I. Vorüberlegungen – „Hegel seems to me to be always wanting to say that things which look different are really the same. Whereas my interest is in showing that things which look the same are really different.“ – (Wittgenstein 1948, im Phoenix-Park) I. Diese Untersuchung nimmt ihren Ausgang von Überlegungen Wittgensteins, welche dieser gleich einem philosophischen Resümee an das Ende seiner akademischen Kariere stellt. Wittgenstein hat gerade seinen Lehrstuhl in Cambridge niedergelegt, beginnt in einem Testament seinen Nachlass zu organisieren und denkt gemeinsam mit seinem Freund und philosophischen Weggefährten Maurice O’Connor Drury nach über die Stellung des eigenen Denkens zu den großen Autoren der Philosophie. In diese Situation des Abschusses und der Rückbesinnung fällt der berühmte und in gewisser Weise dunkle Phoenix-Park-Satz Wittgensteins, in dem er die Stellung seines eigenen Denkens zu demjenigen Hegels skizziert. Dunkel deshalb, weil bisher in der Wittgenstein-Forschung nicht hinreichend klar geworden ist, auf welchem Wissen über die Philosophie Hegels diese Einschätzung Wittgensteins beruht und damit auch nicht greifbar wurde, was genau sie überhaupt bedeuten kann. Eine Untersuchung, die sich diese beiden Fragen stellt, muss nun also zuerst die konkreten Kontexte rekonstruieren, in denen Wittgensteins eigenes Denken mit demjenigen Hegels in Kontakt gekommen ist, und weiter ein Angebot machen, wie vor diesem Hintergrund Wittgensteins Kommentar zu Hegel und damit zugleich Wittgensteins Denken insgesamt zu verstehen ist. Das erste ist die Aufgabe einer historischen Erforschung der Genese von Wittgensteins Denken und das zweite mündet in eine philosophische Hermeneutik dieses Denkens, wie es sich in den verschiedensten Medien zum Ausdruck bringen konnte. Zusätzlich markiert Wittgensteins Phoenix-Park-Satz aber auch einen besonderen Moment in dessen persönlicher und philosophischer Entwicklung – und zwar den des Abschlusses einer akademischen Praxis, in der Wittgenstein als Philosophieprofessor an der cambridger Universität mit Studenten und Kollegen in besonderer disputatorischer Form philosophische Probleme diskutiert mit dem Wunsch, diese philosophisch-disputatorische Praxis in einem zweiten Hauptwerk zu verewigen. Die Niederlegung des Lehrstuhls zusammen mit der Aufgabe des Wunsches nach einem zweiten Hauptwerk markiert damit einen letzen Wendepunkt in Wittgensteins philosophischer Entwicklung. Bis zum bald folgenden Ende wird Wittgenstein in einer Art praktisch-philosophischer Lebensform grundloser Gewissheit nur noch philosophische Überlegungen notieren, welche nicht mehr versuchen zu sagen, was Philosophie ist, sondern Beispiele ihrer praktischen Durchführung geben. Im Philosophischen allgemein wie auch in Wittgensteins besonderem Fall sind diese Wendepunkte von besonderem Interesse, weil in ihnen der Abschluss jeweils auch der Anfang von etwas Neuem markiert. Aus diesem Grund konzentriert sich die vorliegende Untersuchung auch auf die Wendepunkte bzw. Neu-Anfänge in Wittgensteins Denken. Sie beginnt mit Wittgensteins letzter Wende und der nun drängenden Frage im Phoenix-Park, wie sich sein Denken und seine philosophischen Anstrengungen zu den großen philosophischen Autoren stellt – und damit verbunden, welchen Platz Wittgensteins Denken in der Geschichte der Philosophie einnehmen könnte. Vom Moment dieses dritten und letzten Wendepunktes als Besinnung auf die Geschichte des eigenen Denkens und die Einbettung dieses Denkens am Beispiel Hegels in die Geschichte des philosophischen Denkens überhaupt springt die Untersuchung viele Jahre zurück auf den Beginn seiner philosophischen Entwicklung als einer Zeit, in der Wittgenstein in nächtelangen philosophischen Disputationen in den Privaträumen Russells erstmals mit der Philosophie Hegels vertraut wird. Dieser Beginn schafft die