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Zur Aktualität der Staatsform. Die materialistische Staatstheorie von Joachim Hirsch PDF

243 Pages·2018·1.604 MB·German
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Wissenschaftlicher Beirat: Klaus von Beyme, Heidelberg Norbert Campagna, Luxemburg Wolfgang Kersting, Kiel Herfried Münkler, Berlin Henning Ottmann, München Walter Pauly, Jena Tine Stein, Kiel Kazuhiro Takii, Kyoto Pedro Hermilio Villas Bôas Castelo Branco, Rio de Janeiro Loïc Wacquant, Berkeley Barbara Zehnpfennig, Passau Staatsverständnisse herausgegeben von Rüdiger Voigt Band 113 https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. BUT_Brand_4962-1.indd 2 15.03.18 14:17 Ulrich Brand | Christoph Görg [Hrsg.] unter Mitarbeit von Benjamin Opratko Zur Aktualität der Staatsform Die materialistische Staatstheorie von Joachim Hirsch https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. BUT_Brand_4962-1.indd 3 15.03.18 14:17 © Titelbild: Das Titelbild bildet Joachim Hirsch ab (digital verfremdet) und stammt aus dem Jahr 2014 von dieser Veranstaltung: www.youtube.com/watch?v=GRjAU35lsq4. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8487-4962-1 (Print) ISBN 978-3-8452-9174-1 (ePDF) 1. Auflage 2018 © Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2018. Gedruckt in Deutschland. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. BUT_Brand_4962-1.indd 4 15.03.18 14:17 Editorial Das Staatsverständnis hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder grundlegend gewandelt. Wir sind Zeugen einer Entwicklung, an deren Ende die Auflösung der uns bekannten Form des territorial definierten Nationalstaates zu stehen scheint. Denn die Globalisierung führt nicht nur zu ökonomischen und technischen Verände- rungen, sondern sie hat vor allem auch Auswirkungen auf die Staatlichkeit. Ob die »Entgrenzung der Staatenwelt« jemals zu einem Weltstaat führen wird, ist allerdings zweifelhaft. Umso interessanter sind die Theorien der Staatsdenker, deren Modelle und Theorien, aber auch Utopien, uns Einblick in den Prozess der Entstehung und des Wandels von Staatsverständnissen geben, einen Wandel, der nicht mit der Glo- balisierung begonnen hat und nicht mit ihr enden wird. Auf die Staatsideen von Platon und Aristoteles, auf denen alle Überlegungen über den Staat basieren, wird unter dem Leitthema »Wiederaneignung der Klassiker« im- mer wieder zurück zu kommen sein. Der Schwerpunkt der in der Reihe Staatsver- ständnisse veröffentlichten Arbeiten liegt allerdings auf den neuzeitlichen Ideen vom Staat. Dieses Spektrum reicht von dem Altmeister Niccolò Machiavelli, der wie kein Anderer den engen Zusammenhang zwischen Staatstheorie und Staatspraxis verkörpert, über Thomas Hobbes, den Vater des Leviathan, bis hin zu Karl Marx, den sicher einflussreichsten Staatsdenker der Neuzeit, und schließlich zu den Wei- marer Staatstheoretikern Carl Schmitt, Hans Kelsen und Hermann Heller und weiter zu den zeitgenössischen Theoretikern. Nicht nur die Verfälschung der Marxschen Ideen zu einer marxistischen Ideolo- gie, die einen repressiven Staatsapparat rechtfertigen sollte, macht deutlich, dass Theorie und Praxis des Staates nicht auf Dauer von einander zu trennen sind. Auch die Verstrickungen Carl Schmitts in die nationalsozialistischen Machenschaften, die heute sein Bild als führender Staatsdenker seiner Epoche trüben, weisen in diese Richtung. Auf eine Analyse moderner Staatspraxis kann daher in diesem Zusam- menhang nicht verzichtet werden. 