WIE RESILIENT IST SAMBIAS DEMOKRATIE? Eine Bilanz ein Jahr nach dem Regierungswechsel

12 Pages·2022·0.142 MB·German

by  Fritz Kopsieker

ANALYSE
DEMOKRATIE UND MENSCHENRECHTE
Im Zuge einer in mehrfacher
Hinsicht beeindruckenden Wahl
im August 2021 wurde in Sam­
WIE RESILIENT
bia zum dritten Mal seit der Un­
abhängigkeit ein demokratischer
Regierungswechsel vollzogen.
IST SAMBIAS
DEMOKRATIE? Die neue Regierung unter Prä­
sident Hakainde Hichilema hat
umfangreiche Wahlversprechen
gemacht, deren Umsetzung
ein Jahr später größtenteils
Eine Bilanz ein Jahr nach dem Regierungswechsel noch auf sich warten lässt.
Diese Analyse zeigt, welche
Fritz Kopsieker Faktoren die Demokratie in
Oktober 2022 Sambia prägen und welche
Herausforderungen sich für die
weitere Entwicklung ergeben.
DEMOKRATIE UND MENSCHENRECHTE
WIE RESILIENT
IST SAMBIAS
DEMOKRATIE?
Eine Bilanz ein Jahr nach dem Regierungswechsel
Inhalt
1 DIE PRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN 2021 ............................... 2

2 DAS DEMOKRATISCHE UMFELD ................................................2

3 DIE BILANZ DER NEUEN REGIERUNG
NACH EINEM JAHR: IS BALLI FIXING IT? .............................. 3
4 DER KAMPF GEGEN DIE KORRUPTION .................................6

5 DER SOZIOKULTURELLE UNTERBAU:
FRIEDEN ÜBER ALLES? .....................................................................6

6 DIE WEITERE ENTWICKLUNG .......................................................7

7 SCHLUSSFOLGERUNGEN .................................................................7
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – WIE RESILIENT IST SAMBIAS DEMOKRATIE?
1. DIE PRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN 2021 Hichilema seinem Vorgänger zugesagt habe, ihn hinsicht­
lich möglicher korrupter bzw. krimineller Akte während sei­
Im August 2021 wurden Präsident Edgar Lungu und seine ner Amtszeit von einer Strafverfolgung zu verschonen. In­
seit zehn Jahren regierende Patriotic Front (PF) mit deutli­ wieweit diese Berichte zutreffen und welche Rolle die be­
cher Mehrheit abgewählt. Der neu gewählte Präsident Ha­ schriebenen Vorgänge beim Machtwechsel gespielt haben,
kainde Hichilema von der United Party for National De- lässt sich jedoch nicht verifizieren. Ex­Präsident Lungu hat
velopment (UPND) konnte 59,02 Prozent der Stimmen auf sich erst nach einigen Monaten zu seiner Ablösung geäu­
sich vereinen, Lungu hingegen nur 38,71 Prozent. Verant­ ßert und offenbart, dass enge Beraterkreise ihm empfohlen
wortlich für dieses Ergebnis waren im Wesentlichen die ho­ hätten, das Wahlergebnis nicht zu akzeptieren, er diese
he Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die von 56 auf rund Vorschläge aber abgelehnt hätte. Nach eigenen Angaben
70 Prozent gestiegene Wahlbeteiligung, insbesondere von begrüßte Lungu den Führungswechsel, weil die Bürger_in­
Frauen und jungen Wähler_innen, sowie ein weitgehend nen Sambias so den Unterschied zwischen seiner und der
reibungslos durchgeführter Urnengang. Diesem Regie­ neuen Regierung deutlich sehen könnten. Seine Rechnung,
rungswechsel vorangegangen waren Jahre des demokrati­ angesichts der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage
schen und wirtschaftlichen Verfalls. Bürgerliche Freiheiten durch diese Hinweise eine Welle der Sympathie für sich und
wurden durch die PF­Regierung zunehmend eingeschränkt, die PF auszulösen, ging allerdings nicht auf.
