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Zur Analyse von Wirtschaftssystemen: Eine Einführung PDF

329 Pages·1979·23.054 MB·German
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Hans-Jiirgen Wagener Analyse Zur von Wirtschafts systemen Eine Einfiihrung Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1979 Prof. Dr. Hans-Jiirgen Wagener Universitiit Groningen Wissenschaftlicher Beirat: Gottfried Bombach, Basel Bernhard Gahlen, Augsburg Herbert Hax, Koln Werner Kroeber-Riel, Saarbriicken Kurt W. Rothschild, Linz (Donau) ISB~-13:978-3-540-09133-2 e-ISB~-13:978-3-642-67141-8 DOl: 10.1007/978-3-642-67141-8 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek. Wagener, Hans-Jargen: Zur Analyse von Wirtschaftssystemen: e. Einf./Hans-JUrgen Wagener. - Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 1979. Das Werk ist urheberrechtlich geschUtzt. Die dadurch begrUndeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder iihnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsaniagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Bei Vervieifaltigungen fIir gewerbliche Zwecke ist gemiiB § 54 UrhG eine Vergiitung an den Verlag zu zahlen, deren Hahe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1979 2142/3140-543210 Vorwort Paradigmata und Parabeln erfreuen sich in der Okonomie gro~er Beliebtheit. Wenn anders nicht, so kann man zumindest auf diese Weise der komplexen, sich stlindig lindemden Realitat beikommen. Doch das Standesbe~tsein eines echten Okonomen wiirde sich emstlich verletzt flihlen, stlinde am Anfang einer Arbeit: ,,Es war ein mal ... " und nicht: "Gegeben sind ... ". Die Analyse von Wirtschaftssystemen kann auf ein derartiges Be~tsein keine Rticksicht nehmen - das racht sich in dem ihr zugemessenen Status. Denn will man die Gegebenheiten erkliiren, so ist man in den meisten Fallen auf die Vergangenheit angewiesen. Und was diese anbetrifft, so liegen Geschichte und Fabel hiiufig nicht a11zu weit auseinander. Nur braucht bei einer Fabel der Realitatsgehalt nicht an den darin berichteten Tatsachen gepriift zu werden. Kurz: die foigende alte russische Tiergeschichte darfhier erzahlt werden: Der LOwe, Konig der Tiere, lag einmal krank in seiner Hohle. Die anderen Tiere strichen in gehOrigem Abstand urn den Eingang der Hohle und Uberlegten, wie sie am besten den leidigen Krankenbesuch hinter sich bringen konnten. Als erster nahm sich der Hase ein Herz, ging in die Hohle, in der die Luft zurn Schneiden war, und wtinschte dem Lowen gute Besserung. Der LOwe raunzte ungehalten den Hasen an: ,,Ehrlich, Hase, wie hiiltst du es hier aus? Es mu~ hier doch fiirchterlich stinken." Der Hase, dem schon die Augen tranten, war ehrlich: ,,Mit Verlaub - ja, Majestat." Daruber wurde der LOwe noch ungehaltener, und er fr~ den Hasen auf. Der Wolf, der das Ganze von dra~en mitangesehen hatte, holte tief Luft und ging als nachster hinein zum LOwen. Er wollte es besser machen a1s der Hase und gab auf die gleiche Frage dem Lowen mit zusammengekniffenen Augen zuruck: ,,Aber woher denn, ganz im Gegenteil. Ich fmde, hier riecht es besonders angenehm, Majestat." "Du lUgst, du Schuft," brtillte der LOwe und f~ au-:h den Wolf auf. Nun war die Reihe am Fuchs. Der ging hinein, machte die vorgescr..tiebenen Kratzfiiie. Doch bei der fatalen Frage des Lowen nieste er und hob bedauemd die Schultem: "Verzeihen, Majestat, aber bei meinem augenblicklichen Schnupfen bin ich a~erstande, etwas zu riechen." Und darnit kam er ungeschoren davon. Ober Wirtschaftssysteme schreiben he~t auch, sich in die Hohle des Lowen bege ben. Die okonomische Theorie gibt einem genug methodische Moglichkeiten an die Hand, mit geeignete~ Paradigrnata den schlauen Fuchs zu spielen. 