5 https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Was ergibt sich daraus für ein zeitgemäßes Verständnis des Staates im Sinne einer modernen Staatswissenschaft? Die Reihe Staatsverständnisse richtet sich mit dieser Fragestellung nicht nur an (politische) Philosophen, sondern vor allem auch an Stu- dierende der Geistes- und Sozialwissenschaften. In den Beiträgen wird daher zum einen der Anschluss an den allgemeinen Diskurs hergestellt, zum anderen werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse in klarer und aussagekräftiger Sprache – mit dem Mut zur Pointierung – vorgetragen. So wird auch der / die Studierende unmit- telbar in die Problematik des Staatsdenkens eingeführt. Prof. Dr. Rüdiger Voigt 6 https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Inhaltsverzeichnis Christoph Görg und Ulrich Brand Historisch-materialistische Staatstheorie und die Form des Staates: Zur Einleitung 9 I. Die Frage nach der Form des Staates Christoph Görg Die Historisierung der Staatsform. Regulationstheorie, radikaler Reformismus und die Herausforderungen einer Großen Transformation 21 John Holloway Die Staatsableitungsdebatte. Eine erinnernde Reflexion 39 Sonja Buckel und John Kannankulam Von der Staatsableitung zur Formanalyse. Zur formanalytischen Begründung des Staates bei Joachim Hirsch – und der Notwendigkeit einer rechtsformanalytischen Erweiterung 49 II. Materialistische Staatstheorie im Kontext Bob Jessop Joachim Hirschs Zusammenführung von materialistischer Staatstheorie und Regulationstheorie 73 Alex Demirović Materialistische Staatstheorie als kritische Gesellschaftstheorie 95 Birgit Sauer Materialistisch-feministische Staatstheorie. Kritische Perspektiven auf Gewalt gegen Frauen 115 7 https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. III. Globale Perspektiven Ulrich Brand Der Staat in der kapitalistischen Globalisierung. Nationaler Wettbewerbsstaat und die Internationalisierung des Staates bei Joachim Hirsch 137 Sabah Alnasseri Staatsform, periphere Staatlichkeit und Regulation 161 Adrián Piva Rezeption und Produktivität der materialistischen Staatstheorie in Lateinamerika: Der Fall Argentinien 179 IV. Politische Relevanz Dirk Martin und Jens Wissel Soziale Infrastruktur als sozialpolitisches Transformationskonzept 201 Roland Roth Radikaler Reformismus. Geschichte und Aktualität einer politischen Denkfigur 219 AutorInnen 241 8 https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. Christoph Görg und Ulrich Brand Historisch-materialistische Staatstheorie und die Form des Staates: Zur Einleitung Kaum eine Staatstheorie hat die an sich grundlegende Frage systematisch behandelt, warum es denn überhaupt einen Staat gibt, genauer: warum politische Herrschaft in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft die spezifische Form des Staates an- nimmt. Die meisten Staatstheorien beschäftigen sich mit Fragen nach der Legitimität staatlicher Herrschaft oder dem Funktionieren des Staates in der Gesellschaft oder mit spezifischen Logiken und angenommenen Stärken und Schwächen gegenüber anderen gesellschaftlichen Teilbereichen (insbesondere dem Markt). Während hier der Staat bereits als Realität vorausgesetzt und untersucht wird, was er tut und ob dies sinnvoll oder gerechtfertigt ist, wird in der materialistischen Theorie ganz grundsätzlich die spezifische Form der politischen Herrschaft und ihr Verhältnis zu anderen Herrschaftsformen in Betrieb, Familie oder in ethnifizierenden Zuschrei- bungen untersucht. Dabei gehört es zu den Einsichten der Diskussionen innerhalb der materialistischen Staatstheorie seit den 1970er Jahren, dass diese Form sich nicht gleichbleibt, sondern selbst historischen Wandlungen unterliegt. Hier setzt