G. Rosemeier Winddruck Qrobleme bei Bauwerken Springer -Verlag ''"""w~., Berlin Heidelberg NewYork 1976 L______Z.~:>C__j Dr.-lng. GUSTAV-E. ROSEMEIER Dozent an der Technischen Universität Hannover Mit 171 Abbildungen ISBN 978-3-540-07729-9 ISBN 978-3-642-50191-3 (eBook) 00110.1007/978-3-642-50191-3 Library of Congress Cataloging in Pubiication Data Rosemeier, Gustav-Erich, 1940- Winddruckprobleme bei Bauwerken. lncludes bibliographies and index. 1. Wind-pressure. I. Title. TA654.5.R67 624'.175 76-19103 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Bei Vervielfältigungen für gewerbliche Zwecke ist gemäß §54 UrhG eine Vergütung an den Verlag zu zahlen, deren Höhe mit dem Verlag zu vereinbaren ist. © by Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1976. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buche berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zur Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Vorwort Dieses Buch ist aus einer Vorlesung entstanden, die der Verfasser zurzeit an der Technischen Universität Hannover hält. Es werden darin die Grundlagenerkennt nisse der Mechanik stationärer und instationärer Strömungen auf Anwendungspro bleme des Bauingenieurwesens übertragen, wobei auf die besondere Struktur des "natürlichen" Windes bevorzugt eingegangen wird. Der erste Teil des Buches be faßt sich mit den klassischen Windkraftproblemen, die nicht nur statischer Art sind, sondern wegen des instationären Charakters der Windbelastung auch einer kil).etischen Betrachtungsweise unterzogen werden müssen. Im zweiten Teil wird auf Probleme der Aeroelastizität eingegangen, bei denen die nichtkonservative Windlast als Ursache kinetischer Instabilitätserscheinungen anzusehen ist. Trotz vielfältiger internationaler Forschungsarbeiten sind noch erhebliche Lücken vor allem in den physikalischen Grundlagen vorhanden. Dieses Buch soll dazu beitra gen, einige wichtige Grundprobleme zu klären und eine übergeordnete Systematik erkennen lassen, obwohl manchmal nur die physikalische Problematik mangels ausreichender theoretischer oder experimenteller Erkenntnisse aufgezeigt werden kann. In erster Linie werden dem Konstrukteur diewesentlichen Regeln und Re chenverfahren nahegebracht, deren Einhaltung eine ausreichende aerodynamische Stabilität der Bauwerke garantiert. Es ist nicht der Sinn einer solchen Schrift, ein fertiges Handbuch von Windlastproblemen bei Bauwerken vorzulegen. Hauptsäch lich sollen mögliche, baustatisch wichtige, physikalische Effekte und deren nähe rungsweise rechnerische Behandlung aufgezeigt werden. In jedem Fall soll zu er kennen sein, ob tiefergreifende Untersuchungen z.B. bei weitgespannten, däm pfungsschwachen Leichtkonstruktionen erforderlich sind, die ähnlich wie in der Bo denmechanik die Einschaltung von Sonderfachleuten erfordern. Der Verfasser dankt Herrn Dipl. -Ing. Hans Hennlich für die Mithilfe bei der Aus arbeitung der Übungsbeispiele. Hannover, im Herbst 1976 Gustav-Erich Rosemeier Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeine Problemdarstellung 1 Literatur ........... . 4 2. Mechanische Grundlagen .• 5 2. 1. Schwingungsproblem. 5 Literatur .......• 42 2. 2. Aerodynamisches Problem . 45 Literatur ..... 60 3. Der natürliche Wind .. 63 Literatur .•....... 83 4. Statische Windkraftprobleme . 86 4. 1. Allgemeines ....... . 86 4. 2. Tragflügel (windschnittige Profile) 87 Literatur .......... . 93 4.3. Kreis (elliptische Profile). 94 Literatur ........... . 101 4. 4. Platte senkrecht zum Wind (geschlossene kantige Profile) 101 Literatur ........... . 108 4.5. H-(U-) Profile (Interferenzprofile). 109 Literatur ................. . 116 4. 6. Fachwerkquerschnitte ( Interferenzsysteme) 116 Literatur 122 4. 7. Dächer .. 122 Literatur 135 5. Stellungnahme zu Windlastnormen. 137 6. Der Sicherheitsbegriff bei kinetischer Belastung. 