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Zweihundert Jahre zusammen - Band 1 - Die russisch-jüdische Geschichte 1795-1916 PDF

560 Pages·2002·2.788 MB·German
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Preview Zweihundert Jahre zusammen - Band 1 - Die russisch-jüdische Geschichte 1795-1916

Alexander Solschenizyn »Zweihundert Jahre zusammen« Die russisch-jüdische Geschichte 1795-1916 Aus dem Russischen von Kurt Baudisch und Holger von Rauch Herbig Russischer Originaltitel: Dvesti let vmeste (1795-1995). Cast' 1 Moskau: Russkij put', 2001 Kapitel 1—5 wurden von Kurt Baudisch, Kapitel 6—12 von Holger von Rauch übersetzt. Alle Anmerkungen stammen vom Verfasser. Die römisch bezifferten Fußnoten enthalten Erläuterungen durch Ubersetzer und Verlag. Besuchen Sie uns im Internet unter http://www.herbig-verlag.de © 2001 Alexander Solschenizyn für die russische Ausgabe © 2002 Librairie Artheme Fayard fiir die französische und alle weiteren Ausgaben © 2002 für die deutschsprachige Ausgabe F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel Herstellung und Satz: VerlagsService Dr. Helmut Neuberger & Karl Schaumann GmbH, Heimstetten Gesetzt aus der 11,5/14 Punkt Adobe-Garamond Druck und Binden: GGP Media, Pößneck Printed in Germany ISBN 3-7766-2287-3 Inhalt Zum Thema 7 Der Kreis der Betrachtung 10 Kapitel 1 Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts 13 Kapitel 2 Unter Alexander I. 61 Kapitel 3 Unter Nikolaus I. 99 Kapitel 4 In der Epoche der Reformen 136 Kapitel 5 Nach der Ermordung Alexanders II. 181 Kapitel 6 In der russischen revolutionären Bewegung 207 5 Inhalt Kapitel 7 Die Geburt des Zionismus 247 Kapitel 8 An der Schwelle zum 20. Jahrhundert 262 Kapitel 9 In der Revolution von 1905 328 Kapitel 10 Die Duma-Zeit 408 >v Kapitel 11 Das jüdische und das russische nationale Bewusstsein vor dem Ersten Weltkrieg 444 Kapitel 12 Im Ersten Weltkrieg (1914-1916) 467 Abkürzungsverzeichnis 501 Anmerkungen 502 Karte 554 Personenregister 555 Zum Thema E in halbes Jahrhundert lang hat meine Arbeit an der Geschichte der russischen Revolution gedauert, und viele Male bin ich dabei auf die Frage der russisch-jüdischen Beziehungen gestoßen. Immer wieder wirk- ten sie sich einschneidend auf die Ereignisse aus, drangen wie ein Keil in die menschliche Psyche ein und peitschten Leidenschaften hoch. Ich habe nie die Hoffnung aufgegeben, dass sich vor mir ein Autor fin- den würde, der uns umfassend und ausgeglichen diesen glühenden Keil von beiden Seiten beleuchten wird. Aber häufiger stoßen wir auf einseiti- ge Vorwürfe, wobei es entweder um die Schuld der Russen gegenüber den Juden, ja sogar um die ewige Verderbtheit des russischen Volkes - und zwar reichlich - oder umgekehrt geht: Wenn jemand von den Russen über dieses gemeinsame Problem geschrieben hat, dann zum größten Teil jäh- zornig, überzogen, ohne auch nur sehen zu wollen, was man der anderen Seite als Verdienst anrechnen muss. Wage niemand zu sagen, es fehle an Publizisten - besonders bei den rus- sischen Juden gibt es viele, weit mehr als bei den Russen. Aber trotz der glänzenden Auswahl an klugen Köpfen und an Talenten, die eine ge- wandte Feder führen können, ist bis heute noch keine solche Darstellung oder Schilderung unserer Geschichte erschienen, die bei beiden Seiten auf Verständnis gestoßen wäre. Man muss jedoch lernen, den Bogen nicht zu überspannen. Ich wäre froh, wenn ich meine Kräfte nicht an einem so heiklen Thema erproben müsste. Ich glaube aber, dass diese Geschichte - der Versuch, in sie einzudringen - nicht »verboten« bleiben darf. Die Geschichte der »jüdischen Frage« in Russland (und nur in Russ- land?) ist in erster Linie eine reiche Geschichte. Über sie zu schreiben, be- deutet, neue Stimmen zu hören und sie dem Leser zur Kenntnis zu brin- gen. (In diesem Buch kommen jüdische Stimmen viel mehr zu Wort als russische.) 7 Zum Thema Aber wegen der Schwankungen der öffentlichen Stimmung lautet die Frage häufiger so: Wie geht man über des Messers Schneide? Von beiden Seiten begegnet man ständig allen möglichen und unmöglichen Vorwür- fen und Anschuldigungen. Das Gefühl aber, das mich durch das Buch über das 200-jährige ge- meinsame Leben des russischen und des jüdischen Volkes begleitet, ist die Suche nach allen Punkten einer einheitlichen Auffassung und nach allen möglichen Wegen, die gereinigt von der Bitterkeit der Vergangenheit in die Zukunft führen. Wie alle anderen Völker, wie wir alle, ist das jüdische Volk sowohl ein aktives Subjekt als auch ein passives Objekt der Geschichte und hat nicht selten — sogar unbewusst — große Aufgaben, die ihm von der Geschichte aufgelegt wurden, erfüllt. »Die jüdische Frage« wurde von vielen Ge- sichtspunkten aus immer leidenschaftlich behandelt, doch