OK 677.1 : 531.754/.755 FORSCH U NGSBE RICHTE DES WI RTSCHAFTS- UN D VE RKE H RSMI N ISTE RI UMS NORDRH E I N-WESTFAlE N Herausgegeben von Staatssekretar Prof. Dr. h. c. Leo Brandt Nr. 381 Privatdozent Dr. habil. Johannes Juilfs Te xtilforschungsanstalt Krefeld Zur Dichtebestimmung von Fasern Methoden und Beispiele der praktischen Anwendung Als Manuskript gedruckt Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1957 ISBN 978-3-663-04041-5 ISBN 978-3-663-05487-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-05487-0l Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen G I i e der u n g I. Einleitung · · · · · · · s. 5 1 . Vorbemerkung · · s. 5 2. AufgabensteIlung s. 5 . . 3. Begriffe · · · · · · · · · s. 7 4. Faserdichte · · · · · · · · · · · · · s. 9 11. Methoden der Dichtebestimmung · · · S. 11 1. Pyknometermethode · · · · · · · · · · · · · · · · · S. 11 2. Auftriebmethode · · · · s. 13 3. Schwebemethode · S. 17 4. Eine neue Apparatur zur Dichtebestimmung · S. 21 111. Allgemeine Ergebnisse zur Methode S. 26 1. Dichte-Zeit-Abhängigkeit s. 26 2. Streuung der Dichtewerte · · · · s. 30 3. Volumenänderung bei Wasseraufnahme · · · · · s. 37 IV. Praktische Ergebnisse · · · · · · · · · s. 42 1 • Dichte säurebehandelter Fasern · · · s. 43 2. Q.uellwert-Dichte-Abhängigkeit · · · s. 48 3. Korrelation zwischen Dichte und Dehnungseigenschaften S. 51 4. Dichte von Cup ra aus verschiedenen Spinnverfahren s. 53 5. Glanzfäden bei Viskosereyongewebe · · · · · · s. 54 6. Kettstreifigkeit bei Azetat · · · · s. 56 7. Anfärbeunterschiede bei Baumwolle · · · · · · · · s. 56 8. Dichte von kunstharzausgerüsteten Fasern · · · · S. 58 9. Bestimmung der Dichte von Wolle s. 59 10. Dichte von Perlon · · · · · · · · · · · S. 60 • V. Schluß . . . . · · · · · · · · · · · · · · · · • · · · · · S. 62 · . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Literaturverzeichnis S. 64 Seite 3 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen I. Ein lei tun g 1. Vorbemerkung Eine wesentliche physikalische Eigenschaft textiler Fasern ist die Dich te bzw. das spezifische Gewicht. Man kann aus dieser Größe bzw. aus ihrem husammenhang mit anderen physikalischen Daten, wie Quellwert usw., gewisse Aussagen über den Aufbau und die Eigenschaften der Fasern sowie über ihr Verhalten in den verschiedenen Arbeitsgängen erhalten. Weiter ist die Dichte eine wertvolle Kennzahl für feinere Unterscheidun gen an Fasern, insbesondere bei bestimmten Schädigungen, Ungleichmäßig keiten und einigen Veränderungen während technologischer Prozesse. Sehr wichtig ist die Kenntnis der Dichte auch insofern, als aus ihr der Raum inhalt errechnet wird, den ein Fasergut in einem Textilerzeugnis ein nimmt. Schließlich sind die Volumenveränderungen unter verschiedenen Bedingun gen, die aus den entsprechenden Dichteänderungen unmittelbar bestimmt werden können, von besonderer Bedeutung. - In der Textilprüfung ist die Kenntnis der Dichte, z.B. als Bezugsgröße für Festigkeitswerte, unerläßlich, da die Festigkeit stets auf den wirk lichen Faserquerschnitt bezogen wird, der durch das Volumen (also prak tisch durch die Dichte) und die Faserlänger bestimmt ist. 2. AufgabensteIlung Die