140 Literatur .......................... . 144 7. Allgemeine Erläuterungen zum Begriff Aeroelastizität. 145 Literatur .................... . 146 8. Nichtkonservative Stabilitätsprobleme .. 147 Literatur .................... . 160 Inha 1t sverzeichni s V 9. Dynamische Kenngrößen der Struktur • 162 Literatur .•••.•••••.•••.••••• 169 10. Eingeprägte kinetische, aerodynamische Kraftmechanismen (dynamic response problems) •••.•••••••••••••••.•••••••••••••••• 171 10.1. Der Böeneffekt (natürliche Luftturbulenzen) •.•••••.••.••••• 171 Literatur ..•• 173 10. 2. Der Karmaneffekt (Nachlaufwirbel) •.•• 174 Literatur .••...•..••••.••....•••.. 182 11. Aerodynamisch stabile und aerodynamisch instabile Profile ( entkoppelte, selbsterregte Instabilitäten). • • . • • • . . • . . • • • . • . . . • • • • . • • . • • . 184 11.1. Schlag-(Biege-)Schwingungen (Gallo,E>ing) • • • • • • • . 184 Literatur •.•....••••••••••..••. 199 11. 2. Torsionsschwingungen ....•••.•. 200 11. 3. Divergenz (statische Instabilität) .•. 201 Literatur .•.••••••. 202 11.4. Abreißflattern. 203 Literatur ...• 204 12. Grenzschichteffekte (Kreis- und elliptische Profile) 205 Literatur ••••.••....••.•.••....•....•... 216 13. Potentialflattern der Platte (windschnittige Profile) •• 218 Literatur •.•..•••.•.••.•...••••.•..•••. 235 14. Profileigene Anfachungsmechanismen (Nachlaufinterferenz) • . • • . • 238 Literatur . . • . . . • • • • . . • . . . . • . • • • . . • . . • • . • • • • • . . • • • 246 15. Richtlinien für aeroelastische Stabilitätsuntersuchungen linienförmiger Tragwerke. . . • • • • . • • • • • • • . . . . • . . • . • • . • . • • • • • . • • • • . • • • 248 16. Aerodynamische Stabilität biegesteHer Flächentragwerke • • . • . • • . • • • 250 Literatur • . . . • . • • . . . • . . . . • . . . • . . . . • . • . . . . . . . • • • • • • • • 261 17. Aerodynamische Stabilität biegeweicher Konstruktionen (leichte Flächentragwerke) • • . . . • • . . . . . . . • • • . • • • • 263 Literatur ...••.•••••••...••.. 273 18. Einblick in die Modellversuchstechnik • 275 Literatur •.•.•...••••••••..•• 281 19. Zusammenfassende konstruktive Empfehlungen • 284 Sachverzeichnis . • . . • . • • • • • . . • . • • • • . • • . • • • . • • • • • • • • • • . • • • • 286 Wichtigste Bezeichnungen Schwingungsmechnik m Schwingungsmasse pro Längeneinheit e Massenträgheitsmoment pro Längeneinheit c Federsteifigkeit 0 Lehrsches Dämpfungsmaß .s Logarithmisches Dämpfungsdekrement wE. <I>. Eigenkreisfrequenz der j -ten Eigenform <i>. J' J J :!._ Matrix der Schwingungsfreiheitsgrade (generalisierte Koordinaten) EI Biegesteifigkeit eines Stabes Git Torsionssteifigkeit eines Stabes M generalisierte Masse ( Massenmatrix) D generalisierte Dämpfungsmatrix K generalisierte Steifigkeitsmatrix p generalisierte Matrix der äußeren Kräfte TE Eigenschwingzeit EL Energie (Anergie) der Luftkräfte als Funktion der Zeit t ED Energie (Anergie) der Dämpfungskräfte als Funktion der Zeit H, D Profilhöhe, Profildurchmesser B Profil breite, e halbe Profil breite T Kinetische Systemenergie des Gesamtsystems u Potentielle Systemenergie des Gesamtsystems F, A Angriffsfläche der Windbelastung w Erregerkreisfrequenz einer äußeren Kraft Strömungsmechnik c Schallgeschwindigkeit der ruhenden Luft Machsehe Zahl Windgeschwindigkeit, Ukr kritische Windgeschwindigkeit Strömungsgeschwindigkeit ( Vektordarstellung) u,v,w Komponenten von :!:!