© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Wie viele Biber (Castor fiber L) sind zu viel? VON J. SIEBER Abstract die intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebiete rund um Wien. Vermehrt wurden How many beavers (Castor fiber L.) Schäden und Probleme mit den Tieren ge- are too many? meldet und die gravierenden Fragen gestellt: wozu brauchen wir überhaupt Biber, müssen In Austria the last beavers became ex- tinct in the middle of the 19th century. More Biber überall geduldet werden und, wie vie- le Biber sind genug? than 100 years later a successful reintroduc- tion started with a small founder group (50 individuals, most of them from Poland) and Geschichte was rarely realised by the people. Discovered Biber (Castor fiber) waren in Europa be- beaver cuttings seemed to be small sensa- reits im Mittelalter durch Überbejagung tions and the species had a rather positive stark dezimiert; die letzten auf heutigem ös- image. Unfortunately this changed rapidly terreichischen Staatsgebiet wurden 1863 in when the beaver population started to grow Fischamend (Niederösterreich) bzw. 1869 and to disperse from protected areas to bei Anthering (Salzburg) erbeutet. Danach places intensively used by agriculture and galt die Art hier als ausgestorben. Noch zu forestry. Landowners complained about Beginn des 19. Jahrhunderts waren Biber, beaver damages and some questions like die größten Nagetiere im eurasischen Raum "Why do we need beavers? Will we be zwar weit verbreitet, die Individuenzahl je- forced to live with that species? How many doch stark ausgedünnt (DjOSHKlN & SAFO beavers are enough?" were asked more often. NOW 1972). Key words: beaver re-introduction, Verbesserte Jagd- bzw. Fangmethoden, beaver management, Austria, Castor fiber die Gier nach dem wunderbaren, Wasser ab- weisenden Pelz und vor allem nach „Biber- Zusammenfassung geil", einem stark moschusartig duftenden Sekret der Präanaldrüsen, dem aphrodisie- Mehr als 100 Jahre lang galt der Biber rende (potenzfördernde) und heilkräftige (Castor fiber L.) in Österreich als ausgestor- Wirkung zugeschrieben wurde, brachten ben, bevor zwischen 1976 und 1985 die den Europäischen Biber um 1850 in Europa Wiederansiedlung in Angriff genommen beinahe an den Rand der Ausrottung. In al- wurde. Die Entwicklung der kleinen Grün- ten Kochbüchern wird die Zubereitung des derpopulation (rund 50 Tiere, vorwiegend Biberwildbrets recht detailliert beschrieben, aus Polen stammend) verlief in den ersten denn es war von der katholischen Kirche als 10 Jahren beinahe unbemerkt, vom Biber Fastenspeise erlaubt (Biber halten sich viel gefällte und benagte Gehölze wurden von im Wasser auf, der Schwanz ist „schuppig", der Bevölkerung bestaunt, und die Art hat- also wurde er den ebenfalls erlaubten Fi- te ein durchwegs positives Image. Das än- schen gleichgesetzt!). derte sich allerdings rasch mit zunehmen- dem Anwachsen der Individuenzahl und Übrig geblieben waren schließlich nur mit der Ausbreitung von den naturgeschütz- winzige Populationsreste, inselartig über Eu- Denisia 9, zugleich Kataloge der OÖ. Landesmuseen ten Auenbereichen an Donau und March in ropa verteilt: am Fluss Rhone in Frankreich, Neue Serie 2 (2003), 3-11 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 1: Biberrest- Hochwasserschutz zu erreichen. Der Huber- populationen tusdamm etwa, die Donau in Wien und um 1900 in Europa. (Grafik: M. Malicky, stromabwärts begradigend und von ihren Biologiezentrum) weitläufigen