1m Unterschied zur Fabel geht es hier jedoch nicht nur darum, seine Haut zu retten, sondem auch darum, dem . Leser die Moglichkeit zu geben, sich selbst ein BUd yom Inneren der Hohle zu nwcheil. Und dafur ist ibm wahrscheinlich mit einem paradigmatischen Schnupfen des Autors wenig gedient. VI Vorwort Dieses Buch wurde in der Absicht begonnen, ein Lehrbuch tiber die Analyse und den Vergleich von Wirtschaftssystemen zu schreiben. Ein solches Vorhaben setzt voraus, daB es einen Lehrstoff gibt, einen ausreichend groBen Vorrat gesicherter Er kenntnisse tiber die Realitat, der systematisiert und vermitteIt werden kann, oder einen allgemein anerkannten Kanon von methodischen Verfahrensregeln, die man zur Ana lyse der Realitat weitergeben kann. In beiderlei Hinsicht hapert es im Falle meines Gegenstandes. Nicht, daB es keine Erkenntnisse gabe; nicht, daB das okonomische Paradigma des allgemeinen Gleichgewichts hier a priori versagte, - nur, so wenig wie die einen zahlreich und gesichert sind, so wenig ist letzteres unumstritten. Die mittlerweilen gar nicht mehr so geringe Anzahl von Lehrbtichem und Mono graphien zu unserem Thema (vor allem in englischer Sprache) versucht, auf die eine oder andere Weise pragmatisch mit diesen Gegebenheiten auszukommen und fertig zu werden. Das hat uns ein gutes StUck vorangebracht. So zentral das Wirtschafts system in allen okonomischen Beziehungen steht, so selten ist es jedoch eigener Gegenstand theoretischer Bemtihungen, und so gering ist der Konsens bei Aussagen daruber. Das mag wohl auch etwas mitder Hohle des Lowen zu tun haben. Doch es liegt in der Natur der Sache, daB jede okonomische Theorie Ansatze zur Analyse des Wirtschaftssystems und auch entsprechende Hypothesen enthalt. Hier ist nun der Ansatzpunkt zu fmden, urn den Mangel eines anerkannten Lehr stoffes auszugleichen. Ich habe niimlich versucht, Elemente, Aspekte, Theorien und Hypothesen zu sammeln, die mir fliT ein Lehrbuch tiber das Wirtschaftssystem wesent lich erschienen. Die Methode, der ich dabei gefolgt bin, laBt sich am ehesten als theo retischer Diskurs oder kritischer Dialog bezeichnen: es kommen relativ viele Autoren mit ihren Feststellungen oder Hypothesen zu Wort, die gegeneinander gestellt, mit einander verglichen oder kritisch analysiert werden. Das Ziel dieses Ansatzes ist es, dem Leser einen Uberblick tiber den Argumentationsraum zu verschaffen, aber gleich zeitig dem Autor zu ermoglichen, die vorgestellten Aussagen kritisch zu behandeln. Diese Methode bringt es mit sich, daB mehr Fragen gestellt - und haufig nicht beantwortet - werden, als daB eine konsistente Menge von beweisbaren Satzen for muliert wtirde. Ware das moglich, so lieBe sich ja das Lehrbuch schreiben. Der man gelnde Konsens in einer lehrbuchHihigen Objektivitat macht es weiter notwendig, bestimmte Aussagen mit den Namen ihrer Autoren in Verbindung zu setzen. Ich habe es dabei haufig vorgezogen, pragnante Formulierungen direkt zu zitieren, an statt sie umstiindlich zu paraphrasieren. So erfahrt es der Leser straight from the horse's mouth. Da es nicht jedermanns Sache ist, sich in einem deutschen Text mit fremden Idi omen und fremdsprachiger Idiomatik auseinanderzusetzen, sind alle Zitate, die nach dem Literaturverzeichnis aus fremdsprachigen Texten stammen, von mir ins Deutsche tibertragen. In einigen Fillen liegen die Arbeiten bereits in deutscher Ubersetzung vor. Doch mit wenigen Ausnahmen habe ich die Originalquellen vorgezogen. Angesichts der Umstrittenheit vieler Aussagen zum Wirtschaftssystem stellt sich die Frage, wen ein derartiger Versuch eines Lehrtextes ansprechen kann. An den meisten Hochschulen fristet die Analyse des Wirtschaftssystems ein ktimmerliches Dasein. - In der Theorie der Wirtschaftspolitik gehOrt sie zu den rasch abgehandelten Pra liminarien. Vorwort VII - In der Komparatistik wird sie auf das Gleis der weniger attraktiven Nebenfacher geschoben. - Eine politische Okonomie des Wirtschaftssystems wird nur in seltenen Fillen ge lehrt. Darin li~ert sich der schwache Status unserer Disziplin. Doch die dynamischen Systementwicklungen machen es unmoglich, das Wirt schaftssystem weiterhin als invariantes Datum zu betrachten. Ein Studium seiner Grundaspekte und Basisfunktionsweisen mu~ deshalb an Bedeutung gewinnen. Es stellt eine notwendige institutionelle Erglinzung zur entscheidungsorientierten Wirt schaftstheorie und zur instrumentell orientierten Wirtschaftspolitik dar. 1m engeren Rahmen des akademischen Lehrbetriebes wendet sich dieses Buch vor allem an fortgeschrittene Studenten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, die mit gewissen Grundkenntnissen ausgestattet in der Lage sind, selbstlindig zu lesen und kritisch zu differenzieren. 