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Zum Verständnis der Ökohydrologie von Hochmooren / Towards an understanding of the ecohydrology of raised bogs PDF

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Preview Zum Verständnis der Ökohydrologie von Hochmooren / Towards an understanding of the ecohydrology of raised bogs

© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Zum Verständnis der Ökohydrologie von Hochmooren G. M. STEINER Abstract: This article tries to explain how bogs hydrologically function on the basis of INGRAM'S (1982) hypothesis on the groundwater mound. It wants to show up the outstanding regulation mechanisms na- ture has developed to produce and maintain ecosystems that are able to stabilise a waterbody meters above any land surface, and how bogs react on climate change and disturbance by man. Key words: Eco-hydrology of bogs, groundwater mound hypothesis, effects of bog disturbance. Zur Einführung Ein intaktes Hochmoor ist ein uhrglas- förmig aufgewölbter Torfkörper, dessen Abb. 1: „Ein Wassertropfen Oberfläche von einer spezifisch angepassten auf einer Glasplatte... Vegetation bewachsen ist. Die abgestorbe- nen Reste dieser Vegetation, die von ver- schiedenen Arten der Gattung Sphagnum (Torfmoos) dominiert wird, bauen den Torf- körper auf. Hochmoore liegen als isolierte, Abb. 2: ... ist wie ein Moor in der Landschaft" eigenständige Ökosysteme „wie ein Wasser- tropfen" in der sie umgebenden Landschaft schiedenen Oberflächenstrukturen der und sind dort meistens die letzten Reste ur- Hochmoore verantwortlich. SjÖRS (1948), sprünglicher Natur. LINDSAY et al. (1988) und STEINER (1992) Da die Oberfläche der Hochmoore beschrieben diese Strukturelemente oder durch den bis zu 15 m mächtigen Torfkörper Mikroformen jeweils für den borealen, at- vom Mineralboden und dessen Grundwas- lantischen und subkontinentalen Klimabe- serregime vollständig isoliert ist, ist die Ve- reich Europas. Im wesentlichen gelten für getation an Bedingungen adaptiert, die aus- alle Klimabereiche gemeinsam sechs Mikro- schließlich vom Niederschlag bestimmt formen, vier davon liegen oberhalb des werden. Die gesamte Nährstoffversorgung Grundwasserspiegels und werden daher als erfolgt durch Regen, Schnee und andere terrestrisch (T) bezeichnet, vier aquatische atmosphärische Einträge, das Substrat für die höheren Pflanzen bilden Torf oder le- (A) liegen unterhalb (Abb. 3). bende Torfmoose. Torfhügel (T4) sind hohe, zumeist mit Flechten (Cladonia spp.) und Waldmoosen Oberflächenstrukturen (Pleuroziutn schreberi, Hylocomium splendens und Dicranum scoparium) bedeckte, oft von Die Torfmoosarten, die die Basis allen Föhren (Pinus sylvestris) oder Fichten (Picea weiteren Lebens auf den Hochmooren bil- den, nischen sich in unterschiedlichen Ab- abies) bestandene Strukturen der Moorober- ständen zum mooreigenen Grundwasserspie- fläche, die durch - häufig weidebedingte - Stapfia 85, zugleich Kataloge gel ein und sind auf diese Weise für die ver- Erosionen entstanden sind (Abb. 4)- der OÖ. Landesmuseen Neue Serie 35 (2005), 27-39 27 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 3: Schematische Darstellung der häufigsten Strukturelemente von Hochmooren. T4 T3 T2 Tl AI A2 A3 A4 Torfhügel Bult Bultflache Bultfußflache Torfinoosschlenke Kolk periodischer Torfschlamm- Kolk schlenke Bulte (T3) sind 100 - 30 cm vom Grundwasserspiegel