wesentlichen Motive von Wittgensteins Früh-Philosophie, die sich im Traktat manifestieren. Erst von hier aus geht die Untersuchung weiter zu Wittgensteins zweitem philosophischen Wendepunkt, welcher aus Wittgensteins eigener Sicht eine gewisse Transformation seines Denkens bewirkte, die in der Forschungsliteratur üblicherweise als dessen Wende zur Spät-Philosophie !2 bezeichnet wird. Markiert wird diese Wende wesentlich durch Wittgensteins Rückkehr nach Cambridge und die Etablierung einer eigenen philosophisch- disputatorischen Methode in den Seminaren an der cambridger Universität. So wie sich die drei Wendepunkte in Wittgensteins philosophischer Entwicklung zeitlich bestimmen lassen, ist auch das vielfältige historische Material für diese Untersuchung wesentlich aus den Zeiten dieser Transformationen im Denken Wittgensteins genommen. II. Die Untersuchung beginnt im ersten Kapitel mit Wittgensteins eigener versuchsweisen Einordnung seines Denkens im Verhältnis zu demjenigen Hegels und der Frage, wie diese Einordnung zu verstehen ist vor dem Hintergrund von Wittgensteins philosophiegeschichtlichen Kenntnissen. Im zweiten Kapitel werden nun die besonderen Voraussetzungen rekonstruiert, die Wittgenstein in seiner ersten cambridger Zeit einerseits nach Cambridge mitbringt und andererseits dort vorfindet. Dies erfolgt vor allem mit dem Interesse, ein Verständnis für die wesentlichen Besonderheiten dieser beiden Seiten vorzubereiten – vor allem dort, wo diese in der bisherigen Forschungsliteratur übersehen oder unterschätzt wurden. Das dritte Kapitel zur philosophischen Eso- und Exoterik widmet sich am Beispiel zweier prominenter Institutionen, in die sich Wittgenstein ursprünglich philosophisch einsozialisiert, wesentlichen Kontinuitäten von der Akademie Platons zur cambridger Universität in Bezug auf die besondere institutionelle Form. Diese Kontinuitäten werden im vierten Kapitel rekonstruiert und auf wesentliche Merkmale von Wittgensteins konkret-philosophischer Praxis in den eigenen Seminaren in Cambridge bezogen. Weiter kann diese Praxis als eine eigenständige disputatorische Methode identifiziert werden, die auf Strukturen philosophisch-dialektischer Vergegenwärtigungen beruht. Dieses Zwischenergebnis wird ermöglicht durch eine detaillierte Analyse vielfältiger historischer Quellen, die vor allem die besondere Form von Wittgensteins philosophischer Praxis beschreiben, und schafft eine erste Basis, von der aus die ansonsten bisweilen oft als unüberwindlicher Graben empfundene Differenz zwischen Hegels Dialektik und Wittgensteins Analytik entschieden !3 abgemildert ist. Weiter kann im fünften Kapitel dieses Ergebnis abgesichert werden mit einer detaillierten Untersuchung der soeben (Nov. 2016) erstmals veröffentlichten Notizen G. E. Moores aus Wittgensteins Seminaren in den frühen dreißiger Jahren, also aus der besagten Wendezeit von der sogenannten Früh- zur Spät-Philosophie. Diese Quelle ist besonders interessant, weil sie erstmals einen nahezu unverfälschten Einblick in die konkrete Seminarsituation und das lebendige disputatorische Denken Wittgensteins ermöglicht und zeigt, wie in diesem Denken Wittgensteins thematische Untersuchungen der philosphischen Einzelgegenstände immer konsequent mit der Frage nach dem Status des Philosophischen selbst verbunden sind, also auf die Rückfrage „Was ist Philosophie?