107 Forschung Soziologie Oliver Hämmig Zwischen zwei Kulturen Spannungen, Konflikte und ihre Bewältigung bei der zweiten Ausländergeneration Oliver Hämmig Zwischen zwei Kulturen Forschung Soziologie Band 107 Oliver Hämmig Zwischen zwei Kulturen Spannungen, Konflikte und ihre Bewältigung bei der zweiten Ausländergeneration mit einem Vorwort von Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2000 Gedruckt auf säurefreiem und alterungs beständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme ISBN 978-3-8100-2950-8 ISBN 978-3-663-11932-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-11932-6 © 2000 Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Leske + Budrich, Opladen 2000 Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Wintersemester 199912000 auf Antrag von Prof. Dr. H.-J. Hoffmann-Nowotny als Disser tation angenommen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtJich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla ges unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhaltsverzeichnis vorwort ................................................................. 9 1. Einleitung: Die "verlorene Generation"? .....•...•.......... 12 2. Erkenntnisinteresse und Fragestellungen .•................... 18 3. Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand ............. 22 3.1. Forschungsüberblick zur Zweiten Generation ............................. 22 3.2. Definition und numerische Situation der Zweiten Generation in der Schweiz 27 3.3. Zur spezifischen Problematik der Zweiten Generation .................. 33 3.3.l. Das Dilemma der Zweiten Generation ............................... 36 3.3.2. Zwischen Tradition und Moderne ..................................... 37 3.3.3. Türkische und schweizerische Werte und Erziehungsziele ...... 39 3.3.4. Zum Zusammenhang von Migration und Gesundheit.. ......... 41 3.4. Zur Sozialisation und Assimilation der Zweiten Generation .......... 48 3.4.1. Sozialisationskonflikt und Identitätsentwicklung ................ 49 3.4.2. Zum Zusammenhang von Kultur und Sprache .................... 53 3.4.3. Das "Drei-Generationen-Assimilations-Modell" .................. 54 4. Theoretische Konzepte ........................................... 60 4.1. Das Marginal Man-Konzept.. .................................................. 61 4.1.1. Zur Unterscheidung von struktureller und kultureller Marginalität ............................................................ 64 4.l.2. Kritik am Konzept des Marginal Man ............................... 65 4.2. Das KulturkonJlikt-Konzept ................................................... 67 4.2.1. Zum Kulturbegriff.. ...................................................... 67 4.2.2. Zur Kulturkonfliktthese ................................................. 74 4.2.3. Kulturkonflikt und psychosoziale Befindlichkeit.. ............... 77 4.2.4. Kritik am Konzept des Kulturkonflikts ............................. 80 4.3. Das Anomie-Konzept ........................................................... 88 4.3.1. Das Theorem von Durkheim ........................................... 88 4.3.2. Das Anomie- und Devianzmodell von Merton .................... 91 4.3.3. Der Ansatz von Hoffmann-Nowotny ................................ 98 4.3.4. Das sozialpsychologische Konzept der "Anomia" .............. 101 4.3.4.1. "Anomia" bei Merton ......................................... 101 4.3.4.2. "Anomia" bei Srole ............................................ 103 4.3.4.3. "Anomia" bei McClosky und Schaar. ..................... 104 4.3.5. Anomie bei der Zweiten Generation ............................... 106 4.3.6. Kritik am Anomie-Konzept.. ........................................ 109 5 4.4. Das Coping-Konzept. .......................................................... 116 4.4.1. Definition von Coping ................................................ 116 4.4.2. Der stresstheoretische Ansatz von Lazarus ....................... 1 18 4.4.3. Stress bei der Zweiten Generation .................................. 121 4.4.4. Coping bei der Zweiten Generation ................................ 125 4.4.4.1. Drei Grundmuster kultureller Adaption ................... 128 4.4.4.2. Exkurs zu zwei spezifischen Strategien ................... 129 4.4.5. Das Problem der funktionalen Äquivalenz und empirischen Latenz .................................................................. 134 5. Annahmen und Hypothesen ................................... 137 5.1. Grundpostulat von der Zweiten Generation als den "Marginal Men" ............................................................................... 138 5.2. These von der kulturellen Distanz .......................................... 