entfernte Hügel, die von den Torfmoosen Sphagnum fuscum und Sphagnum capiüifolium gebildet werden. Un- ter unseren Klimaverhältnissen sind sie die höchsten Erhebungen der Mooroberfläche und häufig von Zwergsträuchern wie Preisel- beere (Vaccinium vitis-idaea), Heidelbeere (Vaccinium myrtiüus) und Rauschbeere (VaC' cinium uliginosum), Latschen (Pinus mugo), Rentierflechten (Cladonia arbuscula, Clado- nia rangiferina) und verschiedenen Wald- moosen {Pleurozium schreberi, Dicranum sco- parium, Hylocomium spkndens) bewachsen (Abb. 5). Bultflächen (T2) sind 30 - 10 cm vom Wasserspiegel entfernt, das dominierende Abb. 4: Torfmooshügel (Granitzlmoos/Sauerfelder Wald/Salzburg). Torfmoos ist Sphagnum mageUanicum. Bult- flächen bilden in den schwach oder un- strukturierten Hochmooren des östlichen Österreich die eigentliche Mooroberfläche, sie sind mit Latschen (Pinus mugo) und Zwergsträuchern wie Preiselbeere (Vacci- nium vias-idaea), Rauschbeere (Vaccinium uliginosum), Besenheide (Caäuna vulgaris) und Rosmarinheide (Andromeda polifolia) bewachsen (Abb. 6). Bultfußflächen (Tl) reichen bis 10 cm über den Wasserspiegel und werden von Sphagnum papiliosum, Sphagnum magellani- cum und Sphagnum angusttfolium aufgebaut. Das Scheidige Wollgras (Eriophorum vagina- turn), Zwergsträucher wie Moosbeere (Vac- Abb. 5: Bult (Moor im Melachtal/ Stubaier Ai pen/Tirol). 28 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 6: Bultfläche (Pürgschachenmoos/Ennstal/Steiermark). Abb. 7: Bultfußfläche (Siebenmöser/Gerlospass/Salzburg). Abb. 8: Torfmoosschlenke (Rotmoos/Weichselboden/Steiermark). Abb. 9: Torfschlammschlenke (Rotmoos/Weichselboden/Steiermark). cinium oxycoccos), Rauschbeere (Vacdnium Torfschlammschlenken (A2) liegen 10 uliginosum), Besenheide (Caüuna vulgaris) - 20 cm tief und haben nur selten einen und Rosmarinheide (Andromeda polifolia) schütteren Torfmoosbewuchs (Sphagnum und verschiedene Seggenarten wie Wenig- compactum, Sphagnum teneüum). Sonst tre- blütige Segge (Carex pauciflora) und Wie- ten dieselben Sauergräser wie in den Torf- sensegge (Carex nigra) bilden die Vegetation moosschienken auf (Abb. 9). der höheren Pflanzen (Abb. 7). Periodische Kolke (A3) sind 20 bis 50 Torfmoosschienken (AI) liegen 0 - 10 cm tiefe Moorteiche, die im Sommer zu- cm unter dem Grundwasserspiegel. Die meist austrocknen und dann den Torf- wichtigsten Torfmoosarten sind hier Sphag- schlammschlenken ähnlich sehen. Wegen num angustifolium, Sphagnum cuspidatum und der langen Überstauung im Frühjahr etwi- Sphagnum teneüum. An höheren Pflanzen ckelt sich kein Torfmoosbewuchs, lediglich treten hier vor allem Sauergräser wie einige flutende Torfmoose wie Sphagnum Schlammsegge (Carex Umosa), Blumenbinse cuspidatum liegen dann auf der nackten (Scheuchzeria palustris), Schnabelsegge Torffläche (Abb. 10). (Carex rostrata), Weißes Schnabelried (Rhynchospora alba) und Sonnentauarten Kolke (A4) sind mehr als 50 cm tiefe, (Droserarotundifolia und Drosera angüca) aufpermanent mit Wasser gefüllte Moorteiche, (Abb. 8). die lediglich von flutenden Formen der 29 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Torfmoosarten Sphagnum cuspidatum und besteht aus abgestorbenem Pflanzenmaterial Sphagnum angustifolium bewachsen werden - dem Torf - und Wasser (Abb. 12). (Abb. 11). Das Acrotelm baut sich zum überwie- Alle aquatischen Strukturen sind an genden Teil aus