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Zur Vorgeschichte des Zionismus: Judenstaatsprojekte in den Jahren 1695-1845 PDF

315 Pages·1927·6.263 MB·German
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DR. N. M. G E L B E R ZUR VORGESCHICHTE DES ZIONISMUS J U D E N S T A A T S P R O J E K T E IN DEN JAHREN 1695 -1845 HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAGE DER EXEKUTIVE DER ZIONISTISCHEN WELT­ O R G A N IS A T IO N LONDON 1927 P H A I D O N - V E R L A G W I E N 0 ALLE RECHTE VORBEH ALTEN C O P Y R I G H T 1 9 * 7 BY P H A I D O N - V E R L A G, W I E N DRUCK: JOSEF SCHWARZ» WIEN E I N B A N D Z E I C H N U N G : L U D W I G G O L D S C H E I D E R % r V ■ ÜRT 5 % HERAüSGEGEBEN IM AUFTRAGE DER ZIONISTISCHEN WELTOR­ GANISATION LONDON, UNTER MITWIRKUNG DES KULTUR­ AMTES DES ZIONISTISCHEN LANDESKOMITEES VON ÖSTERREICH „Der letzte wohlverstandene Zweck des Strebens der jüdischen Nation seit Zerstörung ihres Staates war und ist: Wiedervereinigung des Volkes zu einem Staatsverbande, Herstellung eines selbständigen jüdischen Reiches.“ „Neu'judäa" (1840) 9» EINLEITUxNG Trotz des bisherigen 50jährigen Bestandes der zio­ nistischen Bewegung sind wir über die Vorge­ schichte des Zionismus leider viel zu wenig unterrich­ tet, als daß wir uns ein klaresBild von den Judenstaats­ bestrebungen in den einzelnen Zeitabschnitten un­ serer Galuthgeschichte machen könnten. Was wir über Judenstaatsprojekte vor dem Zionismus wissen, sind nur kleine Episoden, die wir mühsam aus alten Berichten und Archivalien Zusammentragen mußten und die uns mosaikartig die historische Entwick­ lung der Bestrebungen unseres Volkes, in Palästina seine Heimat wieder zu errichten, aufzeigen werden. Man kann als feststehende historische Tatsache an­ nehmen, daß die Judenheit nach der Zerstörung ihres Staates dem Gedanken der Wiederherstellung ihrer politischen Selbständigkeit stets huldigte. Schon in den ersten Jahrhunderten nach der Vertreibung aus Palästina begegnen wir häufigen Einzelversuchen nach Erbringung der staatlichen Selbständigkeit. Ja, selbst in Gebieten, wo die Juden in größeren Massen angesiedelt waren und die vom Ursprungsland der ehcnmligenstaatlichenSelbständigkeit des jüdischen Volkes ferne gelegen waren, unternahmen Männer den Versuch die Volksmassen für den Gedanken der Wiederherstellung eines eigenen Staatswesens in Pa­ lästina zu gewinnen (z. B. David Alroy aus Amadia um das Jahr 1160). Aber auch auf ihrer Wanderung durch die euro­ päischen Länder, in denen es ihnen nach langen Ver­ 10 EINLEITUNG suchen gelungen war eine, wenn auch vorüber- gehende, Siedlungsstätte zu erlangen, dachten die Juden an die Wiederherstellung ihres Staates, wo­ bei von all jenen nationalen Regungen abzusehen ist, denen wir in der jüdischen Lithurgie und son­ stigen literarischen Erzeugnissen begegnen und die darauf hinweisen, daß die jüdische Gedankenwelt mit der Heimat — Palästina — eng verknüpft war. Es erübrigt sich wohl der Zioniden Jehuda Halewi*s zu erwähnen. Seine Zeitgenossen haben, trotz der wirtschaftlich und politisch überaus guten Lage der Juden in Spanien, immer dem Gedanken der Wieder­ herstellung des Judenstaates gehuldigt. Zu erwähnen wäre nur der jüdische Finanzminister und bekannte Gelehrte, Äbrabanel (1448—1508), der in einer exege­ tischen Erörterung ausdrücklich davon sprach, daß „die Völker selbst uns in der Wiederbesetzung des heiligen Landes ihren mächtigen Beistand leisten werden“. Die Reihe der falschen Messiase gehört sicherlich auch in das Kapitel der Judenstaatsbestrebungen. Die meisten Messiase sind wohl als Vertreter des Judenstaatsgedankens