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„Wir aber sind nicht Fisch und nicht Fleisch“ Christliche „Nichtarier“ und ihre Kinder in Deutschland PDF

365 Pages·1995·7.612 MB·German
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Franklin A. Oberlaender "Wir aber sind nicht Fisch und nicht Fleisch" Biographie und Gesellschaft Herausgegeben von Werner Fuchs-Heinritz, Martin Kohli, Fritz Schütze Band 24 Franklin A. Oberlaender "Wir aber sind nicht Fisch und nicht Fleisch" Christliche "Nichtarier" und ihre Kinder in Deutschland Leske + Budrich, Opladen 1996 Der Autor: Dr. Franklin A. Oberlaender, Dr. phil., Studium der Volkswirtschaft, Sozio logie und Psychologie in Frankfurt a.M. und Berlin. Klinischer Psychologe der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin-Wittenau; Lehrbeauftragter der Technischen Universität Berlin, der Freien Universität Berlin und der Fach hochschule für Rechtspflege und Verwaltung Berlin. Veröffentlichungen zu den Themen: Biographieforschung, Epidemiologie der Abhängigkeitserkrankung, Recht und Psychiatrie, Devianz und Stigmati sierung. Gedruckt auf säure-und chlorfreiem, alterbeständigem Papier ISBN 978-3-8100-1466-5 ISBN 978-3-322-91397-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-91397-5 © 1996 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Vorwort Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinen Interviewpartnern für ihr Ver trauen bedanken. Ohne ihre Kooperationsbereitschaft wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Für die wissenschaftliche Betreuung und Beratung danke ich besonders Martin Kohli und seinen wissenschaftlichen Mitarbei tern Jürgen Wolf und Günter Burkhart. Meinen herzlichen Dank richte ich an Bruno Hildenbrand, er hat - wie kein anderer - meinen Entwicklungspro zeß auf dem Gebiet der Sozialpsychologie etwa zehn Jahre konstruktiv begleitet und durch vielfältige Unterstützung diese Arbeit vorangetragen. Monika Wagner gilt mein besonderer Dank, keiner hat mich in den letzten fünf Jahren mit mehr Zeit und Energie bei der Fertigstellung dieser Arbeit unterstützt. Sei es in der inhaltlichen Diskussion, bei der sprachlichen Über arbeitung oder bei der Gestaltung des Layout: sie war immer ansprechbar und hilfreich. Bei folgenden Personen möchte ich mich ebenfalls für ihre Unterstützung bedanken (in alphabetischer Reihenfolge): Gabriele Althaus, Micha Brumlik, Werner Goldberg, Fred Mengering, Susanne Miller, Ernest Oberlaender s.A., Reinhard Rürup, Julius H. Schoeps, Irmingard Staeuble, Walter Sylten, Erhard Stölting, Klaus Wanner, Hedwig Wischner und Karin Zirkelbach. Für die finanzielle Unterstützung im Rahmen eines Disser tationsstipendiums danke ich der Friedrich-Ebert-Stiftung. Franklin A. Oberlaender, Sommer 1995 5 Inhalt 1. Einleitung.......................................................................... ..... 11 2. Zur Definition und Demographie einer Stigmagruppe 'ohne Eigenschaften' ........................................................ 14 2.1. Wer ist Jude und wer ein christlicher 'Nichtarier'? .............. ...... 14 2.2. Demographie und soziale Strukturmerkmale der Gruppe .... ...... 23 2.3. Christliche Deutsche jüdischer Herkunft als marginalisierte Gruppe: Stigmaträger und Fremde in ihrer eigenen Lebenswelt ....... ......................................................................... 31 2.4. Forschungsstand .................................................................. ..... 36 3. Methodologische Überlegungen und methodisches Vorgehen...................................................................... .... 39 3.1. Zur Rekonstruktion vergangener Wirklichkeit...................... ..... 39 3.2. Biographische Forschung und textinterpretative Auswertungsverfahren. ............ .................................... ......... ..... 40 3.3. Sequenzanalyse und Komponentenanalyse............................ ..... 41 3.4. Die dem 'narrativen Interview' von Fritz Schütze angenäherten 'Alltagsgespräche'........................................... ..... 42 3.5. Die kombinierte Einzelfall-Familienstudie............................ ..... 43 3.6. Quellenstudium: Sekundärliteratur und biographische Berichte...................................................................... .......... ..... 44 3.7. Die Erhebung............................................................................. 45 3.8. Auswertung der biographischen Materialien......................... ..... 53 4. Historischer Teil............................................................... 56 4.1. Die Verfolgung christlicher 'Nichtarier' ...... .......................... ..... 