dichtstehenden, lebenden feuchtere Klimaverhältnisse gebunden und Torfmoospflänzchen auf. Durch das Wachs- daher nur in den humideren Bereichen Ös- tum der Torfmoose wird ständig neue Bio- terreichs häufig anzutreffen. Bei Entwässe- masse produziert, das Moor wächst kontinu- rungsmaßnahmen oder zunehmender Tro- ierlich. Die älteren Torfmoosteile sterben ckenheit verschwinden diese sensiblen langsam ab, werden zersetzt und bilden neu- Strukturen zuerst. en Torf. Dadurch gerät die Biomasse aber auch unter den Moorwasserspiegel und der Die Struckturelemente variieren nicht Zersetzungsprozess kommt wegen des Man- nur nach den großklimatischen Bedingun- gels an Sauerstoff zum erliegen. Da aber die gen, sondern auch in den verschiedenen Nachlieferung von oben weitergeht, kann Moorbereichen. Während auf der zentralen sich auf diese Weise Torf akkumulieren. Ne- Moorweite alle Strukturen vertreten sind, ben dem Torfmoos bilden Rhizome und spielen im Randgehänge lediglich terrestri- Wurzeln höherer Pflanzen das Acrotelm sche Mikroformen eine Rolle. Bedingt durch das stärkere Gefälle in diesem Be- und geben ihm eine Festigkeit, die es er- reich, treten im Randgehänge auch Ero- laubt, auf Mooren zu gehen. Das Catotelm sionsformen, die Rüllen, auf. Hier sind auch hingegen besteht hauptsächlich aus Wasser häufig bodenständige Fichten und Birken (bis zu 94 %) - es enthält somit weniger anzutreffen. In den meisten Fällen ist ein Feststoffe als Milch (EGGELSMANN 1988)! Hochmoor noch von einem Lagg (Rand- Das Acrotelm kommuniziert mit der sumpf) umgeben, der zum umliegenden Mi- Außenwelt, es tauscht mit ihr Material und neralbodenwasserregime vermittelt und da- Energie aus. Die ablaufenden Prozesse wer- her eine Mischwasserversorgung besitzt. Die den wie im Mineralboden durch aerobe Vegetation dieser Laggs ist aus diesem Mikroorganismen durchgeführt, ein voll- Grund auch mit Arten angereichert, die für ständiger Abbau der Biomasse zu Kohlen- Niedermoore und Sümpfe charakteristisch dioxid und Wasser wird jedoch durch den sind. Sauerstoffmangel in größerer Tiefe verhin- Die einzelnen Torfmoosarten prägen die dert. Es bildet sich Torf, der elementaren Standortsbedingungen derart, dass nur die Kohlenstoff in größeren Mengen enthält oben besprochene, spezifisch angepasste Ar- und aus diesem Grund braun gefärbt ist und tengarnitur zu gedeihen vermag. Treten an- als Brennstoff dienen kann. dere Arten auf, ist nahezu immer eine Stö- Der Moorwasserspiegel befindet sich im- rung im Wasserregime die Ursache. Dies do- mer im Acrotelm, dessen lockere Struktur kumentiert auch sehr gut, wie eng in einem einen Austausch von Wasser und Luft er- Hochmoor ein ungestörtes Wasserregime möglicht. Die Lage des Wasserspiegels und und eine intakte Vegetationsdecke mitein- damit auch der Wassergehalt des Acrotelms ander verknüpft sind. können aber in Abhängigkeit vom Klima stark variieren, was auch eine variierende Struktur und Funktion des Einflusstiefe der Luft zur Folge hat. Torfkörpers Die Grenze zwischen Acro- und Cato- Ein ungestörtes Hochmoor ist aus zwei telm ist der Bereich, über dem sich die Was- Schichten aufgebaut (ROMANOV 1968, IN- serverhältnisse und Abbauprozesse rasch än- GRAM 1978, IVANOV 1981). Die obere, le- dern und unter dem die Verhältnisse weitge- bende Schichte ist etwa 50 bis 100 cm hend stabil bleiben. Dieser Grenzhorizont mächtig und wird als Acrotelm (Spitzen- kann also gefunden werden, indem man die torf) bezeichnet. Darunter bildet das Cato- Wasserspiegelschwankungen über mehrere telm (Basistorf) die eigentliche Masse, die Jahre hinweg registriert, wobei der tiefste die jeweilige Form des Moores prägt. Das Wert dann den Grenzhorizont markiert Catotelm kann über 10 m mächtig sein und (BRAGG 19S2). 