unter anderem durch einen Rückgriff auf das noch aus der
Kolonialzeit stammende Gesetz zur Inneren Sicherheit so­ Mit dem dritten Regierungswechsel seit Erlangen der Unab­
wie durch die selektive Anwendung von Corona­Schutz­Re­ hängigkeit wurde die Demokratie in Sambia weiter gestärkt.
gelungen zum Nachteil der Opposition. Medien und Zivil­ Neben den erwähnten Faktoren für den friedlichen Macht­
gesellschaft litten zunehmend unter einem Klima der Be­ wechsel waren im Hintergrund aber wohl auch zwei Feh­
drohung, auch weil sogenannte Parteikader der PF das leinschätzungen relevant: Die seit 2011 regierende PF wähn­
Recht oft in die eigene Hand nahmen, Menschen drangsa­ te sich siegessicher. Vor allem aufgrund der über unlautere
lierten und politisch motivierte Gewalt ausübten. Die Wirt­ Mittel erzielten Dominanz im Wahlkampf erschien den
schaft befand sich, vor allem aufgrund einer ungezügelten Machthabenden eine Niederlage ausgeschlossen. Es kann
Kreditaufnahme und verbreiteter Korruption, im freien Fall. vermutet werden, dass aufgrund dieser Fehleinschätzung
Mit den Parlaments­ und Präsidentschaftswahlen 2021 keine entschiedeneren Schritte zur Manipulation der Wahl
wurde in Sambia in bemerkenswerter Weise nach 1991 und unternommen wurden. Allerdings gibt es auch Stimmen, die
2011 zum dritten Mal seit der Unabhängigkeit ein friedli­ behaupten, eine elektronische Manipulation des Wahler­
cher und demokratischer Regierungswechsel vollzogen. gebnisses zugunsten der PF sei geplant gewesen und konn­
te nur durch den zeitweiligen und nicht vollständig aufge­
Der sambischen Wahlkommission wurde bei der Durch­ klärten Ausfall des Internets am Wahltag nicht ausgeführt
führung der letzten Wahlen eine gute Arbeit bescheinigt. werden. Die gleichen Stimmen behaupten auch, dass dieser
Nachdem es Ende 2020 noch eine größere Kontroverse Ausfall von außerhalb des Landes verursacht worden sei.
um die Aufstellung eines völlig neuen Wähler_innen­Ver­ Diese Einschätzung lässt sich jedoch nicht überprüfen, zu­
zeichnisses und die kurze Frist zur Registrierung gegeben mal andere Stimmen die abgewählte Regierung für die Stö­
hatte, verliefen die Wahlen im August 2021 weitgehend rung verantwortlich machen. Die zweite Fehleinschätzung
geordnet und friedlich. Die Wahlkommission konnte sich, lag augenscheinlich aufseiten der Opposition vor: Hakainde
vor allem durch die Unterstützung der Sicherheitskräfte, in Hichilema und die UPND hatten nicht wirklich an einen
ihrer neutralen Funktion behaupten. Informell wird berich­ Wahlerfolg geglaubt. Andernfalls wären einige Wahlver­
tet, dass sich das sambische Militär selbst zur Wahrung der sprechen wohl bescheidener ausgefallen und die Regie­
nationalen Sicherheit ins Spiel gebracht hatte und vom da­ rungsbildung wäre aufgrund besserer Vorbereitung zügiger
maligen Präsidenten Lungu vor der Wahl entsprechend und mit schnelleren Ergebnissen erfolgt. Das Vertrauen in
beauftragt wurde. Gleichzeitig soll die Armeeführung die neue Führung wäre zusätzlich gestärkt worden.
klargemacht haben, dass sie für die Aufrechterhaltung der
verfassungsmäßigen Ordnung einzutreten gedenke.