1m weiteren akademischen Bereich sucht ein Autor selten eine bestimmte Zielgruppe, sondem hofft, d~ sein Buch auf interessierte, aufgeschlossene Leser trifft: Sunt bona, sunt quaedam mediocria, sunt mala plura quae legis hic: aliter non fit, Avite, liber. Martial Groningen, im Januar 1979 B.-J. Wagener Inhaltsverzeichnis 1. Wirtschaftssysteme. Ein einleitender Uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Konzepte: Wirtschaftssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10 2.1 Das Systemkonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10 2.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10 2.1.2 Grundbegriffe ................................... 11 2.1.3 Organisation .................................... 19 2.2 Gesellschaft und Wirtschaft als Systeme ...................... 22 2.2.1 Einleitung: Das Gesellschaftssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22 2.2.2 Wirtschaftswissenschaft als Praxeologie oder Soziologie . . . . . . .. 27 2.2.3 Das Wirtschaftssystem als soziales System . . . . . . . . . . . . . . . .. 34 2.3 Zusammenfassung: Wirtschaftssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 44 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 54 3. Theorien: Theoretische Analysen von Wirtschaftssystemen . . . . . . . . . . . .. 58 3.1 Die idealtypische Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 58 3.1.1 Wirtschaftssystem und Wirtschaftsepoche: Kapitalismus - Sozialismus .......................... 58 3.1.2 Wirtschaftssystem und Wirtschaftsordnung: Zentralisierung und Dezentralisierung der Entscheidungsgewalt ............. 69 3.2 Die allgemein-theoretische Betrachtungsweise .................. 80 3.2.1 Vorbemerkung: Die Klassiker des Sozialismus .............. 80 3.2.2 Der gleichgewichtstheoretische Ansatz ...... . . . . . . . . . . . .. 82 3.2.3 Institutionelle Argumente oder Unmoglichkeitstheoreme . . . . . .. 92 3.2.4 Fortsetzung der Debatte: Wohlfahrt, PreisfIXierung und Investitionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 106 3.3 Die systemtheoretische Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 119 3.3.1 Reale Prozesse und Kontrollprozesse .................... 119 3.3.2 Der kybernetische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 122 3.3.3 Der heuristische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129 3.3.4 Aspekte von Hierarchie: Entscheidung, Information und Motivation .................................. 136 3.3.5 Zusammenfassung: Zentralisation und Dezentralisation . . . . . . .. 143 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 145 4. Institutionen: Struktur und Funktion okonomischer Organisationen ...... 150 4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 150 x Inhaltsverzeichnis 4.2 Was sind Eigentumsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 153 4.2.1 Arbeit und Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 153 4.2.2 Hemchaft und Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 157 4.2.3 Funktionale Bestimmungen von Eigentumsrechten . . . . . . . . . .. 160 4.2.4 Funktionen des Privateigentums ....................... 165 4.2.5 Zusammenfassung: Eigentumsrechte als sozio-Okonomische Beziehungen .................................... 171 4.3 Eigentumsrechte und Wirtschaftssysteme ..................... 173 4.3.1 Wie verandem sich Eigentumsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 173 4.3.2 Die Ausbildung des modemen Privateigentums - ein Beispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 177 4.3.3 Das Coase-Theorem und die EfflZienz bei privaten und kollektiven Eigentumsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 181 4.3.4 Zusammenfassung: Eigentumsrechte und Betriebsform ........ 195 4.4 Die Untemehmung als okonomisches Subsystem ................ 198 4.4.1 Automat oder soziales Subsystem ...................... 