Auenlandschaften abschnei- dend, galt als großartige Errungenschaft. Da- mit wurden natürlich viele Lebensräume stark verändert, aber für den Menschen bes- ser nutzbar gemacht. Das „Trockenlegen von Sümpfen" galt von jeher als etwas besonders Positives, weite Feuchtlandschaften wurden dräniert, um Ackerland zu gewinnen. Sie schwimmen wieder Erst in unserem Jahrhundert begann der Naturschutzgedanke Fuß zu fassen. Tier- und Pflanzenarten wurden unter Schutz gestellt, große Naturschutzgebiete errichtet, und man versuchte, verschwundene Arten wie- der anzusiedeln. Schon früh (in den späten 1930er Jah- ren) begannen Schweden und Finnen mit der Wiedereinbürgerung des Bibers, aller- dings nicht unbedingt nur „edler" (Natur- schutz!) Motive wegen, sondern man dach- te durchaus auch an eine spätere Nutzung, an der mittleren Elbe in Deutschland, in die Pelzgewinnung. Aus der übrig gebliebe- Zentral-Norwegen bzw. Nordost-Polen (Ma- nen norwegischen Population wurden Tiere suren), jeweils nur wenige hundert Tiere umgesiedelt, in Finnland leider auch aus Ka- umfassend (NOLET 1997; Abb. 1). nada importierte zur Bestandsstützung ver- wendet. Leider deshalb, weil der Kanadische Im Großen und Ganzen schien der Biber Biber (Castor canadensis) eine zwar äußer- den Menschen ein Jahrhundert lang nicht lich (phänotypisch) kaum, jedoch im Erbgut Abb. 2: Verbreitungsgebiet von Castor besonders zu fehlen. Der technische Fort- (genotypisch) durchaus unterschiedliche canadensis und Castor ffber um 1000 n. schritt brachte ja auch mit sich, dass ver- Chr. (Die Abbildungen stammen, Art repräsentiert (CORBET 1978, FREYE sucht wurde, Gewässer zu bändigen (= zu wenn nicht anders angegeben von 1960, HEIDECKE 1986, SIEBER & BAUER der Verfasserin.) verbauen) und damit einen verstärkten 2001). Da Skandinavien nicht besonders dicht von Menschen besiedelt ist und eine große Anzahl von natürlichen und naturna- hen Gewässern besitzt, war das Projekt innerhalb weniger Jahrzehnte ein so großer Erfolg, dass der Biber hier wieder ganz selbstverständlich zu den nutzbaren und auch bejagten Tierarten zählt. Strenger Schutz der übrigen Restpopula- tionen hatte immerhin zu einem Anstieg der Individuenzahlen geführt, und in den 1960er Jahren begannen Umsiedlungen und damit ein Versuch der Begründung von neu- en Populationsinseln im übrigen Europa Nordamerikanischer Biber Eurasischer Biber (Schweiz, Westdeutschland, Kroatien, Slo- (Castor canadensis) (Castor fiber) wakei, Polen, Frankreich, Niederlande, Bel- gien usw.), der beinahe überall von großem © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Erfolg gekrönt war (NOLET 1997, NoLET & Abb. 3: Biber- wiederansiedlung. ROSELL 1998) (Abb. 2). Diese Erfolgs-Story, das „Comeback des Bibers", ist einerseits natürlich in der harten Arbeit aller an Wiederansiedlungsprojekten beteiligten Wissenschafter und vieler Hel- fer, andererseits jedoch in der Biologie des Bibers selbst begründet (Abb. 3, 4). Als eine der wenigen Tierarten, die im Stande ist, ihren Lebensraum selbst :u ge- stalten, ist es dem Biber möglich, recht unterschiedliche, auch stark anthropogen überformte Lebensräume erfolgreich zu be- siedeln. Grundvoraussetzungen sind nur ganzjährige Wasserführung in einem Gewäs- ser und ausreichend vorhandene Nahrung. Wasserqualität und Uferstruktur spielen ei- ne untergeordnete Rolle, daher können Bi- ber auch Gewässer besiedeln, die für emp- findlichere Arten (z.B. Fischotter Lutra lutra oder Wasserspitzmaus Neomysfodiens) völlig