30 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Das Catotelm ist der eigentliche Moor- körper und seine physikalischen Eigenschaf- ten sind im Vergleich zum Acrotelm uni- form und stabil. Es ist immer wassergesättigt und die Sauerstoffkonzentration ist uner- heblich. Manchmal reichen die Wurzeln höherer Pflanzen ins Catotelm hinunter und fuhren zu schwachen Änderungen der Be- dingungen. Selbst Mikroorganismen sind nur sehr wenige vorhanden, ein anaerober Abbau des Torfmaterials kann daher nur sehr langsam erfolgen. Die Durchlässigkeit des Catotelms ist um einige Größenordnungen geringer als die des Acrotelms und innerhalb des Torf- körpers treten auch kaum tiefenbedingte Abb. 10: Periodischer Kolk (Rotmoos/Weichselboden/Steiermark). Unterschiede auf (ROMANOV 1968, INGRAM 1978, IVANOV 1981, BRAGG 1982). Daher laufen alle Prozesse im Catotelm sehr träge ab und seine physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften ändern sich räumlich und zeitlich nur sehr wenig. Trotz- dem spielt das Catotelm eine wesentliche Rolle in der Ökologie der Hochmoore. Die Grundwasserkuppel Mit ihrem Wassergehalt, der über dem der Milch liegt, kann man nach INGRAM (1992) die Hochmoore als eine sehr spezifi- sche Art von See bezeichnen, ein See aller- dings, der sich aus seinem Becken uhrglas- förmig hinauswölbt. Abb. 11: Kolk (Siebenmöser/Gerlospass/Salzburg). Eine Grundlage für unser heutiges Ver- Der zweischichtige Aufbau eines Hochmoores ständnis von Funktion und Management dieser Ökosysteme wurde von INGRAM (1982) mit der „groundwater mound theory" W»Mr»pi«g»l (Grundwasserkuppel Theorie) entwickelt. Acrotolm Diese Theorie besagt, dass ein intaktes Hochmoor als hydraulische und damit öko- logische Einheit funktioniert und dass seine äußere Form dadurch bestimmt wird, wie Wasser und Vegetation miteinander agie- ren. Mehr noch, die Wuchsbedingungen für die Pflanzengesellschaften sind nur dann ge- geben, wenn die Form des Moores mit der Theorie übereinstimmt. Diese Zusammen- wasserstauender Untergrund hänge sind von eminenter Bedeutung für den Schutz ungestörter und das Manage- (CHILDS 1969). Das Konzept lässt sich am Abb. 12: Der zweischichtige Aufbau von ment beeinträchtigter Hochmoore. besten an einem Bodenstück zwischen zwei Hochmooren. Eine Grundwasserkuppel kann in jeder Drainagegräben, die bis zum wasserundurch- Art von Boden auftreten, die Theorie ist ein lässigen Untergrund reichen, demonstrieren fundamentales Werkzeug der Bodenphysik (Abb. 13). 31 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at das System zu einem Gleichgewichtszu- Abb. 13: Entstehung stand, in dem der Grundwasserspiegel eine einer gewölbte Form aufweist und sich durch eine Grundwasser- mathematische Beziehung als Halbellipsoid kuppel darstellen lässt (Abb. 14). Diese Beziehung zwischen Drainage- zeigt Formel 1 später im Text. gräben; nach INGRAM Das Catotelm eines Hochmoores hat (1992). ebenfalls einen derartig gewölbten Grund- wasserspiegel, den Gleichgewichtszustand zwischen dem Regen und der verzögerten