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Zunehmende Angst vor Job- verlust trotz gleichbleibender Beschäftigungsstabilität PDF

16 Pages·2010·1.45 MB·German
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44 ISI Informationsdienst Soziale Indikatoren Ausgabe 44 August 2010 Sozialberichterstattung Gesellschaftliche Trends Aktuelle Informationen Eine Publikation Zunehmende Angst vor Job- verlust trotz gleichbleibender Inhalt Beschäftigungsstabilität Zunehmende Angst vor Job- verlust trotz gleichbleibender Beschäftigungsstabilität 1 Dank Flexibilisierung der Arbeitszeiten und großzügiger Regelungen zur Kurzarbeit hat die aktuelle Wirtschaftskrise bisher am deutschen Arbeitsmarkt erfreulich geringe Spuren Materielle Lebensbedingungen hinterlassen. Dennoch kann man annehmen, dass sich viele Arbeitnehmer Sorgen über prägen Lebenszufriedenheit ihre berufliche Zukunft machen. Derzeit liegen noch keine Daten vor, die eine Beant- in Deutschland stärker als in wortung der Frage erlauben würden, ob diese Angst derzeit größer ist als in früheren anderen Ländern 5 Rezessionen. Die Betrachtung der langfristigen Entwicklung erweist sich jedoch als auf- schlussreich. Dabei soll neben der subjektiven Beschäftigungsunsicherheit auch die Dau- Arbeitsgruppe „Zufriedenheit“ erhaftigkeit von Beschäftigungsverhältnissen (Stabilität) als objektivierbarer Indikator des Ameranger Disputs zur Beschreibung des Arbeitsmarktgeschehens betrachtet werden. Die in diesem Beitrag1 veröffentlicht Memorandum 10 dargestellten Analysen basieren im Wesentlichen auf den Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).2 Die Befunde zeigen, dass die Beschäftigungsstabilität in Deutschland Weniger Engagement bei langfristig nicht generell abnimmt, sondern erstaunlich stabil bleibt. Gleichzeitig aber Jugendlichen, mehr bei offenbart sich in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme der Angst vor Jobverlust. den Älteren 11 Nach der Präsentation der empirischen Befunde diskutiert der Beitrag daher die Gründe für diese scheinbar paradoxe Entwicklung, in dem der Zusammenhang zwischen dem Social Indicator Monitor Ausmaß der Beschäftigungsunsicherheit einerseits und der Arbeitslosenquote und der – SIMon 15 Einkommensungleichheit in Deutschland untersucht werden. Dabei ergeben sich Hin- weise darauf, dass die zunehmende Wahrnehmung von Beschäftigungsunsicherheit in Deutschland mit den tiefgreifenden sozialpolitischen Veränderungen der vergangenen Jahre in Verbindung stehen könnte. Grafik 1 zeigt den Anteil der Beschäftigten Zukunft mache. Mit fortschreitendem Trans- im Alter zwischen 20 und 65 Jahren (ohne formationsprozess sank dieser Anteil schnell, Selbständige und Beamte), die im jeweiligen blieb dann jedoch im Verlauf der 1990er Jahre Jahr berichten, sich große Sorgen um den auf einem im Vergleich zum Westen konstant Fortbestand ihres Beschäftigungsverhältnisses hohen Niveau, sodass sich zum Jahrtausend- zu machen.3 In Westdeutschland war das im wechsel immer noch jeder vierte Beschäftigte Jahr 1985 bei etwa zwölf Prozent der Be- in den neuen Bundesländern große Sorgen um schäftigten der Fall. Während des folgenden den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses wirtschaftlichen Aufschwungs ging die Angst machte. vor Jobverlust jedoch zurück und stieg erst in der ersten Hälfte der 1990er Jahre parallel zur Kann die Entwicklung der Beschäftigungs- Verschlechterung der konjunkturellen Lage unsicherheit bis zum Beginn des neuen Jahr- auf einen ähnlichen Wert wie zu Beginn des tausends mit konjunkturellen Schwankungen Untersuchungszeitraums. Im Zuge der leich- beziehungsweise der nach wie vor schlechten ten wirtschaftlichen Erholung zum Ende der Arbeitsmarktlage in den neuen Bundesländern 1990er Jahre sorgte sich wieder ein kleinerer erklärt werden, wächst die Angst vor Jobver- Teil der westdeutschen Beschäftigten um ihren lust in ganz Deutschland zwischen 2001 und Arbeitsplatz. 2004 erheblich. In den alten Bundesländern verdoppelte sich der Anteil der Beschäftigten Unmittelbar nach der Wende berichtete jeder mit Arbeitsplatzsorgen in diesem kurzen Zeit- zweite Beschäftigte in der ehemaligen DDR, raum von zehn auf rund 20 Prozent; in den dass er sich große Sorgen um seine berufliche neuen Bundesländern blickte im Jahr 2004 Seite 2 ISI 44 - August 2010 Grafik 1: Anteil der Beschäftigten, die sich „große Sorgen“ um den Fortbestand ihres anschließend bis zum Jahr 2008 wieder auf Jobs machen, 1985-2008 (West- und Ostdeutschland) über zehn Jahre anzusteigen. Dem gegenüber kam es nach der Wiederver- einigung im Zuge der Abwicklung der alten planwirtschaftlichen DDR-Betriebe zu einem enormen Rückgang der Beschäftigungsstabi- lität in den neuen Bundesländern. Waren 1991 die Beschäftigten in der ehemaligen DDR noch im Durchschnitt seit etwa zwölf Jahren in ih- rem Betrieb beschäftigt gewesen, sank dieser Wert binnen kurzem auf acht Jahre. Nach einer Phase der Stagnation stieg dann jedoch nach dem Jahrtausendwechsel die durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer schnell an und erreicht im Jahr 2008 mit einem Wert von knapp zehn Jahren annähernd westdeutsches Niveau. „Hartz“ und wachsende Einkommensun- gleichheit schüren Angst vor Arbeitsplatz- verlust Quelle: SOEP (querschnittsgewichtet), eigene Berechnungen (ohne Selbständige und Beamte) Ob die Verunsicherung der Beschäftigten in Deutschland auch nach der aktuellen Wirt- sogar jeder dritte Beschäftigte bezüglich des Beschäftigungsstabilität Bezug genommen. schaftskrise anhalten oder sogar weiter wach- Fortbestandes seines Arbeitsplatzes sorgenvoll Sie wird berechnet, indem die Betriebszugehö- sen wird, hängt davon ab, welche Ursachen in die Zukunft. Während sich in den neuen rigkeitsdauern aller zum Befragungszeitpunkt zu dieser Entwicklung geführt haben. Aus Bundesländern jedoch anschließend der An- abhängig Erwerbstätigen im Alter zwischen diesem Grund sollen nachfolgend mögliche teil der Beschäftigten mit Arbeitsplatzsorgen 20 und 65 Jahren aufsummiert und durch die Erklärungsansätze präsentiert werden, weshalb wieder deutlich verringert hat und mit einem Anzahl der abhängig Beschäftigten geteilt sich die subjektive Beschäftigungsunsicherheit Anteil von etwa 25 Prozent in etwa die Werte werden.4 in jüngster Vergangenheit so deutlich erhöht der 1990er Jahre erreicht werden, geht die Be- hat, obwohl sich objektive Indikatoren – wie schäftigungsunsicherheit in Westdeutschland Grafik 2 dokumentiert die Entwicklung der zum Beispiel die Beschäftigungsstabilität aber seit 2005 nur leicht zurück. Im Jahr 2008 als Beschäftigungsstabilität in West- und Ost- auch das Wirtschaftswachstum – bis zum Ende dem aktuellsten Beobachtungszeitpunkt der deutschland anhand der durchschnittlichen un- des hier gewählten Untersuchungszeitraums hier vorliegenden Untersuchung machen sich abgeschlossenen Betriebszugehörigkeitsdauer im Jahr 2008 nicht entsprechend (dramatisch) weiterhin gut 15 Prozent der Beschäftigten von aktuell Beschäftigten. Es zeigt sich, dass verändert haben. in den alten Bundesländern große Sorgen um die Beschäftigungsstabilität in Deutschland im ihren Arbeitsplatz, nachdem der Anteil