ungeeignet sind. Biber können sogar in einer relativ was- serreichen und grünen Großstadt wie Wien recht gut Fuß fassen und taten das auch er- folgreich. Aus den Lobauer Donau-Altar- men ist es zwar ein recht weiter und nicht „Sozial" heißt beim Biber im Familien- einfacher Weg bis zum westlichen Stadtrand verband lebend. Ein Paar ist lebenslang zu- - und doch gelang den Bibern in den letzten sammen, die Jungen bleiben mindestens 10 Jahren die Besiedlung von Liesing, zwei Jahre bei den Eltern, werden erst im Wienfluss, Alter und Neuer Donau, der Do- dritten Lebensjahr geschlechtsreif und ver- nau-Insel und des Gänsehäufels sowie des lassen dann die Familie. Territoriengrenzen Marchfeldkanals (SlEBER 2003, in prep.). werden durch Duftdrüsensekret markiert Abb. 4: Biberfamilie in Kunstbau. Ein wenig Biber-Biologie Biber sind sozial lebende Großnagetiere (Rodentia), die ausgewachsen bis 25 kg und schwerer werden können. Ihr „semiaquati- scher" (an Wasser und Gewässerufer un- mittelbar gebundener) Lebensstil bedingt vielerlei körperliche Anpassungen: nach dem Fischotter (Lutra lutra) trägt der Biber das dichteste Fell aller Säugerarten, die Ohrmuscheln sind verschließbar (Tau- chen!), die Lungen können sehr viel Sauer- stoff speichern (bis zu 15 Minuten Aufent- halt unter Wasser möglich), die starken Schwimmhäute zwischen den Hinterzehen und der stromlinienförmige Körperbau brin- gen beste Schwimmleistungen (auch gegen stärkere Strömungen) usw. (ZAHNER 1996, SCHWAB et al. 1994). © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at berstreifgebiet nötigen Erhaltungsarbeiten an Dämmen und Burgen von mehreren bes- ser bewältigt werden können und manche Fähigkeiten beim Biber langsam heranreifen und teilweise unter Erwachenenaufsicht er- arbeitet und geübt werden müssen. Bei uns hat der Biber eigentlich keine tierischen Feinde (Wolf und Bär fehlen ja, für die überwinternden Seeadler sind die Jungbiber bereits zu groß), eher gefährdet sind sie durch Erkrankungen, Bissverletzungen und überraschende Hochwasserereignisse wäh- rend der Jungenaufzucht (Abb. 5). Biber sind reine Vegetarier. Im Sommer fressen sie vorwiegend krautige Nahrung (Vegetation am Ufer und im Wasser), die Winternahrung (Biber halten keinen Win- terschlaf!) besteht aus Rinde aller mög- lichen Gehölzpflanzen. Daher fällen die Bi- ber vor allem im Winterhalbjahr Bäume Abb. 5: Zwei Jungbiber. und gegen Artgenossen verteidigt; die Uru- (bevorzugt Weichhol: wie Weide und Pap- ße des von einer Familiengruppe bean- pel, aber auch Erle, Esche, Ulme, Hartriegel, spruchten Gebietes ist je nach Nahrungsan- Eiche, Robinie, Eschenahorn, und sogar gebot sehr unterschiedlich (0,5-15 km Ge- Koniferen wie Fichte und Kiefer), deren wässeruferlänge). Da Biber jedes Jahr nach Aste sie entrinden. Diese relativ „auffällige" einer dreimonatigen Tragzeit im Mai 2—4 Tätigkeit innerhalb eines etwa 20 m breiten Junge (von denen natürlich nicht alle über- Uferstreifens ist in den meisten Fällen das leben) werfen, leben also immer zwei ver- einzige, was von einer im Revier vorhande- schieden alte Jungengenerationen gemein- nen Biberfamilie deutlich zu bemerken ist sam im Bau, und eine Biberfamilie besteht (SCHWAB & SCHMIDBAUER 2001) (Abb. 6). im errechneten Durchschnitt aus rund vier Biberbaue sind häufig für Menschen fast un- Individuen (es können jedoch bis zu acht sichtbare in die Böschung gegrabene Röh- sein). Die für ein Nagetier überaus lange Ju- ren und Höhlen (Eingänge sind aus