Lehr- und Forschungstexte Psychologie 33 Herausgegeben von D. Albert, K. Pawlik, K.-H. Stapf und W. Stroebe Ekkehard Stephan Zur logischen Struktur psychologischer Theorien Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokvo Honn Knnn Autor des Bandes Ekkehard Stephan Institut fOr Wirtschafts- und Sozialpsychologie der UniversitAt zu KOln Herbert-Lewin-StraBe 2, 0-5000 KOln 41 Herausgeber der Reihe Prof. Dr. D. Albert, UniversitAt Heidelberg Prof. Dr. K. Pawlik, UniversitAt Hamburg Prof. Dr. K.-H. Stapf, UniversitAt TObingen Prof. Dr. W. Stroebe, Ph.D., UniversitAt TObingen ISBN-13: 978-3-540-52442-7 e-ISBN-13: 978-3-642-75616-0 001: 10.1007/978-3-642-75616-0 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschOtzt. Die dadurch begrOndeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung ,des Nachdrucks ,des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfllmung oder der VervielfAltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. bleiben, auch bei nur auszugs weiser Verwertung, vorbehalten. Eine VervielfAltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der Fassung vom 24. Juni 1985 zulAssig. Sie ist grundsAtzlich vergOtungspflichtig. Zuwider handlungen unterliegen den Strafbestimmunge des Urheberechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1990 2126/3140-543210 - Gedruckt auf sAurefreiemPapier Vorwort Die vorltegende Arbeit setzt die Versuche fort, das auf J.D. SNEED zuriickgehende strukturalistische Theorienkonzept auf die Psychologie zu iibertragen. In der Psycho logie, wie in den Sozialwlssenschaften lnsgesamt, dominiert selt Jahrzehnten ein methodologisches Selbstverstandnis, das dem von POPPER begriindeten kritischen Ratio naltsmus verpfllchtet ist. Dlese Methodologie beflndet slch jedoch seit der sechziger Jahren in einer tlefen Krise. Detalllierte Untersuchungen zur Geschichte der Naturwissenschaften hatten deutlich gemacht, da13 die Entwicklung dieser Disziplinen keineswegs dem Muster "kiihner Entwurf einer Theorie - krltische Priifung - vorlaufige Bewll.hrung oder Falsifikation" folgt. Nicht die Versuche, eine Theorie zu falsiflzie ren, sondern sie zu bestlitigen und angeslchts widerstreitender Erfahrung zah zu verteidigen, schienen charakteristisch ror ausgedehnte Phasen der naturwissenschaft lichen Forschung zu sein. Der kritische Rationaltsmus reagierte auf diese Beschreibungen der Wissenschaftsge schichte in zweifacher Weise: Einerseits mit dem Vorwurf der Irrationalltlit und des Dogmatlsmus an die Adresse der Wlssenschaftler, die die Falslf1kationsnormen so eklatant verletzten, anderseits mit dem Versuch, diese Falsiflkationsnormen so zu llberallsieren, da13 die tatslichliche Wissenschaftsgeschichte wieder in Einklahg mit rationalen methodologlschen Prinzipien gebracht werden konnte. Diese Auseinandersetzungen iiber eine adliquate Methodologie der bzw. ror die Naturwis senschaften dauern an und haben in den Sozialwlssenschaften ein verglelchsweise schwaches Echo gefunden. Verelnfacht lli13t slch etwa folgendes BUd zeichnen: In der (Wissenschafts-}Theorie herrschen nach wie vor Bekenntnisse zur POPPER'schen Methodo logie vor, In der (Forschungs-}Praxis wird krliftig exhaurlert. Die strukturalistische Wissenschaftstheorle kann zur Debatte urn die Krise des krltlschen Rationaltsmus einige wesentllche klll.rende Beitrll.ge llefern. Ihr Instrumen tarium erlaubt es dariiber hlnaus, die Struktur und die Dynamik wissenschaftlicher Theorien wesentllch differenzierter zu beschreiben, als dies bisher m6glich war. Es 1st das Anliegen dieser Arbeit zu zeigen, daB das strukturallstische Theorienkonzept mit Gewinn auch auf psychologische Theorien iibertragen werden kann. Dazu wird zunll.chst eine elementare Einfiihrung in die strukturallstische Theorienkon zeption gegeben, die auch dem