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Zikaden in Mythologie, Kunst und Folklore PDF

16 Pages·2002·1.4 MB·English
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© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Zikaden in Mythologie, Kunst und Folklore R. ACHTZIGER & U. NIGMANN Abstract Because of their impressive songs, their mysterious life cycle, and their beauty, Auchenorrhyncha, especially the cicadas (Hemiptera: Cicadidae), were regarded as symbols of art and music as well as for rebirth and immortality in different human cultures. In this article, an overview of Auchenorrhyncha in mythology, art and culture (literature, music, painting, plastics), and folklore (ornament, arts and craft, food, medicine) of different parts of the world is given. Key words: Auchenorrhyncha, cicada, art, culture, folklore, mythology, cultural entomology Denisia 04, zugleich Kataloge des OÖ. Landesmuseums, Neue Folge Nr. 176 (2002), 1-16 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Grundlage einer umfangreichen Literatur- und Internetrecherche werden vielfältige Bei- Anakreons Lied - An die Zikade spiele für den Eingang von Zikaden in Mytho- logie, Literatur, bildender Kunst sowie in „Kleine Zikade, wie glücklich bist du doch, wie du da im Laubwerk der Bäume, Volkskunst und im Alltag dargestellt. Dabei von Tautropfen gelabt, soll deutlich werden, dass die Zikaden nicht hochmütig singst wie ein König. nur aus wissenschaftlich-entomologischer Denn alles ringsum, es ist dein, Sicht (z.B. REMANE & WACHMANN 1993, BIE- was dein Auge erschaut in Widdern und Flur, DERMANN &. NlEDRINGHAUS 2001), sondern was immer die Hören auch bringen. auch aus dem Blickwinkel der „kulturellen Du, des Landmanns heitrer Gefährte, Entomologie" (HOGUE 1993) eine äußerst nicht einer greift dich mit gröblicher Hand, interessante Tiergruppe bilden. wirst geachtet, geehrt von den Sterblichen, du, der Sommer süßer Verkünder. 2. Eigenschaften der Zika- Bist von den Musen geliebt, den und ihre Symbolik und selbst Phoibos musste dich lieben: gab er doch klingenden Ton deinem Munde. Und auch das Alter, es quält dich nicht, In diesem Kapitel soll zunächst der Frage Erdgeborener, du, Freund des Gesangs, nachgegangen werden, welche besonderen blutlos, weise und unberührt, Merkmale der Zikaden als Symbole und Moti- bist du den Göttern gleich." ve in Mythologie und Kultur verarbeitet wur- den. Das eingangs zitierte Gedicht „Lied an (nach ANAKREON 572-488 v. Chr., bertragen von A.W. T ting) die Zikade", das auf die Tradition des griechi- schen Lyrikers ANAKREON (572-488 v. Chr.) zurückgeht, nennt die drei wesentlichen 1. Einleitung Eigenschaften der Zikaden, die die Fantasie und Vorstellungskraft der Menschen seit jeher Tiere spielen in der Vorstellungswek des beschäftigten: Menschen schon seit jeher eine besondere (1) Ihr besonders im Sommer laut ertö- Rolle: Bereits die ältesten Überlieferungen nender, betörender Gesang („singst wie ein menschlicher Kunst und Kultur, wie etwa die König", „Freund des Gesangs", „des Sommers über 20.000 Jahre alten Höhlenbilder in der süßer Verkünder") (s. Kap. 2.1); französischen Höhle Chauvet zeigen Abbil- (2) ihre mysteriös anmutende Lebenswei- dungen von Tieren (CHAUVET et al. 1995). se („im Laubwerk der Bäume", „von Tautrop- Viele zunächst mündlich tradierte, später fen gelabt", „erdgeboren") (s. Kap. 2.2) und schriftlich festgehaltene Erzählungen und Legenden in verschiedenen Gebieten der Erde (3) ihre eindrucksvolle und gleichzeitig handeln von Tieren und den ihnen zuge- zerbrechliche Schönheit („blutlos", „unbe- schriebenen Kräften. Neben auffälligen Wir- rührt") (s. Kap. 2.3). beltieren wie Schlangen, Vögel oder Säugetie- re erlangten auch bestimmte Insekten eine 2.1 Die Gesänge der Zikaden besondere Symbolkraft (z.B. der Scarabaeus im Obwohl alle Zikadenarten Schallwellen alten Ägypten, CHERRY 1985) und finden sich bzw. Erschütterungswellen zur Kommunika- in Form von Sinnbildern oder Metaphern in tion von sich geben, sind lediglich die der Mythologie und damit auch als Motiv in Lautäußerungen der großwüchsigen Familie der Kultur und Kunst verschiedener Völker der Singzikaden (Auchenorrhyncha: Cicadi- wieder (s. HOGUE 1993, SCHIMITSCHEK 1977, dae) für das menschliche Ohr ohne Hilfsmit- KAHLER 1999, KRITSKY & CHERRY 2000). tel hörbar (HONOMICHL & BELLMANN 1996). In diesem Beitrag wird - entsprechend des Die typischen, zirpartigen Geräusche, die den Ausstellungsthemas - die Insektengruppe der Gesängen mancher Heuschrecken oder Gril- Zikaden (Insecta: Auchenorrhyncha) und len ähneln, werden durch die Trommelorgane ihre Bedeutung im kulturellen wie alltägli- im vorderen Bereich des Hinterkörpers chen Leben des Menschen beleuchtet. Auf der erzeugt, der zur Schallverstärkung größtenteils © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at hohl ist. Dabei werden zwei elastische, NEAUS) damit die langlebigsten Insekten der gewölbte Platten durch Muskelstränge ähn- Welt. Besonders eindrucksvoll ist der synchro- lich wie beim Eindellen eines Dosenbodens ne Schlupf der Singzikaden-Nymphen, der zum „Knacken" gebracht (vgl. HENNIG 2002, entsprechend des Lebenszyklus der (periodi- in diesem Band). Durch rhythmisches Kontra- schen) Arten in bestimmten Jahre gehäuft hieren der Muskeln, bei denen Frequenzen auftritt (s. SANBORN 2002, in diesem Band): von bis zu 900 Hertz und Lautstärken von bis Dann kommen gleichzeitig zahllose Zikaden- zu 120 dB erreicht werden können, entstehen larven an die Erdoberfläche, verharren dort anspezifische Gesänge, die vornehmlich der oder auf einem Ast zunächst eine gewisse Zeit, Anlockung von Weibchen dienen (s. GOGALA um dann ihre schmutzig-braunen Larvenhäute et al. 2002, in diesem Band). Dass die Gesän- abzustreifen und als weiße, ge dabei hauptsächlich von den Männchen weichhäutige Adulttiere zu ausgehen, wurde bereits von den alten Grie- schlüpfen (Abb. 1). Nach der chen erkannt und verleitete den griechischen Aushärtung ihres Panzers und Dichter XENARCHOS ZU dem Ausspruch der Flügel wandeln sie sich in z.T. „Glücklich leben die Zikaden, denn sie haben äußerst bunt gefärbte Zikaden stumme Weiber". Aufgrund ihres nicht enden um (s.u.) und fliegen nach oben wollenden Gesangs galten die Zikaden im („himmelwärts"), um in die Kro- griechischen Altertum zum einen als Symbol nenbereiche ihrer Nahrungs- für die Schwatzhaftigkeit, zum anderen aber - pflanzen (zumeist Sträucher oder und dies ist die wichtigere Bedeutung - als Bäume) zu gelangen. Dort Symbole für den Gesang, die musikalische ernähren sie sich vom Pflanzen- Virtuosität, die Dichtkunst und Eloquenz. So saft der Wasserleitungsbahnen waren die Zikaden Symbole des Apollo (Xylemsaft). Der wasserhaltige (=Phoibos, s. Anakreon-Gedicht), des Gottes Saft wird von den Zikaden in der Künste und des Lichts (DURET 2000). größeren Mengen ausgeschieden. Damals wie heute versinnbildlich(t)en die 1st ein Baum von sehr vielen Zikaden mit ihrem Gesang außerdem den Zikaden besiedelt, kann - trotz (nahenden) Sommer (EGAN 1994, KRITSKY & wolkenlosen Himmels - ein CHERRY 2000: 10f). Ein Sommertag bzw. lau- regelrechter „Regen" unterhalb er Abend im Mittelmeergebiet, z.B. der Pro- des Baumes entstehen, was zur vence, ohne das durchdringende Zirpen der Bezeichnung „Regenbäume" Zikaden ist wohl auch heute kaum vorstellbar. führte (s. KAESTNER 1973: 488). Manche Arten, die an den Nähr- 2.2 Die Lebensweise der Zikaden stoffsträngen (Phloem) saugen, geben zucker- Abb. 1: Geschlüpfte Bergzikade (C/cadefta haltigen Honigtau ab, der in Wüstengegen- Ein weiterer Punkt, der insbesondere in montana (SCOPOLI)) mit Larvenhaut die Mythologie verschiedener Völker einging, den als kristallisierter Zucker („Manna") (Foto: Ch. Komposch) ist der außergewöhnliche Lebenszyklus der antrocknet (KAESTNER 1973). Während der Zikaden, welcher in seinen Grundzügen vergleichsweise kurzen Lebenszeit als Adult- bereits von ARISTOTELES (384-322 v. Chr.) im tier (mehrere Wochen) singen die Männchen 4. Jahrhundert v. Chr. beschrieben wurde: Als der Singzikaden zumindest tagsüber nahezu relativ große Insekten benötigen die Larven ständig, um eine Partnerin anzulocken. Nach der Singzikaden für ihre Entwicklung eine ver- der Begattung erfolgt die Eiablage an Pflan- gleichsweise lange Zeit: Je nach Art reicht die zenteile, wobei sich die aus den Eiern Larvalzeit, die sie als Nymphe an Wurzeln sau- geschlüpften Larven auf den Boden fallen las- gend und unter Zuhilfenahme ihrer zu Grab- sen und ihre unterirdische Lebensweise auf- schaufeln umgeformten Vorderbeine im nehmen. Boden verbringen, von 9 Monaten bis zu meh- Die Langlebigkeit, das rätselhafte, oftmals reren Jahren (DOLLING 1991). Mit einer synchrone Schlüpfen mit dem Abstreifen der Lebensdauer von 13 bzw. 17 Jahren sind die (toten) Larvenhaut und dem „Aufsteigen" der nordamerikanischen Zikadenarten der Gat- geflügelten Zikaden sowie die mysteriöse tung Magkkada (z.B. M. septemdecim LlN- Ernährung in häufig unerreichbaren Höhen © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at bildeten in verschiedenen Völkern