2. DAS DEMOKRATISCHE UMFELD
Eine wichtige Rolle beim friedlichen demokratischen Macht­
wechsel scheint ein Gespräch gespielt zu haben, welches Die erfolgreichen Wahlen 2021 und die daraus resultierende
kurz nach den Wahlen Sambias ehemaliger Präsident Rupi­ Stärkung der Demokratie in Sambia sind eingebettet in ein
ah Banda und der Leiter der Wahlbeobachtermission des politisches und gesellschaftliches Umfeld. Die politischen Par­
Commonwealth, der ehemalige tansanische Präsident Ja­ teien (an der Wahl hatten sich 16 Parteien beteiligt) lassen
kaya Kikwete, sowie der ehemalige Präsident Sierra Leones sich zumeist nicht in einem ideologischen Spektrum verorten,
Ernest Bai Koroma mit dem abgewählten Präsidenten Lun­ was zu einer Abwesenheit übergeordneter strategischer Ori­
gu geführt hatten. Nach inoffiziellen Berichten gelang es entierung und zu programmatischer Willkür beiträgt. Zahlrei­
den ehemaligen Präsidenten, Lungu in einem vertraulichen che bekannte Spitzenpolitiker – es handelt sich hier vor allem
Austausch davon zu überzeugen, dass ein Aufbegehren ge­ um Männer – wechselten aus Karrierestreben bereits wieder­
gen das Wahlergebnis besser zu unterbleiben hätte. Banda holt ihre Parteizugehörigkeit, um ihre persönliche politische
selbst war 2011 nach seiner Abwahl friedlich abgetreten. Relevanz je nach vermeintlicher Machtoption zu erhalten.
Zudem wird informell kolportiert, dass der neue Präsident Feste inhaltliche Positionen und Grundüberzeugungen sind
2
DIE BILANZ DER NEUEN REGIERUNGNACH EINEM JAHR
hingegen kaum anzutreffen oder spielen nur eine oberfläch­ stimmung gibt, fehlt es jedoch an aktivistischen Impulsen,
liche Rolle. So ist der politische Diskurs oft auf provokante Äu­ um der Kritik größere Wirkung zu verschaffen. Auch in
ßerungen und Nebensächlichkeiten fokussiert, was in der Be­ Sambia sind einflussreiche NGOs ein Elitenphänomen, und
richterstattung durch die Medien dankbar aufgegriffen wird. einigen ihrer Mitglieder wird vorgeworfen, das Auge auf
lukrative Posten im Staatsapparat zu werfen. Zudem führt
Eine nicht eindeutig einzuordnende Ausnahme bildet die die Abhängigkeit von Finanzierung aus dem Ausland bei ei­
Socialist Party des Medienunternehmers Fred M’membe. nigen Organisationen zu institutioneller Instabilität und
Parteiprogrammatik sowie Rhetorik und Auftreten des Vor­ zum Vorwurf, von westlichen Interessen gesteuert zu sein.
sitzenden (Mao­Mütze) lassen auf politische Positionen Die großen christlichen Kirchen treten in Sambia dezidiert
schließen, die dem Parteinamen gerecht werden. Zudem politisch auf. Besonders Vertreter_innen des Dachverbands
hatte die Partei im Vorfeld der letzten Wahlen auffällig vie­ Council of Churches in Zambia (CCZ) setzen sich immer
le junge und inhaltlich versierte Kandidat_innen in den wieder mit öffentlichen Stellungnahmen für Demokratie
Wahlkreisen aufgestellt. Doch auch M’membe hat bei ge­ und soziale Gerechtigkeit ein.
nauerem Hinsehen vor allem die eigene Karriere im Blick
und dafür die sozialistische Ideologie als politische Markt­ Die Gewerkschaftsbewegung spielte in Sambia historisch
nische in Sambia entdeckt. So wird M’membe als Eigentü­ durchgehend eine wichtige Rolle im nationalen Diskurs.
mer eines großen Verlagshauses vorgeworfen, gewerk­ Mit Frederick Chiluba wurde 1991 ein Gewerkschaftsfüh­
schaftsfeindlich und stets auf den persönlichen wirtschaft­ rer zum zweiten Präsidenten der Republik gewählt. Er lös­
lichen Vorteil bedacht zu agieren. Darüber hinaus fungiert te den Gründungspräsidenten und »Vater der Unabhän­
die Socialist Party nach dem jüngsten Regierungswechsel gigkeit«, Kenneth Kaunda (Amtszeit 1964–1991), ab.