“. Darauf aufbauend wird im sechsten Kapitel gezeigt, wie das Denken Wittgensteins aus dieser explizit philosophischen Rückfrage auf die eigene Methode die entscheidenden metatheoretischen Strukturbegriffe für seine Spät-Philosophie gewinnt – wie Familienähnlichkeit, Sprachspiel und übersichtliche Darstellung. Mit einer hermeneutisch aufmerksamen Analyse lässt sich von hier aus zeigen, wie sich diese explizit philosophischen Begriffe aus den konkreten intellektuellen und biografischen Erfahrungen Wittgensteins in seinem Denken und damit in der neuesten Geschichte der Philosophie manifestieren konnten – und zugleich umgekehrt, wie Familienähnlichkeit, Sprachspiel und übersichtliche Darstellung auf einer Vorgeschichte beruhen, die sie über die verschlungenen Pfade philosophischer Realgeschichte auch mit den dialektischen Überlegungen Hegels verbindet. Als eine erste wesentliche Vermittlungsinstanz der Hegel’schen Philosophie zu Wittgenstein wird dabei (§ 23) dessen Lehrer, der ehemalige Hegelianer Bertrand Russell, identifiziert. Aus der Bewegung von Wittgensteins philosophischer Praxis, wie er sie mit seinen Schülern und Kollegen in den Seminaren erleben konnte, zu dem Ausdruck dieser Praxis in den genannten Strukturbegriffen entsteht der Wunsch, eine philosophisch-exoterische Lehre in Form eines zweiten Hauptwerkes zu erarbeiten. Im siebten Kapitel wird Wittgensteins Kampf mit den Versuchungen der philosophischen Exoterik gezeigt, zugleich mit einem paradigmatischen Beispiel dieser Exoterik in der Person von Wittgensteins !4 cambridger Kollegen C. D. Broad. Besonders aufschlussreich und bisher kaum berücksichtigt sind hier die Bekanntschaft und die erstaunlichen institutionellen Interdependenzen zwischen den beiden. Im achten Kapitel wird dieser Kontakt Wittgensteins zu Broad als zweite wichtige Instanz zur Vermittlung der Philosophie Hegels an Wittgenstein rekonstruiert und es wird untersucht, worin der Inhalt dieser Vermittlung besteht. Dafür konnte bisher unveröffentlichtes Vorlesungsmaterial Broads zu Hegel im Archiv der Wren Library in Cambridge eingesehen und untersucht werden – Vorlesungsmaterial, welches Wittgenstein kannte und mit seinen Studenten gerade zu Beginn seiner zweiten cambridger Zeit diskutiert und kommentiert hat. Hier wird es als zweite wichtige Quelle für Wittgensteins Hegel-Verständnis untersucht. Gerade dieser zweite Kontakt zu Hegels Philosophie verbindet sich mit Wittgensteins tiefer Einsicht in die Bedeutung der übersichtlichen Darstellung, die er von nun an auch als wesentliches Interesse des eigenen Denkens versteht. Vor diesem Hintergrund untersucht das neunte Kapitel zuerst Wittgensteins verschiedene Versuche, das philosophische Interesse an der übersichtlichen Darstellung, wie es die konkreten Disputationen in den Seminaren bestimmt, auch in die Form eines zweiten Hauptwerkes zu übersetzen. Auch hier ergeben sich erstaunliche Nähen zu ähnlichen Anstrengungen Hegels. Und weiter wird Wittgensteins philosophische Reflexion dieses Unterfangens untersucht, so wie es der § 89 als das Philosophie-Kapitel im Big Typescript vorstellt, und es wird gezeigt, dass Wittgenstein die philosophische Erfahrung aus den Seminaren, wo die disputatorische Form dem philosophischen Inhalt entspricht, dem Anspruch nach auch in seinem philosophischen Werk eingelöst wissen will. Diesem Anspruch konnte Wittgenstein, zumindest in seiner Selbstwahrnehmung, bis zuletzt nie ganz gerecht werden. Zum Abschluss versucht nun das zehnte Kaptitel, vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Überlegungen die tiefere Bedeutung von Wittgensteins spätem Phoenix-Park-Satz zu heben. Dafür wird zuerst noch einmal auf die besondere Vorgeschichte des britischen Hegelianismus in Cambridge verwiesen, direkt bevor Wittgenstein im Jahre 1911 hier eintrifft. Weiter wird, Wittgensteins eigener Überlegung folgend, die Ebene der Gemeinsamkeiten !5 in den philosophischen Grundinteressen von Wittgenstein und Hegel gezeigt – und dass diese Gemeinsamkeiten deutlich weiter reichen, als es in der Forschungsliteratur bisher berücksichtigt wird. Und zuletzt wird von der Ebene dieser Gemeinsamkeiten aus auch die wesentliche Akzentverschiebung in der Ausrichtung dieser Grundinteressen zwischen Wittgenstein und Hegel untersucht, so sie Wittgenstein selbst in seiner Bemerkung im Phoenix-Park skizziert