Sicher- Abb. 6: Gefällte Weiden. (Foto: B. Mertin) gendphase ist wichtig, da die in einem Bi- heitsgründen immer unter der Wasserober- fläche), eher selten freistehende Burgen im Flachwasser (Abb. 7). Dämme werden zur Stabilisierung des Wasserstandes (minde- stens 50 cm Schwimmtiefe) errichtet und nach Hochwässern immer wieder ausgebes- sert (Abb. 8). Wiederansiedlung in Österreich Österreich war mit dem Termin der Bi- berwiederansiedlung (von meinem Institut, damals unter der Leitung von Prof. Otto KOENIC, angeregt und zum großen Teil auch durchgeführt) zwar etwas spät dran, der Er- folg blieb aber auch hier nicht aus. Zwi- schen 1976 und 1982 wurden insgesamt 45, vorwiegend aus Polen importierte Tiere (meist paarweise) in ihrem neuen Lebens- raum, die Donau-Restauen in und östlich © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at von Wien, ausgewildert (KOENIG & KREBS 1979). Später wurden noch einige Tiere nachgesetzt. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten hatte sich der kleine Bestand immerhin nach 10 Jahren auf etwa 80-100 Tiere stabi- lisiert (KOLLAR & SEITER 1990), die näch- sten 10 Jahre brachten bereits ein rasches Anwachsen auf heute wahrscheinlich rund 1600 Individuen, und eine entsprechende Dispersion über das ganze östliche Nieder- österreich, in die westliche Slowakei (PA- CHINGER 1994, SIEBER 1999b) bzw. nach Ungarn und Tschechien (STOLLMANN & VOSKAR 1989, SIEBER 1990, 1995, 1998b, 1999a). Auch donau-aufwärts gibt es viele erfolgreiche Ansiedlungen, das Verschmel- zen der an Inn und Salzach lebenden Popu- lation (SlEBER 1989), die heute eine Grö- ßenordnung von 300-400 Tiere erreicht wechslung zwischen fließendem und stehen- Abb. 7: Biberburg. Foto: D. Kaltenegger hat, mit den „Ostösterreichern" ist bereits dem Wasser, Vergrößerung der Wasserflächen vor Jahren erfolgt (SlEBER 1999a). insgesamt und Anhebung des Grundwasser- Die Dispersion erstreckte sich natürlich spiegels, Entstehung von Rachwasserzonen, nicht nur auf die flussbegleitenden Auen vermehrter Totholzanteil und Altholzeintrag von Donau und March, die Tiere leben heu- im Wasser, Schlagen von kleinflächigen te zusehends häufiger auch in vielen Gewäs- Lichtungen im sonst sehr dunklen Auwald sern des Marchfeldes, des Tullner Feldes und u. a.) schafft neuen Lebensraum für Wasser- des Wiener Beckens und breiten sich lang- geflügel, Amphibien, Höhlenbrüter, Fisch- sam über Krems und Kamp auch in Rich- brut, Kleinsäuger und Insekten. Untersu- tung Wein- und Waldviertel aus. Langsam chungen in Polen zeigen, dass etwa der Fisch- werden auch Nebenflüsse der Donau strom- otter gerne in Bibergebiete nachzieht (sofern aufwärts von Wien bzw. von Salzach und die Wasserqualität stimmt), denn das Nah- Inn besiedelt. Abb. 9 zeigt die aktuelle Ver- breitung in Österreich. rungsangebot ist hier reich, die Jagdmöglich- Abb. 8: Biberdamm Wie in anderen europäischen Staaten brachte diese überaus erfolgreiche Wieder- ansiedlung auch in Österreich einige Pro- bleme (SIEBER 1998a). Wozu brauchen wir also Biber? Biber sind nicht nur unzweifelhaft eine große Bereicherung unserer gewässeruferna- hen Fauna, sondern sie tragen durch ihre Ak- tivitäten wesentlich zur Vergrößerung der Artenvielfalt in unseren Feuchtgebieten bei. Besonders über den kanadischen Verwandten des Europäischen Bibers, dessen Lebensweise dem Eurasischen Biber gleicht, gibt es viele Untersuchungen, die das bestätigen (POL- LOCK et al. 1995). Die verbesserte Strukturie- rung der Ufer