Literatur über Dichtemessungen an Fasern ist sehr umfangreich. Die Zahlenangaben aber weichen oft recht erhebl~ch voneinander ab, und es werden zum praktischen Gebrauch oft nur die Dichten bis auf 2 Dezimalen berücksichtigt (z.B. Tab. 1) (1). Es erscheint daher dringend erforderlich, die Meßmethoden und -bedingun gen eingehend zu untersuchen, mit dem Ziel, für die Praxis möglichst ge eignete Methoden und Apparaturen herzustellen und die erhaltenen Zahlen angaben auf ihre Genauigkeit zu prüfen. Seite 5 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen Tab e 1 1 e 1 Gebrauchswerte für Dichten (spezifische Gewichte) nach P.A. KOCH * (Basis absolut trockener Zustand; Werte mit sind auf diesen Zustand interpoliert. Immersionsmittel: organische, nicht~uellende Flüssigkeiten) Baumwolle • . • . . . • • 1,55 Baumwolle, mercerisiert 1 ,53 . . . . . . . . Flachs, roh. 1,49* Jute 1,45* Ramie • 1,55 Schafwolle 1,30 Naturseide, entbastet 1,37 . . . . . . . Nitratkunstseide 1 ,53 Kupferkunstseide bzw. -zellwolle 1,52 Viskosekunstseide bzw. -zellwolle • 1,52 Azetatkunstseide bzw. -zellwolle aus Triazetat 1,29 aus handelsüblichem Sekundärazetat 1 ,31 . Alginatkunstseide (Calcium-) .. .. .. 1,78 . . . Erdnußeiweißfaser • • .. .. .. .. 1,30 ZeYnfaser • 1,25 Kaseinfaser 1,30 Glaskunstseide bzw. -faser 2,49 Polyäthylen-Faserstoffe • • 0,92 Polyvinyl-Faserstoffe aus Polyvinylchlorid (PCU, Rhovyl-Fibravyl) 1,40 nachchloriertem Polyvinylchlorid (PeCe) 1,44 Polyvinylidenchlorid (Saran) •••••• 1,72 Polystyrol (Styroflex) 1,06 . . . . Polyacrynitril: Orlon 81 .. .. .. 1,18 . . Acrilan .. .. .. .. .. 1 ,14 Mischpolymerisat-Faserstoffe (Dynel). 1,28 Polyester-Faserstoffe (Terylene, Dacron). 1,38 Polyamid-Faserstoffe (N~lon, Perlon usw.) 1 ,15 Polyurethan-Faserstoffe (Perlon U) 1 ,19 Seite 6 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen 3. Begriffe Unter der Dichte eines Körpers versteht man das Verhältnis seiner Masse zu seinem Volumen: Masse Dichte Volumen Den Quotienten aus Gewicht und Volumen nennt man - mit einem unglückli chen, nicht eingebürgerten Wort - die Wichte des Körpers: Gewicht Wichte Volumen Mißt man die Masse des Körpers in Gramm und das Volumen in Kubikzenti meter, so erhält man für Wasser von 40 C die Dichte 0,999973 g/cm3. Die Dichte von Wasser von 40 C ist nicht 1 g/cm3, da der Masseprototyp aus 3 Platin-Iridium, der ursprünglich gleich der Masse von 1 cm Wasser von 40 C sein sollte, um 0,027 0/00 zu klein ausgefallen ist. Bei den prak tischen Dichtebestimmungen spielt diese Abweichung aber eine gegenüber dem Meßfehler zu vernachlässigende Rolle und soll daher hier außer acht gelassen werden. Das Verhältnis der Masse eines Körpers zu der Masse des gleichen Volumens Wasser von 40 C ist eine unbenannte Zahl und wird Dichtezahl genannt: Masse eines Körpers Dichtezahl Masse des gl. Vol. Wasser bei 40 C Bis auf die genannte Abweichung (0,027 0/00) stimmt die Dichtezahl zahlen mäßig mit der Dichte überein. Das Verhältnis des Gewichtes eines Körpers zu dem Gewicht des gleichen o Volumens Wasser von 4 C nennt man das spezifische Gewicht des Körpers: Gewicht eines Körpers Spezifisches Gewicht Gew. des gl. Vol. Wasser bei 40 C