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Zwischen den Kulturen: Theorie und Praxis des interkulturellen Dialogs PDF

176 Pages·2015·4.918 MB·German
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Conditio Judaica 20 Studien und Quellen zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte Herausgegeben von Hans Otto Horch in Verbindung mit Alfred Bodenheimer, Mark H. Gelber und Jakob Hessing Zwischen den Kulturen Theorie und Praxis des interkulturellen Dialogs Im Auftrag des Fran¿ Rosenzweig- Forschungszentrums für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte der Hebräischen Universität Jerusalem herausgegeben von Carola Hilfrich-Kunjappu und Stéphane Mosès Max Niemeyer Verlag Tübingen 1997 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Zwischen den Kulturen : Theorie und Praxis des interkulturellen Dialogs / im Auftr. des Franz- Rosenzweig-Forschungszentrums für Deutsch-Jüdische Literatur und Kulturgeschichte der Hebräischen Universität Jerusalem hrsg. von Carola Hilfrich-Kunjap'pu und Stéphan Mosès. - Tübingen : Niemeyer, 1997 (Conditio Judaica ; 20) ISBN 3-484-65120-2 ISSN 0941-5866 © Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1997 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Industriebuchbinderei Hugo Nädele, Nehren Inhalt Vorwort 1 Wolfgang Iser On Translatability Variables of Interpretation 9 Aleida Assmann Translation as Transformation 21 Klaus Reichert Zur Übersetzbarkeit von Kulturen - Appropriation, Assimilation oder ein Drittes? 35 Jan Assmann Der Name Gottes und das Problem interkultureller Übersetzbarkeit .. 47 Stéphane Mosès "Ich werde sein, der ich sein werde" Die Offenbarung der Namen in der biblischen Erzählung 65 Gabriel Motzkin Philosophy and Translation 79 Christoph Schmidt Kant verirrt sich in Babel Der Bericht vom Turmbau zu Babel als Urtext der säkularen Kultur 93 Andreas Kilcher Verstellung und Geheimnis Spinoza und die Rhetorik des Schreibens zwischen Kulturen 107 VI Inhaltsverzeichnis Carola Hilfrich-Kunjappu Facing Cross-Culturality On Cultures, Scriptures and the Face in Moses Mendelssohn's Jerusalem and Roland Barthes' Empire of the Signs 127 Sander L. Gilman You Are What You Eat Fantasies of Jews, Purity, and Slaughter at the Fin de Siècle 143 Renate Schlesier Ein Kampf gegen die Dämonen von Natur und Kultur Aggression und Vergessen bei Freud 155 Personenregister 165 Vorwort Die in diesem Band versammelten Aufsätze gehen auf eine internationale Tagung zurück, die im Juli 1994 am Franz-Rosenzweig-Forschungszentrum für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte der Hebräischen Uni- versität in Jerusalem stattgefunden hat. Die Tagung stand im Zeichen einer interdisziplinären Diskussion über Probleme interkultureller Begegnungen und Methoden ihrer Analyse. Damit sollte ein begrifflich und methodisch fundierter Bezugsrahmen für die Erforschung der partikularen Erfahrung deutsch-jüdischer Interkulturalität, die das Franz-Rosenzweig-Zentrum sich zur Aufgabe gesetzt hat, geschaffen werden. Die Anbindung von Analysen der deutsch-jüdischen Kulturbegegnung an einen allgemeinen theoretischen Diskurs der Interkulturalität bietet sich aus mehreren Gründen an. Die historische Begegnung von Deutschen und Juden ist zweifellos eine der Grunderfahrungen der europäischen Moderne gewe- sen. Dabei stellt sie zugleich ein Paradigma für interkulturelle Begegnung als auch einen speziellen Einzelfall dar. Die kulturelle Begegnung von Juden und Deutschen war eine endogene, die