die Motive (MOULDS 1990). Aber auch die im europäi- für zahlreiche Legenden und Mythen: Bei vie- schen Raum verbreiteten Cicadiden-Arten len Völkern wurden die Zikaden zudem als sind mit ihrer schönen Körper- und Flügel- Sinnbild für die menschliche Seele verehrt, zeichnung ästhetische Wunderwerke (s. Abb. die gleichsam aus dem toten Körper (Larven- 2, vgl. auch GOGALA et al. 2002, in diesem haut) aufsteigt und gen Himmel (Baumkro- Band). nen) entschwindet oder als Symbol für die Unsterblichkeit, ein langes Leben und die 3. Zikaden in der Kultur Wiedergeburt angesehen (EGAN 1994, KRITS- verschiedener Völker KY &. CHERRY 2000). Zudem glaubte man im antiken Griechenland, dass die aus- Die mythologische Bedeutung von Zika- ^ —^ gewachsenen Zikaden keine Nah- den beschränkte sich im wesentlichen auf drei rung zu sich nehmen oder, wie in Regionen, in denen auch heute noch zahlrei- K Anakreons Gedicht (s.o.) ange- che (Sing-)Zikadenarten vorkommen: nommen wird, sich nur von „Tau" Das antike Griechenland (s. 3.1), das alte • ernährten. Beobachtungen der China und Japan (s. 3.2) und (Nord-)Ameri- bereits von Aristoteles beschriebe- ka (s. 3.3). Keine Hinweise auf einen Eingang nen Kopulationen der Singzikaden in die Mythologie und Kultur finden sich führten offenbar dazu, dass die dagegen in Afrika oder im alten Ägypten Zikaden auch als Symbole der Ero- /IM i (DURET 2000). tik angesehen wurden (EGAN 1994). 3.1 Zikaden in der Mythologie und m f m1aM «I \ Kultur des antiken Griechenlands 1 Die Bedeutung der Zikaden in der Vorstel- 2.3 Schönheit, Größe und lungswelt der antiken Griechen wird von Aussehen der Zikaden sS EGAN (1994) ausführlich behandelt. Die All- Die Insektengruppe der Zika- gegenwärtigkeit der Zikaden und ihres den hat eine enorme Formen- und Gesangs war dabei eine wichtige Vorausset- w Größenvielfalt entwickelt, die in zung für deren vielfältigen Eingang in die Kul- den meisten Fällen mit der ökologi- tur des antiken Griechenlands. Erste plasti- WJff schen Anpassung an bestimmte sche Darstellungen von Zikaden stammen • *VV Umweltparameter zu erklären ist: bereits aus prähistorischer Zeit: In Gräbern So sind die kleinsten Zikadenarten aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. konnten im z.B. aus der Unterfamilie der griechischen Mykene einige Modelle flügello- Typhlocybinae gerade einmal 2 mm ser Insekten gefunden werden, die als Zika- Abb. 2: lang, während manche Singzikadenarten, wie den-Nymphen interpretiert wurden (EGAN Manna- oder Eschenzikade (Cicadetta etwa die indomalayisch verbreitete Kaiserzi- 1994). Auch in den frühesten schriftlichen orni ÜNNEAUS), eine häufige und kräftig kade Pomponia imperatoria WESTWOOD über Werken Europas, wie etwa der „lllias" von singende Singzikade im Mittelmeerge- biet (nach einer Abbildung in DURIN 6 cm Körperlänge und eine Flügelspannweite HOMER (ca. 800 v. Chr.) werden Zikaden und (1987); Zeichnung: E. Helldörfer) von bis zu 18 cm erreichen kann (HONOMICHL ihre Gesänge erwähnt. & BELLMANN 1996). Die außergewöhnlichsten Im antiken Griechenland galten Zikaden Formen entwickelten sicherlich die tropischen als Symbole für den Gesang und die Musik Buckelzikaden (Membracidae) mit ihren z.T. (DURET 2000, KRITSKY & CHERRY 2000). Die- bizarren Kopfanhängen und die Laternenträ- ser Aspekt wird z.B. in der Legende von dem ger (Fulgoridae) mit ihren auffälligen Kopfaus- griechischen Harfenspieler Eunomos aufge- wüchsen. In den meisten Fällen werden griffen, dem während eines musikalischen jedoch die aufgrund ihrer Größe und z.T. bun- Wettstreits mit Aristo die fünfte (höchste!) ten Färbung auffallenden Singzikaden als Saite seiner Cithara riss, aber durch die Hilfe Motive von Bildern oder plastischen Figuren einer Zikade, die den fehlenden Ton ergänzte, verwendet. Namen wie „Schwarzer Prinz", dennoch als Sieger vom Platz ging (CLAUSEN „Kirschnase", „Rotauge" oder „Grüner Kauf- 1954). Seitdem wird die hilfreiche Zikade mann" geben ein Eindruck von der eindrucks- unter den Musikern verehrt (z.B. HAMMER- vollen Färbung australischer Singzikaden STEIN 1994). © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Weniger hilfreich wird das laute Zirpen zahlreiche überlieferte Texte. Sie beziehen der Zikaden dagegen von dem Hirtenjungen sich zum Beispiel auf die Legende des Tithonus, Daphnis in dem antiken Liebesroman „Daph- der als Geliebter der Göttin der Morgenröte nis und Chloe" des griechischen Poeten LON- von dieser das Geschenk der Unsterblichkeit GOS (3. Jahrhundert v. Chr.) empfunden erhielt. Dieses war