in den Verlauf der vergangenen zwei Jahrzehnte nicht Es ist anzunehmen, dass die konjunkturelle deutlich vom Aufschwung geprägten Jahren generell abgenommen hat. In Westdeutschland Situation im Allgemeinen und die Arbeits- 2006 und 2007 sogar noch größer gewesen waren die Beschäftigten im Jahr 1985 seit marktlage im Besonderen die subjektive Be- war. durchschnittlich zehn Jahren in ihrem Betrieb wertung der eigenen Beschäftigungssituation beschäftigt. Bis Ende der 1990er Jahre redu- beeinflusst. Dementsprechend zeigt Abbildung Beschäftigungsstabilität im Zeitverlauf zierte sich dieser Wert auf rund 9,5 Jahre, um 3a zumindest für Westdeutschland auch einen konstant Grafik 2: Durchschnittliche unabgeschlossene Betriebszugehörigkeitsdauer (in Jahren) Vor dem Hintergrund einer zumindest in den der aktuell Beschäftigten 1985-2008 (West- und Ostdeutschland) letzten Jahren zunehmenden subjektiven Be- schäftigungsunsicherheit ist von Interesse, wie sich entsprechende objektive Indikatoren ent- wickelt haben, die Aussagen über die Mobilität am Arbeitsmarkt und die Dauerhaftigkeit von Beschäftigungsverhältnissen ermöglichen. In früheren Arbeiten zeigte sich, dass entgegen weit verbreiteter Annahmen zumindest bis zum Beginn des neuen Jahrtausends weder die Arbeitsmarktmobilität zugenommen noch die Stabilität von Beschäftigungsverhältnissen abgenommen hatte (vgl. z. B. Erlinghagen 2005). Nun stellt sich die Frage, ob sich nicht nur die subjektive Bewertung der Mobilität be- ziehungsweise Stabilität in den letzten Jahren gewandelt hat, sondern ob sich entsprechende Veränderungen auch anhand von objektiven Indikatoren nachweisen lassen. Im Folgenden wird ausschließlich auf die „durchschnittliche unabgeschlossene Be- schäftigungsdauer“ zur Bestimmung der Quelle: SOEP (querschnittsgewichtet), eigene Berechnungen (ohne Selbständige und Beamte) ISI 44 - August 2010 Seite 3 recht klaren positiven Zusammenhang zwi- Untersuchungszeitraum eigentlich zu erwarten positiver Zusammenhang. Insofern ist die schen der Arbeitslosenquote und dem Anteil gewesen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, in den letzten Jahren zunehmende Angst vor der Beschäftigten, die sich große Sorgen um dass die arbeitsmarktpolitischen Reformen im Jobverlust zu einem Teil vermutlich auch auf ihren Arbeitsplatz machen. In Ostdeutschland Zuge der damaligen „Agenda 2010“ nicht nur die gleichzeitig deutlich zunehmende Ein- ist dieser Zusammenhang nicht für den ge- bestehende Regelungen verändert, sondern kommensungleichheit zurückzuführen. Denn samten Beobachtungszeitraum nachzuweisen, zugleich auch einen fundamentalen System- sinkende Einkommen gehen tendenziell auch was vermuten lässt, dass die konstant hohe wechsel eingeleitet haben. Der Übergang mit einem abnehmenden finanziellen ‚Polster‘ Beschäftigungsunsicherheit zu einem erheb- von der im Prinzip statuserhaltenden alten einher, auf das die Menschen bei Jobverlust zu- lichen Teil als andauernde Nachwirkung des Arbeitslosenhilfe hin zum weitgehend sta- rückgreifen könnten. Ferner bedeutet die nega- Transformationsschocks zu interpretieren ist. tusunabhängigen Arbeitslosengeld II scheint tive Lohnentwicklung für Arbeitnehmer, dass zumindest von den Beschäftigten in den alten sich die Chancen verringert haben dürften, bei Die westdeutschen Ergebnisse liefern darüber Bundesländern als bedrohlicher Bruch wahr- Jobverlust eine vergleichsweise gut entlohnte hinaus Indizien, dass es in den alten Bundes- genommen worden zu sein, was sich dann in neue Stelle zu finden. Dies könnte zusätzlich ländern nicht nur unter den real von Arbeits- der wachsenden Angst vor dem Verlust des erklären, wieso sich ein Zusammenhang zwi- losigkeit Betroffenen, sondern auch unter Arbeitsplatzes widerspiegeln könnte. schen Einkommensungleichheit und Angst vor Beschäftigten zu einem nachhaltigen Schock Arbeitsplatzverlust feststellen lässt. durch die sogenannten „Hartz-Reformen“ Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich gekommen sein könnte. Das Streudiagramm die Einkommensungleichheit in Deutschland Beschäftigungsunsicherheit hat negative Aus- in Grafik 3a zeigt, dass in den alten Bundes- deutlich vergrößert. Eine Ursache dafür dürfte wirkungen für Wirtschaft und Gesellschaft ländern die Werte der Jahre 2003 bis 2008 die deutliche Zunahme der Zahl der Niedrig- deutlich über der Regressionsgerade liegen. einkommensbezieher sein. Grafik 3b zeigt den Die vorgestellten Analysen haben gezeigt, dass Das heißt, dass die Beschäftigungsunsicherheit Zusammenhang zwischen der Entwicklung sich insbesondere zwischen 2001 und 2004 in diesen Jahren höher ausgefallen ist, als dies der Einkommensungleichheit (gemessen der Anteil der Beschäftigten in Deutschland aufgrund der realen Arbeitsmarktlage – gemes- als Gini-Koeffizient)5 und der subjektiven deutlich erhöht hat, die sich große Sorgen sen durch die Arbeitslosenquote – vor dem Beschäftigungsunsicherheit. Zumindest in um die Zukunft ihres Arbeitsplatzes ma- Hintergrund der Entwicklung im gesamten Westdeutschland zeigt sich dabei ein klarer chen. Dem steht jedoch auf den ersten Blick Grafik 3: Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquote, Einkommensungleichheit und Beschäftigungsunsicherheit ���� ���� ���������������������������������������������������������������������������������������������� �������� �������� ���������������� ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ ���������������� �������������������������������������������������������������������������������������������������� �������� ��������������������������� �������������������������������� �������������������������������� ������������������������������������������������ �� �� ���� ���� ���� ���� ���� ������ ���� ���� ���� ������ ������ ������ ������ ������ ���� ���� ������������������������������������������������ ������������ ������������������������������������������������ ������������ ���� ���� �������������������������������������������������������������������������������������������� �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� ������������������������ ���������������� ���������������� �������� �������������������������������������������������������������������������������������������������� ������������������������ ' ���������������� �������� ������������������������ �� �� ���������� ���������� ���������� ���������� �������� �������� ���������� ���������� ���������� ���������� ���������� ���������� �������� �������� ���������������������������������������������������������������������������������� ���������� ���������������������������������������������������������������������������������� ������������ zu (a) Arbeitslosenquote: Quelle: BA zu (b) Einkommensungleichheit gemessen als Gini-Koeffizient; Basis ist das individuelle Monatseinkommen: Quelle: SOEP-Monitor (www.diw.de) Beschäftigungsunsicherheit gemessen als Anteil der Beschäftigten, die im jeweiligen Jahr angeben, sich große Sorgen um den Bestand ihres Arbeitsplatzes zu machen; Quelle: SOEP (querschnittsgewichtet), eigene Berechnungen Seite 4 ISI 44 - August 2010 überraschender Weise kein turbulenteres Aufgrund der kurz- bis mittelfristigen