und dem Niedergang der PF als Auffangbecken für Oppo­ Kaunda hatte zuvor seine 1973 eingeführte Ein­Partei­
sitionspolitiker_innen. Viele dieser Neuzugänge sind sicher en­Herrschaft aufgegeben und sich freien Wahlen gestellt.
keine Anhänger_innen des Sozialismus, sondern verspre­ Doch besonders die 2021 abgewählte PF­Regierung hatte
chen sich vielmehr einen Aufstieg, sobald die regierende in ihrer letzten Regierungsphase systematisch versucht, die
UPND ihren Kredit bei den Wähler_innen verspielt hat. Gewerkschaftsbewegung zu spalten und den regierungs­
kritisch auftretenden Generalsekretär des größten Dach­
Weder eine ausgeprägte parteiinterne Demokratie noch eine verbands Zambia Congress of Trade Unions (ZCTU) mit
Beitrag zahlende Mitgliederbasis gehören zur politischen Kul­ rund 450.000 Mitgliedern politisch mundtot zu machen.
tur Sambias. Mittel für Wahlkämpfe werden zumeist von so­ Aufgrund mangelnder interner Demokratie in vielen der
genannten »well wishers« eingesammelt, private Spender_in­ mittlerweile 58 Mitgliedsgewerkschaften sowie opportu­
nen, die vermutlich mehr als ideelle Interessen an einen Wahl­ nistischen Tendenzen innerhalb des ZCTU selbst war diese
sieg der von ihnen geförderten Partei knüpfen. Hinzu kom­ Strategie der PF­Regierung weitgehend von Erfolg ge­
men die Privatvermögen der Kandidat_innen. B esonders der krönt. So entstanden zahlreiche neue Gewerkschaften, bei
neu gewählte Präsident Hichilema gilt als erfolgreicher Ge­ denen es sich zumeist um Abspaltungen von bestehenden
schäftsmann. Nur vor diesem Hintergrund wird es ihm mög­ Organisationen oder um sogenannte »gelbe Gewerkschaf­
lich gewesen sein, Jahrzehnte in der Opposition zu verbrin­ ten« handelt. Die Führungsspitze des ZCTU war vor den
gen und insgesamt sechs Mal zu Wahlen anzutreten. Wahlen im August 2021 politisch weitgehend lahmgelegt.
Im nationalen Parlament Sambias – mit derzeit 92 Abgeord­ Die Medienlandschaft Sambias ist nur bedingt geeignet, ei­
neten der UPND, 57 der Opposition und 13 unabhängigen nen substanziellen gesellschaftlichen Diskurs zu unterstüt­
– herrschten bisher stets stabile Mehrheiten, jedoch unter­ zen. Der weitgehend gleichgeschalteten und dadurch als
halb der Zweidrittelmarge, die für eine Verfassungsände­ Sprachrohr der Regierung auftretenden Zambia National
rung benötigt würde. Zumeist wird anspruchsvoll und teils Broadcasting Corporation (ZNBC) stehen zahlreiche private
leidenschaftlich debattiert, ohne dass das Hohe Haus je­ Sender gegenüber, die vor allem aus kommerziellen Inter­
doch einen signifikanten Gegenpol zur Exekutive bilden essen betrieben werden. Nicht viel anders sieht es bei den
würde. Im Finanzkontrollausschuss (Public Accounts Com- Printmedien aus. Hinzu kommt, dass ein starkes Gehaltsge­
mittee) wird das Ausgabengebaren der Regierung und fälle zwischen staatlich betriebenen und privaten Medien­
staatlicher Institutionen größtenteils gewissenhaft und zeit­ häusern besteht. Die schlechte Bezahlung von Journalist_
nah durchleuchtet und verantwortliche Entscheidungsträ­ innen im Privatsektor sorgt für eine hohe Fluktuation und
ger_innen werden vorgeladen und befragt. Das Ergebnis ist Anfälligkeit der Pressevertreter_innen, gegen Bezahlung
dann ein Bericht dieses Ausschusses an den Präsidenten, gefällige Beiträge zu produzieren.
der oftmals ohne signifikante Konsequenzen bleibt.