allerdings mit einem (LONGOS, deutsche Ausgabe von 1970): wachsenden Alter verbunden, so dass von Befürchtet er doch, dass seine Geliebte Chloe, Tithonus, mit der Zeit immer älter und kleiner die im Schatten eines Baumes eingeschlum- werdend, nur noch seine schrille Stimme mert war, durch das allzu laute Gezirpe der übrig blieb und er letztlich in eine Zikade ver- Zikaden aufwachen könnte („Diese geschwätzi- wandelt wurde. gen Zikaden! Sie werden sie nicht schlafen lassen Wie tief die Zikaden als Metaphern für mit ihrem lauten Geschriü", 1. Buch, 25(3)). Sangeskunst und Eloquenz (Musen), Eros Doch kurz darauf erwies sich eine Zikade aller- (nicht nur sexuell, sondern auch intellektuell dings als durchaus „hilfreich" für den im Sinne von „Streben nach Erkenntnissen" schmachtenden Daphnis: Auf der Flucht vor zu verstehen) und die Unsterblichkeit in der einer Schwalbe flog eine Zikade in den Busen Vorstellungswelt der antiken Griechen ver- der schlafenden Chloe, woraufhin diese auf- wurzelt waren, kann exemplarisch bei schreckte, durch die fortfliegende Schwalbe Betrachtung des „Phaedrus" gezeigt werden, und den lachenden Daphnis jedoch gleich einem Text des griechischen Philosophen wieder beruhigt wurde. Daraufhin begann die PLATO (429-347 v. Chr.) (s. Ausführungen bei Zikade in ihrem „Versteck" zwischen den Brü- EGAN 1994). In dieser als Dialog aufgebauten sten zu schrillen, was Daphnis als Vorwand Abhandlung berichtet PLATO von einer philo- nutzte, um seine Hände in den Busen des sophischen Konversation zwischen Sokrates Mädchens gleiten zu lassen und das Insekt (469-399 v. Chr.) und dessen Schüler Pha- herauszuholen. Das Mädchen erfreute sich an edrus (gest. 393 v. Chr.), die sich unter einem dem Anblick der immer noch singenden Zika- schattenspendenden Baum mit singenden de, küsste es und steckte das Tier wieder in Zikaden zutrug: Sokrates ermahnt seinen sein „Versteck" zurück (1. Buch, 26 (1) bis Schüler, trotz der Mittagshitze nicht zu schla- (3)). fen, sondern sich lieber in der Dialektik zu Insekten wie Zikaden und andere Tiere üben, da die Zikaden als Agenten der Musen finden sich auch in einer Vielzahl von Epi- diesen wohlwollend über ihre Konversation grammen griechischer Dichter: Die dabei ver- berichten sollten, auf dass sie in den ähnli- wendeten Motive wurden im Laufe der Zeit chen Genuss der Musen kämen wie einst die von den Poeten immer weiter variiert und ver- Zikaden. Da Phaedrus nicht verstand, von feinert. EGAN (1994) beschreibt ein besonders welchem Geschenk der Musen Sokrates raffiniertes Beispiel eines Epigramms: In zwei sprach, klärte ihn dieser über einen alten Gedichten von MELEAGER (1. Jahrhundert v. Glauben bezüglich des Ursprungs der Zikaden Chr.) bittet zunächst die (tagaktive) Zikade auf: Bevor die Musen existierten, waren die die (nachtaktive) Grille zur Übernahme des Zikaden Menschen, die, nachdem sie die Singens, im zweiten Gedicht sind die Rollen Musik entdeckten, sich völlig dem Gesang vertauscht. Nach der Interpretation von EGAN und dem Musizieren hingaben. Darüber ver- (1994: 11) sind die Gedichte so komponiert, gaßen sie zu trinken und zu essen, worauf ihre dass durch das (laute) Aussprechen in der Körper immer hinfälliger wurden und sie letzt- griechischen Originalsprache das rhythmische lich starben. Um sie für ihre Hingabe zu Zirpen des jeweils sprechenden Insekts imi- belohnen, verwandelten sie die Musen in tiert wird. Zikaden und beauftragten sie als Berichterstat- ter darüber, wie die anderen Menschen die Eine große Bedeutung in der antiken Vor- Musen verehrten. So sangen sie die ganze Zeit, stellungswelt und der überlieferten Literatur ohne zu essen und zu trinken (wie man damals erlangten die Zikaden auch als Symbole für annahm). Berücksichtigt man, dass den alten die Unsterblichkeit und ein langes Leben (s. Griechen der Lebenszyklus der Zikaden genau 2.2; EGAN 1994): Darauf deuten nicht nur die bekannt war (s. 2.2), spricht nach EGAN erwähnten Grab-Beigaben hin, sondern auch © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at (1994) einiges dafür, dass die Zikaden gleich- KRITSKY & CHERRY 2000). Ähnlich wie im bedeutend zu „entkörperlichten" Seelen auf- antiken Griechenland galten Zikaden seit lan- gefasst wurden, die, von ihren physischen ger Zeit als Symbole von Unsterblichkeit, Bedürfnissen befreit (= Abstreifen der Larven- Wiedergeburt und dem Aufsteigen der haut), eine höhere Ebene der Erkenntnis menschlichen Seele (RlEGEL 1994): Die erreichten. Somit können die Zikaden in der damals verbreitete