nega- Sorgen“, „Einige Sorgen“ und „Keine Arbeitsmarktgeschehen zum Beispiel in Form tiven Auswirkungen von Beschäftigungsun- Sorgen“. sinkender Betriebszugehörigkeitsdauern ge- sicherheit auf Beschäftigte, Betriebe, Fami- 4 Ergebnisse auf Basis anderer Maßzahlen genüber. So ist die Beschäftigungsstabilität lien und soziale Sicherungssysteme wären finden sich zum Beispiel in Erlinghagen in Westdeutschland in den vergangenen 25 Anstrengungen zur Reduktion der Angst 2010; zur Methodendiskussion vgl. Erling- Jahren trotz vielfältiger sozialer, politischer vor Jobverlust alleine schon gerechtfertigt. hagen/Mühge 2006. und wirtschaftlicher Veränderungen erstaun- Jedoch ist auch darüber zu diskutieren, ob 5 Der Gini-Koeffizient ist ein gängiges Maß lich konstant geblieben. Und in Ostdeutsch- die subjektive Beschäftigungsunsicherheit für die Ungleichverteilung und stellt die land nähern sich seit den 1990er Jahren die – die im Übrigen im europäischen Vergleich tatsächliche Verteilung zum Beispiel von entsprechenden Werte langsam an die (noch) in Deutschland bereits vor der Krise besonders Einkommen in Relation zur hypothetischen höhere Beschäftigungsstabilität in den alten hoch war (Erlinghagen 2008) – nicht auch ein Gleichverteilung. Der Gini-Koeffizient Bundesländern an und haben diese zum Teil wichtiger Faktor bezüglich der langfristigen kann theoretisch einen Wert zwischen 0 und schon erreicht. internationalen Wettbewerbsfähigkeit deut- 1 annehmen, wobei die Ungleichheit umso scher Unternehmen ist. So kommt angesichts größer ist, je näher der Wert an 1 liegt. Bis zum Beginn des neuen Jahrtausends war des demographischen Wandels und der abseh- auch die subjektive Beschäftigungsunsi- baren Verknappung des Arbeitskräftepoten- Erlinghagen, Marcel, 2010: Mehr Angst vor cherheit durch eine hohe Konstanz geprägt tials einer Reduzierung der Beschäftigungs- Arbeitsplatzverlust seit Hartz? Langfris- beziehungsweise nahm in den neuen Bundes- unsicherheit auch eine wichtige Bedeutung tige Entwicklung der Beschäftigungsun- ländern nach dem Vereinigungsschock zuse- in Bezug auf den nachhaltigen Umgang mit sicherheit in Deutschland. IAQ-Report hends ab. Ab etwa 2001 lässt sich jedoch ein Humankapitalressourcen zu. Ungeachtet der 2010-02. Duisburg: IAQ. sprunghafter Anstieg der Angst vor Jobverlust Fragen nach einer erneuten beziehungsweise Erlinghagen, Marcel, 2008: Self-Perceived in West und Ost verzeichnen. Der vorliegende wiederbelebten „Humanisierung der Arbeit“ Job Insecurity and Social Context. A Beitrag hat hier einige Indizien vorgelegt, die könnten die (dauerhaft) verunsicherten Multi-Level Analysis of 17 European als Ursachen für diese deutlich ansteigende jüngeren Belegschaften von heute die nicht Countries. European Sociological Review Verunsicherung der Belegschaften in deut- mehr leistungsfähigen oder aber nicht mehr 24: 183-197. schen Betrieben vor allem die tief greifenden leistungsbereiten älteren Beschäftigten Erlinghagen, Marcel, 2005: Die mobile Ar- sozialpolitischen Veränderungen der letzten von morgen sein. Dies ist nicht nur für die beitsgesellschaft und ihre Grenzen. Zum Jahre wahrscheinlich machen. Die deutlich Beschäftigten selbst wenig erstrebenswert, Zusammenhang von Arbeitsmarktflexibi- zunehmende Einkommensungleichheit im sondern kann wohl auch nicht Ziel von Politik lität, Regulierung und sozialer Sicherung. Zusammenwirken mit den von vielen als und Unternehmen sein. S. 31-52 in: Martin Kronauer, Gudrun statusbedrohend empfundenen „Hartz-Re- Linne (Hg.), Flexicurity: Die Suche nach formen“ scheinen unter anderem wesentlich 1 Der vorliegende Text ist eine gekürzte Sicherheit in der Flexibilität. Berlin: edi- zur Verunsicherung von Arbeitnehmerinnen und leicht überarbeitete Fassung von Er- tion sigma Verlag. und Arbeitnehmern beigetragen zu haben linghagen (2010). Dort finden sich auch Erlinghagen, Marcel, Mühge, Gernot, 2006: – und zwar bereits lange bevor die aktuelle umfassendere Literaturverweise. Wie kann man die Beständigkeit von Be- Wirtschaftskrise begann. 2 Das SOEP ist eine seit 1984 jährlich durch- schäftigungsverhältnissen messen? Durch- geführte Wiederholungsbefragung von schnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer Hinsichtlich der vielfältigen negativen sozia- Haushalten in den alten und (seit 1990) und Überlebensrate: Zwei Messkonzepte len und wirtschaftlichen Folgen der Angst vor neuen Bundesländern. Befragt werden im Vergleich. Wirtschaftswissenschaftli- Jobverlust herrscht in der wissenschaftlichen dabei Personen ab 16 Jahren. Dadurch ches Studium 35: 308-315. Literatur weitgehend Einigkeit. Verunsicher- können Analysen sowohl auf Haushalts- Geishecker, Ingo, 2010: Perceived Job Inse- te Belegschaften reagieren tendenziell eher als auch auf Personenebene erfolgen. Der curity and Well-Being Revisited: Towards mit einem Rückgang der Motivation und Panelcharakter der Befragung erlaubt Conceptual Clarity. SOEP Papers No. 282. Leistungsbereitschaft, der Krankenstand er- sowohl repräsentative Querschnitts- als Berlin: DIW. höht sich und verunsicherte Leistungsträger auch Längsschnittanalysen (vgl. Wagner Wagner, Gert G., Frick, Joachim R., Schupp, verlassen als erste den Betrieb und wechseln et al. 2007). Jürgen, 2007: The German Socio-Econo- den Arbeitgeber. Dieser negative Zusam- 3 Konkret wird im SOEP die Frage gestellt: mic Panel Study (SOEP) – Scope Evolution menhang zwischen betriebswirtschaftlicher „Wie ist es mit den folgenden Gebieten and Enhancements. Schmollers Jahrbuch Produktivität und Beschäftigungsunsicherheit – machen Sie sich da Sorgen?“ Den Be- 127: 139-169. ist nicht nur aufgrund der damit verbunde- fragten werden elf Themenfelder genannt. nen Schwächung der volkswirtschaftlichen Eines dieser Themenfelder bezieht sich auf Marcel Erlinghagen Leistungsfähigkeit problematisch. Hohe die subjektive Beschäftigungssicherheit: Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ), Krankenstände können auch zur Belastung Die Frage nach den Sorgen bezieht sich Universität Duisburg-Essen des Gesundheits- und Rentensystems werden hierbei auf: „Um die Sicherheit Ihres Ar- Tel.: 0203 / 379-2733 (steigende Behandlungskosten, verstärkte beitsplatzes?