und des Gewässers selbst (Gra- be- und Bautätigkeit, Schaffung von Ab- © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Fraß- und Vemässungsschäden sind in klei- nerem Umfang möglich. Die eigentlichen Probleme entstehen jedoch eher durch die Biber (Castor fiber) unökologische Landnutzung des Menschen: auch wenn es keineswegs mehr rentabel ist, Distribution in Austria wird jeder Quadratmeter bis knapp ans Ufer bebaut, Flüssen wird keine Überflutungszo- 1999 ne mehr erlaubt, Feuchtland wird so gut es geht dräniert und standortfremde Bäume (etwa Fichten) gepflanzt. Manche Gewässer werden für gutes Steuergeld „renaturiert" - warum lassen wir den Biber nicht einen Teil dieser Arbeit umsonst tun? (Abb. 10) Konfliktpotenzial Ihre Lebensweise bringt die Biber je- doch auf verschiedene Weise mit der menschlichen Landnutzung in Konflikt: Abb. 9: Aktuelle Bibersiedlungsgebiete keit durch Strukturverbesserung vergrößert {Castor fiber L) in Österreich. • sie fällen Bäume (unterschiedliche und unbenutzte Biberbaue als Wohnmöglich- Durchmesser und Arten, bevorzugt aber keit beliebt. Sie zeigen uns, dass Flüsse mehr Weichholz bis BHD 20 cm, um an ihre Freiraum brauchen, um die Hochwasserge- Winternahrung, die Baumrinde, zu gelan- fahr abzuschwächen; die Ufervegetation wird gen und um Baumaterial zu gewinnen); durch Bibernutzung standortgerechter und für andere Tierarten nutzbar usw. • sie errichten Dämme, um seichte Gewäs- ser beschwimmbar zu machen, und Nah- Natürlich hat die Biberwiederansied- rung übers Wasser erreichen und trans- lung einige Aspekte, die nicht von jeder- portieren zu können, Vernässungen sind mann ausschließlich positiv gesehen wer- die Folge; den. Ihre große Anpassungsfähigkeit erlaubt es den Tieren, auch in vom Menschen in- • sie bauen Drainageabflüsse zu, wodurch tensiv genutzten Landschaften Fuß zu fas- es ebenfalls zu teilweise großflächigen sen. Land- und Forstwirtschaft fühlen sich Vernässungen kommt; Abb. 10: Durch Biberarbeit entstandene Gewässerlandschaft. in manchen Biberrevieren beeinträchtigt, • bei Hochwasser graben sie Fluchtröhren in Schutzdämme; Dammbrüche sind zu befürchten; • sie bauen Dämme in Vorfluter von Klär- anlagen (der rasche Abfluss wird dadurch be- bzw. verhindert); • sie graben Rinnen und Röhren, auch un- ter Fahrwegen; • sie fressen Feldfriichte usw. Und das alles klingt für viele Menschen so, als wären Biber echte „Schadtiere", de- ren mehr als hundertjährige Abwesenheit durchaus positiv war! So erfreulich das Comeback des Bibers ist, eine Wiederansiedlung muss unter wis- senschaftlicher Kontrolle stehen, um - wenn nötig - rechtzeitig Managementent- scheidungen treffen zu können. © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Als erstes der von Bibern besiedelten Ist Koexistenz möglich? Bundesländer entschloss sich Niederöster- Natürlich - in Zukunft aber nur, wenn reich, ein Pilotprojekt „Bibermanagement" der Mensch lernt, von seinen angemaßten zu initiieren, das im Jahr 2002/03 bereits er- Nutzungsrechten Abstriche zu machen. folgreich arbeiten konnte. Wildtiermanagement und finanzielle Kom- pensation kann nur ein erster Schritt sein - Warum ist ein für die Zukunft ist Umdenken nötig. langfristiges Biber-Manage- ment notwendig? Wie viele Biber sind genug, um die Art in Österreich zu si- • Mit der weiteren Ausbreitung des Bibers chern? sind vermehrt Konfliktsituationen zu er- warten. Die Frage ist eher problematisch zu be- antworten. • Konflikte sollen nicht „in Eigenregie" von