140 5.3. These vom intrafamilialen Generationenkonflikt. ...................... 147 5.4. These von der Pendelmigration .............................................. 149 5.5. Modifizierte Modernitätsdifferenzthese .................................... 153 5.6. These von der strukturellen Distanz ........................................ ISS 5.7. These von der intergenerationellen Reproduktion der Aufstiegsaspiration ............................................................ 162 5.8. These von der externalen Attribution der Statusfrustration .......... 164 5.9. Frustrations-Aggressions-These ............................................. 168 5.10. These vom psychosozialen Identitätskonflikt. ......................... 172 5.11. These vom emotionalen, sozialen und mentalen" Rückzug" ...... 177 5.12. These von der" Rückkehrillusion " ........................................ 183 5. 13. These von der Sphärentrennung ........................................... 189 5.14. Adaptierte Binnenintegrationsthese ....................................... 192 5.15. These von der kompensatorischen Leistungsorientierung .......... 196 6. Daten und Methode .......•..................................... 199 6.1. Untersuchungsdesign und Erhebungsinstrument ........................ 199 6.2. Stichprobenziehung und Auswahlveifahren .............................. 202 6.3. Ausschöpfung und Ausfallstatistik. ........................................ 207 6.4. Zur Repräsentativität der Stichprobe ....................................... 211 6.4.1. Geschlecht ................................................................ 213 6.4.2. Alter ........................................................................ 215 7. Operationalisierung ............................................ 217 7.1. Trichtermodell und theoretisches Pfadmodell ............................ 217 7.2. Skalen und Indizes .............................................................. 219 7.2.1. Indikatoren zur Marginal Man-Spannung und zum Kulturkonflikt. ...................................................... 223 6 7.2.2. Indikatoren zur Anomie ............................................... 228 7.2.2.1. Operationalisierung der Orientierungsanomie ........... 229 7.2.2.2. Operationalisierung der Deprivationsanomie ............ 233 7.2.2.3. Anomie-Index als Kombination von Orientierungs- und Deprivationsanomie ....................................................... 243 7.2.3. Indikatoren und Prädiktoren von "Stress" ......................... 247 7.2.3.1. Kulturelle und strukturelle Spannungen ................. 248 7.2.3.2. Life Events ...................................................... 252 8. Präsentation und Interpretation der empirischen Befunde 256 8./. Grundpostulat von der Zweiten Generation als den "Marginal Men" ............................................................................... 259 8.2. These von der kulturellen Distanz .......................................... 26/ 8.3. These vom intrafamilialen Generationenkonflikt. ...................... 271 8.4. These von der Pendelmigration .............................................. 279 8.5. Modifizierte Modernitätsdifferenzthese .................................... 287 8.6. These von der strukturellen Distanz ........................................ 293 8.7. These von der intergenerationellen Reproduktion der Aufstiegsaspiration ............................................................ 303 8.8. These von der externalen Attribution der Statusfrustration .......... 312 8.9. Frustrations-Aggressions-These ............................................. 317 8.10. These vom psychosozialen Identitätskonflikt. ......................... 327 8.11. These vom emotionalen, sozialen und mentalen" Rückzug" ...... 341 8.12. These von der "Rückkehrillusion " ........................................ 350 8.13. These von der Sphärentrennung ........................................... 360 8.14. Adaptierte Binnenintegrationsthese ....................................... 364 8./5. These von der kompensatorischen Leistungsorientierung .......... 370 9. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse. ....... 373 10. Schlusswort .................................................... 389 Literaturverzeichnis. ............................................... 