Vorstellungen, dass der Vorstellungswelt der Griechen als „Modell für Mensch seinen Körper abwirft gleichsam einer Abb. 3: Altchinesische Zikadenorna- die menschliche Seele" angesehen werden Zikade ihre Larvenhaut bzw. diese aus der mente (nach Abbildungen in BOULARD (ECAN 1994: 8). unbeweglichen („toten") Larve „neu" geboren & MONDON 1995: 126). wird, sind wohl auf die Beobachtungen vom Schlupf von Zikaden zurückzuführen (HEARN 1971). Seit der Han-Dynastie (206-220 v. Chr.) und vermutlich schon vorher können soge- nannte „Zungenzikaden" nachgewiesen wer- den (Abb. 4): Dies sind kleine, flache, meist aus Jade geschnitzte Zikadenfiguren oder -amulette, die auf die Zunge von Verstorbenen gelegt wurden und die Hoffnung auf dessen Wiedergeburt bzw. das Aufsteigen des Geistes oder der Seele des Toten symbolisieren soll- ten. Die mythologische Bedeutung der Zika- den wurde von den Chinesen offenbar in spä- teren Zeiten durch den Buddhismus (ab 500 v. Chr.) übernommen (s. HEARN 1971). 3.3 Zikaden in der Mythologie bei den Völkern der Neuen Welt Auch in der Vorstellungswelt und Kultur der Völker Nordamerikas spielten Zikaden eine wichtige Rolle. So beobachteten die Ureinwohner bereits das eigentümliche peri- odische Wiederkehren der Singzikaden und integrierten es in ihre Mythologie: Die Oraibi- Indianer (Hopi-Indianer) im heutigen Arizo- na interpretierten den Lebenszyklus der Zika- den als Wiederauferstehung und sprachen ihnen daher die Kraft der Unsterblichkeit zu (CLAUSEN 1954). In der Sprache der Hopi- Indianer hießen solche übernatürlichen Kräf- te „Kachina", wobei eine dieser Kachina „Mahu" (Zikade) genannt wurde. Diese wird in Tänzen und Zeremonien verehrt, die sich von Dezember bis zum Ende des Frühjahrs, Abb. 4: 3.2 Zikaden in der chinesischen also dem Schlupftermin der Zikaden, hinzie- (a) Aus brauner Jade gefertigte Zun- Mythologie hen (DURET 2000). Die Kachinas, von denen genzikade der Han-Dynastie (206-220 v. Chr.) (nach einer Abbildung in RIEGEL In China finden sich zahlreiche Darstel- es über 300 gibt, wurden in Form geschnitzter 1994); (b) moderne Zungenzikade aus lungen und Ornamente mit Zikadenmotiven und bemalter Puppen an die Kinder zur reli- Jade (nach einer Abbildung in KRITSKY & CHERRY 2000: 82) (s. Abb. 3), z.B. auf Bronze-Gefäßen, die bis giösen Unterweisung verschenkt (Quelle: Lin- 1500 v. Chr. zurückdatieren (RlEGEL 1994, denmuseum, Stuttgart). Auch das Motiv des © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at „Buckligen Flötenspielers", eines Menschen in stammende Hymne (s. EGAN 1994) an die in Zikaden-Gestalt (s. Abb. 5), ist bei den Stäm- der Höhe singende, von den Musen geliebte, men des amerikanischen Südwestens weit ver- unsterbliche und damit gottgleiche Zikade. breitet (s. CARPINERA 1995). Nach NEEDHAM Das Gedicht erfreute sich auch in späterer Zeit (1971) gibt es Hinweise, dass der aus China großer Beliebtheit, so dass es beispielsweise bekannte Zungenzikaden-Kult (s. 3.2) auch von Thomas MOORE und Johann Wolfgang bei den Mayas und Völkern des heutigen GOETHE übersetzt wurde. Mexikos jenseits des Pazifiks gebräuchlich war Viele Beispiele für Zikaden als Motive von (s. RIEGEL 1994). Gedichten und Liedern (s. 4.2) finden wir in Südfrankreich, der Provence (s. zahlreiche Beispiele in BOULARD & MONDON 1995). Die Zikade war auch das Emblem des neu- provencalischen Dichterkreises „le Felibrige, der von Literatur- Nobelpreisträger Frederic MISTRAL (1830-1914) gegrün- det wurde und sich der Erhal- tung von Sprache und Kultur der Provence verschrieben hatte (z.B. DURET 2000). Im deutschsprachigen Raum Abb. 5: werden Zikaden beispielsweise Abbildung des „Buckligen Flötenspie- lers" als Motiv auf einer Vase aus dem in Heinrich HEINES Gedicht Acoma Pueblo (Amerikanischer Süd- „Die Libelle" („ ... und mit der westen) (nach einer Abbildung in Zikade, der Künstlerin") oder in KRITSKY & CHERRY 2000: 12). Karl Leberecht IMMERMANNS 4. Zikaden in Literatur und Epos „Tulifäntchen" (Die Botschaft:" ... Zu der Musik Tulpe Füßen spielte I der tonkundigen Zikaden I auserwählte Kapelle I Stücke von den besten Mei- 4.1 Beispiele für Zikaden in der stern ...") erwähnt. Literatur Weniger freundlich geht Eugen ROTH mit Im folgenden werden Beispiele für den den Zikaden in dem Gedicht „Die Insekten" Eingang von Zikaden in die Literatur (Kleines Tierleben, ROTH 1988: 194) um. In (Gedichte, Fabeln und Erzählungen, klassi- Anspielung auf die klassische Quelle charak- sche Werke, Buchtitel etc.) vorgestellt. Hier- terisiert er sie folgendermaßen: „Es lobte hoch