“ Den Befragten stehen drei [email protected] Frühverrentung etc.). Geishecker (2010) hat Antwortkategorien zur Auswahl: „Große in einer jüngst erschienenen Studie sogar Hinweise dafür liefern können, dass die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, das individuelle Wohlbefinden sogar stärker beeinträchtigt als tatsächliche Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig zei- gen eine Reihe von Studien auch die negativen Auswirkungen von Beschäftigungsunsicher- heit auf Familien, in denen es unter solchen Bedingungen zum Beispiel verstärkt zu Kon- flikten kommen kann. Und schließlich gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Sorge um den Arbeitsplatz auch zu einer Konsumzurückhal- tung mit allen damit verbundenen negativen Folgen für die Wirtschaft führen kann. ISI 44 - August 2010 Seite 5 Materielle Lebensbedingungen Tendenzen des Wandels sozialer Strukturen und der institutionellen Rahmenbedingungen - kaum verändert hat. Wenn man überhaupt prägen Lebenszufriedenheit von einer Veränderung des Niveaus der Le- benszufriedenheit in Westdeutschland spre- chen kann, so sind die Zufriedenheitswerte in Deutschland stärker als in zwischen 1990 und 2008 minimal von 7,2 auf 7,0 gesunken. Der niedrigste Wert von 6,8 ist für das Jahr 2004 zu beobachten. Anders stellt anderen Ländern sich die Situation in Ostdeutschland dar. Der in diesem Teil des Landes unmittelbar nach der deutschen Vereinigung zu beobachtende – und angesichts der damaligen nationalen Analysen zum subjektiven Wohlbefinden Stimmungslage unerwartete – Rückgang der Lebenszufriedenheit von 6,6 auf 6,11 dürfte primär mit unerfüllten Erwartungen Das subjektive Wohlbefinden und die so die subjektive Bewertung der Performanz der im Hinblick auf eine schnelle Angleichung genannte „Glücksforschung“ haben in den politischen Institutionen. der ostdeutschen Lebensbedingungen an das vergangenen Jahren nicht nur in Deutschland westdeutsche Niveau zu erklären sein. Dane- eine bemerkenswerte öffentliche Aufmerk- Die diesem Beitrag zugrunde liegenden empi- ben manifestieren sich in dem anfänglichen samkeit gefunden. Neben einer Vielzahl von rischen Analysen stützen sich überwiegend auf Rückgang des subjektiven Wohlbefindens empirischen Erkenntnissen, die diese For- den „European Social Survey“ des Jahres 2006, in Ostdeutschland aber auch die vielfältigen schung hervorgebracht hat, hat sie auch eine in dem das subjektive Wohlbefinden einer der Probleme, mit denen sich die Bevölkerung in Diskussion über das subjektive Wohlbefinden thematischen Schwerpunkte war. Darüber dieser frühen Phase des Transformationspro- als Gegenstand der Wohlfahrtsmessung sowie hinaus wird auf die Daten des Sozio-ökono- zesses konfrontiert sah. als Zielgröße des politischen Handelns ange- mischen Panels (SOEP) zurückgegriffen, um regt (z. B. Stiglitz et al. 2009). In Deutschland die zeitliche Entwicklung des subjektiven Zufriedenheitslücke zwischen West- und werden Indikatoren des subjektiven Wohl- Wohlbefindens in West- und Ostdeutschland Ostdeutschland seit Ende der 1990er Jahre befindens bereits seit den 1980er Jahren für nachzuzeichnen. unverändert die Wohlfahrtsmessung und Sozialberichter- stattung verwendet, nachdem Wohlfahrt und In Westdeutschland kaum Veränderungen des In den nachfolgenden Jahren hat die Lebens- Lebensqualität hier nach vorherrschendem subjektiven Wohlbefindens im Zeitverlauf zufriedenheit in Ostdeutschland zunächst kon- Verständnis als Konstellation von objektiven tinuierlich bis auf einen Wert von 6,6 im Jahre Lebensbedingungen und subjektivem Wohl- Um die Entwicklung des subjektiven Wohl- 1999 zugenommen, aber stagniert seitdem von befinden betrachtet wurden. Der vorliegende befindens in Deutschland im Zeitverlauf zu Schwankungen abgesehen. Das bedeutet auch, Beitrag zielt darauf ab, typische Muster und betrachten, stützen wir uns auf Daten zur dass sich die Zufriedenheitslücke zwischen Merkmale, aber auch Besonderheiten in den Lebenszufriedenheit in West- und Ostdeutsch- West- und Ostdeutschland seit dem Ende der Ausprägungen und Bedingungsfaktoren des land für den Zeitraum von 1990 bis 2008 1990er Jahre nicht weiter geschlossen hat und subjektiven Wohlbefindens in Deutschland (Grafik 1). auch am Ende der Beobachtungsperiode noch zu bestimmen, teilweise auch im Vergleich zu einen halben Skalenpunkt beträgt. Bis heute anderen europäischen Ländern. Im Zentrum Der Verlauf der Zeitreihe verdeutlicht, dass hat die durchschnittliche Lebenszufriedenheit steht daher eine Analyse von Korrelaten und sich das an der Lebenszufriedenheit gemesse- in Ostdeutschland damit nie das westdeutsche Determinanten verschiedener Indikatoren des ne durchschnittliche Niveau des subjektiven Niveau erreicht. subjektiven Wohlbefindens, insbesondere der Wohlbefindens über den Zeitraum von fast Lebenszufriedenheit. Zuvor wird die zeitliche zwei Jahrzehnten in Westdeutschland – trotz Wie eine Aufgliederung der Lebenszufrie- Entwicklung von ausgewählten Indikatoren einer Vielzahl von nachhaltigen Veränderun- denheit nach Einkommensquintilen zeigt, des subjektiven Wohlbefindens in West- und gen der objektiven Lebensverhältnisse sowie hat sich die Lebenszufriedenheit für die ein- Ostdeutschland betrachtet sowie untersucht, wie sich das subjektive Wohlbefinden der Grafik 1: Allgemeine Lebenszufriedenheit 1990-2008 Deutschen im Vergleich zu anderen Europäern darstellt. Mit dem Begriff „subjektives Wohlbefinden“ wird ein komplexes und vielschichtiges Konstrukt bezeichnet, das verschiedene Komponenten umfasst. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die kogniti- ve Komponente, die zumeist mithilfe von Zufriedenheitsindikatoren operationalisiert wird. Dementsprechend stützt sich unsere Betrachtung des subjektiven Wohlbefindens in Deutschland auf die – verschiedene Be- reiche und Aspekte des Lebens bilanzierende – Lebenszufriedenheit sowie darüber hinaus auf einige spezifische Zufriedenheitsmaße für ausgewählte Lebensbereiche: Während die Zufriedenheit mit dem Lebensstandard auf die Bewertung der materiellen Lebensbedin- gungen abzielt, richtet sich die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie auf Datenbasis: Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) Seite 6 ISI 44 - August 2010 Grafik 2: Allgemeine Lebenszufriedenheit 1990-2008 – 1. und 5. Einkommensquintil findet sich in Europa lediglich in Ungarn und Bulgarien. Das vergleichsweise niedrige Niveau des subjektiven Wohlbefindens in Deutschland scheint in erster Linie die Entwicklung der Lebensbedingungen zu reflektieren, die hier- zulande in dieser Periode teilweise weniger vorteilhaft war als in anderen Ländern. Vor allem das hohe Niveau der Arbeitslosigkeit sowie die für große Teile der Bevölkerung stagnierenden Realeinkommen könnten zu dem vergleichsweise niedrigen Niveau des subjektiven Wohlbefindens in Deutschland beigetragen haben, darüber hinaus aber nicht zuletzt auch eine relative Verschlechterung der Lebensverhältnisse in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Die empirische Forschung hat in den vergan- genen Jahren eine Vielzahl von Befunden zu Korrelaten und Determinanten des subjektiven Datenbasis: Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) Wohlbefindens erbracht. Die Prädiktorvari- ablen umfassen sowohl psychologische als kommensschwachen und einkommensstarken Länder – Frankreich und Portugal – die ein auch soziale und ökonomische Faktoren. Bevölkerungssegmente in Ostdeutschland niedrigeres Zufriedenheitsniveau aufweisen. Nachfolgend werden zunächst bivariate unterschiedlich entwickelt (Grafik 2): Anders Die Zufriedenheit mit dem Funktionieren Zusammenhänge zwischen Indikatoren des als in Westdeutschland hat sich hier die Zu- der Demokratie fällt im Vergleich zu anderen subjektiven Wohlbefindens und verschiedenen friedenheitslücke zwischen dem obersten und Maßen des subjektiven Wohlbefindens in potenziellen Prädiktorvariablen für West- und dem untersten Einkommensquintil über den allen hier betrachteten europäischen Ländern Ostdeutschland betrachtet. Daran schließt sich Zeitraum von 1990 bis 2008 erheblich ver- auffällig