56 4.2. Die Situation der christlichen 'Nichtarier' in ihrer jeweiligen Glaubensgemeinschaft.......................................................... ..... 69 7 4.3. Vergleich der katholischen mit der pr.otestantischen Kirche im Verhältnis zum Nationalsozialismus und zu ihren 'nichtarischen' Mitgliedern......................................................... 109 4.4. Zur Situation der Nichtj uden in der Reichsvereinigung der Juden......................................................................................... 112 5. Biographischer Teil.................................................... ...... 114 5.1. Einführung.......................................................................... ...... 114 5.2. Fallstudie: Heinz Frei (*1910) ............................................. ..... 117 5.3. Fallstudie: Marion Frei (*1966)............................................ ..... 167 5.4. Fallstudie: Hans Herzberg (* 1908)........................................ ..... 194 5.5. Fallstudie: Harry Herzberg (*1953)............................................ 228 5.6. Fallstudie: Pfarrer Friedrich Fuchs (*1912) ............................... 257 5.7. Ergänzende Fälle aus den Fallstudien................................. ....... 286 5.8. Weitere Fälle nichtj üdischer 'Nichtarier'............................. ....... 290 5.9. Weitere Fälle von Nachkommen nichtj üdischer 'Nichtarier' ....... 305 6. Die Problematik der älteren Verfolgten: Substantielle Hinterfragung der Identität im Erwachsenenalter. .......... 313 6.1. Mittel der Täuschung als Überlebensstrategie, psychische Folgen, geringe Informationstransparenz in der Post-Stigma-Phase ..................................................................... 314 6.2. Zur Dynamik in Familien mit Mitgliedern unterschiedlicher 'Rassegrade': Zwischen Abgrenzung und Selbstentwertung, Emigration und Widerstand. ...................................................... 318 6.3. Einstellungen zu Deutschland und zur eigenen Religion ............ 320 6.4. Einstellungen zum Judentum, zu Juden, zum Zionismus und zum Rassenmodell..................................................................... 325 6.5. Ein Leben zwischen den Stühlen -Zur Realitätskonstruktion von 1933 bereits erwachsenen christlichen Deutschen jüdischer Herkunft ..................................................................... 329 7. Die Problematik der jüngeren Verfolgten: Sozialisation in unklaren Identitätsentwürfen .................. 332 7.1. Sozialisation in existientieller Unsicherheit................................ 332 8 7.2. Leben als Kampf um Akzeptanz ................................................ 334 7.3. Die jüngeren Verfolgten als Interim-Generation mit hoher psychischer Belastung... ....... ........ ..................... ....... ......... ......... 335 8. Die Problematik der nachgeborenen Generation: Fortführung einer Stigma-Identität ohne Stigma- Erfahrung ......................................................................... 338 8.1. Zur Familiendynamik in den Herkunftsfamilien der Nachgeborenen ................................................. ......................... 339 8.2. Jüdische Identität durch Übernahme einer Verfolgtenidentität ................................................. .................... 342 8.3. 'Verweigerung von Lebenspraxis' und ideologische Abkehr vom deutsch-christlichen Umfeld............................................... 343 8.4. Partnerwahl als Protest gegen die Mehrheitskultur..................... 346 8.5. Vielschichtige Identitätsangebote - zerrissene Lebensentwürfe: Zum Identitätsmanagement der nach 1945 geborenen Kinder von christlichen Deutschen jüdischer Herkunft............ .............................. ...... ................. ................... 349 9. Anhang: Übersicht aller Personen der Studie .................. 351 10. Bibliographie ...................... ....... .... ..... ... ......... ...... ............ 358 9 1. Einleitung Die christlichen Deutschen jüdischer Herkunft verdanken ihre historische Existenz als soziologische Gruppe einerseits der deutschen Emanzipations bewegung des 19. Jahrhunderts, mit der die kasten artige wechselseitige Abschottung der jüdischen und nichtj üdischen Welten endete. Sie verdanken sie anderseits der sich gleichzeitig herausbildenden biologistischen Denk form und ihrer politischen Instrumentalisierung. Die 'Nürnberger Gesetze' und das ihnen zugrundeliegende Gedankengut beeinflußten nicht nur die Vorstellungen breiter Massen von den Juden, die nun weniger als religiöse oder ethno-religiöse Gruppe denn als 'Rasse' ver standen wurden; durch die rassistische Neudefinition des Begriffes 'Jude' wurden nun auch die christlichen