sich als das Verhältnis von einer Minderheit zu einer Mehrheit gestaltete (im Gegensatz zu exogenen Bezie- hungen zwischen autonomen kulturellen Entitäten), und sie verblieb inner- halb dieses hegemonialen Machtgefälles. Als Minderheit aber waren die deutschen Juden gleichzeitig innerhalb und außerhalb der deutschen Kultur, so daß sich zwischen einer "jüdischen" und einer "deutschen" Kultur in die- ser Kulturbegegnung keine festen Grenzen ziehen lassen. Vor diesem Hin- tergrund ließe sich der notorische Bindestrich jener "deutsch-jüdischen" Kul- tur als Zeichen einer Trennung lesen, die zugleich eine Bindung ist. Auf der religiösen Ebene zeigt sich die deutsch-jüdische Beziehung als Begegnung zwischen Judentum und Christentum, in der sich zugleich eine beunruhigen- de Nähe und äußerste Distanz manifestierten. Von einem kulturtheoretischen Standpunkt aus kann dies auch als Spannung zwischen Tradition und Mo- derne gelesen werden. Und jene historischen Strategien kultureller Bezie- hung, die in der deutsch-jüdischen Kulturgeschichte verhandelt wurden - Assimilation, Ausgrenzung, Integration, Dissimilation etc. -, bauen auf die- ser politisch-religiös-kulturellen Struktur auf. Auch insofern, als diese selben Strategien in ganz anderen historischen Kontexten noch heute verhandelt 2 Vorwort werden, kann die deutsch-jüdische Kulturbegegnung als paradigmatisch ver- standen werden. Die historische Begegnung von Deutschen und Juden hat jedoch, in ihrem katastrophalen historischen Ende, die europäische Moderne radikal problemati- siert. Auch dies mag paradigmatisch für interkulturelle Begegnungen sein. Die krisenhafte, zuweilen tödliche Verschärfung kultureller Konflikte in den letzten Jahren, in Jugoslawien, in Ruanda und auf Zypern, um nur einige Beispiele zu nennen, ist Indiz für die virtuell zerstörerische Dimension interkultureller Be- gegnungen. Für den theoretischen Diskurs der Interkulturalität stellen jene realen Katastrophen, in denen Kulturbegegnungen enden, eine Art regulativer Grenze dar. Der Entwurf allzu symmetrischer, harmonischer oder technischer Entwürfe von Interkulturalität ist angesichts der Katastrophen nur begrenzt denkbar. Dementsprechend wurde die Diskussion über Interkulturalität in Jerusalem von der Spannung zwischen zwei Bedeutungen des Begriffes der Interkultu- ralität geprägt: einerseits Korrelation und Begegnung, andererseits Differenz, Widerstand, sogar Feindschaft. Im Gegensatz zur rationalistischen Vorausset- zung eines die verschiedenen Kulturen transzendierenden Begriffs der univer- salen Vernunft wurde in Jerusalem versucht, den Zwischenraum zwischen den Kulturen als Ort interkultureller Begegnung zu definieren. Der Zwischenraum ist zugleich Ort für die Chancen kultureller Erneuerung, aber auch für die Fehlleistungen, das Mißverstehen und die Katastrophen, die sich in interkultu- rellen Begegnungen ereignen. Dem abstrakten Ideal einer zu erstrebenden Transparenz zwischen den Kulturen wurde die Wirklichkeit eines nicht zu eliminierenden Überrests an Unübersetzbarkeit entgegengestellt. Die Perspektive des Zwischenraumes wurde wiederholt auf der Tagung vorgeschlagen (Iser; Reichert; Kilcher; Hilfrich-Kunjappu). Der Zwischen- raum wurde als Raum einer Offenheit beschrieben (A. Assmann; Reichert; Motzkin; Hilfrich-Kunjappu), der von einer unaufhörlichen Dynamik erfüllt ist (Iser; Gilman). Die Perspektive auf den Zwischenraum stellt den Glauben an eine mögliche Metaebene der Organisation in Frage (Iser; Schmidt). Doch