niedrig aus. Dabei ist allerdings zu eine weitergehende multivariate Analyse der größert. Während die Lebenszufriedenheit der berücksichtigen, dass Personen dazu tendieren, Zusammenhänge mit dem Ziel an, zentrale ökonomisch erfolgreichen Ostdeutschen mehr ihre persönlichen Lebensumstände weniger Determinanten zu identifizieren. Gegenstand oder weniger kontinuierlich zugenommen und kritisch und negativ zu bewerten als die Ver- der Analyse sind neben der Lebenszufrieden- nahezu das Zufriedenheitsniveau der einkom- hältnisse in öffentlichen Lebensbereichen, die heit als Indikator für das allgemeine subjektive mensstärksten Westdeutschen erreicht hat, ist sie nicht unmittelbar beeinflussen können und Wohlbefinden zunächst auch die Zufriedenheit die Lebenszufriedenheit der Ostdeutschen für die sie sich insofern auch nicht verantwort- mit dem Lebensstandard und die Zufriedenheit im unteren Einkommenssegment über den lich ansehen.3 Was die Zufriedenheit mit dem mit dem Funktionieren der Demokratie als gesamten Zeitraum betrachtet nicht gestiegen, Funktionieren der Demokratie angeht, erreicht Indikatoren für das subjektive Wohlbefinden sondern sogar gesunken. Deutschland mit einem Wert von 5,2 den 12. in ausgewählten Lebensbereichen und -zu- Rang unter den hier betrachteten europäischen sammenhängen. Subjektives Wohlbefinden der Deutschen Ländern. Bemerkenswert ist die diesbezügli- unterhalb des europäischen Durchschnitts che Zufriedenheitsdiskrepanz zwischen der Auch in Deutschland unterscheidet sich das westdeutschen (5,5) und ostdeutschen (3,9) subjektive Wohlbefinden kaum zwischen den Wie aus der vergleichenden Betrachtung der Bevölkerung. Ein niedrigeres Niveau der De- Geschlechtern. Das gilt für West- und Ost- Lebenszufriedenheit hervorgeht (Grafik. 3)2, mokratiezufriedenheit als in Ostdeutschland deutschland gleichermaßen (Tabelle 1). Was gehört Deutschland nicht zu den europäi- schen Ländern, die sich durch ein besonders Grafik 3: Lebenszufriedenheit in Europäischen Ländern 2006 hohes Niveau des subjektiven Wohlbefindens auszeichnen, wie z. B. die skandinavischen Länder oder auch die Nachbarländer Schweiz, Österreich und die Niederlande. Unter den 21 hier betrachteten europäischen Ländern nimmt Deutschland mit einem Wert von 6,8 auf der von 0 bis 10 reichenden Skala lediglich den 14. Rang ein. Von den EU-15 Ländern weisen lediglich Frankreich und Portugal niedrigere Niveaus der Lebenszufriedenheit auf als Deutschland. Der für Ostdeutschland ermittelte Wert von 6,2 wird nur in vier der hier betrachteten europäischen Länder – Slowakei, Portugal, Ungarn und Bulgarien – unterschritten. Auch bezüglich der beiden Zufriedenheiten mit ausgewählten Lebensbereichen sind ähnliche Muster zu beobachten (Grafik 4). Im Hinblick auf die Zufriedenheit mit dem Lebensstandard rangiert Deutschland auf dem 13. Rang. Erneut sind es lediglich zwei EU-15 Datenbasis: European Social Survey 2006 ISI 44 - August 2010 Seite 7 Grafik 4: Zufriedenheit mit dem Lebensstandard und der Demokratie in Europäischen vergleichsweise enge positive Korrelation mit Ländern 2006 dem Haushaltsäquivalenzeinkommen: Je höher die relative Einkommensposition, desto höher das subjektive Wohlbefinden. Der Zusammen- hang ist in Ostdeutschland etwas stärker als in Westdeutschland, aber in beiden Regionen be- achtlich und stärker ausgeprägt als es dem dies- bezüglichen internationalen Forschungsstand zufolge in einer wohlhabenden Gesellschaft wie Deutschland zu erwarten wäre.4 Eine nach der Konfessionszugehörigkeit diffe- renzierte Betrachtung scheint den Befund eines positiven, wenn auch nicht besonders starken, Zusammenhangs zwischen der Kirchenzuge- hörigkeit und dem subjektiven Wohlbefinden zu bestätigen (z. B. Clark und Lelkes 2009). Für Deutschland zeigt sich in West und Ost, dass Befragte die keiner Konfession angehö- ren, weniger zufrieden sind als Befragte, die der evangelischen oder katholischen Kirche angehören. Datenbasis: European Social Survey 2006 Zwischen dem Gefühl der Sicherheit in der Wohngegend und dem subjektiven Wohlbe- den Zusammenhang mit dem Alter angeht, rend sowohl die Lebenszufriedenheit als auch finden ist ein enger positiver Zusammenhang wird vielfach auf ein U-förmiges Muster die Zufriedenheit mit dem Lebensstandard in festzustellen, in Ostdeutschland noch ausge- verwiesen (u. a. Blanchflower/Oswald 2007), Westdeutschland linear mit dem Bildungs- prägter als in Westdeutschland: Je sicherer d. h. ein niedrigeren Niveau des subjektiven niveau zunehmen, sind in Ostdeutschland man sich fühlt, desto höher das subjektive Wohlbefindens in den mittleren Lebensjah- keine entsprechenden Zusammenhänge zu Wohlbefinden. Der Zusammenhang zeigt sich ren. Im Hinblick auf die Lebenszufriedenheit beobachten. Eine mögliche Erklärung für den für jeden der drei betrachteten Indikatoren, bestätigt sich ein U-förmiger Zusammenhang fehlenden Zusammenhang in Ostdeutschland aber die Lebenszufriedenheit wird offenbar mit dem Alter für Ostdeutschland, nicht könnte darin bestehen, dass die indirekten stärker von der subjektiv wahrgenommenen aber für Westdeutschland, wo nur minimale – insbesondere über den Arbeitsmarkt vermit- Sicherheit vor Kriminalität beeinflusst als Differenzen zwischen den Altersgruppen fest- telten – Effekte der Bildung auf die Lebens- die beiden anderen Aspekte des subjektiven zustellen sind. Bezüglich der Zufriedenheit zufriedenheit dort infolge der Turbulenzen der Wohlbefindens. mit der Demokratie zeigt sich ein leicht U- Transformationsprozesse weniger ausgeprägt förmiges Muster dagegen in beiden Regionen. sind als in Westdeutschland. Die Zufriedenheit Positiver Effekt des Sozialkapitals auf das Die Zufriedenheit mit dem Lebensstandard mit dem Funktionieren der Demokratie scheint subjektive Wohlbefinden nimmt in Westdeutschland leicht, aber linear überraschenderweise weder in Westdeutsch- über die vier unterschiedenen Altersgruppen land noch in Ostdeutschland systematisch mit Die vorliegende Analyse stützt sich auf zwei zu, während sich in Ostdeutschland lediglich dem Bildungsniveau zu variieren. verschiedene Indikatoren, um das Ausmaß des die Gruppe der über 65-Jährigen positiv vom Sozialkapitals, über das Personen verfügen, Gesamtdurchschnitt abhebt. Dass die höchste Arbeitslose nicht nur mit dem Leben insge- zu quantifizieren: die Häufigkeit von Kon- Altersgruppe in beiden Regionen die höchste samt weniger zufrieden, sondern auch mit takten mit Freunden und Verwandten sowie Zufriedenheit mit dem Lebensstandard auf- dem Funktionieren der Demokratie das Vorhandensein von Personen, denen man weist, dürfte auch auf die gegenwärtig noch auch persönliche Nöte und Sorgen anvertrauen vergleichsweise günstigen materiellen Lage der Die Differenzierung nach dem Beschäf- kann.5 Beide Sozialkapitalindikatoren stehen Älteren in Deutschland zurückzuführen sein. tigungsstatus bzw. der „hauptsächlichen mit dem subjektiven Wohlbefinden in einem Tätigkeit“ offenbart, dass das subjektive positiven Zusammenhang: Je weniger sozial Der aus vielen Studien bekannte Befund, dass Wohlbefinden durch Arbeitslosigkeit mas- integriert und je mehr isoliert Personen sind, verheiratete und