Versickerung des Wassers durch den Torf. Das führte zur Idee, dass unter konstanten Abb. 14: klimatischen Bedingungen das Catotelm so Grundwasser- weit wachsen kann, bis dieser vom Klima kuppel zwischen Drainagegräben; bestimmte Gleichgewichtszustand zwischen nach INGRAM Regeneintrag und Wasserabgabe erreicht ist. (1992). Dieser Zustand hat wiederum die Form einer Kuppel, allerdings wölbt sie sich über den umliegenden Boden. Nun ist aber das Wetter ein ziemlich un- sicherer Niederschlagslieferant; wie kann dann der regelmäßige Wassereintrag, der zur Abb. 15: Schema- Erhaltung des Catotelms notwendig ist, ge- tische Darstellung währleistet werden? Die Erklärung liegt auf der Wasserbalance in einem Abschnitt der Hand, wenn man sich daran erinnert, des Acrotelms; dass das eindringende Regenwasser ja zuerst P = Niederschlag; E das Acrotelm zu passieren hat, und das = Evapotranspi- Acrotelm kann Wasser speichern. Die Dy- ration; U = Acro- aa telmversickerung; namik dieser Wasserspeicherung ist in Abb. Uat = Catotelmver- Wasserspiegel 15 dargestellt. sickerung; W = Wasserspeiche- seitlicher Durchfluss Regen fällt auf die Mooroberfläche und rung. (Kursive Sym- 'durch das Acrotelm trifft zuerst auf die Pflanzendecke. Ein Teil bole bezeichnen Flux-Parameter.) des Wassers verdunstet, ohne die Moorober- fläche zu erreichen (Interzeption). Das ins Durchfluss zum Calotelm Acrotelm eindringende Wasser muss zuerst einen ungesättigten Acrotelmbereich passie- Fällt Regen gleichmäßig auf den Boden, ren, von dem es ebenfalls verdunsten (Eva- sickert das Wasser vertikal zum Grundwasser- poration) oder von Pflanzenwurzeln aufge- spiegel und seitwärts zum nähergelegenen nommen und über die Blätter abgegeben Graben. Der einzige Weg, den das Wasser werden kann (Transpiration). Der Rest des nehmen kann, ist durch die Porensysteme des eindringenden Wassers erreicht den Grund- Bodens. Die Art und Weise wie das Wasser wasserspiegel und führt so zu dessen Anhe- durch diese Porenräume sickert, hängt von bung. Auch von hier aus kann Wasser durch der Struktur des Bodens ab und wird als des- Evapotranspiration verloren gehen, es kann sen hydraulische Leitfähigkeit bezeichnet. aber auch seitwärts, zum Moorrand hin, ver- Wenn die Regenmenge die versickernde sickern oder ins Catotelm eindringen. Wassermenge übertrifft, staut sich das Was- Das Acrotelm hat nun Eigenschaften, ser im Boden auf und der Grundwasserspie- die es ermöglichen, diese verschiedenen gel wird steiler. Auf diese Weise wird das Wasserbewegungen und einen konstanten durch die Schwerkraft bedingte Versickern Wasserspiegel zu kontrollieren, um die Men- verstärkt. Sind Regenmenge (Eintrag) und ge des gespeicherten Wassers zu erhalten: versickerte Menge (Austrag) gleich, kommt Das Porenvolumen des Acrotelms nimmt 32 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at mit zunehmender Tiefe ab. Daher bewirkt dieselbe Wassermenge bei tiefliegendem Grundwasserspiegel eine wesentlich größere Änderung als bei hohem Grundwasser (Abb. 16). Darüberhinaus ist die hydrauli- sche Leitfähigkeit des lebenden oder jüngst abgestorbenen Torfmooses etwa 10 000 mal höher als die des wesentlich dichteren toten Materials an der Basis des Acrotelms (Ro- MANOV 1968, BRAGG 1982). Auf diesem Weg wird der Anstieg des Wasserspiegels bei starkem Regen durch verstärkte seitliche Drainage limitiert. Dieser Effekt verhindert