der vorliegende Band an. Die Staatstheorie von Joachim Hirsch ist einer der international einflussreichsten Ansätze der materialistischen Staatstheorie, in der zum einen die historische Variabilität der spezifisch bürgerlich-kapitalisti- schen Staatsform zum Thema wird. Zum anderen wird der Staat hier nicht nur als „nationaler“ Container verstanden, sondern als Bestandteil eines globalen kapitalisti- schen Systems, in dem der Staat auf unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen existiert. Dazu kommt: Gerade das Verständnis der Form des Staates und die damit verbundenen Zeitdiagnosen haben zur kritischen Aktualisierung der Marxschen Theorie und ihres politischen Gehalts einen erheblichen Beitrag geleistet. Dieser po- litische Gehalt der Staatstheorie von Joachim Hirsch verdichtet sich im Begriff des radikalen Reformismus. Der vorliegende Sammelband beleuchtet wichtige Aspekte dieser Theorie und fragt nach aktuellen Ansatzpunkten zur Aktualisierung dieses Ansatzes und ihrer Bedeutung für heutige Theoriediskussionen. 9 https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. 1. Varianten der materialistischen Staatstheorie Bekanntlich hat Karl Marx keine einheitliche Staatstheorie hinterlassen, sondern sich mindestens in drei Kontexten mit dem Staat beschäftigt: als philosophische Auseinandersetzung mit der Hegelschen Rechtsphilosophie,1 als politische Analyse der politischen und sozialen Kämpfe seiner Zeit2 sowie im Kontext seiner Kritik der politischen Ökonomie.3 Der Zusammenhang bzw. die Differenzen zwischen diesen verschiedenen Ausgangspunkten ist eines der am meisten diskutierten Themen der Marxinterpretation.4 Im Kontext der II. Sozialistischen Internationale nach dem Tod von Marx wurden diese offenen Fragen allerdings nicht weiterverfolgt, sondern zu- gunsten eines eher instrumentalistischen Verständnisses des Staates aufgegeben, das auch von der III. Internationale – der von Russland bzw. der Sowjetunion dominier- ten „kommunistischen“ - übernommen wurde. Fortan wurde die Eroberung der Staatsmacht, sei es bei der Sozialdemokratie auf dem Wege demokratischer Wahlen, sei es im Gefolge von Lenin und der Bolschewistischen Partei als mehr oder weni- ger gewaltsame Revolution, zum zentralen Ausgangspunkt des Politik- und Staats- verständnisses beider Flügel der organisierten ArbeiterInnenklasse. Damit ergab sich eine theoretische Leerstelle, die analytisch und politisch-strategisch folgenreich war. Es fehlte nämlich eine Staatstheorie, die in der Lage gewesen wäre, sowohl die Sta- bilität bürgerlicher Herrschaft als auch ihre historischen Veränderungen unter der kritischen Perspektive der Überwindung von eben dieser Herrschaft zu thematisie- ren. Dieses Defizit wurde einerseits 1918 nach den in Ansätzen stecken gebliebenen oder ganz ausgebliebenen Revolutionen in Westeuropa zum Thema. In diesem Kon- text entstand einer der bis heute wichtigsten Ansätze einer materialistischen Staats- theorie, der Ansatz von Antonio Gramsci, der aber erst Jahrzehnte später aufgegrif- fen werden konnte.5 Andererseits zeigte der aufkommende Faschismus und Natio- nalsozialismus die Gefahr einer Transformation und autoritären Zuspitzung bürgerli- cher Herrschaft, wie es in der Kritischen Theorie Max Horkheimers und Franz Neu- manns als Autoritärer Staat sowie als Staatskapitalismus analysiert wurde.6 In bei- den Fällen erwies es sich als notwendig, über die Marx´schen Analysen hinauszuge- hen und sowohl die Form der staatlichen Herrschaft in den bürgerlich-kapitalisti- schen Gesellschaften als auch ihre historischen Veränderungen besser zu verstehen. 