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Zur Rechtssoziologie Max Webers: Interpretation, Kritik, Weiterentwicklung PDF

339 Pages·1984·6.004 MB·German
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Stefan Breuer/Hubert Treiber (Hrsg.) Zur Rechtssoziologie Max Webers Beitrage zur sozialwissenschaftlichen Forschung Band 65 Westdeutscher Verlag Stefan Breuer/Hubert Treiber (Hrsg.) Zur Rechtssoziologie Max Webers Interpretation, Kritik, Weiterentwicklung Westdeutscher Verlag CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Zur Rechtssoziologie Max Webers: Interpre tation, Krltlk, Welterentwlcklung / Stefan Breuer; Hubert Treiber (Hrsg.). - Opladen Westdeutscher Verlag, 1984. (Beitrage zur sozialwissenschaftlichen Forschung; Bd. 65) NE: Breuer, Stefan (Hrsg.); GT ISBN-13: 978-3-531-11706-5 e-ISBN-13: 978-3-322-88212-7 001: 10.1007/978-3-322-88212-7 © 1984 Westdeutscher Verlag.GmbH, Opladen Umschlaggestaltung: Hanswerner Klein, Opladen Auch die fotomechanische Vervielfaltigung des Werkes (Fotokopie, Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zu stimmung des Verlages. Inhalt 1. Einleitung 2. Hubert Treiber "Wahlverwandtschaften" zwischen Webers Religions- und Rechtssoziologie 6 3. Stefan Breuer Imperium und Rechtsordnung in China und Rom 69 4. Stefan Breuer Feudalismus und "Rechtsstaat" in Westeuropa und Japan 112 5. David M. Trubek Max Weber tiber das Recht und die Entstehung des Kapitalismus 152 6. Beatrice Caesar-Wolf Der deutsche Richter am "Kreuzweg" zwischen Professionalisierung und Deprofessionali sierung 199 7. Nico Roos Antiformale Tendenzen im modernen Recht - eine These Max Webers, diskutiert am Beispiel der Laienrichterfrage 223 8. Anmerkungen 268 1. Einleitung Wie die Religionssoziologie, so hat auch die Rechtssoziologie Max Webers eine Aufnahme erfahren, die man als 'normativisti sches MiBverstandnis' bezeichnen konnte. Talcott Parsons etwa wUrdigt die Rechtssoziologie deshalb als 'Kern der substan tiellen Soziologie' Webers, weil sie dem 'KernstUck des so zialen Systems', der normativen Ordnung, gewidmet sei; und wenn Parsons davon spricht, daB in Webers Analyse der Konflikt von 'Idealfaktoren' und 'Realfaktoren' gelost sei, so laBt er keinen Zweifel daran, daB diese Losung eindeutig zugunsten der ersteren erfolgt: das Recht ist fUr ihn die wirksame nor mative Ordnung, deren 'tiefere Bedeutung' sich letztlich nur in einer 'Analyse der kulturellen Systeme' entschlUsselt (1). JUrgen Habermas thematisiert die Rechtssoziologie zwar als ambivalent, doch sieht er die Ambivalenz lediglich im Wider streit zweier normativistischer Ableitungen des Rechts: einer solchen, die das Recht als 'Verkorperung moralisch-praktischer BewuBtseinsstrukturen' faBt, und einer anderen, die es als Institutionalisierung der kognitiv-instrumentellen Rationali tat konzipiert (2). In kritischer Absicht erscheint diese Interpretation auch bei Georges Gurvitch, fUr den sich die Rechtssoziologie im wesentlichen darauf beschrankt, die RUck wirkungen der Dogmen- und Normensysteme auf effektive Ver haltensweisen zu erforschen. Es sei typisch fUr Weber, schreibt Gurvitch, daB er zunachst die verschiedenen Sy stematisierungen der Rechtsregeln und die von den Juristen ausgearbeiteten Legitimationsmuster untersuche, urn dann her auszufinden, wie diese sich in den entsprechenden sozialen Verhaltensweisen niederschlagen; dies sei seiner ausgespro chen nominalistischen Tendenz geschuldet, die sozialen Ver haltensweisen auf individuelle und einzig an Sinnsystemen orientierte Formen des Handelns zu reduzieren, Hohne den an deren Elementen der sozialen Wirklichkeit, namlich der mor phologischen Basis und dem kollektiven psychologischen Leben - 2 - Beachtung zu schenken und ohne in den Verhaltensweisen selbst die Organisationen, die Praktiken und das erneuernde Betragen zu unterscheiden" (3). Wie in der Religionssoziologie, so hat Weber freilich auch in der Rechtssoziologie diesem Verstandnis Vorschub geleistet. Schon in der Polemik gegen Stammler (1907), in der er die Unterschiede