auch ein unkon- trolliertes Abfließen des Überschusswassers auf der Mooroberfläche und damit auch die Erosion. Auf der anderen Seite verhindert in trockenen Perioden die höhere Dichte der tieferen Acrotelmschichten eben diese seitli- che Drainage (INGRAM & BRAGG 1984) und somit einen zu großen Wasserverlust. Dazu Catotelms, der nun wieder Kontakt mit der Abb. 16: Auswirkung des Porenvolumens: Außenluft hat und nicht mehr wassergesät- In Trockenphasen, bei tiefem Wasserstand kommt noch, dass die kapillaren Wassersäu- tigt ist, wird einfach wieder ins Acrotelm bewirkt selbst der Tau eine deutliche len in der ungesättigten Acrotelmzone bei Anhebung des Grundwasserspiegels. einbezogen, das auf diese Weise eine höhere Trockenheit abreißen, womit ein Verlust von Mächtigkeit erhält. Die nun einsetzenden Wasser durch Evapotranspiration aus tieferen aeroben Abbauvorgänge führen mit der Zeit Schichten verhindert wird. Ein entsprechen- wieder zu einer normalen Acrotelmdicke, des Phänomen kann auch in Sandböden be- allerdings auf einer kleineren Grundwasser- obachtet werden. Auf diese Weise bildet das Acrotelm eine aktive und variable Barriere kuppel, die mit den geänderte Klimabedin- gegen zu hohen Wasserverlust durch Evapo- gungen im Gleichgewicht steht. Sollte das transpiration (INGRAM 1983). Diese Barriere Wasserangebot steigen, steigt auch der inter- kann allerdings durch tiefreichende Pflan- ne Wasserspiegel und ein Teil des Acrotelms zenwurzeln überbrückt werden, was bei ge- wird als weniger humifizierte Schicht in das störter Hydrologie zu einer Verstärkung der Catotelm integriert. Auf diese Weise wird ei- Austrocknung führen kann. ne Anhebung der Grundwasserkuppel be- wirkt. Diese Regelmechanismen zeigen, wie Der dauernde, wenn auch sehr langsame die Form der Mooroberfläche von der Wasserverlust durch das Catotelm in den Grundwasserkuppel gesteuert wird. Untergrund verursacht ein ständiges Bedürf- nis für Wassernachlieferung, die vom Acro- Die Wasserverhältnisse lassen sich in ei- telm auf die eben beschriebene Weise ge- ner Gleichung ausdrücken (Formel 1), die währleistet wird. Zugleich wirkt das Acro- die quantitativen Beziehungen zwischen telm auch als Klimafilter, indem es positive den verschiedenen Arten der Feuchtigkeit und negative Spitzen ausgleicht und genau im Acrotelm über einen gewählten Zei- die Menge an Wasser nachliefert, die das traum hinweg zum Ausdruck bringt (siehe Catotelm benötigt. auch Abb. 17): Aber nicht nur auf kurze Klimaschwan- P_E_[J _G-AW=Ü kungen kann das Hochmoor reagieren. Es enthält Mechanismen, um auf mittelfristige acr au Änderungen in der Wasserversorgung rea- Formel 1: P = Niederschlag, E = gieren zu können. Wird die Netto-Wasser- Evapotranspiration + Interzeption, U r = seitliche Drainage, G = Wasserverlust an versorgung mittelfristig (über Jahrzehnte der Moorbasis, iW = Anstieg der hinweg) reduziert, kann der Wasserspiegel Wasserspeicherung, U = cat ins Catotelm verlagert werden. Der Teil des Wassernachlieferung in das Catotelm. 