Sambias Zivilgesellschaft ist vielfältig, zahlreiche Organisa­ 3. DIE BILANZ DER NEUEN REGIERUNG
tionen sind gut etabliert. Während sich vor allem die be­ NACH EINEM JAHR: IS BALLI FIXING IT?
kannten und international vernetzten NGOs immer wieder
für eine Stärkung der Demokratie einsetzen und das Regie­ Die seit September 2021 amtierende Regierung unter Prä­
rungshandeln kompetent kritisieren, bleibt unklar, inwie­ sident Hakainde Hichilema war als Koalition zwischen der
weit ihre Positionen in der breiteren Gesellschaft auf Reso­ UPND und kleineren Gruppierungen mit einer Vielzahl gro­
nanz treffen. Während es vermutlich zumeist breite Zu­ ßer Versprechen zur Wahl angetreten. Unter Verwendung
3
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – WIE RESILIENT IST SAMBIAS DEMOKRATIE?
des populären Spitznamens des neuen Präsidenten war pro Jahr aufgestockt. Mit diesem Schritt ist eine stärkere De­
»Balli will fix it« zum weit verbreiteten Wahlkampfslogan zentralisierung von Entwicklungsanstrengungen intendiert.
geworden. Zentrale Themen waren dabei die Wiederbele­ Die staatlichen Ressourcen sollen näher an die Menschen
bung der Wirtschaft, nebst Lösung der Verschuldungspro­ herangebracht werden. Problematisch scheint hier aller­
blematik, die Bekämpfung der Korruption und die Ab­ dings die aufgrund überforderter Institutionen häufig noch
schaffung des Systems gewaltbereiter Parteikader. nicht gegebene Absorptionsfähigkeit auf lokaler Ebene zu
sein, die zu Sorgen bezüglich parteipolitischer Einflussnah­
Zunächst entstand der Eindruck, dass Hichilema und seine me auf die Verwendung der Mittel und der Ausbreitung von
Koalition unter Führung der UPND von ihrem Wahlerfolg Korruption führt.
und dem relativ zügigen Abtreten Präsident Lungus über­
rascht wurden, sodass sich die Ernennung der neuen Regie­ Hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit scheint der Re­
rungsmannschaft über mehrere Monate hinzog. In der An­ gierungswechsel eher Rückschritte gebracht zu haben. Vor
fangsphase wurde zudem deutlich, dass die Entscheidungs­ dem Hintergrund einer großen Ungleichheit der Geschlech­
wege innerhalb der Koalition nicht eindeutig geregelt waren ter im Land sind die gesunkene Frauenquote im Kabinett
und Präsident Hichilema mit zahlreichen Begehrlichkeiten und die Abschaffung des Gender­Ministeriums besonders
seiner Koalitionspartner bezüglich der Postenvergabe kon­ kritisch anzumerken. Es wirkt ein wenig zynisch, dass Hi­
frontiert war. So bedurfte es einiger Zeit und interner Ab­ chilema noch kurz nach Amtsantritt verkündet hatte, er
stimmungsprozesse, bis die UPND ihre dominante Stellung hätte die Anliegen von Frauen »under my armpit«, also na­
behaupten und Hichilema sein Amt ohne Querschüsse sei­ he an seinem Herzen. Auch Hichilemas ablehnende Hal­
ner Koalitionäre ausüben konnte. Im Zuge der Übernahme tung gegenüber Homosexualität zeigt bereits zu Amtsbe­
der Regierungsgeschäfte wurde schnell deutlich, dass das ginn, dass die politische Öffnung nicht allen gilt. Hinzu
neue Team häufig nicht über ausreichend Erfahrung im Um­ kommt die nur schwache und zurückgegangene Repräsen­
gang mit dem Regierungsapparat verfügte. Mehrere Minis­ tanz von Frauen im Parlament. Der Rückgang des Frau­
ter_innen und Staatssekretär_innen waren aus der Privat­ enanteils unter den Abgeordneten von 16,6 Prozent (2016)
wirtschaft oder dem Parteiapparat rekrutiert worden und auf 12,8 Prozent verdeutlich den schweren Stand, den
hatten keine Erfahrung im Umgang mit der öffentlichen Frauen in der Gesellschaft sowie insbesondere innerhalb
Verwaltung. Hinzu kam, dass zahlreiche Ministerien als Re­ politischer Parteien weiterhin haben, sofern sie sich für hö­
sultat der zehnjährigen PF­Herrschaft augenscheinlich mit here Ämter interessieren bzw. bewerben. Vor diesem Hin­
Sympathisant_innen der abgewählten Regierung durchsetzt tergrund muss die fehlende Initiative der politischen Füh­
waren, die zunächst bemüht zu sein schienen, die neue Re­ rung deutlich kritisiert werden.