Betroffenen gelöst werden - man Wichtig erscheint mir, dass sich die Sub- muss einen Ansprechpartner haben und populationen in einigen optimalen Habita- sich mit den Problemen nicht allein ge- ten wie Donauauen stromabwärts von Wien, lassen fühlen. Tullner und Korneuburger Au (Gießgang), Marchauen, Inn- und Salzachauen ungestört • Der Ansprechpartner muss unabhängig weiter entwickeln können, und dass Wasser- und daher kein Behördenvertreter sein, wege zur Abwanderung der Subadulten offen muss aber den Weg zur Behörde kennen bleiben. Nur so kann es zu einem Zusammen- und ebnen. wachsen und genetischen Austausch der Bi- bergruppen in Mitteleuropa kommen. • Öffentlichkeitsarbeit kann den Biber zum Sympathieträger für Gewässerschutz und Eine Individuenzahl, bei der man an eine Gewässerrenaturierung machen. Dezimierung denken kann oder sogar muss, ist sicher noch nicht erreicht, kleinere Ein- • Konfliktlösungen sollen nicht nur theo- griffe in manchen Gebieten sind aber wahr- retisch sondern vor allem praktisch erar- scheinlich in absehbarer Zeit unvermeidlich. beitet und erprobt werden. • Diese und auch Präventionsmaßnahmen Was hat das erste Jahr müssen längerfristig beobachtet und be- Bibermanagement erreicht? wertet werden. Durch intensive PR-Arbeit (Telefon- • Ein erfolgreiches Biber-Management und persönlicher Kontakt, Versenden der kann Vorbild für ein allgemeines Wild- Biberbroschüre und des Bibermanagement- tier-Management werden. Folders, Interviews in Rundfunk und Fern- sehen, Teilnahme an Veranstaltungen, Arti- Wo können Biber kel in regionalen und überregionalen Zei- tungen) wurde das Projekt bzw. dessen Mit- in Österreich leben? arbeiter („Biberberater") in den vom Biber Überall, wo besiedelten Bezirkshauptmannschaften rela- tiv gut bekannt. • Gewässerlandschaften aus der Nutzung genommen und der Natur überlassen Daher konnten wir Kontakte mit der be- werden können, troffenen Bevölkerung aufnehmen und be- kamen Meldungen über Biber-Anwesen- • durch einfache technische Maßnahmen heit, Probleme unterschiedlicher Art, Fun- Konfliktsituationen minimert werden de von verendeten Tieren sowie Angebote können, zur aktiven Mitarbeit für den Biber. • tragbare finanzielle Kompensationsmög- Mit Hilfe von Informationsveranstaltun- lichkeiten für Schäden gefunden werden gen bzw. Biber-Führungen (auch im Rahmen können. des Nationalparks Donauauen, des Natur- © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Schutzbundes und des Distelvereins), konn- • die Betreuung/Beratung Betroffener und ten Schulklassen und Erwachsene unter- Interessierter; schiedlichen Alters erreicht werden. • die Beratung und aktive Mithilfe bei dro- Die Zusammenarbeit bzw. der Informa- henden bzw. eingetretenen Problemen; tionsaustausch mit Distelverein, National- • die Information über mögliche Inan- park Donauauen, Niederösterreichischer, spruchnahme von Förderungen (z.B. Oberösterreichischer, Kärtner und Sahbur- ÖPUL); ger Naturschutzbund, Niederösterreichi- scher Landesjagdverband, Niederösterrei- • die vertragsmäßige Sicherung betroffener chischer Fischereiverband, Niederösterrei- Flächen (Vertragsnaturschutz); chisches und Oberösterreichisches Landes- • die Steigerung der Akzeptanz des Bibers museum, Niederösterreichische Landesland- durch Information; wirtschaftskammer sowie diversen Abtei- lungen der Landesregierungen wurden initi- • die Dokumentation der Folgen der Biber- iert und/oder intensiviert. wiederansiedlung; • Schulung örtlicher