33 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at meabilität (Durchlässigkeit) des Catotelms, t l l ' t l/ Umrissform und Größe des Moores und die Filterprozesse im Acrotelm wirken dann dergestalt, dass die Mooroberfläche immer etwa 50 - 100 cm über dem Grundwasser- spiegel zu liegen kommt. Auf diese Weise er- u klärt die Grundwasserkuppel Theorie nicht nur das Rätsel des Wassertropfens in der Landschaft, sondern sie bietet auch eine Grundlage für die Kalkulation von Model- len für die physische Form realer Hochmoo- rökosysteme. Neben seiner Größe bestimmt auch die Umrissform des Moores die potentielle Hö- Abb. 17: Wasserbilanz eines Die Gleichung summiert die Vorgänge, he der Grundwasserkuppel. So ist z.B. die Hochmoores. ^ lichen Wasserver- Kuppel eines streifenförmigen Sattelhoch- die dner kontinuier moores bei gleicher Querschnittsgröße hö- sorgung des Catotelms durch das Acrotelm her als die eines runden Hochmoores, da der und das Klima eine Rolle spielen. Die The- Wasserverlust G im Fall des streifenförmi- orie sagt uns, dass es für jedes U eine fee- gen Moores im Wesentlichen nur über die stimmte Grundwasserkuppel gibt. Die Per- seitlichen Moorränder erfolgt, während bei einer runden Form das Wasser nach allen Grundwasserkuppel in Abhängigkeit von der Form der Grundfläche Richtungen abfließen kann (Abb. 18). Das erklärt auch die Tatsache, dass Sattelhoch- moore stabil sind, obwohl sie an den beiden schmalen Enden keine Grundwasserbasis haben. Der Wasserverlust ist hier so gering, dass das Fehlen der Grundwasserbasis damit Streifen aufgewogen wird. Rechteck Ellipse Im Jahr 1932 publizierte GRANLUND ei- nen Artikel über die Geologie von Hoch- Quadrat Kren mooren, in dem er sich mit dem Zusammen- hang von Moorhöhe und jährlichem Niederschlag auseinandersetzte. Mit den Daten seiner Untersuchung konnte er diese Relation in einer Graphik darstellen (Abb. 19). Die Grenzen des Hochmoorwachstums Die Theorie definiert bei gleichbleiben- den Umweltbedingungen die klima- und 0 -«00 -400 - 200 200 400 600 größenspezifische Grundwasserkuppel als hydrologische Grenze des Hochmoorwachs- tums. Aber nicht jedes Moor hat diese Grenze auch tatsächlich erreicht. Es kann sein, dass es sich noch im Wachstum befin- det oder dass es die biologische Grenze er- reicht hat (Abb. 20 und 21). Diese biologische Grenze (Q.YMO 1978) wird durch die Wachstums- und Abbauvor- Abb. 18: Grundwasserkuppeln in Abhängigkeit von der Form des Moores. gänge im Moor bestimmt: Bei gleichblei- 34 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at hydrologisch limitiert 20—I Quadrat der Höbe in m 18 — 12 - — — ^. 16 — Größe 6 " / \ A 100 m \ B200m \ 14 — C300m / D400m ESOOm F600ra 1 1 12 — G700m -600 -400 200 400 600 m 10 — Rand hydrologisch, Zentrum biologisch limitiert 8 — 12 - . • ' * • • . . 6 — 6 - / i1 ^.— — 2 — 1 1 1 1 -600 -400 -200 200 400 600 m I I I I Abb. 20: Beispiele für ein hydrologisch limitiertes und ein 400 500 600 700 800 900 1000 randlich hydrologisch im Zentrum aber biologisch limitiertes Hochmoor. mm Niederschlag/Jahr Abb. 19: Verhältnis der Höhe eines nicht limitiert Abb. 21: Beispiele für ein Hochmoores zum jährlichen Niederschlag unlimitiertes und ein biologisch und der Moorgröße. Daten von GRANLUND limitiertes Hochmoor (1932); nach WICKMAN (1951). 