatoxylin-Eosinfiirbung, Vergr. 100fach.) Die Umgestaltung der urspriinglich schalenartigen Anlage der Adenohypo physe zu einem geschlossenen epithelialen Drusenkorper (Abb. 5, 9) beruht auf der 31'------:-0:-' Proliferation ihres Epithels, welche die MesenchymstraBen mehr und mehr ein engt, bis schlieBlich nur schmale GefiW bahnen zwischen den Epithelbalken und -strangen iibrigbleiben. Die Hypophysen hahle, der Lichtung der RATHKEschen Tasche entsprechend, wird zunehmend zu einer Spalte eingeengt, die beim Menschen verschwindet, wahrend sie bei zahlreichen Saugern erhalten bleibt (Abb. 9). Ais Reste der Hypophysenhohle findet man beim Menschen die kolloidhaltigen RATH KEschen Oysten und kleinere sekretgefiillte Epithelblaschen. Die typische Gestalt der Adenohypo physe und ihre Gliederung in verschiedene Abschnitte sowie ihre Beziehung zum Infundibulum und zur Neurohypophyse tritt bereits beim 102 mm langen Embryo RA klar in Erscheinung (Abb. 7). Man erkennt Abb. 6. Sagittalschnitt durch die IIypophyse eines lllenschlichen Keimlings yon 19 mm grof3ter die seitlich a usladenden Partien des Vorder Lange. 3. V. 3. Ventrikel; Nh Neurohypophyse. lappens, die mit lappigen Fortsatzen den Zusammenhang mit 3. Ventrikel nicht getroffen; Ah Adenohypophysc. St Stie! der Hypophysen Stiel der Neurohypophyse umgreifen, so tasehe; Rh Raehendachhypophyse. Vergr.65fach. Aus GROSSER und POLITZER 1953. wie die von dem Vorderlappenabschnitt in Richtung auf das Tuber cinereum sich erstreckende Pars tuberalis. Diese topographisch unterscheidbaren Abschnitte del' Adenohypophyse zeichnen sich spater durch feinbauliche Verschiedenheiten aus. Der Bau der Hypophyse. 7 Nicht bei allen Tierformen kommt es zur Ausbildung eines Hinterlappens. So beschrankt sich die Bildung einer Neurohypophyse bei Cyclostomen (Petro myzon fluviatilis) auf eine Verdickung des Trichterbodens (ROMEIS 1940, BARG MANN 1953). In anderen Fallen kann ein Hinterlappen zwar entwickelt, aber nicht zu einem klar abgrenzbaren Teil der Neurohypophyse und damit des Gesamtorgans differenziert sein (SCHARRER 1952, BARGMANN 1953). Auf diese in funktioneller Hinsicht interessanten Verhaltnisse wird auf S. 112 f. eingegangen. 2. Der Bau der Hypophyse. Die ausgereifte, yom Boden des Zwischenhirns abgesetzte H ypophyse des Menschen, der "Hirnanhang", stellt ein etwa walzenfarmiges Organ dar, dessen ruckwartigen Abschnitt der Hinter lappen mehr oder weniger stark vorbuckelt. Der isolierte Drusenteil der Hypophyse weist eine in ihrer Tiefe individuell wechselnde Ein buchtung auf, in welche der etwa beeremarmige Hinterlappen einge fugt ist. Der in situ frontal orien- tierte Langsdurchmesser der 'Valze II fl ubersteigt den graBten Sagittal durchmesser in der Regel um das 2-21Mache (ROMEIS 1940, vgl. dort weitere Einzelheiten). Die Durch schnittswerte des sagittalen, trans versalen und vertikalen Durch messers der Hypophyse betragen Abb. 7. Wachspiattenrekonstruktion der Hypophyse eines 12,5mm, 14,4mm und 5,5mm (ERD menschlichen Embryo von 102 mm S.B.L. in der An sicht von hinten nnd oben. HH IItimer des Vorderiappens; HElM und STUMME 1909), das Durch H.t. caudaigerichtetes Horn der Pars tuberalis; Nh Neuro hypophyse; P.t. Pars tuberalis; Sp mit Bindegewebe schnittsgewicht 0,60-0,65 g. In Ge ansgefiiliter Spalt. Vergr. 1: 35. (Nach ATWELL 1926.) wichtsschwankungen kommen die Einflusse von Alter und Geschlecht zum Ausdruck. Beim weiblichen Geschlecht findet man hahere Gewichtswerte; wiihrend der Sch wangerschaft vergraBert sich das Organ. Die Hypophyse des Menschen liegt in der Sella turcica, von deren Wandung sie durch Hiillen und Blutgefa{3e geschieden wird. Das Diaphragma sellae, welches den Tiirkensattel als Duramembran iiberspannt, liiBt den Hypophysenstiel durch eine rundliche Offnung hindurchtreten. In niichster Umgebung des Organs be finden sich Arteria carotis interna, der Circulus arteriosus WILLISI, der Sinus cavernosus und circularis sowie die vena sen Bahnen der Kapsel und Zisternen. Uber die klinisch wichtigen Lagebeziehungen der Hypophyse zum Chiasma fasciculorum opticorum unterrichtet die Monographie von ROMEIS (1942). Die bindegewebigen Hullen der Hypophyse, die sog. Kapsel, bestehen aus einem dem Sellaperiost angeharenden Stratum periostale, dem venenreichen Stratum vasculare und der Organkapsel im engeren Sinne, dem Stratum fibrosum (ROMEIS), das sich dem Drusengewebe unvermittelt anschmiegt. Dem reich entwickelten Gefa{3system der menschlichen Hypophyse (ROMEIS 1940, R. A. PFEIFER 1951, SPANNER 1952, Abb. 8) kommt, wie neuere Unter suchungen erkennen lassen, fraglos eine besondere Bedeutung fur die enge funk tionelle Verknupfung von Zwischenhirn und Hirnanhang zu, weswegen seine strukturellen Besonderheiten zunachst kurz dargestellt werden. Dem arteriellen Zustrom dienen die Arteriae hypophyseos inferiores, je aus der rechten und