Infolge der Proportionalität von Masse und Gewicht (jedes Gewicht kann man messend mit einer Kraft vergleichen, die ihrerseits der Masse pro portional ist; der Proportionalitätsfaktor ist die Erdbeschleunigung) 7 Seite Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen stimmen daher Dichtezahl und spezifisches Gewicht zahlenmäßig überein. Damit besitzen also bis auf die genannte Abweichung Dichte, Dichtezahl und spezifisches Gewicht eines Körpers den gleichen Zahlenwert. Da das Gewicht an verschiedenen Orten der Erde infolge der unterschiedlichen Erdbeschleu- o nigung verschieden groß bestimmt wird, ist die Wichte nur unter 45 geo- graphischer Breite zahlenmäßig gleich der Dichte. Tab e I I e 2 Definitionen Masse Dichte Volumen Gewicht Wichte Volumen Masse eines Körpers Dichtezahl Masse d.gl.Vol.Wasser bei 4°C Gewicht eines Körpers spez. Gewicht Masse d.gl.Vol.Wasser bei 4öC 1 spez. Volumen Dichte (Räumigkeit) Dichte von Wasser bei 4°C 0,999973 g/cm3 spez. Ge wl".Ch t von Wasser bel." 4°C. 1,000000 Da die Zahlenwerte übereinstimmen, trennt man im Sprachgebrauch die Begrif fe oft nicht scharf voneinander und verwendet für die Maßzahlen neben der Bezeichnung "spezifisches Gewicht" die Bezeichnung "Dichte". Wegen der kürzeren Ausdrucksweise wollen wir uns diesem Gebrauch hier anschließen und - gleichsam abkürzend - für die unbenannte Maßzahl das Wort "Dichte" gebrauchen, zumal auch im angelsächsischen Bereich die Maßzahl allein oft mit "Density" bezeichnet wird. - Den Kehrwert der Dichte, also das Volumen je Masseneinheit, nennt man das spezifische Volumen oder die Räumigkeit des betreffenden Körpers: ~~3] 1 Spez. Volumen (Räumigkeit) Dichte Seite 8 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen 4. Faserdichte Bevor wir über die Bestimmung der Dichte von Fasern spr8chen, wollen wir untersuchen, was wir bei der Faser als Dichte bezeichnen können. Die Dichte von festen Körpern, z.B. von einem Stück Metall, kann man sehr einfach feststellen: Man wiegt den Körper und stellt das Volumen durch Eintauchen in eine Flüssigkeit fest. Die Flüssigkeit umgibt den Körper, und es ist nach den bekannten Methoden eine saubere Volumenmessung mög lich. Der Quotient aus Masse bzw. Gewicht und Volumen ist dann die Dichte. Im Spezialfall schwebt der Festkörper gerade in der Flüssigkeit, was be deutet, daß der Festkörper bei der vorliegenden Temperatur die gleiche Dichte hat wie die Flüssigkeit, in welcher er schwebt. Die Voraussetzung für die Möglichkeit einer Bestimmung des Volumens durch Eintauchen in eine Flüssigkeit ist, daß alle Abmessungen des Festkörpers groß sind gegen diejenigen der Flüssigkeitsmoleküle. Wenn nämlich der zu untersuchende Körper beispielsweise viele kleine Poren hätte, in welche die Flüssigkeitsmoleküle teilweise eindringen können, teilweise aber nicht einzudringen imstande sind, wird die Volumenmessung durch Eintauchen in eine Flüssigkeit völlig undefiniert. Die Volumenmessung hat in diesem Falle keinen physikalischen Sinn mehr. Diese grundsätzliche Schwierigkeit muß offenbar auch bei den Fasern auf treten; denn die Fasern bestehen im allgemeinen aus sehr langen Makro molekülen, die durchaus nicht immer dicht