Frank-Olaf Radtke Wissen und Können Studien zur Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung Herausgegeben von Bernd Dewe Heinz-Hermann Krüger Winfried Marotzki Band 8 Frank- Olaf Radtke Wissen nnd Können Die Rolle der Erziehungswissenschaft in der Erziehung Leske + Budrich, Opladen 1996 Der Autor: Frank-Olaf Radtke, Professor für Erziehungswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a.M. Fachbereich Erziehungswissenschaften ISBN 978-3-8100-1471-9 ISBN 978-3-322-99842-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-99842-2 © 1996 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. lede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt Vorwort................................................................................................ 9 Einleitung........... ................................................................................. 11 Teill Kapitel I Wissenschaftliche Modernisierung der Erziehung Die wissenschaftlich angeleitete Bildungsrefonn der siebziger Jahre... 19 Versuche der Bilanzierung der Reform........... ............................... ....... 22 Die Strategie der Versozialwissenschaftlichung der Erziehung............ 26 Anfànge der Wissensverwendungsforschung........................................ 33 KapitelII Vom Wissenstransfer zur Wissenstransformation Erster Anlauf zur Überwindung des Transferproblems: Die Vermittlung von Theorie und Praxis als Kommunikation von Wissenschaftlem und Praktikem........................................................... 37 Die ungelösten Probleme der ersten Etappe der Versozialwissenschaftlichung.............. ........ .... ..................................... 45 Zweite Etappe: Die Refonnulierung des Theorie-Praxis-Problems als Transformationsaufgabe unterschiedlicher Wissenstypen.. .................. 48 Die Rezeption des Alltagskonzepts in der Pädagogik........................... 52 Offene Probleme der zweiten Etappe der Versozialwissenschaftlichung der Erziehung........................................ 57 Kapitel III Handlungsleitendes Wissen Das ungeklärte Verhältnis von Wissen und Handeln............................ 61 Handlungsleitendes Wissen in interaktionstheoretischer Konstruktion. ................... .... ................. ... .............................................. 62 Einwendungen aus der analytischen Philosophie...................... ............ 67 Versuche der Differenzierung der Wissensformen. .............................. 70 Vorsprachliches Wissen -Pierre Bourdieus Habitus-Konzept.............. 74 Symbolisiertes und (noch) nicht symbolisiertes Wissen in der Konzeption Alfred Lorenzers................ ................................................ 77 Regelwissen -die latente Sinnstruktur des Handeins im Konzept Ulrich Oevermanns............................... ... ........................... ................ ... 80 Was wird aus dem Subjekt?................................................................. 86 Kapitel IV Die Bewältigung pädagogischer Situationen Kritik der Subjektivität............. ........ .... ..... ............................................ 90 Die Bewältigung pädagogischer Situationen......................................... 95 Pädagogische Konventionen. .................. .............................................. 100 Teil 2 Kapitel V Methodologische Probleme der empirischen Erforschung pädagogischer Handlungen Schwierigkeiten bei der Erfassung "handlungsleitenden" und "handlungsstrukturierenden Wissens" ................................................... 109 Handeln und (Sich-)Rechtfertigen................................... ...................... 114 Die Evokation von Rechtfertigungen durch kommunikative Beobachtung............ ...................................................... ........................ 119 Subjektivität als Beobachtungsmedium................................................. 122 Konfrontative Frageste11ung.................................................................. 125 Handeln und Argumentieren................................................................. 127 Topische Analyse.................................................................................. 129 Interpretation als Argumentation........................................................... 133 Kapitel VI Wissenshaushalte und Wirklichkeitskonstruktionen Was ist der "Fa11"?................................................................................ 137 Selbstdarste11ung: Thematische Angebote............................................. 140 Unterrichtsbeobachtungen: Motivation und Kalkül.............................. 150 Rezeption: B.s Auswahl aus den Protokollnotizen................................ 156 Selbstrechtfertigung: Die Funktionen eines Textes im Deutschunterricht.... .... ...................... .............................. ............. ......... 160 Umkreisungen: Stationen der Reflexionsarbeit..................................... 172 I.Transparenz 172 - 2. Nonnative Erwartungen 176 - 3. Sicherheit 184 Regel: Du sol1st nichts erzählen............................................................ 193 Druck: Ich habe dauemd Magenschmerzen.......................................... 197 Alptraum Klassenfahrt.................................................... ............. ......... 