zwischen rechtswissenschaftlicher und rechts soziologischer Betrachtungsweise entwickelt, bestimmt er die Aufgaben der letzteren vornehmlich dahingehend, daB sie die empirische Wirksamkeit generalisierter Rechtsregeln zu un tersuchen habe; die empirische Realitat sei namlich "auf das allerfundamentalste" durch den Umstand mit determiniert, "daB eine 'Rechtsordnung' empirisch, d.h. aber: als eine das Han deln von Menschen kausal mitbestimmende Vorstellung von etwas, das sein soli, als Maxime also, existent ist" (4); die Analyse der Rechtsregeln als solcher hingegen weist er der juristischen Dogmatik zu, die als 'Dogmatik des Sinns' die ideal en Inhalte moglichst in ein widerspruchsloses System zu bringen habe - eine Konzeption, deren Herkunft aus der Begriffsjurisprudenz und deren Nahe zu den Bestrebungen Jelli neks und Kelsens unverkennbar ist (5). Ganz ahnlich rUckt er bei der Differenzierung zwischen juristischer und soziologi scher Betrachtungsweise in 'Wirtschaft und Gesellschaft' allein die Determinierung des sozialen Handelns durch die Orientierung an bcstimmten Rechtsnormen in den Blick, nicht aber die Art, wie und wodurch diese Rechtsnormen ihrerseits bedingt sind. Wahrend die juristische Betrachtungsweise da nach frage, welcher normative Sinn einem als Rechtsnorm auf tretenden sprachlichen Gebilde logisch richtigerweise zukommen sollte, sei es Aufgabe der Soziologie zu ergrUnden, "was in nerhalb einer Gemeinschaft f a k tis chum deswillen 9 esc hie h t , weil die Chance besteht, daB am Gemein schaftshandeln beteiligte Menschen, darunter insbesondere solche, in deren Handen ein sozial relevantes MaB von fak tischem EinfluB auf dieses Gemeinschaftshandeln liegt, be stimmte Ordnungen als gel tend sub j e k t i v ansehen und praktisch behandeln, also ihr eigenes Handeln an ihnen orien- - 3 - tieren" (6). Ware Webers Rechtssoziologie nichts weiter als eine Einl6sung dieses Programms, liefe sie in der Tat auf das hinaus, was Gurvitch ihr vorwarf: auf die unterwerfung der Soziologie unter die Vorgaben der Dogmatik und den Verzicht auf jeden Versuch, "die Symbole, die Werte und die kollektiven Ideen aus der sozialen Wirklichkeit hervorgehen zu lassen" (7). GegenUber dieser Betrachtungsweise ist nun allerdings daran zu erinnern, daB fUr Weber die Analyse der empirischen Geltung von Normen oder Normensystemen diese stets in doppelter Hin sicht zu thematisieren hat: "als faktisch wirkend und bewirkt" (8). Obwohl es in den methodologischen Schriften, bedingt durch die Vorgaben der jeweiligen Gegenpositionen, meist nicht so deutlich herauskommt, ist fUr Weber doch vollkommen klar, daB eine Rechtssoziologie, die sich nur auf die Wirkung der Normen beschrankte, ihre Aufgabe verfehlt hattei die Analyse der sozialen Erscheinungen und Kulturvorgange unter dem spe ziellen Gesichtspunkt z.B. ihrer 6konomischen Bedingtheit und Tragweite, so konstatiert er etwa im Objektivitatsaufsatz, sei "ein wissenschaftliches Prinzip von sch6pferischer Frucht barkeit", dessen Bedeutung bei umsichtiger Anwendung auch in Zukunft erhalten bleibe (9), und auch in der Protestantismus Studie lehnt er mit Nachdruck die Unterstellung ab, er wolle an Stelle einer einseitig 'materialistischen' eine ebenso einseitige 'spiritualistische' Geschichtsdeutung set zen (10). Tatsachlich zeigt schon ein kurzer Blick in die groBen kultur vergleichenden Studien, daB Weber Uber der Untersuchung der Sinnsysteme und des an ihnen orientierten sozialen Handelns niemals das Eigengewicht und die Eigendynamik der 6konomischen, aber auch der 6kologischen, politischen oder kulturhistori schen Faktoren verges sen hat. Dabei hat er nicht nur die 'ma teriellen Interessen' als gleichursprUnglich mit den 'Ideen' behandelt (11), sondern sich stets urn die Einbettung dersel ben in Ubergreifende 'Strukturformen' bemliht, deren Eigenge setzlichkeiten und vielfaltigen Verschrankungen nachzugehen ihm als eigentliche Aufgabe der Soziologle erschien. In der Hinduismus-Studie beispielsweise skizziert er 2unachst das - 4 - 'soziale System' der indischen