wissenschaftstheoretisch nicht einschlll.gig vorgebilde- IV ten Leser die Rezeption dieses Ansatzes ermligliehen moehte. Exemplariseh werden dann drei psyehologisehe Theorien aus strukturalistiseher Sieht dargestellt: Die Balanee theorie von F. HEIDER, die Konformititstheorie von B.P. COHEN und ein komplexes Netz psyehologiseher Nutzentheorien, das u.a. eine fUr viele psyehologisehe Theorien grundlegende Theorie des subjektiv erwarteten Nutzens, sowie die Prospeet-Theorie von KAHNEMAN & TVERSKY und diverse Theorien der Leistungsmotivation enthiUt. (Damit knQpft die Arbeit thematiseh an den Band 25 dieser Reihe an, in dem R. WESTERMANN die Theorie der kognitiven Dissonanz in der strukturalistisehen Theorienkonzeption forma lisiert hat.) Es wurde versueht, die methodologisehen und methodisehen Ertri!.ge der Rekonstruktionen jeweils deutlieh herauszuarbeiten, so daB die Fruehtbarkeit einer strukturalistisehen Auffassung psyehologiseher Theorien siehtbar wird. Besonderer Dank fQr hilfreiehe Kommentare zu frQheren Fassungen dieser Arbeit gebQhrt W. DIEDERICH, C.-U. MOULINES, H. WESTMEYER und zwei anonymen Gutaehtern. Des weiteren habe ieh an versehiedenen Stellen Anregungen der Arbeitsgruppe "Psyehologi sehe Theorien aus strukturalistiseher Sieht" aufgegriffen, die seit 1987 in unregel mABigen AbstAnden in Bad Homburg zusammenkommt. Den Mitgliedern dieser Arbeitsgruppe sei fiir die Auseinandersetzung mit meinen Rekonstrukten ebenfalls herzlieh gedankt. Bei der Erstellung und Korrektur des Manuskripts, der Register und Abbildungen haben mieh P. ADELT, H. BRAND, G. BREWKA, D. FETCHENHAUER, G. JAKOBS und S. WINKELS tat kriftig unterstQtzt. Bonn, im Januar 1990 Ekkehard Stephan Inhal tsverzeichnis Einleitung Oberblick 4 A. Einfiihrung in die strukturalistische Wissenschaftstheorie 8 1. Grundlegende Konzepte ...........••. 8 1. Modelle, potentielle Modelle, partieile potentieile Modelle und Constraints ..........•.....•. 8 2. Das Problem der theoretischen Terme und seine Lasung 13 3. Theorieelemente und Theoriennetze • . . . . . . . . . 25 4. Zwischenbetrachtung: Synchrone und diachrone Wissenschafts- theorie 29 2. Pragmatische Erweiterungen 31 1. Theorienevolution 31 2. Wissenschaftlicher Fortschritt 33 3. Wissenschaftstheoretische Positionen des Strukturalismus 37 1. Revolutioniirer wissenschaftlicher Wandel und die angebliche Rationalitatslilcke . . . • . . . 39 2. Inkommensurabilitat und Reduktion 41 3. POPPERs Kritik der "normalen Wissenschaft" im Licht des Strukturalismus 43 4. Theorienbeladenheit der Beobachtungen 46 5. Holismus 47 6. Traditionelle und strukturalistische Theorienauffassung 49 4. Technische Darstellung zentraler strukturalistischer Begriffe 51 1. Theorieelemente . . . . . . . . . . 52 2. Relationen zwischen Theorieelementen 55 1. Spezialisierung 56 2. Theoretisierung 56 3. Konkurrenz 58 4. Enttheoretisierung 59 5. Differenzierung 60 VI B. Rekonstruktionen psychologischer Theorien 63 Vorbemerkungen ..... 63 1. HEIDERs Balancetheorie 65 2. COHENs KonformitlHstheorie 86 3. Psychologische Nutzentheorien 101 1. Oberblick uber das Theorlennetz 102 2. Allgemeines Nutzenmaximierungsprinzip 104 3. Additives Allgemeines Nutzenmaximierungsprinzip 107 4. Maximin-Prlnzip. . . . . . . . . . . . . 112 5. Theorie des subjektiv erwarteten Nutzens 114 6. Prospect-Theorie . • 124 7. Theorien des objektiv erwarteten Nutzens und des subjektiv erwarteten Wertes ........ . 129 8. Allgemelnes Leistungsmotivationsmodell 133 9. Theorie der resultierenden Valenz 139 10. Risikowahltheorie 140 C. Zusammenfassung 146 Llteraturverzeichnis 149 Autorenregister 160 Sachregister 162 Verzeichnis der Symbole und Abkurzungen . . . . . . . . . . . • . . .