gierung auf administrativer Ebene scheitern zu lassen. Die
zügige Umsetzung von Reformvorhaben war daher mit Die wirtschaftliche Lage stellt eine große Herausforderung
zahlreichen Hindernissen versehen. für die neue Regierung dar. Eine weit verbreitete Misswirt­
schaft des vorangegangenen Regimes, welche an das aus
Erste merkliche Erfolge erzielte die UPND­Regierung mit der Südafrika bekannte State Capture erinnert, eine völlig aus
Bekämpfung der illegalen Praktiken von Parteikadern. dem Ruder gelaufene internationale Verschuldung, welche
PF­Anhänger_innen hatten zuvor jahrelang vor allem die Be­ schwierige Verhandlungen mit dem Internationalen Wäh­
treiber_innen von Sammeltaxis und Marktständen ausge­ rungsfonds (IWF) und den Kreditgebern – insbesondere
presst und so zahlreiche Bürger_innen verärgert und den China und privaten Gläubigern – erfordert, sowie die Aus­
Kommunen wichtige Einnahmen weggenommen. Das Prob­ wirkungen der Corona­Pandemie und schließlich des Uk­
lem ging so weit, dass selbst Polizist_innen der Willkür der raine­Kriegs bilden hier den Kontext. Die von der Vorgän­
Parteikader ausgesetzt waren. Präsident Hichilema machte gerregierung herbeigeführte schwierige Lage von zwei der
sich dieses Problem persönlich zu eigen, sorgte für eine ent­ größten Kupferminen des Landes beeinträchtigt zudem die
schiedene Bekämpfung und verhinderte, dass seine eigene Devisen­ und Steuereinnahmen und bedroht zahlreiche Ar­
Parteigefolgschaft, wie wohl vielfach angestrebt, in die Fuß­ beitsplätze. Hichilema hat hier unter anderem mit zügigen
stapfen der PF­Leute trat. Ein weiterer Erfolg wurde durch und erfolgreichen Verhandlungen mit dem IWF und der
die Einführung der gebührenfreien Sekundarschulbildung Gruppe der internationalen Gläubiger, einer Reform der
mit dem Inkrafttreten des Haushalts 2022 erreicht. Zwar Steuergesetzgebung im Bergbausektor sowie einer inter­
fehlt es in den Schulen weiterhin häufig an physischer Infra­ nationalen Werbekampagne um ausländische Direktinves­
struktur, doch gilt die Abschaffung von Gebühren und die titionen gegengesteuert.