sind jenem offenen und dynamischen Zwischenraum selbst Grenzen gesetzt. Diese bestehen in den irreduziblen Eigenarten oder expressiven Formen kultureller Singularität, die als radikale Grenzen der Übersetzbarkeit in die Prozesse von Interkulturalität eingeschrieben sind (Moses; J. Assmann). Die Grenzen der Übersetzbarkeit aber sind nicht nur die technische Vorbedingung für die Dy- namik des Zwischenraums. Denn gerade jene irreduziblen kulturellen Eigenar- ten haben in der Geschichte interkultureller Begegnungen ein äußerst destruk- tives Potential von phantasmatischen Projektionen freisetzen können (Gilman; Schlesier), das die menschliche Fähigkeit zur Wahrnehmung dessen, was an- ders ist, extrem in Frage stellt. Als greifbare Theorie und Praxis des Zwischenraumes fungiert Überset- zung, da sie ja ihrerseits zwischen den Polen der Übersetzbarkeit und der Un- Vorwort 3 übersetzbarkeit verhandelt. Auf der Tagung in Jerusalem wurde ein differen- zierter und vorwiegend kulturwissenschaftlich orientierter Übersetzungsbegriff vertreten, der linguistische, semiotische, hermeneutische und anthropologische Perspektiven verbindet. Das Problem der kulturellen Übersetzung steht heute vorrangig auf der Tagesordnung einer Welt, die einerseits global immer ein- heitlicher wird, in der sich aber andererseits die kulturellen Grenzen krisenhaft verschärfen. Kulturelle Übersetzung ist heute der praktische wie theoretische Horizont für eine immer dringlicher geforderte Bereitschaft zu interkultureller Kompetenz und Performanz, die beide die Unfähigkeit zur Wahrnehmung des anderen in dem Maße abbauen, wie sie die Selbstreflexion erhöhen können. Wolfgang lser zeigt in seinem Eröffnungsbeitrag den Begriff der Übersetzbar- keit als funktionalen Gegenbegriff zu kultureller Hegemonie und Hierarchie. Das Konzept der Übersetzbarkeit ermöglicht die Perspektive auf den Zwi- schenraum zwischen Kulturen, der sich als Bedingung für die Selbstreflexivi- tät jeder einzelnen Kultur sowie für Spiegelverhältnisse zwischen ihnen zeigt. Der Diskurs der Übersetzbarkeit verhandelt den Raum zwischen Fremd- und Vertrautheit, den Wolfgang lser mit der kybernetischen Figur der "black box" greifbar macht. Modelle für jene Bewegungsabläufe ohne Metaebene, die in der interkulturellen Übersetzung freigesetzt werden, sind der hermeneutische Zirkel, die kybernetische Schleife und das Differential, die alle eine je duale Struktur aufweisen. Mit der Berufung dieser Modelle zeichnet sich die Not- wendigkeit einer "Anatomie der Interpretation" für kulturtheoretische Analy- sen ab. Diese muß die "autopoietische" Selbstreferentialität und die performa- tiven und ästhetischen Strukturen, die dem Diskurs der Interkulturalität eignen, in Rechnung stellen. Von einem kultursemiotischen Übersetzungsbegriff aus ist die Praxis der Übersetzung als Transformation und Transkodifizierung von Bedeutung zu erkennen. Die Geschichte der Übersetzungstheorien, die von Aleida Ass- mann skizziert wird, verläuft zwischen unifizierenden Modellen von Über- setzbarkeit und differentialen Modellen von Unübersetzbarkeit. Universali- stische Übersetzungstheorien setzen ein übergeordnetes, vereinigendes Prinzip voraus; sei dies, wie in der Vorstellung einer adamitischen Sprache, in einem gemeinsamen mythischen Ursprung, oder, wie in der Vorstellung einer messianischen Sprache, in einem mythischen Ziel begründet, oder in den Universalbegriffen des menschlichen Geistes, die eine säkularisierte Metaebene bilden. Neuere