bei zeigt sich, dass in den meisten Fällen auf den Anakreon / Das Flöten der Zikaden schon. / Doch Aspekt des Gesanges (s. 2.1) abgehoben wird leicht wird's einem nachts zu viel: O unglückseli- und Zikaden einerseits als Sängerinnen oder ges Flötenspiel!". Allerdings finden wir in die- als Sinnbilder für Musik und Kunst, anderer- sem Werk ausnahmsweise einen Hinweis auf seits jedoch auch als Lärmverursacherinnen dargestellt werden. eine weitere Zikadenfamilie neben den Singzi- kaden, nämlich auf die Schaumzikaden (Fami- lie Cercopidae): „ ... Mit Kuckucksspeichel über- 4-1.1 Zikaden in der Dichtung laden I Den Weidenbaum die Schaumzikaden ..." Wie bereits in Kap. 2.1 erwähnt, sind alle (ROTH 1988: 194). Aspekte der Zikaden-Mythologie Griechen- lands eindrucksvoll in dem eingangs zitierten Auf das Zirpen der Zikaden und die davon Gedicht „An die Zikade" verarbeitet, das dem ausgehende, melancholische Stimmung hebt Poeten ANAKREON bzw. seiner Tradition zuge- auch Bei DAO (2001) in seinem modernen schrieben wird. Es handelt sich um eine wahr- Gedicht „Streichen und Kürzen" in dem Band scheinlich aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. „Post bellum" ab: © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Streichen und Kürzen Die Fabel handelt von der Zikade, die den Zikaden zirpen in der Einöde ganzen Sommer selbstlos zum Vergnügen der Sie erinnern an Anderen singt und darüber vergisst, für den Lebende in Sackgassen Winter vorzusorgen, während die emsige Die Einöde zirpt Ameise bereits im Sommer einen Vorrat für Sie erinnert an die kalten Tage anlegt. Als die Zikade zu das Votum des Volkes für den Wind Es zirpt Beginn des Winters bei der Ameise anklopft Es erinnert an und sie um Essen bittet, keift die Ameise: einen Schrei auf der Suche nach dem Won. „Was hast Du den ganzen Sommer getan? (DAO2001, Post Bellum) Gesungen? Na gut - dann tanze jetzt im Win- ter!". Die Moral von der Geschichte ist, in 4.1.2 Zikaden in Fabeln und guten Zeiten bereits für die schlechten vorzu- Erzählungen sorgen (was für eine Zikade leichter gesagt als getan ist). Die wohl bekannteste Zikaden-Geschich- te ist sicherlich die auf den griechischen Das Interessante an dieser Fabel aus ento- Fabeldichter ÄSOP (6. Jahrhundert n. Chr.) mologischer Sicht ist die Verwirrung hinsicht- zurückgehende Fabel „Die Zikade und die lich der Taxonbezeichnung und der bildlichen Ameise", die 1668 von dem französischen Darstellung der Zikade: 1st sowohl im Text Fabeldichter Jean de LA FONTAINE (1621- von ÄSOP, z.B. in der von Sebastian BRANT im 1695) in Versform mit dem Titel „La Cicale et Jahr 1501 herausgebrachten Version („De for- la Fourmi" herausgegeben wurde: mica et cicada", BRANT 1501: 138) als auch La Cicale et al Fourmi bei LA FONTAINE (S.O.) ausdrücklich von einer La Cicale, ayant chante „Zikade" (cicada, cigale) die Rede, werden in Tout l'ete, deutschen Übersetzungen die Bezeichnungen Se trouva fort depourvue „Grille" oder „Heuschrecke" verwendet. So Quand la bise fut venue: lautet die Fabel in einer deutschen Ausgabe Pas un seul petit morceau „Die Grille und die Ameise" (LA FONTAINE, De mouche ou de vermisseau deutsche Ausgabe von 1988: 15). In engli- Elle alle crier famine Chez la Fourmi sa voisine, schen Übersetzungen findet sich die Überset- La priant de lui preter zung „grasshopper", eine Fehlbestimmung, die Quelque grain pour subsister bereits im 17. Jahrhundert von Sir Thomas ]usqu 'ä la saison nouvelle. BROWNE mit Hinweis auf die Verschiedenheit Je vous paierai, lui dit-elle, in Aussehen und Ökologie zwischen Heu- Avant l'aoüt, foi a"animal, schrecken und Zikaden kritisiert wurde (BRO- Jnte'ret et principal." WNE 1646). Entsprechend werden in vielen La Fourmi n'est pas preteuse: C'est la son moindre defaul. auch zeitgenössischen Illustrationen zu den „Que faisiez-vous au temps chaudi Fabeln Grillen (Gryllidae) oder Heuschrecken Dit-eüe ä cette emprunteuse. - (Tettigoniidae) anstatt von Singzikaden abge- Abb. 6: Nuit et jour ä tout venant bildet: Beispielsweise ist in dem Holzschnitt Ausschnitt aus einem Holzschnitt zur Je chantais, ne vous diplaise. - aus dem Buch von BRANT (1501) zur Fabel Äsop-Fabel „De cicada et formica" in Vouz chantiez! J'en suis fort aise: der Ausgabe von Sebastian Brant „De formica et cicada" eine Grille (Achaeta Eh bien! Dansez maintenant." (nach einer Abbildung in BRANT 1501: domestical) zu sehen (s. Abb. 6). In der Illust- 138). Jean de LA FONTAINE (1668, 1. Buch, Fabel I) ration von GRANDVILLE in der deutschen Aus- gabe von LA FONTAINE wurde