• 171 Einleitung Das Jahr 1971, in dem der amerikanische Philosoph Joseph D. SNEED sein Buch "The Logical Structure of Mathematical Physics" verl)ffentlicht hat, markiert den Beginn eines neuen wissenschaftstheoretischen Forschungsprogramms. Am Beispiel der klassi schen Partikelmechanik wurde erstmals der sog. non-statement-vJew von empirischen Theorien entwickelt. (Die Bezeichnung "Strukturalismus" fUr diesen Ansatz geht auf Y. BAR-HILLEL zuruck, der damit auf die Verwandtschaft der angewandten Methoden und Ziele zu denen der franzl)sischen Mathematikergruppe "N. BOURBAKI" (1968) hinweisen wollte - verg1. STEGMOLLER 1980, S. 106.) Was fur empirische Forschungsprogramme gilt, gilt auch fUr dieses metawissenschaft Uche Forschungsprogramm. Einerseits wurde seit 1971 das begriffliche Instrumentarium fortentwickelt und verfeinert (BALZER & SNEED 1977, 1978; STEGMOLLER 1979; BALZER et a1. 1987), andererseits wurde sein Anwendungsbereich betrll.chtlich erweitert. Neben \ weiteren physJkallschen TheorJen (MOULINES 1975, 1980, 1987; HEIDELBERGER 1976, 1980; DIEDERICH 1981; BALZER & MOHLHOLZER 1982; BALZER 1984) wurden Theorien der OkonomJe (DIEDERICH & FULDA 1978; DIEDERICH 1981; BALZER 1980, 1982, 1982a,b, 1985b; HANDLER 1980, 1980a, 1982, 1982a, 1984; STEGMOLLER et a1. 1982; HASLINGER 1983; HAMMINGA & BALZER 1986), der BJologJe und Medlzln (MOLLER & PILATUS 1982; MOLLER 1985; BALZER & DAWE 1986), der Llteratur- und Sprachwlssenschaft (SCHNELLE 1976; FINKE 1977, 1979, 1982, 1983; GOTTNER & JAKOBS 1978; BARSCH 1981, 1984; BARSCH & HAUPTMEIER 1983; BICKES 1984), der Polltlkwlssenschaft (DRUWE 1985) und der Psycholo gle (KRAIKER 1976; WESTMEYER 1976, 1977; BALZER 1982b; SADEGH-ZADEH 1982; WEGENER 1982; WESTMEYER et a1. 1982; BIRKHAN & FRIEDRICHSEN 1983; UECKERT 1983; KOUKKANEN 1986; WESTERMANN 1987; WESTMEYER & NELL 1987; WESTMEYER et a1. 1987) strukturaU stisch rekonstruiert. Die vorliegende Arbeit setzt die Bemtlhungen urn die Ausweitung des Anwendungsbereiches der strukturalistischen Theorienkonzeption auf die Psychologie fort. Freilich ist allein die Tatsache, daB sich diese Theorienkonzeption auf die unterschiedlichsten einzelwissenschaftUchen DiszipUnen anwenden lliBt, philosophisch nicht sehr beein druckend. Denn jede einigermaBen klar formul1erte empirische Theorie IIl.Bt sich, wie es fUr den Strukturalismus kennzeichnend ist, mengentheoretisch axiomatisieren (verg1. SNEED 1979, S. XXIII). Die logische Rekonstruktion einer Theorie soUte jedoch mehr als nur eine Symbolisierung dieser Theorie darstellen. Wissenschaftstheo retischen Erkenntnlsgewlnn haben Rekonstruktionen dann, wenn sle "philosophical 2 puzzles that surround the theory" (SNEED, 1979, s. XXIII) einer Losung niiherbringen. Eines dieser Riitsel betrlfft den empirischen Gehalt einer Theorie. Die Frage, die schon fUr SNEED bei seiner Rekonstruktion der klassischen Partikeimechanik erkennt nisleitend war, niimlich wie man mit einer Theorie empirisch gehaltvolle Aussagen aufstellen kann, ohne sich dabei in logische Aporien zu verstricken, stellt auch in der vorllegenden Arbeit einen Schwerpunkt der Erorterungen dar. Denn wenn sich zeigt, daB bel psychologischen Theorien ahnliche Schwierigkeiten bei der Formulierung empirisch gehaltvoller Aussagen bestehen wle bei physikalischen Theorien und da13 diese Schwierigkeiten auf die gleiche Weise wie bei physikalischen Theorien gelost werden konnen, so spricht dies eher fUr elne strukturalistische Auffassung psycholo gischer Theorien als elne blo13e mengentheoretische Axiomatisierung, die die Frage nach der Notwendigkeit (und Aufwandes) eines solchen Vorgehens offenliiBt. Ein anderes wichtiges Ratsel betrifft das Verhaltnis verschiedener psychologischer Theorien zueinander. "Sozialpsychologische Theorien haben - urn in der Computersprache zu reden - keine 'Baumstruktur', sondern eher eine 'Spaghettistruktur'. Sofern