198 4.4.2 Theorien der Untemehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 203 4.4.3 Die Untemehmung als Hemchaftsinstrument . . . . . . . . . . . . . .. 213 4.4.4 Herrschaft im sowjetischen Wirtschaftssystem .............. 220 4.4.5 Die selbstverwaltete Untemehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 223 4.4.6 Zusammenfassung: Hemchaft, Autoritiit und Grenzen der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 228 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 230 s. Zielsetzungen: Die Kriterien der vergleichenden Analyse .............. 235 5.1 Einleitung: Normen und Werte ............................ 235 5.2 Die historisch-geographische Determiniertheit von Wirtschaftssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 241 5.2.1 Der Einfl~ der Systemu mgebung ...................... 241 5.2.2 Evolutionstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 246 5.3 Vielfalt und Einfalt: Konvergenztheorien ..................... 253 53.1 Konvergenz und Evolution. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 253 5.3.2 Konvergenz und die Theorie des optimalen Regimes . . . . . . . . .. 256 5.33 Empirische Tendenzen in West und Ost. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 262 5.4 Wohlfahrtskriterien: Der Selektionsproze~ der Zielsetzungen ........ 267 5.4.1 Das neo-klassische Paradigma: Konsumentensouver8nitiit und Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 267 5.4.2 Die Reichweite der Konsumentensouver8nitiit ..... . . . . . . . .. 269 5.4.3 Die Souver8nitiit der Konsumenten ..................... 275 5.4.4 Probleme derkollektiven Zielbestimmung ................. 280 5.4.5 Zusammenfassung: Wirtschaftssystem und Souver8nitiit . . . . . . .. 285 5.5 Das synthetische Ziel: EfflZienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 289 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 300 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 305 Sachregister ............................. ~ . . . . . . . . . . . . . . .. 309 1. WIrtschaftssysteme. Ein einleitender Uberblick Erste Ansiitze Wie so viele Themen in den Sozialwissenschaften kann man auch den Systemvergleich auf die Arbeiten von Platon und Aristoteles zuriickftihren (siehe ihre jeweiligen Bticher tiber den Staat [28] und [1 ]). Schon damals war es das Ziel solcher Bemtihungen, nach einem besseren Gesellschaftssystem Ausschau zu halten, das politische und das oko nomische System inbegriffen. Die jeweils gewiihlten Ansatze sind typisch fUr viele nachfolgende Versuche in dieser Richtung geblieben: - Platon: die mehr oder minder utopische Konstruktion eines optimalen Systems, das fUr sich genommen als statische Konstruktion iiu6erst rigide erscheinen mu6te. Die Kritik daran vom Standpunkt historischer, offener Gesellschaften scheint auf der Hand zu liegen (vgl. z.B. Popper [29]); - Aristoteles: der Vergleich tatsiichlich bestehender Systeme zum selektiven Ge brauch der als efflZient erkannten Systemelemente. Die Geschichte von Philosophie und Sozialwissenschaften zeigt, daa bis ins letzte Jahrhundert hinein die platonische Tradition stark im Vordergrund stand. Noch einige der systemkritischen Ansiitze des 19. Jahrhunderts werden unter der Kennzeichnung "utopisch" gefiihrt, z.B. die Vorschliige von Owen, Fourier und Blanc (vgl. Hardach und Karras [10] und Dalton [6]). Doch schon hieraus ergibt sich, daa die Kritik des herrschenden zusammen mit der Vorstellung eines anderen, moglichst besseren Sy stems das okonomische und soziale System als eine Variable erscheinen lassen, die der historisch-politischen Gestaltung zugiinglich ist oder dafiir gehalten wird. Die Wirtschaftswissenschaften haben demgegentiber das Wirtschaftssystem hiiufig als gegeben behandelt. Sie sahen ihre Aufgabe vor allem darin, den Funktionsablauf eines bestimmten, niimlich des bestehenden, Wirtschaftssystems zu erkliiren und, wenn moglich und notig, zu beeinflussen. In ihrer klassischen Auspriigung nahmen sie sich deshalb das am weitesten entwickelte System, den hochindustrialisierten Kapi talismus, zum gewisserma6en nattirlichen