eine Heu- schrecke (Tetagonia spec?) dargestellt. Der Grund für diese Verwechslung von Zikaden mit anderen „singenden" Insekten könnte darin gesehen werden, dass die Singzi- kaden hauptsächlich im Mittelmeerraum in größerer Zahl verbreitet sind. So kommen bei- spielsweise in Österreich nur 5 Arten vor, s. SCHEDL 2002, in diesem Band). Daher waren © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at sie zum einen den Illustratoren und zum ande- hin singt (oder heult), um es nicht zu verges- ren den Adressaten (Lesern) der Fabeln in sen. Verschiedene unglückliche Umstände Mitteleuropa wenig bekannt oder es war, wie wollen es (mal tritt er in ein Zieselloch, mal BROWNE (1646) für das Englische konstatiert, wird er von aufliegenden Tauben abgelenkt), kein adäquater Begriff für „Zikade" vorhan- dass er das Lied immer wieder vergisst und den. Daher wurde die „Zikade" möglicherwei- daher mehrfach bei der Zikade mit der Auffor- se bewusst oder unbewusst durch in Mitteleu- derung eintrifft, es ihm nochmals beizubrin- ropa besser bekannte Arten ersetzt, da die gen. Wer kann es der Zikade verdenken, dass richtige Artbezeichnung für die Botschaft der sie den nervenden Kojoten eine Lehre erteilen Fabel ohnehin keine Rolle spielt. (Aus der will: Sie häutet sich, steckt einen Stein in die Sicht von Zikadenfreunden hat diese Fehlbe- leere Larvenhaut und fliegt auf den Nachbar- stimmung überdies den Vorteil, dass diese baum. Als der Kojote abermals kommt und auf Tiergruppe nicht mit den Attributen „Faulen- mehrfaches Rufen keine Antwort bekommt, zertum" oder „brotlose Kunst" assoziiert wird). beisst er aus Wut so heftig in die vermeintli- Auch in der Äsop-Fabel „Die Zikade und che Zikade, dass ein Teil seiner Zähne in den die Eule" stößt der Gesang nicht gerade auf Gaumen geschoben wurde und so das noch Gegenliebe: Eine Eule wurde durch den heute sichtbare Kojotengebiss entstand (nach Gesang einer Zikade aus dem Schlaf gerissen, einer Überlieferung von CUSHING, zitiert in die in ihrer Nähe saß. Trotz der Warnungen DURET 2000). Auch diese Erzählung beruht der Eule, das Gesinge doch zu unterlassen, auf Beobachtungen, die aus entomologischer sang die Zikade eifrig weiter. Da versuchte die Sicht nicht bestätigt werden können: So sin- Eule eine andere Methode: Sie bot ihr ein gen Zikaden erst im Adultstadium, nicht köstliches Getränk an und zwar richtigen schon als Nymphe. Nektar. Da die Zikade nur Tau gewohnt war (zumindest nahm man das an), kam sie durch 4.1.3 Zikaden in der klassischen die Verlockung nach Abwechslung näher und Literatur wurde von der Eule geschnappt und getötet Auch in der klassische Literatur sind Zika- (nach MYERS 1929). den zu finden: So werden Zikaden zum Bei- In einer weiteren Äsop-Fabel hat der Kon- spiel in GOETHES „Faust" als Sinnbild für den takt mit einer Zikade dagegen fatale Folgen für immerwährenden, aber wenig aussichtsrei- ein anderes Tier: Ein Esel, der die Zikade um chen Drang des Menschen nach Erkenntnis ihr musikalisches Talent beneidete, dachte, verwendet, als Mephistopheles im „Prolog im dass diese Gabe mit der Ernährung zusammen Himmel" zum Herrn über den Menschen hinge und fragte die Zikade, von was sie sich spricht: ernähre. Als diese erwiderte, dass sie nur Tau „ ... Ein wenig besser würd er leben, zu sich nähme (was sie eigentlich hätte besser hältst du ihm nicht den Schein des wissen müssen), machte der Esel es ihr gleich Himmelreichs gegeben; und verstarb daraufhin kurze Zeit später („Der er nennts Vernunft und brauchts allein, Esel und die Zikade", nach MYERS 1929). nur tierischer als jedes Tier zu sein. Die folgende Fabel oder Erzählung „Der Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden, Kojote und die Zikade", stammt aus Arizona, wie eine der langbeinigen Zikaden, der Heimat der Zuni-Indianer (vgl. 3.3). Man die immer ßegt und ßegend springt muss vorausschicken, dass das Gebiss von und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt. Kojoten recht eigentümlich aussieht: So sind Und lag er nur noch im Grase! die Backenzähne im Vergleich zu den anderen In jeden Quark steckt er seine Nase. ..." Zähnen äußerst kurz und sehen wie abgebro- chen aus. Im felsigen Hochland von Arizona (GOETHE, Faust, Prolog im Himmel, wird eine auf einem Baum sitzende, singende Zeilen 283-292; Ausgabe von 1977). Zikade von einem Kojoten wegen ihres Gesangs bewundert. Auf dessen Bitten hin, Diese Aussicht sollte allerdings nieman- bringt die Zikade dem Kojoten ein Lied bei, den davon abschrecken, weiterhin in der das er auf dem