Deutschen jüdischer Herkunft mit einer veränderten sozialen Konnotation belegt, eingereiht in die Gruppe der Ver folgten jüdischen Bekenntnisses. Sie wurden aus ihrer eigenen, von ihnen mitstrukturierten Lebenswelt ausgegrenzt, von der ihnen bekannten und vertrauten Gesellschaft und Kirche partiell marginalisiert und in ihrem Selbstverständnis hinterfragt. Sie wurden 'Fremde', nicht durch Emigration, sondern gerade weil sie ihr gewohntes Land nicht verließen. Damit wurde ein <Denken wie üblich> -im Sinne von Alfred Schütz (1971) -, das auf der Annahme der Kontinuität des gewohnten Lebens basiert sowie auf dem Vertrauen in die durch die Kulturträger übermittelten Deutungsmuster, substantiell brüchig. Es handelte sich hierbei um Menschen, die im Geiste des Protestantismus, Katholizismus, als Agnostiker oder Atheisten aufge wachsen waren. Sie entstammten allen Schichten und allen politischen Strömungen der deutschen Bevölkerung und unterschieden sich nur durch eine mitunter Generationen zurückliegende Konversionsproblematik (vgl. Berger, 1973) oder/und interreligiöse Ehe vom Gros der christlichen Deut schen ihrer Generation. In dieser fallrekonstrukti v angelegten biographischen Forschungsarbeit wird die Frage gestellt, wie christliche Deutsche jüdischer Herkunft die objektive Verfolgungs situation und Brandmarkung subjektiv erlebten und verarbeiteten und wie sie im weiteren Verlauf ihr Verhältnis zu identitäts stiftenden Gruppen wie den Deutschen, den Christen und den Juden korri gierten. Es wird untersucht, wie die Betroffenen die Zuordnung zum Juden tum erlebten, in einer Zeit, als mit dieser kein positiver kultureller oder religiöser Gehalt verbunden war, als sie nichts anderes bedeuten konnte als 11 Ausgrenzung, Verfolgung und sogar Vernichtung. Wie reflektierten die christlichen 'Nichtarier' die Haltung ihrer jeweiligen Kirche zum National sozialismus, wie schätzten sie die Äußerungen und Handlungen kirchlicher und gesellschaftlicher Institutionen zu Faschismus, Rassenpolitik und Krieg ein? Wie war die Familiendynamik beeinflußt, gab es Unterschiede zur Dynamik jüdischer Familien? Es wird zudem der Frage nachgegangen, wie die christlichen 'Nichtarier' die 'Vergangenheits bewältigung' nach dem Zusammenbruch 1945 erlebten und wie dies wiederum ihre Haltung zum Glauben, zur Institution Kirche und zur Nation beeinflußte. Mehrheitlich waren diese Menschen dem Verfolgungsgrad nach soge nannte 'Mischlinge I. Grades', d.h. Personen, die selbst christlich waren und zwei jüdische Großeltern hatten. Ihre Verfolgung endete meist nicht in einem Vernichtungslager, zu einer Emigration waren sie - anders als die jüdischen Verfolgten - nicht existentiell gezwungen. Häufig jedoch mußten die Betroffenen die Deportation und Emigration naher Familienangehöriger verarbeiten, waren sozialen Deklassierungen und Heiratsbeschränkungen sowie Zwangsarbeitseinsätzen unterworfen. Dem religiösen Bekenntnis nach war die überwältigende Mehrheit aller nichtj üdischen 'Nichtarier' protestan tisch, nur eine relativ kleine Gruppe von Betroffenen war dagegen römisch katholischen Glaubens oder konfessionslos (vgl. Oberlaender, 1990). Die 'Nichtarier' erscheinen trotz ihres geringen historisch-politischen Gewichts als Paradigma interessant, weil sich an ihnen Prozesse des Identitätsma nagements exemplarisch untersuchen lassen. Aufgrund der Besonderheit der künstlich geschaffenen ahistorischen Gruppe der christlichen 'Nichtarier', verweist die Identitätsproblematik dieser Gruppe - so die Hypothese - als Symptom auf den Zustand deutscher Identität während der Stigmaphase und womöglich bis in die Gegenwart hinein (vgl. Oberlaender, 1992b, 1994a). Die 'zweite Generation' verdankt ihre physische Existenz in Deutschland der Tatsache, daß die christlichen 'Nichtarier' mehrheitlich in Deutschland - weitgehend ohne Lager- und Emigrationserfahrung - überleben konnten. Ihre soziologische Existenz leitet sich einerseits von der psychologisch therapeutischen Aufarbeitung des survivor-syndrome (Niederland, 1961) der jüdischen Holocaust-Überlebenden her, die ab den 70er Jahren sich verstärkt einer second generation, also Kindern der Lagerüberlebenden, zuwandte und den Begriff sukzessiv auf Kinder entwurzelter jüdischer Emigranten ausweitete (vgl. Epstein, 1979; FogelmanlSavran, 1979; Grünberg, 1987). Anderseits ist die 'zweite Generation 'Nichtarier" von der weltweiten ro mantisch-biologistischen back to the roots - Bewegung (vgl. Cowan, 1990; Haley, 1993) sowie von der für die ersten Nachkriegsjahrzehnte spezifisch bundesrepublikanischen Suche nach Fremdidentifikation beeinflußt. 12

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