ist man dabei oft auch der Gefahr der Selbsttäuschung erlegen. Denn das, was mit jedem Volk im Laufe der Geschichte geschah, wurde bei weitem nicht immer nur von einem Volk allein bestimmt, sondern auch von den umgebenden Völ- kern. Eine zu große Hitzigkeit beider Seiten ist für beide erniedrigend. Es gibt jedoch keine Frage auf Erden, die von den Menschen nicht ver- nünftig erörtert werden kann. Leider haben sich im Gedächtnis der Völ- ker gegenseitige Kränkungen angehäuft. Aber wann kommt man über etwas hinweg, wenn man über das Vorgefallene schweigt? Solange sich nicht jemand findet, der über die Volksmeinung klar schreibt, solange wird sie ein unverständliches und, schlimmer noch, bedrohliches Geheul sein. Von den vergangenen 200 Jahren kann man sich nicht völlig abwen- den. Und - dieser Planet ist klein geworden, trotz aller Umgliederungen sind wir wieder Nachbarn. Ich habe dieses Buch lange beiseite gelegt und wäre froh gewesen, wenn ich nicht die Bürde hätte auf mich nehmen müssen, es zu schreiben, aber meine Tage sind gezählt, und ich muss mich an die Arbeit machen. Niemals habe ich irgendjemandem das Recht zugebilligt, das, was war, zu verheimlichen. Ich kann auch nicht einer Übereinkunft zustimmen, die auf einer nicht wahrheitsgemäßen Darstellung der Vergangenheit beruht. Ich rufe beide Seiten - sowohl die russische als auch die jüdische - zum geduldigen gegenseitigen Verstehen und zur beiderseitigen Anerkennung 8 Zum Thema ihres Anteils an der Sünde auf - und es ist so leicht, sich von ihr abzu- wenden: denn das sind ja nicht wir ... Ich bin aufrichtig bemüht, beide Seiten zu verstehen. Deshalb tauche ich in die Ereignisse ein, nicht in eine Polemik. Ich will etwas zeigen. Ich beginne nur in jenen unvermeidbaren Fällen zu streiten, wo die Wahrheit durch die Unwahrheit verdeckt ist. Ich wage zu hoffen, dass das Buch nicht den Zorn der Radikalen und Unversöhnlichen hervorrufen wird, sondern im Gegenteil der gegenseitigen Verständigung dienen wird. Ich hoffe, wohlmeinende Gesprächspartner sowohl unter den Juden als auch unter den Russen zu finden. Der Verfasser versteht seine letzte Aufgabe so: für die Zukunft nach be- sten Kräften Ausschau zu halten nach für beide Seiten zugänglichen und guten Wegen der russisch-jüdischen Beziehungen. 1995 Dieses Buch habe ich nur ausgehend vom Diktat des historischen Mate- rials und von der Suche nach günstigen Lösungen für die Zukunft ge- schrieben. Man darf jedoch eines nicht außer Acht lassen: In den letzten Jahren hat sich der Zustand Russlands in so katastrophaler Weise verän- dert, dass die zu untersuchende Frage stark in den Hintergrund gerückt ist und im Vergleich zu anderen heutigen russischen Problemen an Schär- fe verloren hat. 2000 9 Der Kreis der Betrachtung W elche Grenzen kann diese Darstellung haben? Ich bin mir über die ganze Komplexität und den gewaltigen Um- fang des Gegenstandes im Klaren. Ich weiß, dass er auch eine metaphysi- sche Seite hat. Man behauptet sogar, man könne das jüdische Problem nur und ausschließlich auf der religiösen und mystischen Ebene verstehen. Das Vorhandensein einer solchen Ebene erkenne ich zweifellos an, aber obwohl darüber schon viele Bücher geschrieben worden sind, denke ich, dass sie den Menschen verschlossen und sogar Kennern grundsätzlich un- zugänglich ist. Und doch haben alle wesentlichen Schicksale der menschlichen Ge- schichte selbstverständlich auch mystische Verbindungen und Einflüsse — aber das hindert uns nicht daran, sie im historisch-reellen Zusammenhang zu betrachten. Und eine Beleuchtung von oben ist wohl kaum immer nötig für die Betrachtung der greifbaren Erscheinungen in unserer Nähe. In den Grenzen unserer irdischen Existenz können wir sowohl über die Russen als auch über die Juden nach irdischen Maßstäben urteilen. Die himmlischen dagegen überlassen wir Gott. Ich möchte die Frage nur in den historischen, politischen, alltäglichen und kulturellen Zusammenhängen und fast nur im Rahmen des gemein- samen 200-jährigen Lebens der Russen und Juden in einem Staat behan- deln. Ich wage nicht einmal daran zu denken, die gewaltige drei- bis vier- tausendjährige Geschichte der Juden, die bereits in so vielen Büchern und in sorgfältig erstellten Enzyklopädien eindrucksvoll abgehandelt wurde, zu streifen. Ich will auch nicht auf die Geschichte der Juden in jenen Län- dern eingehen, die uns am nächsten sind - Polen, Deutschland, Öster- reich-Ungarn. Ich konzentriere mich auf die russisch-jüdischen Bezie- hungen, dabei überwiegend auf das im Leben unserer beiden Völker so bedeutsame und katastrophale 20. Jahrhundert. Auf die schweren gegen- seitigen Erfahrungen unserer Koexistenz, auch in dem Bemühen, das 10

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