Hypothesen und Design nicht explizit aus einer Theorie deduziert wurden, konnen die Befunde sozialpsychologischer Experimente dann im Sinne einer Ex-post-Erklarung weitgehend nach Belieben durch irgendeine dieser Theorien erkllirt werden, die man zur geflilllgen Auswahl bereithalt. Dabei ist hliufig unklar, in welcher Beziehung die verfUgbaren Theorien zueinander stehen, welche Reichweite sie haben und unter welchen Bedingungen sie gelten" (WISWEDE 1988, s. 17). Dieser von WISWEDE zurecht beklagte Zustand betrifft nicht nur das sozialpsychologische Theoriengebaude. Auch andere psychologische Telldiszipllnen, wie die Sozialwissenschaften insgesamt, leiden unter einem Mangel an Systematik ihrer theoretischen EntwUrfe. Nicht nur den Studienanfiin ger in diesen Diszipllnen plagen Fragen wie die, welche Theorie in welchem Sinn auf einer anderen aufbaut, wann zwei Theorien als gleichgeordnete Ableger eines gemeinsa men Stammes gelten konnen, in welchem Verhaltnis die Anwendungsbereiche zweier Theorien zueinander stehen, welche Theorien miteinander konkurrieren und welche sleh ergiinzen, welche von zwei Theorien die "tiefere" ist, ob und in welchem Sinn mit einer Theorie ein wissenschaftlicher Fortschritt gemacht wurde, etc. SolI die Erorte rung solcher Fragen Uber das Stadium wenig verbindlicher Plausibilitiitserwiigungen hinausgehen, so sind die theoretischen Kernannahmen und die mit Ihnen verbundenen beanspruchten Geltungsbereiche moglichst genau zu beschreiben und die Relationen zwischen verschiedenen Kernannahmen und zwischen verschiedenen Geltungsbereichen zu expllzieren. Der StrukturaUsmus hat seine Taugllchkeit als Instrument fUr eine solche Systematisierung im Feld physikalischer und okonomischer Theorien unter Beweis gestellt. Insbesondere der Abschnitt B.3 dieser Arbeit ist der Integration einer ganzen Reihe von bisher als unverbunden oder als nur lose zusammenhiingend gesehenen psychologischen Theorien gewidmet. Auf diese Weise wird der Forderung WISWEDEs nach verstiirkten "zentripet'llen Tendenzen der Theorienbildung" in der Psychologie Rechnung 3 getragen (1988, S. 29). Die Explikation intertheoretischer Re) ationen kann auch durchaus zu dem Ergebnis filhren, da:B giingige priisystematische Vorstellungen ilber solche Relationen revidiert werden milssen. Auch in diesem Sinn konnen Rekonstruktio nen zu einem echten Erkenntnisgewinn filhren. Ein eher innerphilosophischer Gewinn des strukturalistischen Theorienkonzepts besteht darin, da:B es die historische und die systematische Perspektive in der Wissenschafts forschung wieder kompatibel macht. Wie lassen sich verschiedene Arten des wis senschaftlichen Fortschritts gegeneinander abgrenzen, wie kann der Unterschied zwischen normaler und revolutioniirer Wissenschaftsentwicklung priizisiert, wie ein progressives Forschungsprogramm im Sinne von LAKATOS expliziert werden? Erst durch eine gemeinsame Sprache wird die Diskussion ilber die Rationalitiit der Wissenschafts entwicklung sinnvoll. Fiir eine kilnftige Diskussion der Entwicklung psychologischer Theorien, etwa der "Typ b - Forschungsprogramme" im Sinne HERRMANNs (1976), stellt der Strukturalismus einen geeigneten Rahmen dar. Die strukturaiistische Theorienauffassung entspricht moglicherweise auch eher den Intuitionen und dem tatsiichlichen Verhalten von Wissenschaftlern bezilglich der Prilfung, Verwerfung und Beibehaltung von Theorien. Vieles von dem, was unter einem orthodoxen Falsifikationismus als methodologisch bedenklich oder einem "dogmatischen Geiste" entsprungen scheint1, findet aus strukturalistischer Sicht ganz natilrliche Erkliirungen und verliert den Anstrich des Irrationalen. So wird streng zwischen der Theorie selbst, die aus einem formalen Theoriekern und einer variablen, nur para digmatisch vorgegebenen Menge