_ im x, y, z System p statischer Strömungsdruck p Luftdichte fl Zähigkeit der Luft Wichtigste Bezeichnungen VII \1 kinematische Zähigkeit der Luft 4> Geschwindigkeitspotential des Strömungsfeldes $ Stromfunktion des Strömungsfeldes r Zirkulation des Strömungsfeldes A Auftriebskraft eines Profils, ca Auftriebsbeiwert w Widerstand eines Profils, cw Widerstandsbeiwert M Nickmoment eines Profils, cm Momentenbeiwert Re Reynoldszahl ö Grenzschichtdicke, ö '~ Verdrängungsdicke Tu Turbulenzgrad, Iv Turbulenzintensität R universelle Gaskonstante T absolute Temperatur in Kelvin s Korrelationsfunktion (spektrale Dichte) a Standardabweichung ( Varianz) 01, cp Anstellwinkel eines Profils zur Windrichtung K Profil rauhigkei t A'~ Ablösepunkt der Grenzschicht cp Völligkeitsgrad eines Fachwerks s Strouhalsche Zahl S,K* reduzierte Frequenz 1 . Allgemeine Problemdarstellung Das Problem der Windbelastung ist für das Bauwesen schon immer von entschei dender Bedeutung gewesen. Die jährlichen Sturmschäden betragen auf der Welt meh rere hundert Millionen Dollar, so daß es schon aus wirtschaftlichen Gründen lohnt, sich mit diesem Problemkreis intensiv auseinander zu setzen. Während die klas sische Bauingenieurkunst den Wind als vorwiegend statisches Element betrachtet, zeigen durchaus nicht wenige Katastrophenfälle, daß der kinetische Charakter des natürlichen Windes zu berücksichtigen ist, und zwar aus zweierlei Gründen: einmal durch eingeprägt kinetische Belastungsfälle der Windbelastung aus dem Böeneffekt oder mehr oder weniger systematisch gebildeten Wirbelerscheinungen und zweitens durch den nichtkonservativen Charakter dieser Belastung als Ursache merkwürdiger kinetischer Instabilitätserscheinungen. Beide Effekte sind zu berücksichtigen, wobei die hier durchgeführten Untersuchungen die Erregermechanismen künstlich trennen, was mechanisch und ingenieurmäßig durchaus sinnvoll ist, wie sich zeigen wird, mit dem realen Schwingungsbild aber insofern nur als Näherung übereinstimmt, als in Wirklichkeit oft eine Vermischung beider Erregerarten stattfindet. Die konstruktive Entwicklung der ingenieurmäßigen Baukonstruktionen kennzeichnet den Trend zu immer höheren, schlankeren, kurz kühneren Bauten. Hängebrücken mit einer Spannweite von fast dreitausend Metern, Stahlhochhäuser von fast vierhun dert Metern Höhe, Kühltürme als dünne Schalen mit einhundert Metern Höhe, bei ei nem Durchmesser von fünfzig Metern sind eine technische Realität. Große Spannwei ten sind mit immer leichteren Konstruktionen zu überbrücken, wobei die Werkstoffe nicht nur stetig schärfer ausgenutzt, sondern auch die klassischen Werkstoffe des Bauwesens, nämlich Stahl und Stahlbeton oder Spannbeton durch die leichteren Ele mente Aluminium und Leichtbeton oder sogar Kunststoffe ersetzt werden, die sich nicht selten als dämpfungsschwach und verformungsweich erweisen. Stabile stati sche Biege- oder Drucksysteme werden vor allem bei großen Stützweiten zunehmend durch leichte weiche Zugsysteme ersetzt (Hängedächer von Sportstadien, Zeltdächer, kurz: leichte Flächentragwerke). Das grundlegende Interesse des Konstrukteurs gilt dem Kampf gegen das Eigenge wicht. Es ist zu erkennen, daß die immer schlankeren und wirtschaftlicheren Ab messungen nur durch sich stetig verfeinernde statische Berechnungen erreicht wer den können. Die Theorie erster Ordnung wird schon oft und nicht nur bei Stabilitäts- 2 1. Allgemeine Problemdarstellung untersuchungen durch eine Theorie zweiter Ordnung ersetzt, das heißt, es wird der Einfluß der Systemverformung auf die Ermittlung der Schnittkräfte berücksich tigt. Oft reicht auch bei kleinen Verformungen eine linearisierte Theorie nicht, um wesentliche Systemzusammenhänge zu beschreiben. Bei sehr verformungsweichen Konstruktionen versagen oft modernste elektronische Iterationsmethoden, so daß Modellversuche nicht selten die klassischen, statischen Berechnungen ersetzen oder überprüfen. Die technische Erfahrung zeigt, daß eine solche stürmische Entwicklung im allge meinen nicht ohne Rückschläge verläuft, da bisher gutartige Sekundäreffekte plötz lich zu Katastrophen führen. Einen Grund hierzu liefert der natürliche Wind, der ohne vorher ersichtliche Ursache plötzlich Hängebrücken zu katastrophalen Schwin gungen anregt, wie das in Abb. 1.1 dargestellte Beispiel der bekannten Taooma Brücke aus dem Jahre 1941 zeigt. Abb. 1. 