Gesellschaft und behandelt erst im AnschluB daran die intellektuellen Soteriologien; in der Konfuzianismus-Studie beginnt er mit einer breiten Erorterung der 'soziologischen Grundlagen' der chinesischen Gesellschaft Und interpretiert dann auf dieser Folie den Konfuzianismus. In seinen Studien liber die klassische Antike verzichtet er so weitgehend auf die Thematisierung normativer Aspekte, daB man ihn in die Nahe des historischen Materialismus gerlickt hat (12). Vollends in der Herrschaftssoziologie steht neben der Legitimitatsproblematik gleichrangig die Untersuchung von komplexen 'Strukturprinzipien' oder 'Organisationsprinzipien' der Herrschaft, die sich weder einer handlungstheoretischen noch einer normativistischen Reduktion fligen (13). Wie sich normative und empirische Ordnung, Herrschaft und Recht, Reli gion und Okonomie zueinander verhalten, laBt sich nach Weber nicht a priori und generell entscheiden, sondern nur histo risch-konkret - ein Ergebnis, das theoretisch nicht immer be friedigend sein mag, weil die Analyse sich oft in einem unend lichen RegreB der Kausalbeziehungen verliert und leicht zu einem bloBen Nebeneinander der Faktoren tendiert, das aber forschungspraktisch den groBen Vorzug besitzt, die Vielfalt der Bezlige nicht vorab einem einseitigen Reduktionismus zu opfern. Webers Werk ist offen, und das macht seine Brauchbar keit und Attraktivitat auch flir diejenigen aus, die die hi storische Soziologie nicht in das Prokrustesbett von Webers eigener, subjektiv-sinnverstehender Methodologie pressen wollen. Die folgenden Beitrage versuchen, mit unterschiedlichen Per spektiven und Theorieinteressen diese Offenheit und Mehrdimen sionalitat am Beispiel der Rechtssoziologie zu demonstrieren. Hubert Treiber arbeitet die Parallelen zwischen Webers Theorie des religiosen Rationalisierungsprozesses und den Stu fen der Rechtsentwicklung heraus und geht dabei besonders auf die Beziehungen zwischen Weltbildstrukturen und sozialen Trager schichten ein. Stefan Breuer analysiert die Auswirkungen der politischen Verfassung auf das Recht am Beispiel des patri monialen Imperiums in China und Rom und am Beispiel des ja- - 5 - panischen und okzidentalen Feudalismus. David M. Trubek unter sucht die Beziehungen zwischen Recht, Herrschaftsstruktur und Wirtschaft in der Entstehungsphase des modernen Kapitalismus unter besonderer BerUcksichtigung des sogenannten "England Problems", also der Frage, warum England den kapitalistischen Primat gewann, obwohl sich sein Recht - verglichen mit dem kontinentalen Rechtssystem - durch ein geringeres Rationali tatsniveau auszeichnete. Beatrice Caesar-Wolf rekonstruiert die in Webers Rechtssoziologie enthaltenen Analysen der Ent wick lung und Stellung des modernen Richtertums vornehmlich am Beispiel des deutschen Rechtssystems und thematisiert das zur Zeit vieldiskutierte Problem der anti-formalen Tendenzen im modernen Recht einmal nicht auf dogmatischer Ebene, sondern auf der Ebene der Tragerschichten im Spannungsfeld zwischen Professionalisierung und Deprofessionalisierung. Nico Roos setzt sich ebenfalls mit Max Webers These der anti-formalen Tendenzen im modernen Recht auseinander, nicht zuletzt des halb, weil diese These einen Zugang zu Webers SchlUsselbegriff der "Berechenbarkeit" er6ffnet; N. Roos geht in seinem Beitrag nicht nur auf die Beziehungen ein zwischen Webers Rechtsso ziologie und der Begriffsjurisprudenz, sondern konfrontiert die Aussagen Webers zur sogenannten "Laienrichterfrage" (sie thematisiert die Folgen der Verwendung nicht fachjuristisch geschulter Laien im Rechtsgang fUr ein hochformalisiertes Rechtssystem) mit den Ergebnissen empirischer Untersuchungen zur "Laienrichter-Rechtsprechung". Mit den beiden zuletzt ge nann ten Beitragen ist eine Verbindung hergestellt zu einer Diskussion, die derzeit innerhalb der amerikanischen wie euro paischen Rechtssoziologie unter den Stichworten: "Krise des regulativen Rechts", "Re-Materialisierung", "Reflexives Recht" gefiihrt wird.

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