8 " benden Bedingungen verliert das Catotelm durch anaerobe Abbauvorgänge zwar lang- 2 - . • • * • . . sam aber stetig an Substanz, die durch die 6 - fortschreitende Torfakkumulation vom Acrotelm aus kompensiert werden muss. In der Wachstumsphase der Moorentwicklung überwiegt diese Torfakkumulation den Sub- 1 i 1 1 -600 -400 -200 400 600 m stanzverlust, das Moor wächst, indem das Catotelm immer mächtiger wird. Deswegen biologisch limitiert verliert das Catotelm aber auch immer mehr Substanz. Die biologische Grenze ist dann erreicht, wenn Nachlieferung und Cato- telmabbau im Gleichgewicht stehen und da- her kein zusätzlicher Torf mehr akkumuliert werden kann. Bei entsprechenden Umwelt- bedingungen kann nun diese biologische Wachstumsgrenze auch unterhalb der hydrologischen Grenze liegen, sodass diese gar nicht erreicht werden kann. -600 -400 -200 600 m 35 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 22: Schematische Darstellung der Folgen einer Drainage der Moorweite. Abb. 23: Schematische Darstellung der Folgen Aller MiHirkorper einer randlichen Drainage. Neuer Moorkörper Untercrund Die Auswirkung von Störungen in Form von Exkrementen an wenigen Stel- len konzentriert. Beides, Betritt und Nähr- Die Physik, aber auch unsere Intuition stofrumverteilung, führt zu einer Verände- sagen uns, dass eine Kuppel aus Wasser ei- rung der Vegetation und damit zu geänder- gentlich instabil sein muss. Trotzdem, auf ten Wasseransprüchen mit den entspre- sich selbst gestellt, ist ein Hochmoorökosys- chenden Konsequenzen für Hydrologie und tem eigentlich robust, mit eingebauten Me- Produktion: Die Verdichtung führt direkt zu chanismen, die ihm ein Überleben ermög- einem anderen Verhalten der Acrotelmfil- lichen und auch Reaktionen auf Wetter- ter, die Änderungen in der Stoffbilanz zu und Klimaveränderungen erlauben. Vom veränderten Abbauprozessen und damit in- Menschen verursachte Veränderungen er- direkt zu einem ähnlichen Ergebnis. Insge- folgen allerdings wesentlich plötzlicher als samt führt das zu Störungen im sensiblen natürliche und führen daher zur Störung des System der Catotelmversorgung und damit sensiblen Systems. Welches sind nun die zu einer Störung des Gleichgewichtes. Störungen, die sich auf die Grundwasser- kuppel auswirken? Entwässerungsgräben auf der Moor- weite: Der gewünschte Kurzzeiteffekt einer Moordrainage ist, den Abfluss des Wassers Primäre Effekte aus dem Acrotelm und, wenn mitbetroffen, Beweidung: Auch unter natürlichen aus dem Catotelm zum Moorrand hin zu be- Bedingungen dienen die Moore als Weide- schleunigen. Die Folge ist, dass für die Ver- gebiete verschiedener wildlebender Tiere sorgung des Catotelms kaum noch Regen- (COULSON 1992), der Einfluss des Men- wasser zur Verfügung steht, der Grundwas- schen aber führt zu einer derartigen Intensi- serspiegel - und damit auch die Moorober- vierung - sei es durch die Anzahl oder durch fläche - wird wie bei mittelfristigen Klima- die Art der Weidetiere - dass dies Konse- veränderungen auf ein niedrigeres Niveau quenzen für die Ökohydrologie hat. Der abgesenkt (Abb. 22). Sind die Drainagen stärkste Einfluss geht dabei von Schafen und konturparallel angelegt, entziehen sie auch Rindern aus, einerseits durch die Bewei- der tiefergelegenen Vegetation deT Randbe- dungsdichte, andererseits durch den Wech- reiche Wasser. Alte Drainagen können sich sel der Weideflächen bei Koppelhaltung. wieder mit Torfmoos auffüllen, sodass es aus- Beweidung hat die Umverteilung von Bio- sieht als wäre die Wunde verheilt. Aller- masse zur Folge, aber auch eine Verdichtung dings braucht es unverhältnismäßig länger, des Acrotelms durch den Betritt. Die über die hydrologischen Bedingungen wieder- große Flächen entnommene Biomasse wird herzustellen, als einen Graben mit lockerem 36

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