von intendierten Anwendungen besteht, und den mit der Theorie verbundenen empirischen Behauptungen unterschieden. Ein fehlgeschlagener Versuch, den Anwendungsbereich zu erweitern, zwingt nicht zur Aufgabe der Theorie. Ferner IIl:Bt sich von vielen Theorien zelgen, da:B sie auf mehrfache Weise immun gegenilber Falsifikationsversuchen sind. Die Auseinandersetzung ilber "Immunislerungs strategien" erscheint aus strukturalistischer Slcht in einem neuen Licht. Auch die den Wissenschaftlern schon immer vertraute Idee der Bestimmung des Anwendungsberei ches der Theorie durch sie selbst verliert ihr vermeintlich Absurdes. Freilich bedeutet ein Pllidoyer filr ein neues methodologisches Selbstverstllndnis in der psychologischen Forschung nicht die Apologie der (allzuoft unzullingllchen) For- 1 So schreibt POPPER (1974, S. 52): "Meiner Ansicht nach ist ein solcher 'normaler' Wissenschaftler, wie ihn Kuhn beschreibt, eine bemitleidenswerte Person. C .. ) Der 'Normalwissenschaftler' wurde schlecht unterrichtet. Man hat ihn in einem dogmatischen Geiste erzogen; er ist ein Opfer der Unterweisung, die ihm zuteil wurde." 4 schungspraxis. Aber es ist wichtig zu sehen. wo die methodologischen Defizite nicht liegen. Der den Sozialwissenschaften vielfach empfohlene Blick auf die Naturwissen schaften ist in diesem Zusammenhang durchaus aufschlu13reich. Wie SNEED selbst fest stellt. "oo. behavioral scientists frequently take (or are enjoined by normative methodologists to take) physics as their paradigm of 'good science'. This is, I think. OK. Physics is a pretty good example of successful empirical science. However acceptance (or urging) of this paradigm is all-too-often accompanied by a rather naive picture of what physics is like. Coo} If the behavioral scientist is to imi tate consciously the physicist, let him at least have an accurate picture of what the physicist is doing" (1979, S. XXIV). Die strukturalistische Theorienauffassung war das Ergebnis des Versuchs, die logische Struktur physikalischer Theorien besser zu verstehen. Wenn dadurch lieb gewordene methodologische Normen ins Wanken geraten sind, so war vielleicht nur das BUd von naturwissenschaftlichen Theorien zu naiv, auf das slch diese Normen grunden. Warum sollten die Sozialwissenschaften nicht von der Korrektur dieses BUdes ternen? fiberblick Die Arbeit ist folgenderma13en aufgebaut: Der Tell A enthiHt eine selbstAndig lesbare informelle Einfuhrung in den Struktura lismus, die auch dem Nicht-Fachmann die grundlegenden Konzepte und wissenschaftstheo retischen Positionen dieses Ansatzes verstAndlich machen mochte. Es wird lediglich Vertrautheit mit den Grundbegriffen der sog. naiven Mengenlehre vorausgesetzt (zur EinfUhrung siehe etwa HOFER & FRANZEN 1975, S. 443 -:- 488). Die Darstellung ist so angelegt, da13 der Aufbau des strukturalistischen Begriffsapparates (A.l) moglichst durchsichtig und die Motive zur EinfUhrung gerade dieser Konzepte deutlich werden. (Dabei wird der Begriffsapparat zugrundegelegt, der in STEGMOLLER (1979, 1986a) und BALZER et a1. (1987) dargestellt ist. Die Frage, Inwiewelt die Rekonstruktion psycho logischer Theorien von der angekilndlgten kategorientheoretischen Reformulierung des Begriffsapparates (verg1. BALZER et a1. 1987, S. XI) profitieren konnte, blelbt spAteren Untersuchungen vorbehalten.} Den roten Faden bllden dabei die Probleme, die sich aus dem Versuch ergeben, mit einer Theorie empirisch prufbare Behauptungen auf zustellen. Diese Theorie ist die schon von SNEED (1979) und STEGMOLLER (1973, 1986a) benutzte physikalische Miniaturtheorie. die den Vortell hat, da13 sich an ihr die methodologischen Probleme, urn die es geht, besonders klar herausstellen und die Schrltte zur Losung dieser Probleme ilbersichtlich darstellen lassen. (Die Suche nach