und wie sie sich in der besonderen Haltung und dem jeweiligen Umgang beider Denker mit der Eigensphäre des Philosophischen zeigt. Vollendet wird diese Erörterung der tieferen Bedeutung von Wittgensteins Phoenix-Park-Satz mit einem Blick von der Seite Hegels auf Wittgensteins Rekonstruktion des Verhältnisses seines eigenen Denkens zu demjenigen Hegels, und sie schließt mit einem hypotetischen Phoenix-Park-Satz Hegels, den dieser als Antwort auf die umgekehrte Frage Drurys nach dem Verhältnis seiner Philosophie zu derjenigen Wittgensteins gegeben haben könnte. III. Der Wert dieser Untersuchung soll zum einen darin bestehen, anhand des vielfältigen z. T. erst neu zugänglichen Materials Wittgensteins Phoenix-Park- Satz besser zu verstehen und damit insgesamt eine tiefere Einsicht in den Zusammenhang des Wittgenstein’schen Denkens zur Philosophie Hegels zu ermöglichen. Weiter stehen Wittgensteins Überlegungen zu Hegel aber auch im Kontext der Frage nach der Stellung seiner eigenen lebenslangen philosophischen Anstrengungen zu denjenigen der großen Denker der Philosophiegeschichte überhaupt. Die verschiedenen konkret historischen und ideengeschichtlichen Verbindungen, so wie sie von Wittgenstein’s Denken über die philosophische Scholastik im Mittelalter bis zum antiken Ursprung der philosophischen Tradition nachgezeichnet werden konnten, sollen nun auch dabei helfen, einer Antwort auf diese Frage Wittgensteins etwas näher zu kommen. Je mehr dies gelingt, umso mehr wird es möglich, auch Wittgenstein selbst vor dem Hintergrund der Tradition des philosophischen Denkens neu zu verstehen und zu lesen, als das was er – im inzwischen 100-sten Jahre der !6 Fertigstellung des Traktats – geworden ist, nämlich ein Klassiker der Geschichte der Philosophie. § 1 Wittgenstein über Hegel – „Mir scheint, Hegel will immer sagen, daß Dinge, die verschieden aussehen, in Wirklichkeit gleich sind, während es mir um den Nachweis geht, daß Dinge, die gleich aussehen, in Wirklichkeit verschieden sind.“ – (Wittgenstein 1948)1 Dublin 1948, es ist Herbst im Phoenix Park. Während eines Nachmittagsspaziergangs mit Maurice O’Connor Drury resümiert Ludwig Wittgenstein sein Verhältnis zu den großen Namen der Philosophie. Zum Ersten des Jahres hat er bereits seine Professur in Cambridge niedergelegt, soeben schreibt er an seinem ersten Testament – zweieinhalb Jahre vor seinem Tod. Beim Spazieren grenzt Wittgenstein sein eigenes Denken von demjenigen Hegels ab. Er bezieht sich auf dessen Philosophie als auf einen Gegensatz zu seiner eigenen – einen Gegensatz, der allerdings auch verbindet. Hegels Philosophie denkt nach Wittgenstein unterschiedlich erscheinende Dinge als in Wirklichkeit gleich, wohingegen sein eigenes Denken nachzuweisen sucht, dass Dinge, die als gleich erscheinen, in Wirklichkeit unterschiedlich sind. Das heißt, er charakterisiert Hegels Denken als Einheits- oder Identitätsphilosophie und stellt diesem sein eigenes Denken als Unterschieds- bzw. Differenzphilosophie gegenüber. Die vorliegende Untersuchung geht der Frage nach, was Wittgenstein selbst unter dem solchermaßen eröffneten Gegensatz verstanden haben könnte. Dafür werden wir den Kontext und die Genese dieser Einschätzung Wittgensteins rekonstruieren, um damit deren Bedeutung zuerst erschließen und zuletzt bestimmen zu können. In Bezug auf Wittgensteins Bemerkung zu Hegel führt die ansonsten verdienstvolle Übersetzung von Joachim Schulte den deutschen Leser hier 1 Ludwig Wittgenstein: Porträts und Gespräche, Schulte, J. (Übers.), Frankfurt a. M. 1992: 217. !7 allerdings lehrreich in die Irre, da Schulte Wittgensteins different mit verschieden übersetzt. Für verschieden gibt es im Englischen eigentlich schon ein anderes Wort, nämlich diverse. An dieser Stelle sollte daher unterschiedlich die bessere deutsche Entsprechung für different sein, was für die