anzusehen. Eine realere politische Form hat dem Judenstaats- gedanken um das Jahr 1553 Don Josef Nassi verliehen, der dank seinen Beziehungen zum türkischen Herr­ scherhause lange Jahre für die Schaffung einer jüdi­ schen Heimstätte gewirkt hat. Er war bestrebt, für die Juden in Palästina taugliche Daseinsbedingüngen auf der Grundlage einer Autonomie zu erreichen und hat auch größere Kapitalien für den Wiederauf­ bau des Landes verwendet. Nach dem Tode Sultan Selims änderte sich die gesamte Lage der türkischen Juden und Don Josef Nassi mußte seinen Plan auf­ geben. Im XVIL Jahrhundert begegnen wir keinem kon­ kreteren Plane. Die damalige Lage der Juden war EINLEITUNG- 11 derart verworren, daß man kaum an konkretere Pro­ jekte politischer Natur denken konnte. Die zweite Hälfte des XVIL und der Anfang des XVllI. Jahrhunderts stehen in der jüdischen Ge­ schichte zum großen Teil im Zeichen des Mystizis­ mus. Die Schwärmereien von dem Eintreffen der messianischen Zeit, die den Ausgangspunkt zur Bewe­ gung Sabbatai Zewis (1626—1676) bildeten, brachten die Gemüter der damaligen Juden in starke Er­ regung/) Die Ausrufung Sabbatai Zewis am 10. Sep­ tember 1665 zum König und Messias, sowie die dar­ auf folgende rege Propagandatätigkeit seiner Emis­ säre hatten in der gesamten Judenheit Hoffnungen auf die baldige Rückkehr der Juden nach Palästina geweckt. Ja, die Volksmassen waren sogar felsenfest davon überzeugt, daß sie recht bald in ihre alte Hei­ mat zurückkehren würden. Selbst führende Männer jüdischer Gemeinden waren der Ansicht, daß diese Rückkehr in allernächster Zeit erfolgen und das jüdische Reich wieder erstehen werde. In dieser sicheren Erwartung baldiger Rückkehr in das alte Heimatland sahen sich viele Gemeinden veranlaßt, an den Sabbathen den Priestersegen zu sprechen. In einigen an die Türkei angrenzenden Ländern be­ reiteten sich schon die Juden zur Rückkehr nach Pa­ lästina vor, indem sie ihre Geschäfte zu liquidieren begannen. Auch in den großen Handelsstädten, wie Amster­ dam, Hamburg und Livorno, wo der ganze Großhan­ del durchwegs in jüdischen Händen lag, trat im Ge­ schäftsleben ein Stillstand ein. Die Juden in Avignon beabsichtigten ebenfalls mit ihren Angehörigen „zu ihrem neuen Könige zuziehen“. In der Amster­ damer Synagoge wurde sogar ein großes Freudenfest mit Psalmensingen auf die bevorstehende Befreiung gefeiert, und in Frankfurt am Main fanden sogar mehrere Versammlungen statt, in denen die damalige 12 EINLEITUNG Sachlage erörtert wiirde.^) Selbst die christlichen Schwärmer für ein tausendjähriges Reich Christi auf Erden, die Chiliasten'*), verbreiteten die wunder­ lichsten Gerüchte über den bevorstehenden Zeit­ punkt der Befreiung des jüdischen Volkes, und in London wurden sogar Wetten abgeschlossen, daß Sabbatai Zewi innerhalb zweier Jahre zum König von Jerusalem gesalbt werden würde.®) Die durch Sabbatai Zewi geweckten Hoffnungen auf die Rückkehr der Juden nach Palästina wurden aber durch den allzuschnellen Zusammenbruch seiner Bev/egung zunichte gemacht, v^enn auch seine Epigonen bestrebt waren, diese Bewegung auf­ rechtzuerhalten und der mystischen Phantasie des Volkes neue Nahrung zu geben. Auch die in Polen um diese Zeit entstandene Palä­ stina-Bewegung, die ihren Ausdruck in R. Jehuda Cliassid^*) findet, der an der Spitze verklärter Mysti­ ker über Nikolsburg und Wien nach Palästina aus- v/anderte (1699—1700), um dort heilige Gemeinden zu gründen, die durch Fasten und Beten das Heran­ nahen des Messias zu erflehen hofften, war nichts an­ deres als ein Ausfluß der mystischen Strömungen dieser Zeitepoche.