Übersetzungstheorien (Lotman; Greimas) gehen dagegen von einem dynamischen Modell aus, in dem Bedeutung in einem permanenten Prozeß der Transformation entsteht. Das, was Übersetzung ist, läßt sich im Bild des Flaschenzugs greifen, der zwei unübersetzbare Spra- chen in einer andauernden Bewegung miteinander in Verbindung setzt. Die- ses Modell einer "offenen Übersetzungstheorie" gilt nicht nur hinsichtlich 4 Vorwort Sprachen, sondern auch z.B. hinsichtlich der menschlichen Psyche, die un- aufhörlich transformative Übersetzungen zwischen dem Imaginären und dem Symbolischen leistet. Klaus Reicherts historische Skizze großer Übersetzungsprojekte der westli- chen Kulturgeschichte macht die über Übersetzungen verlaufende Aneignung des Fremden in der westlichen Welt als eine Kolonialgeschichte von Appro- priationen des Fremden lesbar. In den Prozessen von Appropriation begründen sich die jeweiligen Nationalkulturen als distinkte und vorgeblich eigenständige Entitäten. Dies gilt für die verschiedenen Bibelübersetzungen bis zur Neuzeit wie für Wielands Shakespeare-Übersetzungen. Seit Milton setzt sich parallel zu diesem integrativen Verfahren ein anderer Umgang mit dem Fremden in der Übersetzung durch, den Reichert als "Assmilation" begreift, als einen Überset- zungsakt, der für eine gleichsam doppelte sprachliche Identität des Überset- zungstextes plädiert, in dem das Eigene und das Fremde präsent sind (Men- delssohns Bibelübersetzung; Hölderlins Sophokles- und Pindar-Übersetzun- gen; die Bibelübersetzung durch Buber und Rosenzweig). Walter Benjamins Überlegungen zu seinen Baudelaire-Übersetzungen weisen dagegen auf einen "dritten Weg", in dem die Übersetzung die jeweils "späteste und umfassendste Entfaltung" des Originals ist. An Benjamins Überlegungen knüpft sich Rei- cherts Konzept von Übersetzung als eines dialogischen Aktes an, der sich im "offenen Zwischenraum" zwischen dem Original und seiner Übersetzung er- eignet. In einer umfangreichen interkulturellen Lektüre thematisiert Jan Assmann die Spannung zwischen Übersetzbarkeit und Unübersetzbarkeit am Beispiel der Götternamen. Im hellenistischen Imperium waren die Götternamen der unterschiedlichen ethnischen Gruppen mühelos ineinander übersetzbar. Bedin- gung für diese ungehinderte Übersetzbarkeit war die Abwesenheit eines nor- mativen Kriteriums, das über Wahrheit oder Falschheit der Götternamen ent- schied, sowie ein polytheistischer Götterhimmel, an dem die Götter über ihre kosmischen "Ressorts" ineinander übersetzbar waren. Die monotheistische Offenbarungsreligion dagegen setzt, auf der Basis der Verweigerung jeder kosmischen Identifikation, eine prinzipielle Unübersetzbarkeit des Gottesna- mens voraus. Jan Assmann zeigt, daß sich in der Spätantike das Bewußtsein von der interkulturellen Identität der kosmischen Götter zur übergreifenden Einheit Gottes verdichtete, in der jene irreduzible Unübersetzbarkeit, die von der biblischen Offenbarungsreligion gesetzt war, aufgehoben werden sollte. In Stéphane Mosès' Analyse der Offenbarungen der verschiedenen Namen des israelischen Gottes wird jene "radikale Unübersetzbarkeit", die mit dem biblischen Text gegeben ist, rein sprachlich gedeutet. Die Bibel formuliert eine Theorie der Namen, derzufolge der Name einer Person eine präzise linguisti- sche Bedeutung trägt und zugleich die Manifestation des Seins seines Trägers darstellt. In diesem Sinne hat der biblische Personenname an sich die Bedeu-

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