Nachhauseweg laut vor sich (Zikaden-)Forschung tätig zu sein. © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at 4.1.4 Beispiele für Zikaden in Sprich- re oder ihre Lebensweise direkt Bezug genom- wörtern, Comics, Buch-, Zeitschrif- men wird. In der Begründung für den Titel des ten- und Filmtiteln peruanischen Literaturjournals „CICADA" Auch in verschiedenen Sprichwörtern schreiben die Herausgeber, dass Zikaden auf- und Sprüchen sind Zikaden verewigt: Schmei- grund ihres lauten Gesangs die Menschen chelhafter als der in Kap. 2.1 erwähnte Spruch vom Schlafen abhalten und derselbe Effekt von Xenarchos bezüglich der stummen Weiber auch beim Lesen des Magazins erreicht wer- der Zikaden, ist der Spruch „Die Liebe ist eine den soll (ClCADAMAG 2001). Zikade, die leicht aus dem Herren auf die Zunge Das Motiv der lauten Männchen und der hüpft". Das chinesische Sprichwort aus dem stummen Zikadenweibchen (s. 2.1) wird in Shuoyuan (Garten der Anekdoten) ,J)ie Gottes- dem amerikanischen Film „Cicadas" von Kat anbeterin fängt die Zikade - aber dahinter lauert CANDLER aus dem Jahr 2000 am Beispiel einer schon die Meise" drückt die Botschaft aus, „wer heranwachsenden Teenagerin und ihren bei- unvorsichtig kleinen Vorteilen nachjagt, wird den Brüdern verarbeitet: So machen die Män- die Beute großer Feinde" (s. HsiEH 2001). ner in ihrem Umkreis sehr viel Lärm um ihr Weitere Aussagen und Sprüche zu und über eigenes Leben und erkennen nicht, dass auch Zikaden von bekannten (meist französischen das „stumme" und zurückhaltende Mädchen Personen) finden sich bei BOULARD & MON- mindestens ebensoviele Probleme und Wün- DON 1995 sowie DURET (2000). sche hat wie die „lauten" Jungen (ClCADAS 2000). Als nervtötende Quälgeister werden Zika- den in einer Comic-Darstellung von Gary 4.2 Beispiele für Zikaden in der LARSON angesehen, in dem die Tiere der Musik Arche Noah mit dem Wandspruch „Sag' den Zikaden Schnauze halten" gegenüber dem Obwohl die singende Zikade von den Schiffseigner wegen der Ruhestörung prote- Musikern wegen ihrer „akustischen Hilfsbe- stieren (LARSON 1987). reitschaft" gegenüber dem Harfenspieler Eun- Wie die Beispiele in Kasten 1 zeigen, omus (s. Kap. 3.1) verehrt wird, sind nur rela- erfreuen sich Zikaden als Titelfiguren oder in tiv wenige Beispiele von Musikstücken über Titeln von Romanen und besonders Gedicht- oder mit Zikaden zu finden: Auf der Grundla- bänden in jüngerer Zeit großer Beliebtheit, ge von Piatons „Phaedrus" (s. Kap. 3.1) mit auch wenn nur in wenigen Fällen auf die Tie- dem Dialog „über das Schöne" als Grundlage komponierte der Schweizer Komponist Ulrich Kasten 1: Beispiele für Zikaden in Literatur-Titeln GASSER 1989 das Stück „Die singenden Zika- den" für Flöte und 3 Klangsteine (Quelle: Zikaden in Buchtiteln Universitätsbibliothek Karlsruhe). Ein weite- „Die Zikaden" (Hörspiel von Ingeborg BACHMANN) res Beispiel ist „Yo-Nennen", ein japanisches „Zikadengeschrei" (Novelle von Dieter WELLERSHOFF), Zikaden-Drama, gesetzt in Musik in Form einer Kantate von Wassili LEPS (Quelle: Libr- „Das Lied der Zikaden" (Roman von Sabine KORSUKEWITZ), ary of Congress, Washington). Aufbauend auf „Cicada summer" (Roman von Frankie Tso), das Anakreon-Gedicht komponierte der deut- „Solange die Zikaden schlafen" (Jugendroman von Jutta TREIBER), sche Komponist Harald GENZMER (geb. 1909) „Pascale la Cicale" (französisches Kinderbuch von Antoon KRINGS), das Stück „An die Zikade". „Die Reise der Zikaden nach Jerusalem" (Kinderbuch von Helga HöFLE und Ver- ena LENZEN), Deutlich mehr Lieder mit und über Zika- „Maja und Willi helfen der Zikadenlarve" (Folge aus der Biene-Maja-Serie). den findet man in (Volks-)Liedern, z.B. aus Frankreich, insbesondere der Provence (s. Zikaden in Titeln von Gedichtbänden BOULARD & MONDON 1995: 118ff). Beispiele von Chansons aus der Zeit vor und nach 1900 „Die Botschaft der Zikaden" (Gedichtband von Dimitris KOSMIDIS), über oder mit Zikaden sind in Kasten 2 zusam- „Vollmond und Zikadenklänge - Japanische Verse und Farben" (Gedichtband), mengestellt. Aber auch aus Amerika, Neusee- „Song of the cicadas" (Gedichtband von MONG-LAN), land oder Russland sind entsprechende Volks- „Zeit der Zikaden" (Japanisches Lesebuch, herausgegeben von Tadao ARAKI), lieder bekannt (s. Kasten 2). Wie die weiteren „Zikadentreff - Andalusische Motive" (Gedichtband), Beispiele in Kasten 2 zeigen, haben Zikaden „Die langbeinige Zikade" (Gedichte von Annemarie ZORNACK). mittlerweile auch in der modernen Folk-, Pop- 10

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