393 7 Danksagung Nicht etwa persönliche Betroffenheit - ich bin selbst kein Angehöriger der zweiten Ausländergeneration -, auch nicht eine besondere soziale ,,Nähe" oder kulturelle Affinität zur Zweitgenerationspopulation und schon gar nicht die Aussicht auf akademische Meriten, sondern allein wissenschaftliche Neugier und professionelles Interesse an der Zweitgenerationsthematik oder vielmehr -problematik haben mich dazu bewogen, die vorliegende Doktorarbeit zu ver fassen. Gerade diese emotionale (und gewissermassen auch soziale) "Distanz" zum Forschungsobjekt und Untersuchungsgegenstand hat der Arbeit, wie ich meine, erst zur nötigen Objektivität und Unvoreingenommenheit verholfen. Dass sich mir überhaupt Gelegenheit zum Verfassen dieses Buches bot, ist in erster Linie das Verdienst meines Doktorvaters Prof. Dr. Hans-Joachim Hoff mann-Nowotny, dem damit mein besonderer Dank gilt. Er setzte vollstes Ver trauen in mich, indem er mir noch als Student kurz vor Studienabschluss eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Soziologischen Institut anbot und mich im Rahmen seines Forschungsprojekts "Das Fremde in der Schweiz" mit der Durchführung und Auswertung einer Untersuchung betraute, die mir die Datenbasis für die vorliegende empiriegestützte Studie liefern sollte. Dank gebührt aber auch meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen, namentlich Jörg Stolz, Anne Juhasz, Eva Mey und Andreas Gisler, die mich in meiner Arbeit ermutigten und die mir mit ihren fachkundigen Tips und kritischen Anregun gen immer wieder ein konstruktives Feedback über den jeweiligen Stand der Arbeit lieferten und damit viel zum Gelingen dieses Buches beigetragen ha ben. Nicht unerwähnt bleiben darf mein Studienkamerad Felix Fischer, der sich die Mühe zur sorgfältigen Lektüre einer der letzten, mittlerweile sehr um fangreichen Fassungen meiner Dissertation nahm und diese mit wissenschaft licher Fachkenntnis und journalistischem Sachverstand auf etwaige inhaltliche Ungereimtheiten und sprachliche Unschönheiten hin durchschaute. Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der Arbeit hat schliesslich auch meine Frau Margreth Hämmig-Gräser, die mich in vielerlei Hinsicht in meinem Vorha ben, diese Abhandlung zu schreiben, unterstützte und mich bei den üblichen Frustrationserfahrungen und auftretenden Ermüdungserscheinungen stets zum Weitermachen ermunterte. 8 Vorwort Internationale Migration, insbesondere die oft problematisierte Immigration und Integration von Ausländerinnen und Ausländern aus fremden Kulturen, ist ein gerne und wiederkehrend politisiertes und dabei polarisierendes sowie in der Öffentlichkeit häufig allzu plakativ diskutiertes Thema. Unbestritten ist, dass besagte (Massen-)Einwanderung und Eingliederung von ausländischen Personen unterschiedlichster nationaler und kultureller Herkunft für jede Auf nahmegesellschaft wie auch für die Einwanderer selbst eine grosse Herausfor derung darstellt. Die Schweiz ist diesbezüglich keine Ausnahme, stellt sie doch seit langem ein Ziel von Arbeitsmigranten dar und ist trotz des Fehlens einer eigentlichen Zuwanderungspolitik und selbst angesichts einer ver gleichsweise restriktiven Ausländerregelung und Einbürgerungspolitik ein be gehrtes Einwanderungsland geworden. Lange Zeit standen die ausländischen Gastarbeiter und deren Integration und Assimilation im Untersuchungs fokus sozialwissenschaftlicher Minderheiten- und Migrationsforschung in der Schweiz. Die Auswirkungen der (Arbeits-)Migration sind jedoch nachhaltig und betreffen nicht nur die eigentlichen Einwanderer, sondern auch nachfol gende Generationen, namentlich die direkten Nachkommen besagter Arbeits migranten, die zweite Ausländergeneration. Die Studie von Oliver Hämmig rückt nun gen au diese "Gastarbeiterkinder", die hierzulande geboren und mitt lerweile herangewachsen sind, und deren Lebenssituation ins Zentrum des Er kenntnisinteresses und macht dabei insbesondere die türkische und italienische Zweite Generation zum Forschungsgegenstand. Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des Forschungsprojekts ,,Das Fremde in der Schweiz", womit eine von mir begründete und seit Ende der sechziger Jahre am Soziologischen Institut der Universität Zürich gepflegte Forschungstradition weitergeführt wird, die mit der soziologischen Erklärung der "Fremdarbeiterproblematik" ihren Anfang nahm und nun in einer fundier ten und beispielhaften Analyse der "Zweitgenerationsproblematik" eine konse quente und längst fällige Fortsetzung findet. Damit wird nicht nur ein in der Schweiz noch nahezu brachliegendes Forschungsfeld "beackert" und eine be stehende Forschungslücke geschlossen. Auch wird dadurch der zunehmenden sozialen Relevanz und gesellschaftspolitischen Bedeutung der ausländischen Zweitgenerationspopulation in der Schweiz Rechnung getragen. Diese offen bart sich mitunter in der wachsenden Zahl und im gestiegenen Anteil der Zweitgenerationsangehörigen innerhalb der hiesigen Ausländerpopulation - bereits zählen weit über 300'000 Personen in der Schweiz zur zweiten Auslän dergeneration. was einem knappen Viertel der ständigen ausländischen Wohn bevölkerung entspricht. 9