1. TACOMA-Brücke kurz vor dem Einsturz durch winderregte Torsionsschwin gungen [2.1.10] Noch im Jahre 196 5 stürzten ohne vorher ersichtlichen Grund mehrere Kühlturm schalen des Kraftwerks Ferrybridge in England zusammen. Beispiele abgehobener Wohnhausdächer und eingestürzter Mastkonstruktionen von Elektroleitungen dürften kaum im einzelnen zu erfassen sein. Das Problem der Windkraft hat seit längerem Wissenschaftler, vor allem der anglo amerikanischen und der japanischen Fachwelt, angeregt, die sich in einem etwa zweijährigen Turnus in sogenannten "Symposiums" über ihre neuesten Erfahrungen 1. Allgemeine Problemdarstellung 3 aussprechen. Dennoch scheinen bisher nicht zu übersehende Schwierigkeiten, vor allem bei der theoretischen Erfassung der Anregungsmechanismen, vorzuherrschen. Während sich die aerodynamischen Gesetze windschnittiger Flächenformen, die den Gesetzen der idealen Strömung weitgehend gehorchen, im allgemeinen exakt erfas sen lassen, gelten für die Konstruktionen des Bauwesens meist andere stationäre und instationäre Totwassergesetze, die bisher wohl als Stiefkind der physikalischen Forschung anzusehen sind und zum Teil neu entwickelt werden müssen, da die bis herigen physikalischen und rechnerischen Methoden zur Lösung dieses Problemkrei ses den ingenieurmäßigen Praktiker zum größten Teil nicht befriedigen. Diese Arbeit versucht, einige dieser Probleme zumindest in Näherung zu erfassen, was sich vor allem deshalb als schwierig erweist, weil aus einer Vielzahl von An regungsmechanismen der eigentliche, systemgefährdende Effekt erkannt werden muß. Viele der theoretisch ermittelten Ergebnisse sind experimentell überprüft wor den, aber der Weg zu umfangreichen Profilkatalogen ist aus Zeit- und Kostengrün den noch recht weit. Nur ausführliche Meßreihen ermöglichen eine endgültige Aus sage über die aerodynamische Stabilität eines beliebigen schwingungsfähigen Systems, da die üblichen linearisierten Stabilitätsuntersuchungen nur einen genäherten Uber blick liefern. Bei großen Schwingungsausschlägen gelten andere instationäre aero dynamische Gesetzmäßigkeiten als bei kleinen, so daß bösartigen Nichtlinearitäten hier durchaus eine gesteigerte Bedeutung zukommt. Das gleiche gilt für die Er mittlung von Systemsteifigkeiten und Dämpfungen. Die Beschränkung der System verformung ist aus diesem Grunde konstruktiv lebenswichtig. Glücklicherweise weist die bautechnische Physik im Gegensatz zum Flugzeugbau relativ kleine Windgeschwindigkeiten auf, so daß hier etwas gemilderte Genauig keitsanforderungen bestehen. Es ist durchaus möglich, vereinfachte Abschätzver fahren zu entwickeln, die zur "sicheren Seite" tendieren, ohne die Wirtschaftlich keit einer Konstruktion entschieden zu beeinflussen. Es ist nicht erforderlich, in möglichst "genauen" Rechnungen unter Einschluß aller möglichen Anregungsme chanismen eine kritische Windgeschwindigkeit als Stabilitätsgrenze zu ermitteln, oberhalb der eine Anfachung möglich ist. Viele theoretische Untersuchungen des Flugzeugbaus leiden ebenfalls an der manchmal nicht sonderlich guten Uberein stimmung von Theorie und Experiment. Im Bauwesen gelingt es, bei Kenntnis der Erregermechanismen, diese Grenze durch konstruktive Maßnahmen weit über den Bereich der natürlichen Windgeschwindigkeiten zu heben. Es ist daher -wie eigent lich immer im Ingenieurwesen - das Konstruieren wichtiger als das reine Rechnen. Im Rahmen der Aeroelastizität muß stets die Aerodynamik in Verbindung gesehen werden mit den Schwingungsmöglichkeiten der Konstruktion. Wesentlich ist das sichere Erkennen der Schwingungseigenformen und der zugehörigen Dämpfungs werte, so daß bei komplizierten architektonischen Strukturen nicht selten Modell-