206 Verkleidungen und Masken.......................................................... ......... 211 Regel: Du solIst nicht erziehen.............................................................. 215 Dichotomie:Person und Sache.............................................................. 220 Die idiosynkratische Struktur des Wissens.. .................................. ........ 225 Kapitel VII Wissenschaftliche Lehrerbildung Innovationsmedium Lehrerbildung............................. ................. ...... ... 231 Klinische Verwendung sozialwissenschaftlichen Wissens. ........ ........... 240 Funktionswandel der Theorie................................................................ 245 Grenzen falIbezogener Wissensverwendung in der Lehrerbildung....... 251 Literatur............................................................................................. 257 Vorwort Manchmal ist es hilfreich, wenn zwischen der Forschungsarbeit im Feld und dem Bericht über die Ereignisse mehr Zeit verstreicht, als gemeinhin üblich ist. Bei zu groBer zeitlicher Nähe zum Gegenstand besteht die Gefahr, daB man Bedeutendes von Unbedeutendem nicht unterscheiden kann. Auch än dem sich die Relevanzen. Das gilt vermehrt, wenn eine auf Interaktion und praktische Innovation angelegte Forschungsarbeit über das MaB normaler Wissenschaft hinaus auch Teile der Pers on beansprucht hat. Wo es auch urn die Verarbeitung und Reflexion der eigenen Illusionen geht, kam es darauf an, Abstand zu gewinnen zu dem Geschehen, sollte das Ganze nicht in Apo logetik enden. Mit der vorliegenden Arbeit werden die Ergebnisse eines Forschungspro jektes präsentiert, das - zeitweise vom Minister tUr Wissenschaft und For schung des Landes N ordrhein-Westfalen fmanziell gefórdert - in den Jahren 1979 - 1984 unter dem Titel "Praxisnahe Lehrerfortbildung" am Zentrum fiir Lehrerbildung der Universität Bielefeld durchgetUhrt wurde. Damals war die Idee, wissenschaftliches Wissen gezielt und möglichst ohne Substanzverlust in Alltagswisssen zu überflihren. Entworfen wurde eine Form schulnaher, unterrichtsbegleitender Lehrerfortbildung, mit der eine Erweiterung der praktisch-pädagogischen Kompetenzen der Teilnehmerinnen im Unterricht angestrebt wurde. Es galt, die Vermittlung erziehungswissenschaftlicher Theorie und schulischer Praxis im Medium der Lehrerfortbildung praktisch zu erproben und zugleich zu beobachten, welche Transferhindemisse sich einstellten. Aus heutiger Sicht ist das damalige Vorhaben einzuordnen in eine allge meine Suchbewegung, mit der nach der groBen Bildungsreform der siebziger Jahre, die zur sozialwissenschaftliche Rationalisierung der Erziehung ange treten war, die unübersehbare Kluft zwischen erziehungswissenschaftlicher Theorie und pädagogischer Praxis in innovativer Absicht überwunden wer den sollte. Der Bericht über das Projekt ist zu einem Dokument geworden, an dem sich empirisch an einem konkreten Fall nachvollziehen läBt, wie der verwendungstheoretische Optimismus, der sich an die aufklärende Rolle der Erziehungswissenschaft in der Erziehung geheftet hatte, der Einsicht in die 9 unaufhebbare Differenz von Theorie und Praxis weicht. Nahegelegt werden neue Fonnen des Umgangs mit der Differenz, die auch Konsequenzen flir die Lehrerbildung insgesamt haben müssen. Die Bedeutung der Erziehungs und Sozialwissenschaften bei der Steuerung des Erziehungssystems und sei ner Refonn ist neu zu beurteilen. An dem Projekt beteiligt waren als Antragsteller Bodo Brücher, Andreas Laurenze und vor allen Dieter Baacke, der dem riskanten Vorhaben von An fang an jeden Kredit gewährt hat. Ohne seine nachhaltige Unterstützung wä re das Untemehmen kaum in Gang gekommen. Zuerst mit Andreas Laurenze und dann mit Bettina von Bemstorff habe ich die praktische Arbeit mit den Lehrerfortbildungsgruppen versucht. Ohne das Korrektiv durch eine kri tisch-ausgleichende Kollegin wäre manche Gruppendiskussion in die Irre ge laufen. Dorothee und Theodor Schulze, die uns als empathisch-sachkundige "Beobachter zweiter Ordnung" in regelmäBigen Gesprächen zur Seite stan den, deckten bei uns "Beobachtem erster Ordnung", als die wir in der Gefahr standen, zu "Teilnehmem" zu werden, manche blinden Flecken auf, wo es urn die Deutung des Geschehens im Unterricht und der anschlieBenden Ge spräche mit den Lehrem ging. Den hier vorliegenden Text habe ich ganz alleine zu verantworten. Mit ihm versuche ich, die Ideen, die ursprünglich zu dem Projekt geflihrt haben, wis senschaftshistorisch einzuordnen und systematisch im Lichte heute verflig barer Theorieangebote zu überprüfen. Er kann auch gelesen werden als eine Art Bilanz der Bildungsrefonn der siebziger Jahre, die nicht ihre Ergebnisse, sondem die Prämissen ihrer Vorgehensweise evaluiert. Entstanden ist der Text im Laufe der Jahre an drei auBergewöhnliche ange nehmen Orten: in der Villetta Regina auf Stromboli, in der Stemmelmühle im Hintertaunus und der Bartsmühle im Kraichgau. GroBer Dank gilt den Gastgebem flir die herzliche Aufnahme; allen Freundinnen und Freunden, die mich durch Diskussion, Einwände und Ennunterungen zur endlichen Fertigstellung getrieben haben; besonders zu danken habe ich Napoleon Car sten Wittig flir die geduldige Verarbeitung und Einrichtung des Textes. Frankfurt, im Januar 1996 F.O.R. 10