untersuchte Frage durchaus von philosophischer Bedeutung ist. Hegel selbst beschreibt die (wesenslogische) Kategorie Verschiedenheit als „zunächst gleichgültig gegen die Gleichheit und Ungleichheit“ (WLII: 53)2. Demnach wird durch äußere Reflexion „das Verschiedene auf die Gleichheit und Ungleichheit“ (WLII: 50) bezogen, so dass die Verschiedenheit überhaupt als „äußerlicher, gleichgültiger Unterschied“ (WLII: 54) zu bestimmen ist. Hätte Wittgenstein also verschieden gesagt, wäre damit das Verhältnis seiner Philosophie zu derjenigen Hegels auch als gleichgültig bestimmt, d. h. als indifferent, und jeder Zusammenhang als äußerlicher an sein Denken herangetragen. Es wird noch dargelegt werden, warum Wittgensteins Differenzphilosophie inhaltlich nicht auf die Kategorie der Verschiedenheit abhebt.3 Vorerst genügt es, darauf hinzuweisen, dass Wittgenstein den Gegensatz zu Hegel wörtlich und sehr bewusst als Unterschied („different“) bestimmt. Weitergehend im Phoenix Park erfährt Drury sogar, dass Wittgenstein den Unterschied als Motto für die 2 George di Giovanni hat kürzlich die Wissenschaft der Logik ins Englische übersetzt und beschreib die Schwierigkeiten, die er mit dem Unterschied und der Verschiedenheit hatte, folgendermaßen: „Unterschied and Verschiedenheit. The problem with this pair of terms is that the area of meaning that they cover is the same as is covered in English by the three terms ‚difference‘, ‚distinction‘, and ‚diversity‘. It is difficult to correlate the two German terms with the three English ones. I agree with Suchting (versus Harris/Geraets, p. xlv) that the natural way of translating Unterschied is ‚difference‘. We say ‚specific difference‘ where the Germans say spezifischer Unterschied. Verschiedenheit, for its part, is naturally translated as ‚diversity‘. However, although this distinction is easy to pin down in principle, it does not always hold in fact. In different contexts, Unterschied also calls for ‚distinction‘, and Verschiedenheit for ‚difference‘. In English, ‚distinction‘ tends to be a difference in dictu; ‚difference‘, one in re. I have used this rough rule as a guide when translating Unterschied as ‚distinction‘, though I must admit that on occasions I had to rely simply on my intuitive sense of the text. It was more difficult to come up with even a rough rule for Verschiedenheit. ‚Diversity‘ tends to stress the plurality and variety of the things (or the moments of one single object) that are different, their ‚being versed in different directions‘, so to speak, and therefore standing apart, each reflected into itself (cf. GW 11, 267.5–6); ‚difference‘ tends to stress what makes them different. This is the image that I have kept in mind when translating Verschiedenheit with ‚difference‘ rather than with the more canonical ‚diversity‘. But here, more so than in the case of Unterschied, I often had to rely on intuition.“ (Hegel, G. W. F., Science of Logic, Di Giovanni, George (Übers.), Cambridge 2010: xxiii). 3 Siehe § 30 Die Methode von Hegels spekulativer Philosophie nach Broad. !8 Philosophischen Untersuchungen in Betracht gezogen hatte, gesprochen vom Grafen von Kent in König Lear: „Ich werd Euch Unterschiede lehren“.4 Das Unterscheiden beschreibt Hegel wiederum als „das Setzen des Nichtseins, als des Nichtseins des Andern […]“ (WLII: 40). Seinslogisch wird die Tätigkeit des Unterscheidens als die des Setzens der bestimmten Negation in Bezug auf etwas und sein anderes verstanden.5 Das ist derjenige Teil des Vergleiches, den Wittgenstein für sich reklamiert: Das Unterscheiden des auf den ersten Blick gleich aussehenden. Die Rolle des Zusammendenkens des unterschiedlich aussehenden hatte Wittgenstein Hegel zugedacht. Hegelisch gesprochen wäre das aber nur die seinslogische Seite, also der Unterschied des Anderen von seinem Anderen (vgl. WLI: 125). Aber was