Biberberater; Schließlich konnten ein guter Prozent- satz der Einzel-Problemfälle durch intensi- • Kooperation mit Behörden und Verbän- ven persönlichen Einsatz der so genannten den; „Biberberater" positiv gelöst werden und bei • Organisation der Öffentlichkeitsarbeit; den großräumigen Mensch-Biber-Konflikten wurde immerhin eine Gesprächsbasis mit • Entwicklung von Konzepten für Kon- den Betroffenen gefunden, die in absehbarer flikt-Begrenzung, Überwachung der Aus- Zeit zu zukunftsweisenden Ergebnissen (Ver- führung projektierter Maßnahmen, Er- tragsnaturschutz, ÖPUL-Förderung, forstli- folgskontrolle; che Förderungslösungen) führen sollte. • wissenschaftliche Begleitung des Projektes. Die Registrierung der eingegangenen Ziel des Projektes ist zwar einerseits die Meldungen bzw. die in größeren Gebieten direkte und unmittelbare Hilfe bei allen Ar- Niederösterreichs, in Oberösterreich und ten von Konflikten, andererseits müssen vor Salzburg durchgeführte Bestandeserhebung allem die großräumigen Lösungen (Extensi- zeigte schließlich, dass der Biber einerseits vierung von Land- und Forstwirtschaft) an- die Hochwässer des vergangenen Jahres zwar gepeilt werden. Nur so kann dem Biber eine gut überstanden hat, andererseits die Aus- Zukunft in unserem Land prognostiziert breitung der Art keineswegs „rasant" weiter- werden. geht, sondern eher die Tendenz zu dichterer Besiedlung der bereits etablierten Lebens- Danksagung räume besteht. Das führt zu vermehrten Re- vierauseinandersetzungen mit oft tödlichen Ich danke in erster Linie meinen Mitar- Folgen und häufigeren Straßenverkehrsop- beitern, die als Biberberater „in vorderster fern. Front" stehen: Dieter KALTENEGGER, Frank GRINSCHGL und Kurt MALICEK. Auch mei- Insgesamt ist ein deutliches Ansteigen nem langjährigen Freund und Mitstreiter des Interesses an der „neuen" Art Biber fest- der ersten Stunde Franz BRATTER, sowie Bar- zustellen, sowie eine Verbesserung des bara MERTIN, die großartige PR-Arbeit für Kenntnisstandes über Lebensweise und den Biber leistet, verdanke ich viel. Wichtigkeit des Bibers für Gewässerlebens- räume. Allerdings steigt auch in diversen, Natürlich müssen die Bestandskartierer, stark von Konflikten beeinträchtigten Ge- die viele Winterstunden im Freiland ver- bieten das Aggressionspotenzial gegen die brachten, erwähnt werden: Jürgen PLASS, Tiere. Hannes AUGUSTIN, Leopold SLOTTA-BACH- MAYR, Wolfgang VOGL und auch hier Dieter Sollte es hoffentlich möglich sein, die KALTENEGGER. Arbeit fortzusetzen und auf die übrigen „Bi- ber-Bundesländer" auszudehnen, wären fol- Nicht zuletzt war unsere Arbeit abhän- gende Aktivitäten vorrangig: gig vom Verständnis der NÖ-Landesregie- 10 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at rung, besonders Frau Landeshauptmann- Ökologie und Umweltforschung, Wien. 1-75. stellvertreterin Heidemaris ONODI, die eine SIEBER J. (1989): Biber in Oberösterreich. Eine ak- Finanzierung des Projektes ermöglichte. tuelle Bestandsaufnahme an Inn und Salzach. — Jb. OÖ. Mus. Ver. 134/1: 277-285. SIEBER J. (1990): Suboptimale Biberreviere in Literatur Niederösterreich. — Wiss. Mitt. Niederösterr. Landesmus. 7: 397-405. Allgemeine Literatur SIEBER J. (1995): Biber (Castor fiber): Mehrjährige CORBET G.B. (1978): The Mammals of the Palaearc- Ufernutzung durch eine Familie. — Ornith. tic Region. A Taxonomic Review. — Brit. Mu- Beob. 92: 335-337. seum, Cornell University Press, London Ithaca. SIEBER J. 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