mit ihrem Partner zusammen- siv beeinträchtigt wird. Arbeitslose sind in desto niedriger fällt ihr subjektives Wohlbe- lebende Personen mit ihrem Leben zufriedener West- und Ostdeutschland nicht nur mit ihrem finden aus. Soziale Kontakte zu Freunden und sind als andere, bestätigt sich im innerdeut- Leben insgesamt und ihrem Lebensstandard Verwandten heben nicht nur die Lebenszufrie- schen Vergleich nur für Westdeutschland. In deutlich weniger zufrieden, sondern auch denheit, sondern auch die Zufriedenheit mit Ostdeutschland sind die Zufriedenheitsdiffe- mit dem Funktionieren der Demokratie. Als dem Lebensstandard sowohl in West- als auch renzen zwischen den unterschiedenen Lebens- überdurchschnittlich zufrieden erweisen sich in Ostdeutschland. Zudem weisen Befragte, formen insgesamt vergleichsweise gering; eine dagegen in Ost und West Personen, die sich die angeben niemanden zu haben, mit dem Ausnahme bildet lediglich der Personenkreis noch in einer Ausbildung befinden, aber auch sie persönliche Angelegenheiten und Sorgen der Geschiedenen bzw. getrennt Lebenden, Personen im Ruhestand. besprechen können, im Durchschnitt ein sig- die in West- und Ostdeutschland durchgängig nifikant niedrigeres Niveau des subjektiven ein niedrigeres Niveau des subjektiven Wohl- Die Frage, welche Rolle die materiellen Wohlbefindens auf als solche, die über ent- befindens aufweisen. Lebensverhältnisse und insbesondere das sprechende Vertrauenspersonen verfügen und Einkommen als Determinante des subjektiven besser in soziale Netzwerke integriert sind. Das Bildungsniveau kann das subjektive Wohlbefindens spielen, hat die Forschung seit Wohlbefinden direkt und indirekt beeinflus- vielen Jahren beschäftigt. Betrachtet man den Während sich die Betrachtung bisher auf biva- sen. Die Hypothese eines positiven Effekts Zusammenhang im Querschnitt, zeigt sich riate Zusammenhänge konzentrierte, werden höherer Bildungsabschlüsse auf das subjektive sowohl in Westdeutschland als auch in Ost- im Folgenden Ergebnisse einer multivariaten Wohlbefinden wird durch die vorliegenden deutschland für sämtliche hier betrachteten Regressionsanalyse mit dem Ziel präsentiert, Analyseergebnisse nur bedingt bestätigt: Wäh- Indikatoren des subjektiven Wohlbefindens eine zentrale Determinanten der Lebenszufrieden- Seite 8 ISI 44 - August 2010 Tabelle 1: Zufriedenheit mit dem Leben, dem Lebensstandard und der Demokratie für heit in Deutschland zu bestimmen. Anders West- und Ostdeutschland als im vorigen Abschnitt wird sich diese Lebenszufriedenheit Zufriedenheit mit Zufriedenheit mit Analyse auf die Lebenszufriedenheit, d. h. dem Lebensstandard der Demokratie das allgemeine subjektive Wohlbefinden be- schränken. arithmetisches Mittel 0-10 West Ost West Ost West Ost Tabelle 2 stellt die Ergebnisse von drei ver- schiedenen Regressionsmodellen dar. Das Gesamt 7,0 6,2 6,7 6,4 5,5 3,9 Alter erste Modell umfasst ausschließlich sozio- 16-35 Jahre 6,9 6,7 6,5 6,4 5,6 4,5 demografische und sozio-ökonomische Prä- 36-50 Jahre 6,9 5,8 6,7 6,2 5,4 3,5 diktorvariablen: die regionale Zugehörigkeit 51-65 Jahre 7,0 5,9 6,8 6,4 5,3 3,7 zu West- oder Ostdeutschland, das Haushalts- 66+ Jahre 7,1 6,6 7,0 6,9 5,9 4,2 einkommen und die Haushaltsgröße, das Alter, Geschlecht den familiären Status, den Bildungsabschluss Männlich 6,9 6,3 6,8 6,5 5,6 4,1 und den Beschäftigungsstatus. Die Parameter Weiblich 7,0 6,2 6,7 6,4 5,5 3,8 verdeutlichen zunächst, dass Arbeitslosigkeit Lebensformen Verheiratet, m. Partner das subjektive Wohlbefinden erheblich beein- 7,2 6,3 7,1 6,7 5,6 3,9 zusammenlebend trächtigt, während die Lebenszufriedenheit mit Unverheiratet, m. Partner steigendem Einkommen deutlich zunimmt. 6,9 6,5 6,6 6,6 5,4 3,8 zusammenlebend In Ostdeutschland zu leben wirkt sich - selbst Geschieden/getrennt, 5,9 4,9 5,2 5,4 4,6 2,9 dann wenn die Unterschiede in den objektiven kein Partner Lebensbedingungen kontrolliert werden - ne- Verwittwet, kein Partner 6,5 6,2 6,4 6,5 5,6 4,1 gativ auf die Lebenszufriedenheit aus. Dage- Single/Sontiges, 6,8 6,3 6,4 6,1 5,7 4,3 gen schlagen sich höhere Bildungsabschlüsse ohne Partner und das Leben im Ruhestand in einer höheren Bildungsabschluss 2 Grundschule/Sekundarstufe I 6,6 6,6 6,2 6,6 5,6 4,6 Lebenszufriedenheit nieder. Sekundarstufe II 6,9 5,8 6,6 6,0 5,4 3,7 Postsekundäre Bildung 7,2 6,8 7,0 7,2 5,8 4,6 Einkommen und Arbeitslosigkeit bestimmen Hochschulbildung 7,3 6,6 7,2 6,9 5,6 3,9 die Lebenszufriedenheit in Deutschland stär- Haupttätigkeit ker als in anderen europäischen Ländern Bezahlte Erwerbstätigkeit 6,9 6,5 6,8 6,7 5,5 3,9 In Ausbildung 7,4 7,2 6,9 6,8 6,1 4,8 Dieses ausschließlich objektive Prädiktorvari- Arbeitslos 5,5 4,0 4,9 4,3 5,0 2,9 ablen berücksichtigende Modell bindet 19 Pro- Im Ruhestand 7,2 6,6 7,1 6,8 5,7 4,0 Hausarbeit 7,0 (5,4) 6,6 (6,6) 5,3 (3,9) zent der gesamten Varianz der Lebenszufrie- Konfession denheit und erweist sich damit als überraschend Keine 6,5 6,1 6,3 6,3 5,1 3,7 erklärungskräftig. Für beide Teile des Landes Katholisch 7,2 6,9 6,9 6,9 5,7 4,8 separat durchgeführte Analysen führen zu dem Evangelisch 7,2 6,3 6,9 6,7 5,8 4,3 Ergebnis, dass die Erklärungskraft der sozio- Kriminaltätsfurcht demografischen und sozio-ökonomischen Sehr sicher 7,3 6,9 7,1 6,8 5,8 4,4 Variablen dieses Modells in Ostdeutschland (R2 Sicher 6,9 6,3 6,7 6,5 5,5 4,0 = .19) stärker ist als in Westdeutschland (R2 = Unsicher 6,7 6,0 6,3 6,3 5,1 3,6 .15). Weitergehende vergleichende Analysen Sehr unsicher 6,0 (4,8) 6,1 (5,5) 4,2 (3,0) Einkommensquintile deuten zudem darauf hin, dass die objektiven 1. Quintil 5,9 5,0 5,4 5,1 5,1 3,5 Lebensbedingungen, wie sie mit den Variablen 2. Quintil 6,8 6,0 6,6 6,2 5,6 3,9 dieses Modells erfasst werden, das subjektive 3. Quintil 7,0 6,7 6,7 7,0 5,6 4,0 Wohlbefinden in Deutschland stärker zu prägen 4. Quintil 7,3 6,9 7,3 7,1 5,7 4,2 scheinen als in anderen westeuropäischen (R2 5. Quintil 7,7 7,5 7,7 7,6 6,0 4,7 = .10) und osteuropäischen (R2 = .17) Gesell- Treffen mit Freunden schaften. Auffällig ist dabei vor allem der im Seltener als 1 x/Monat 6,0 5,7 5,7 6,0 5,5 3,6 Vergleich zu den übrigen westeuropäischen 1x/Monat bis 1x/Woche 1mal/Woche 7,0 6,2 6,8 6,4 5,6 3,8 Gesellschaften (b = 0.49) unerwartet starke Öfter 1x/Woche; Jeden Tag 7,1 6,5 6,8 6,6 5,4 4,2 Effekt des Haushaltseinkommens in West- Vertraute Person vorhanden deutschland (b = 0.84), der kaum schwächer Ja 7,0 6,3 6,8 6,5 5,6 4,0 ist als in Ostdeutschland (b = 0.94) und ebenso Nein 5,6 (5,2) 5,6 (4,7) 4,7 (3,2) stark wie in den osteuropäischen Ländern. Vertrauen in das Parlament Dieser Befund steht im Widerspruch zu dem sehr niedrig 6,5 5,6 6,3 5,9 4,1 2,9 aus anderen Studien bekannten Resultat einer niedrig 7,1 6,7 6,9 6,9 5,9 4,7 mit steigendem Wohlstandsniveau abnehmen- mittel 7,6 7,2 7,2 7,2 6,9 5,8 den Erklärungskraft des Einkommens für das hoch 7,6 (7,9) 7,2 (7,8) 7,3 (6,1) Vertrauen in die Justiz subjektive Wohlbefinden. Bemerkenswert ist sehr niedrig 6,2 5,6 6,2 5,7 3,9 2,7 zudem der hohe, über den Effekt der mit ihr niedrig 6,8 6,2 6,6 6,5 5,2 4,1 verbundenen Einkommensminderung hinaus- mittel 7,0 6,7 6,9 6,7 6,0 5,2 gehende, negative Effekt der Arbeitslosigkeit hoch 