Rahmen ihres theoretischen Denkens. Die Abstraktion von bestimmten Institutionen bildete die systematische Randbedingung fUr die analytischen Modelle der Okonomie. Die anglo-amerikanische Schule der Wirtschaftswissenschaft kann typisch fUr ein solches Vorgehen angesehen werden. Andere Under, u.a. auch Deutschland, hinkten der fUhrenden Wirtschaft, lange Zeit England, hinterher. Dort wurde das System als ein den Rtickstand mitbestimmen der Faktor erkannt, und Systemreformen wurden als Vorbedingungen fUr eine Wohl fahrtssteigerung angesehen und angeraten, so z.B. durch List (vgl. Schachtschabel [31]). Aus dieser Tradition entwickelte sich eine historisch und deskriptiv ausgerich- 2 1 Wirtschaftssysteme. Ein einleitender tiberblick tete Schute, die zu klassiftkatorischen Theorien von Wirtschaftssystemen fiihrten (z.B. Max Weber [37], Sombart [33] und Eucken [8]). Die Unfahigkeit der utopischen Sozialisten, die zwar als solche erkannten sozialen Gebrechen des bestehenden Systems auch zu erkliiren, und die weitgehende Vemach liissigung des Wirtschaftssystems als einer Variablen in der Analyse der akademischen Wissenschaft haben moglicherweise den Weg fUr den sogenannten wissenschaftIichen Sozialismus von Marx und Engels gebahnt. In ihrer Theorie haben sie versucht, drei Elemente miteinander zu vereinen: - die Analyse der sozio-Okonomischen Eigenschaften des herrschenden Systems, - eine Kritik daran und - eine historische Theorie der Systeme und des systemaren Wandels. Allerdings ist es nicht bei der Theorie geblieben. Die Anwendung des analytischen Apparates auf die Probleme und fUr die Interessen der Arbeiterbewegung hat dieser systemtheoretischen Richtung nicht immer ungeteilten Beifall eingebracht. Die Sozialismusdebatte Die vage, keineswegs eindeutige Vorliebe von Marx fUr zentralistische Planung be scherte der okonomischen Wissenschaft ein neues Problem: kann man mit Hilfe zen traler Planung die okonomische Aufgabe der optimalen Allokation knapper Resourcen losen? Zugegeben, die Marxisten kiimmerten sich urn dieses Problem bis in die neueste Zeit wenig. Sie waren mit ihrer Ansicht nach wesentIicheren Fragen beschiiftigt: Wie kann man das herrschende, a1s unvollkommen begriffene System iindern? Wie kann man die Stellung der Individuen im ProduktionsprozeB verbessern? So kam es dahln, daB Marx und die Sozialisten den Allokationsmechanismus als ein nicht triviales technisches Problem in der Okonomie vemachlassigt haben, wiihrend die meisten konventionellen Okonomen auBerstande waren, den ProduktionsprozeB als ein nicht triviales soziales Organisationsproblem zu erkennen. Das Allokationsproblem wurde fUr die zentrale Planung bereits von Pareto untersucht und fand eine noch befriedi gendere theoretische LOsung durch dessen Schiller Barone im Jahre 1908 [2]. Das Studium der Wirtschaftssysteme bekam einen vollig neuen Aspekt, als mit der russischen Revolution der iiberall sonst herrschende Kapitalismus in einem Land ab geschafft wurde und die Sowjetunion versuchte, eine sozialistische Planwirtschaft zu verwirklichen. Dieser AnstoB wurde verstiirkt durch die mit dem Zweiten Welt krieg verbundenen Ereignisse. In dessen Verlauf erfuhr das neue sowjetische System seine historische De-facto-Anerkennung als Alliierter und Partner westlicher kapita listischer Lander. Nach dessen Ablauf stand das Sowjetsystem nicht mehr als der alleinige Vertreter dieser neuen Systemform da. In den letzten dreiBig Jahren haben sich dann schlieBlich die beiden vorherrschenden okonomischen Systeme in zahlreiche nationale Varianten ausdifferenziert. Dabei ist es schwer zu bestimmen, ob die Unter schiede innerhalb der beiden Gruppen nicht groBer sind als zwischen ihnen dort, wo sie aneinanderstoBen. Sind, urn konkret zu fragen, Jugoslawien und Schweden weiter entfemt voneinander als Jugoslawien und die Sowjetunion? Haben Ungarn und Oster reich vielleicht mehr gemeinsame Systemeigenschaften als Osterreich und die Verei nigten Staaten? Diese Fragen beantworten heiBt, nach den Kriterien des Vergleichs fragen.

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