an dicht liegen. Vielmehr bil det die Fasersubstanz einen Körper, der wesentliche Zwischenräume auch zwischen den Molekülen hat, die so groß sind, daß die Moleküle einer Tauchflüssigkeit, in die man den Körper hineintaucht (speziell auch Was ser), langsam eindringen können. Der Grad der Eindringung ist natürlich außerordentlich schwer abzuschätzen. Vor allem ist er für verschiedene Tauchflüssigkeiten unterschiedlich zu erwarten. Wir sehen uns also vor die Aufgabe gestellt, zu untersuchen, wie wir überhaupt die Dichte der Faser definiert angeben können. - Die Schwierigkeit läßt sich am einfach sten am folgenden Modell einsehen: Es sei das Volumen zu bestimmen, das eine gewisse Menge von Kugeln mit einem größeren Radius (z.B. Apfelsinen) einnimmt. Dazu kann man die ge stapelte Kugelmenge überschütten mit einer Menge von Kugeln, welche einen kleineren Radius besitzen (z.B. Erbsen). Infolge des Eindringens der Seite 9 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen kleineren Kugeln in die Zwischenräume, die durch das Anlagern der größe ren Kugeln entstehen, werden die kleineren Kugeln teilweise in das Gesamt gefüge der aufgestapelten größeren Kugeln eindringen. Es leuchtet unmit telbar ein, daß noch kleinere Elemente (z.B. Sand) weit mehr in die Zwi schenräume eindringen können als die soeben genannten kleinen Kugeln. So wird die Eestimmung des Volumens, welches die großen Kugeln einnehmen, sehr abhängig von der Größe derjenigen Kugeln, mit welchen man die Volu menmessung vornimmt. Das ~eispiel zeigt, daß die Volumina der Kugelmengen sich nicht einfach addieren, sondern in Abhängigkeit von den Dimensionen der Kugeln mehr oder weniger ineinanderdringen, so daß eine scheinbare Kontraktion des Gesamtgefüges eintritt. Wenn lei den Fasern alle Zwischenräume groß wären gegenüber den Dimensi onen der Moleküle der Tauchflüssigkeit, würden alle Zwischenräume gleich mäßig von der Tauchflüssigkeit erfüllt, und man erhielte aus der Volumen bestimmung die Dichte der festen Fasersubstanz. In Wirklichkeit aber sind die Poren und Zwischenräume in der Faser sehr unterschiedlich, und die Fasern besitzen durchaus Poren in molekularen Dimensionen. Daher ist die Frage berechtigt, ob es überhaupt einen Sinn hat, durch Tauchen der Faser in eine Flüssigkeit deren Dichte zu bestimmen. Die vielen Untersuchungen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, daß man durchaus praktische Dichtewerte erhält, w€nn man die Fasern zur Dichte- bzw. Volumenbestimmung in verschiedene Tauchflüssigkeiten bringt und daß diese Daten gar nicht so sehr unterschiedlich sind. Die auftre tenden Unterschiede konnten allerdings nicht immer einwandfrei geklärt werden, und wir wissen heute, daß wir die Dichte als Kennzahl für die Fa ser ausdrücklich in bezug auf eine bestimmte Tauchflüssigkeit angeben müssen, wenn wir eine vorgegebene Genauigkeit nicht unterschreiten wollen. Auf die praktische Begriffsbestimmung der Dichte werde ich bei der Be handlung der Methoden zu sprechen kommen, da erst nach der kritischen Be trachtung der Bestimmungsmethoden etwas darüber ausgesagt werden kann, welcher Wert der Dichte reproduzierbar und definiert feststellbar ist. Seite 10