7,6 7,3 7,2 7,4 6,7 5,2 auf die Lebenszufriedenheit in Ostdeutsch- 1) Skala von 0 „äußerst unzufrieden“ bis 10 „äußerst zufrieden“ land.6 Über die Gründe für die überraschend 2) Basis: ISCED-Klassifikation. Sekundarstufe I: Abschlüsse bis zur Mittleren Reife. Sekundarstufe II: hohe Erklärungskraft dieser Merkmale kön- Abschluss Berufsfachschule, Fachoberschule, gymnasiale Oberstufe. Postsekundäre Bildung: Zugang nen hier nur Vermutungen angestellt werden. zur Hochschulbildung, z. B. Fachoberschulen, Abendkollegs. Hochschulbildung: Fachhochschulen, Denkbar erscheint die Möglichkeit, dass die Universitäten. weitgehende Stagnation der Realeinkommen Datenbasis: European Social Survey 2006 (Brenke 2009) zu dem außergewöhnlich ISI 44 - August 2010 Seite 9 starken Gewicht des Haushaltseinkommens dells umfasst Modell 2 fünf weitere potenzielle Personen für persönliche Gespräche negativ als Determinante der Lebenszufriedenheit in Prädiktoren: den subjektiven Gesundheitszu- auf das subjektive Wohlbefinden aus. Unter Deutschland beigetragen haben könnte. Der stand, die Konfessionszugehörigkeit, die Häu- diesen zusätzlich eingeführten Variablen überdurchschnittlich starke negative Effekt der figkeit sozialer Kontakte, das Vorhandensein erweist sich der subjektiv wahrgenommene Arbeitslosigkeit – besonders in Ostdeutschland einer Person für vertrauensvolle persönliche Gesundheitszustand als der mit Abstand – könnte u. a. auf das mit der Einführung der Gespräche sowie das Gefühl der Sicherheit stärkste Prädiktor der Lebenszufriedenheit. sogenannten Hartz-Gesetze gestiegene Be- vor Kriminalität im Wohnumfeld. Wie die Der ausgeprägte negative Effekt der Zugehö- drohungspotenzial der Arbeitslosigkeit und Ergebnisse dieser Analyse dokumentieren, rigkeit zu Ostdeutschland wird durch die in die damit vielfach verbundenen Abstiegs- und ergibt sich für jede dieser Variablen ein zu- Modell 2 zusätzlich eingeführten Variablen Existenzängste zurückzuführen sein.7 sätzlicher signifikanter Effekt auf die Lebens- deutlich verringert Insgesamt erklären die zufriedenheit: Während eine katholische oder in Modell 2 berücksichtigten Variablen 28 Subjektiver Gesundheitszustand und Sozi- protestantische Konfessionszugehörigkeit und Prozent der Varianz der Lebenszufriedenheit alkapital starke Prädiktoren der Lebenszu- häufige Kontakte zu Freunden und Verwandten in Deutschland. friedenheit die Lebenszufriedenheit tendenziell erhöhen, wirken sich ein schlechter Gesundheitszu- Gegenüber Modell 2 umfasst Modell 3 wei- Zusätzlich zu den sozio-demografischen und stand, das Gefühl der Unsicherheit in der tere drei potenzielle Prädiktorvariablen, die sozio-ökonomischen Variablen des ersten Mo- Wohngegend und das Fehlen von vertrauten sich auf das Vertrauen in wohlfahrtsstaatli- che Institutionen und das politische System beziehen. Eine dieser Variablen misst das Tabelle 2: OLS Regression – Determinanten der Lebenszufriedenheit in Deutschland 2006 Vertrauen in das System der Alterssicherung Model (1) Model (2) Model (3) indirekt über die Sorgen der Befragten, dass ihr Einkommen im Alter für den Lebensun- Nicht-standardisierte Koeffizienten2 terhalt nicht ausreichen könnte.8 Die Befunde Westdeutschland (Referenz) bestätigen, dass das subjektive Wohlbefinden Ostdeutschland -0.54*** -0.23* -0.09 durch Besorgnisse über die Alterssicherung Haushaltseinkommen (log) 0.89*** 0.73*** 0.60*** deutlich beeinträchtigt wird. Die beiden an- Haushaltsgröße (log) -0.30* -0.33** -0.27* deren zusätzlich berücksichtigten Variablen Alter -0.06** -0.03 -0.02 – Vertrauen in das Parlament und Vertrauen in Alter quadriert (/100) 0.05** 0.04* 0.02 die Justiz – sind positiv mit der Lebenszufrie- Ledig/Andere, kein Partner (Referenz) denheit korreliert. Alles in allem erklären die Verheiratet, m. Partner zusammenlebend 0.37* 0.39* 0.36* in Modell 3 enthaltenen Prädiktorvariablen 33 Unverheiratet, m. Partner zusammenlebend 0.20 0.30 0.33 Prozent der Varianz der Lebenszufriedenheit Geschieden/getrennt, kein Partner -0.43* -0.32 -0.15 in Deutschland. Verwitwet, kein Partner -0.22 -0.06 -0.09 Niedrigere Lebenszufriedenheit der Ostdeut- Grundschule/Sekundarstufe I (Referenz) schen auch auf geringeres Institutionenver- Sekundarstufe II 0.37* 0.28 0.20 trauen zurückzuführen Postsekundäre Bildung 0.65** 0.41* 0.22 Hochschulbildung 0.61** 0.39* 0.25 Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass der Bezahlte Erwerbstätigkeit (Referenz) zunächst starke negative Effekt der Zugehö- In Ausbildung 0.68** 0.61** 0.39 rigkeit zu Ostdeutschland nach der Einführung Arbeitslos -1.14*** -1.11*** -1.02*** der zusätzlichen Variablen nahezu vollständig Im Ruhestand 0.49** 0.57*** 0.55*** verschwindet. Dieser Befund ist ein deut- Hausarbeit 0.01 0.12 0.13 licher Hinweis darauf, dass die niedrigere Anderes -0.86** -0.24 -0.37 Lebenszufriedenheit der Ostdeutschen insbe- Subjektiver gesundheitlicher Status -0.65*** -0.56*** sondere auch auf deren geringeres Vertrauen in wohlfahrtsstaatliche Institutionen sowie Konfession: keine (Referenz) in das politische und rechtliche System der Konfession: katholisch 0.56*** 0.44*** Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen Konfession: protestantisch 0.48*** 0.35*** ist. Arbeitslosigkeit und das Haushaltsein- Konfession: andere 0.68** 0.67** kommen erweisen sich auch nach Einführung Treffen mit Freunden (1-3) 0.14*** 0.13*** der zusätzlichen Variablen als signifikante Vertrauter Ansprechpartner (Referenz) Faktoren und gehören damit zweifellos zu den Kein vertrauter Ansprechpartner -0.68*** -0.67*** einflussstärksten Prädiktoren des subjektiven Angst vor Verbrechen (1-4) -0.21*** -0.10 Wohlbefindens in West- und Ostdeutschland. Keine Bedenken bezügl. des Einkommens im Alter (Referenz) Bezüglich der Korrelate und Determinanten Bedenken bezügl. des Einkommens im Alter -0.12*** des subjektiven Wohlbefindens in Deutsch- Vertrauen in den Bundestag (0-10) 0.08*** land haben sich verschiedene Befunde der Vertrauen in die Justiz (0-10) 0.08*** bisherigen Forschung bestätigt, darunter Konstante 1.16 2.52*** 3.15*** der enge Zusammenhang mit dem subjektiv wahrgenommenen Gesundheitszustand und Anzahl der Beobachtungen 2029 2029 2029 der positive Effekt der Verfügung über sozi- Adjusted R2 0.19 0.28 0.33 ales Kapital. Auffällig und zum Teil abwei- 1) Skala von 0 „äußerst unzufrieden“ bis 10 „äußerst zufrieden“ chend von Befunden für andere Länder ist 2) * p < 0.05, ** p < 0.01, *** p < 0.001 der starke positive Zusammenhang mit dem 3) Basis: ISCED-Klassifikation. Sekundarstufe I: Abschlüsse bis zur Mittleren Reife. Sekundarstufe II: Haushaltseinkommen und der ausgeprägte Abschluss Berufsfachschule, Fachoberschule, gymnasiale Oberstufe. Postsekundäre Bildung: Zugang negative Effekt der Arbeitslosigkeit auf das zur Hochschulbildung, z. B. Fachoberschulen, Abendkollegs. subjektive Wohlbefinden. Bemerkenswert er- Datenbasis: European Social Survey 2006 scheint zudem die Tatsache, dass sich die auch Seite 10 ISI 44 - August 2010 zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung Brenke, Karl, 2009: Reallöhne in Deutschland Stevenson, Betsey, Wolfers, Justin, 2008: fortbestehende