ist der Unterschied selbst? In der Tradition ist lange diskutiert worden, wie der Unterschied als analytische Kategorie beschrieben werden kann. Duns Scotus schlägt vor, den Unterschied als „Eigenschaft, die macht, dass etwas sich unterscheidet“6 zu denken. Genau diese Vorstellung des Unterschiedes als Eigenschaft ist aber vor ihm schon von Boethius7 als widersprüchlich kritisiert worden. Aus diesem Grund hat Hegel für die Reflexionsbegriffe der Wesenslogik die dialektische Kategorie des absoluten Unterschieds entwickelt, d. h. des die beiden Momente Identität und Unterschied übergreifenden Unterschieds, der „die Reflexion in sich hat“. (WLII: 46) Aus diesem Gedanken soll im Anschluss der tiefere Sinn der Wittgenstein’schen Bemerkung beim Spaziergang im Phoenixpark gehoben werden. Der Begriff des absoluten Unterschiedes weist zunächst einmal auf nichts weiter hin als auf den irreduziblen Zusammenhang von Unterschied und 4 Schulte 1992: 217. „I’ll teach you differences.“ King Lear, 1. Akt, 4. Szene, in: Recollections of Wittgenstein, Rhees, Rush (Hrsg.), Oxford 1984: 157; Monk, Ray, Ludwig Wittgenstein: The Duty of Genius, London 1991: 547. 5 Vgl.: „Etwas und Anderes; sie sind zunächst gleichgültig gegeneinander; ein Anderes ist auch ein unmittelbar Daseiendes, ein Etwas; die Negation fällt so außer beiden. Etwas ist an sich gegen sein Sein-für-Anderes.…“ (WLI: 125). 6 „Differentia in communi sumpta nihil aliud esse videtur quam forma faciens differre“ (Scotus, Johannes Duns, Super Universalia Porphyrii, q. 28. Op. omn., Lyon 1639/ ND, 1968: 1, 113 a; 435 b). 7 Boethius, Anicius Manlius Severinus, Porphyrii Isagoge translatio, Minio-Paluello, Lorenzo (Hrsg.), Brügge 1966: 128 D/129 A. !9 Identität (Einsheit). Wenn Wittgenstein sein Denken unter das Motto der Differenz stellt und diese Differenzphilosophie als Gegensatz zu Hegels Identitätsphilosophie denkt, dann enthält die Differenz bzw. der Unterschied der beiden Philosophien zueinander selbst jeweils die Momente Differenz und Identität. Weiter bedeutet das aber auch, dass das von Wittgenstein in Bezug auf Identität und Differenz unterschiedene Denken von Hegel und ihm selbst jeweils das unterschiedene Moment von Differenz bzw. Identität als negatives Moment enthalten müssen. Diese zugegebenermaßen etwas Hegel’sche Reformulierung des Wittgenstein’schen Phoenix-Park-Satzes bestätigt nun Wittgensteins Unterscheidung seines eigenen Denkens von demjenigen Hegels auf einer tieferen Ebene als es möglicherweise zunächst den Anschein hatte, da sie sowohl die Differenz zu Hegel vorstellt als auch die Gemeinsamkeit, die ein Vergleich impliziert. Prägnant zusammengefasst steht „Hegel für die Einheit in der Differenz gegen Wittgensteins Differenz in der Einheit“. Die These dieser Untersuchung ist, dass die Relation zwischen Unterschied und Einheit, bezogen auf ihre beiden Momente Differenz und Identität, ganz im Sinne von Wittgensteins Phoenix-Park-Satz auch der Relation von Wittgensteins Differenz- und Hegels Identitäts-Philosophie entspricht. Bevor wir aber weiterfragen, was Wittgenstein überhaupt von Hegel wusste und auf welchem Wege er sein Denken rezipieren konnte, soll noch der Versuch gewagt werden, Wittgenstein im Phoenix Park noch etwas klarer zu Wort kommen zu lassen. Die Bemerkung Wittgensteins lautete im englischen Original nämlich folgendermaßen: „Hegel seems to me to be always wanting to say that things which look different are really the same. Whereas my interest is in showing that things which look the same are really different.“8 Hatte Joachim Schulte Wittgenstein in Bezug auf die Differenz etwas unscharf übersetzt, da wie oben erläutert Verschiedenheit zwar auch einen Unterschied impliziert, aber eben einen äußerlichen, gleichgültigen, für den 8 Rhees 1984: 157, Monk 1991: 547. !10
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