®) I~^ Im XVIL und XVIIL Jahrhundert hatten sich auch einzelne Christen mit der Frage der Wiederherstel­ lung des jüdischen Staates beschäftigt und sie sogar in diesbezüglichen Projekten behandelt. Es kann beinahe als sicher angenommen werden, daß sich die meisten erst unter dem Eindrücke der Bewegung Sabbatai Zewis mit der Judenfrage beschäftigten, deren einzige mögliche Lösung sie wohl in der Wie- ^dererrichtung eines jüdischen Zentrums erblickten.*) Kap. I JUDENSTAATSPROJEKIE AUS DEN JAHREN 1696-1749 HOLGER PAULLI, MARQUIS DE LANGALLERIE, PIERRE JÜRIEUX, HERMANN MORITZ VON SACHSEN E ^ inen besonders starken Widerhall hat ein Judenstaatsplan des Dänen Holger Paulli hervorgerufen, der sich in den Jahren 1696—1704 mit der Frage der Wiedererrichtung des jüdischen Königreiches in Palästina aufs lebhafteste beschäf­ tigte. Holger (Öliger) Paulli wurde im Jahre 1644 zu Kopenhagen als Kind^ einer bekannten dänischen Gelehrtenfamilie geboren. In seinem Elternhause genoß er eine sorgfältige Erziehung. Nach Absolvierung des Odenser Gymna­ siums bezog er im Jahre 1671 die Kopenhagener Uni­ versität und widmete sich nach Beendigung der Stu­ dien dem Kaufmannsberuf. Er knüpfte Beziehungen mit der Westindisch-Guinesischen Compagnie an und führte einen ausgedehnten Handel nach Guinea und Westindien. Noch während seiner Studienzeit betrieb er eifrige Sprachstudien und eignete sich auch einige Kenntnisse in der hebräischen Sprache an.*) Seine Sprachkennntisse waren es vor allem, die zur Stärkung seiner Position in der Westindischen Compagnie, deren Schreiber er lange Zeit hindurch gewesen ist, beitrugen. Als Kaufmann gelang es ihm große Geschäfte zu tätigen, die ihm Reichtümer ver­ schafften und ihm den Ruf eines der reichsten Kauf­ leute in Dänemark eintrugen. Er wurde nicht nur für 14 JUDENSTAATSPROJEKTE 1696—1749 einen fälligen, sondern auch für einen überaus ge> wandten und klugen Kaufmann gehalten. Schon wäh­ rend seiner großen Handelsreisen begann sich Hol- ger Paulli eingehend mit Fragen der Religion zu be­ schäftigen. Von Jugend auf mystisch veranlagt, ver­ fügte er über eine zügellose Einbildungskraft, die auf seine geistige Entwickelung bestimmend ein­ wirkte. Schon als zwölfjähriger Knabe hatte sich Paulli mit Fragen der Mystik beschäftigt. Ihn inter­ essierten Weissagungen der Propheten und sonstiger religiöser Schwärmer. Späterhin fand seine Einbil­ dungskraft Nahrung in verschiedenen phantasti­ schen Schilderungen der sogenannten Chiliasten. Selbst als Kaufmann ließ er sich sehr oft von seinen religiös - mystischen Stimmungen beherr­ schen. So hatte er im Jahre 1675, wie uns ein Zeitgenosse erzählt, „als er einmal ein mit Kostbar­ keiten beladenes Schiff, welches dem König von Frankreich gehörte, und über drey Tonnen Goldes in holländischen Gulden werth war, gekauft und da­ gegen eine große Menge Getreide nach Frankreich gesehiffet, woran er 10.000 Livres gewinnen konnte“, infolge einer Erscheinung im Traume, die ihn da­ vor warnte das Getreide den Franzosen zu über­ lassen, alles getan, um diese Schiffsladung, selbst unter dem Kostenpreis abzusetzen, da er mit seinem Gewissen nicht in Konflikt geraten wollte. Es ist daher kein Wunder, daß er infolge seiner Beschäftigung mit der Mystik den Handel vernach­ lässigte, bankrott wurde und seinen ganzen Reich­ tum eingebüßt hat. Er verließ Kopenhagen und be­ gab sich nach Frankreich, von wo er dann nach Amsterdam zog, da er hoffte, in der dortigen zahl­ reichen Judengemeinde, von der er wußte, wie emp­ fänglich sie seinerzeit für die Ideen des Sabbatai- Zewi gewesen, für seine Ideen zahlreiche Anhän­ ger zu finden.

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