markante Zufriedenheitslücke über mehrere Jahre rückläufig. Deutsches Economic Growth and Subjective Well- zwischen West- und Ostdeutschland nahezu Institut für Wirtschaftsforschung: Wochen- Being: Reassessing the Easterlin Paradox. vollständig schließt, wenn die in der Regres- bericht Nr. 33/2009: 550–560. National Bureau of Economic Research: sionsanalyse berücksichtigten unabhängigen Clark, Andrew, Lelkes, Orsolya, 2009: Let Working Paper 14282. Stanford. Variablen kontrolliert werden. Neben den Us Pray: Religious Interactions in Life Stiglitz, Joseph E., Sen, Amartya, Fitoussi, sozio-ökonomischen Lebensbedingungen und Satisfaction. PSE Working Papers No. Jean-Paul, 2009: Report by the Commis- der subjektiven Perzeption der individuellen 2009-01. sion on the Measurement of Economic Lebenssituation haben sich nicht zuletzt auch Noll, Heinz-Herbert, 2008: European Survey Performance and Social Progress. Paris. das Vertrauen in wohlfahrtstaatliche Insti- Data: Rich Sources for Quality of Life tutionen sowie in die Politik und die Justiz Research., S. 1–21 in: Valerie Møller, Heinz-Herbert Noll und Stefan Weick, als ein wichtiger Faktor für die Erklärung Dennis Huschka, Alex C. Michalos (Hg.), GESIS der West-Ost-Differenzen im Niveau des Barometers of Quality of Life Around the Tel.: 0621 / 1246-241 und -245 subjektiven Wohlbefindens erwiesen. Dieser Globe, Social Indicators Research Series. [email protected] Befund verdeutlicht exemplarisch, dass es 33. Dordrecht: Springer. [email protected] auf die Politik ankommt und dass sozialpoli- tische und andere Maßnahmen das subjektive Wohlbefinden sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können. Arbeitsgruppe „Zufriedenheit“ 1 Bei der Interpretation des Rückgangs der des Ameranger Disputs Lebenszufriedenheit zwischen 1990 und 1991 ist insofern Vorsicht angezeigt, als es sich dabei um Daten aus den beiden veröffentlicht Memorandum ersten Wellen des SOEP in Ostdeutschland handelt. Vor allem die erste Welle fand un- ter besonderen Rahmenbedingungen statt und wirft insofern auch Fragen nach der Vergleichbarkeit der Ergebnisse auf. „Zufriedenheit trotz sinkenden Wohlstands“ lautet der Titel des kürzlich erschienenen 2 Die Fragen im European Social Survey Memorandums der Arbeitsgruppe „Zufriedenheit“ des Ameranger Disputs der Ernst- lauten: „Wie zufrieden sind Sie - alles in Freiberger-Stiftung. Gegenstand der Beratungen und Diskussionen der Arbeitsgruppe war allem - mit Ihrem gegenwärtigen Leben?“; die Frage, wie sich ein stagnierender oder gar sinkender materieller Wohlstand auf das „Und wie zufrieden sind Sie mit Ihrem subjektive Wohlbefinden bzw. die Lebenszufriedenheit der Bevölkerungen reicher Länder gegenwärtigen Lebensstandard?“; „Und auswirken könnte. Die These, dass der materielle Wohlstand in den reichen westlichen wie zufrieden sind Sie - alles in allem - mit Ländern seinen Höhepunkt erreicht hat und zukünftig mit Wohlstandseinbußen zu rechnen der Art und Weise, wie die Demokratie in sein wird, wurde als Prämisse behandelt und war nicht Gegenstand der Erörterungen. Deutschland funktioniert?“. 3 Vgl. z. B. Noll (2008: 10). Die Arbeitsgruppe, die sich unter anderem Effekte aus immateriellen Zufriedenheitsquel- 4 Vgl. dazu auch Stevenson/Wolfers (2008), auch auf die Ergebnisse einer speziell für len (soziale Beziehungen, Partizipation, zivil- die in ihrem Beitrag neue Daten zum diesen Zweck beauftragten Repräsentativbe- gesellschaftliches Engagement) kompensiert Zusammenhang von Einkommens und fragung des Instituts für Demoskopie Allens- werden können. dem subjektiven Wohlbefinden vorgelegt bach stützte, kam zu dem Ergebnis, dass die und das sogenannte „Easterlin Paradox“ Lebenszufriedenheit in Deutschland nach wie Die Arbeitsgruppe wurde von Professor Dr. kritisch beleuchtet haben. vor stark durch die materielle Lage bestimmt Meinhard Miegel (Denkwerk Zukunft – Stif- 5 Die entsprechenden Fragen lauten: (1) wird, wenngleich auch immaterielle Zufrie- tung kulturelle Erneuerung) geleitet. Weitere „Wie oft treffen Sie sich mit Freunden, denheitsquellen eine wichtige Rolle spielen Mitglieder waren: Professor Dr. Mathias Verwandten oder privat mit Arbeitskol- (vgl. dazu auch den Beitrag von H.-H. Noll Binswanger (FH Olten), Professor Dr. Michael legen?“; (2) „Haben Sie jemanden, mit und S. Weick in diesem Heft). Ein nachhaltiges von Brück (LMU München), Professor Dr. dem Sie über vertrauliche und persönliche Absinken des materiellen Lebensstandards Jan Delhey (Jacobs-University, Bremen), Dr. Angelegenheiten reden können?“ dürfte das subjektive Wohlbefinden daher Friedrich Hinterberger (Sustainable Europe 6 Mit einem b = 1.47 ist dieser zusätzliche Ef- aller Voraussicht nach spürbar dämpfen. Dafür Research Institute, Wien), Professor Dr. Hei- fekt der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland sprechen insbesondere auch Befunde, denen ner Meulemann (Universität Köln), Dr. Heinz deutlich höher als in Westdeutschland (b = zufolge die negativen Effekte von Wohlstands- Herbert Noll (GESIS, Mannheim), Professor 0.83) und den übrigen westeuropäischen verlusten auf das subjektive Wohlbefinden Dr. Horst W. Opaschowski (BAT Stiftung (b = 0.80) und osteuropäischen (b = 0.65) stärker sind als die positiven Effekte von Zukunftsfragen, Hamburg), Professor Dr. Ländern. Wohlstandsgewinnen. Ob und in welchem Karlheinz Ruckriegel (Georg-Simon-Ohm- 7 Vgl. dazu auch den Beitrag von Marcel Maße unter den Bedingungen eines stagnie- Hochschule, Nürnberg), Professor Dr. Erich Erlinghagen in diesem Heft. renden und sinkenden materiellen Wohlstands H. Witte (Universität Hamburg). 8 Die entsprechende Frage lautet: „Wie mit einem Rückgang des durchschnittlichen sehr befürchten Sie, dass Ihr Einkommen subjektiven Wohlbefindens zu rechnen sein Arbeitsgruppe „Zufriedenheit“ des Ameran- im Alter nicht ausreichen könnte, um Ihre wird, hängt aber – wie die Arbeitsgruppe kon- ger Disputs der Ernst Freiberger-Stiftung, Bedürfnisse zu decken? Bitte sagen Sie mir statiert – von verschiedenen Bedingungen ab: „Zufrieden trotz sinkenden materiellen Ihre Meinung wieder mit Hilfe einer Skala z. B. ob das Wohlstandsniveau allmählich oder Wohlstands“, 45 Seiten, Amerang 2010. von 0 bis 10, wobei 0 bedeutet ‚befürchte abrupt sinkt, ob bestimmte Mindeststandards Download unter: www.ernst-freiberger-stif- ich überhaupt nicht’ und 10 bedeutet ‚be- gewahrt bleiben oder unterschritten werden, ob tung.de oder www.gesis.org/soziale-indika- fürchte ich sehr’.“ Verluste gerecht verteilt sind oder sich auf be- toren stimmte Bevölkerungsgruppen konzentrieren, Blanchflower, David G., Oswald, Andrew J., ob Beschäftigungslosigkeit vermieden werden Heinz-Herbert Noll, GESIS 2007: Is Well-Being U-Shaped over the Life kann und inwieweit die negativen Effekte der Tel.: 0621 / 1246-241 Cycle? IZA Discussion Paper No. 3075. materiellen Wohlstandsverluste durch positive [email protected]

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verlust trotz gleichbleibender. Beschäftigungsstabilität. 1. Materielle Lebensbedingungen prägen Lebenszufriedenheit in Deutschland stärker als in.
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