1 Marx, MEW 1, S.378-391. 2 Marx, MEW 8, S.115-2017; MEW 7, S.9-107, MEW 17, 313-365. 3 Marx, MEW 13, MEW 23 4 Hirsch/Kannankulam/Wissel 2015; Jessop 2007. 5 Gramsci 1991ff; vgl. Buci-Glucksmann 1981; Buckel/Fischer-Lescano 2007; Opratko 2012. Für einen Überblick zur Rezeptionsgeschichte der Gramsci’schen Hegemonietheorie vgl. Anderson 2017. 6 Horkheimer 1987 [1940]; Neumann 1967 [1937]; vgl. Ruschig/Schiller 2014. 10 https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. In beiden Fällen wird zudem staatliche Herrschaft in einem breiteren Ansatz thema- tisiert und in ihren sozialen, kulturellen und psychischen Voraussetzungen und Im- plikationen analysiert. Der Hintergrund ist aber auch die Diagnose eines veränderten Verhältnisses von Ökonomie, Politik und Kultur, die Gramsci unter dem Stichwort Fordismus und die Kritische Theorie als Kulturindustrie beschreibt. In Westeuropa unterbrachen Krieg und Nachkriegszeit, das „Wirtschaftswunder“ verbunden mit Blockkonfrontation und Antikommunismus, aber auch die Erosion der kulturellen Traditionen durch Ermordung oder Emigration kritischer Intellektuel- ler, die Beschäftigung mit der materialistischen Staatstheorie. Doch das nur für kur- ze Zeit, bevor in den 1960er Jahren die Diskussionen umso intensiver wiederaufge- nommen wurden. In der Folge entstanden sehr unterschiedliche und in ihren Kern- elementen mitunter gegensätzliche Diagnosen, wie diese neue Phase des Kapitalis- mus einzuschätzen sei: als Spätkapitalismus, in dem aufgrund staatlicher Interven- tionen die Ökonomie ihre Krisenhaftigkeit hinter sich gelassen – oder zumindest „ihren naturwüchsigen Charakter verloren“7 – habe, gerade deshalb aber der Staat durch neue Legitimationsprobleme gekennzeichnet sei. Oder als eine Transformati- on der Demokratie, in der eine „Involution“, eine Rückentwicklung der Demokratie zu beobachten sei.8 Um nur die wichtigsten Eckpunkte einer breiten Diskussion zu benennen. Innerhalb des „westlichen Marxismus“9 kam es zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Staat. Auch hier standen sich politisch orientierte Theorien, solche in der Tradition des Hegelmarxismus sowie strukturale Lesarten wie jene von Louis Alt- husser oder – mit Fokus auf die Marx´sche Kritik der politischen Ökonomie – der Neuen Marx-Lektüre gegenüber.10 Spätestens mit den Krisen der 1970er Jahre und dem Ende des „kurzen Traums immerwährender Prosperität“11 wurde auch der Glaube an eine Überwindung der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus tiefgehend erschüttert. Damit stellte sich mit Blick auf den Staat und die in ihm verkörperte Form der Herrschaft immer dringen- der die Frage, wie diese Form selbst einzuschätzen sei und welche emanzipativen Spielräume sie ermögliche. Nicht erst seit dem propagierten „Marsch durch die In- stitutionen“ und den ersten Wahlerfolgen der Grünen wurde der Grad der Wand- lungsfähigkeit staatlicher Institutionen zum Thema: Ohne Zweifel ermöglicht die spezifische Form der Herrschaft im bürgerlichen Staat bis zu einem gewissen Grad 7 Habermas 1973, S.129. 8 Agnoli 1968. 9 Anderson 1978. 10 Vgl. etwa Gerstenberger 2007; Hirsch/Kannankulam/Wissel 2015; Heinrich 2006. Die damit verbundenen Differenzen in der Marx Rezeption prägten auch das Verständnis des Staates nachhaltig. Es ist allerdings nicht die Absicht dieses Bandes, auf diese weit verzweigten Dis- kussionen intensiver einzugehen. 11 Lutz 1989. 11 https://doi.org/10.5771/9783845291741 Generiert durch Universität Leipzig, am 01.05.2021, 20:07:16. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.

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