Einstellung von mehr als 30.000 neuen Lehrkräften als wich­
tiger Meilenstein bei der Bekämpfung von Benachteiligung Nachdem die internationalen Gläubiger des Landes ihre
und der hohen Armutsrate von 59 Prozent. Hinzu kommt Bereitschaft zu einer Umschuldung signalisiert hatten, ge­
die Rekrutierung von mehr als 11.000 Pflegekräften. Aller­ nehmigte Ende August auch der IWF das beantragte Hilfs­
dings wird durch diese Schritte die unrealistische Erwartung paket, welches ein Darlehen von 1,3 Mrd. Dollar mit einer
genährt, dass der Staat das allgemeine Beschäftigungspro­ Auszahlung über drei Jahre beinhaltet. Die Auflagen des
blem des Landes durch Einstellungen lösen könnte. Positiv IWF wurden nur sukzessive bekannt und betreffen vor al­
wurde auch die massive Aufstockung der Finanzmittel für lem die Abschaffung von Subventionen für Kraftstoffe und
die lokale Ebene aufgenommen: Der Constituency Develop- Dünger. Zudem sollen die Strompreise marktgerecht ge­
ment Fund wurde von ca. 97.000 Euro auf ca. 1,5 Mio. Euro staltet werden, also steigen. Die Einstellung zehntausender
4
DIE BILANZ DER NEUEN REGIERUNGNACH EINEM JAHR
neuer Lehr­ und Pflegekräfte wurde allerdings nicht unter­ zeichen verdichten sich, dass auch die neue Regierung hier
bunden. Erste Schritte zum Subventionsabbau hatte die nicht zum Handeln bereit ist. Auch der über Jahrzehnte
Regierung bereits Anfang 2022 vollzogen und damit den von Oppositionsparteien wegen seiner repressiven Inhalte
Rückgang der hohen Inflation (22 Prozent)1 verlangsamt, kritisierte und vom Verfassungsgericht bereits teilweise als
die allerdings bis Mitte 2022 sukzessive auf einen einstelli­ verfassungswidrig eingestufte Public Order Act (POA) wur­
gen Wert gesenkt werden konnte. Nun wird erwartet, dass de bisher nicht reformiert. Allerdings hat das Justizministe­
der IWF­Kredit eine Ausschüttung weiterer Liquidität in die rium begonnen, Vorschläge für eine Reform des Gesetzes
sambische Wirtschaft begünstigt und das Wachstum wei­ entgegenzunehmen. Lediglich die Anwendung kontrover­
ter ankurbelt. Allerdings steht eine Einigung mit den aus­ ser Gesetze und das Fehlverhalten der Polizei gingen unter
ländischen Gläubigern des Landes zur Schuldenreduktion der UPND­Regierung merklich zurück. Hinzu kommt Hichi­
bzw. Umschuldung noch aus. Die Schaffung des neuen Mi- lemas Ankündigung, die Todesstrafe abschaffen zu wollen.
nistry for Green Economy and Environment weist in die
richtige Richtung, auch wenn hier bisher noch entschei­ Die überfälligen Reformen von Gesetzen könnten von der
dende Akzente fehlen. neuen Regierung mit einfacher Mehrheit durch das Parla­
ment gebracht werden. Auch eine Verfassungsreform wur­
Während sich die wirtschaftliche Entwicklung zu stabilisie­ de vor den Wahlen angekündigt, an der das Justizministe­
ren scheint und der IWF für 2022 eine Wachstumsrate von rium mittlerweile in Form eines entsprechenden Prozes­
3,1 Prozent prognostiziert,2 der Wert der Landeswährung sentwurfs arbeitet, was Zeit erfordert, damit das Vorhaben
auf bemerkenswert hohem Niveau verharrt und die Inflati­ nicht, wie wiederholt in der Vergangenheit, scheitert. In
onsrate laut der Bank of Zambia im Juli 2022 auf 9,8 Prozent der Öffentlichkeit wird jedoch immer öfter die Frage ge­
zurückgegangen ist,3 wurde Sambia aufgrund der Einkom­ stellt, warum bei den Gesetzesreformen besonders die low
mensentwicklung der vergangenen Jahre dennoch mit Wir­ hanging fruits nicht zügiger von der Regierung »geerntet«
kung ab 2023 von der Weltbank vom Status eines Lower werden. Nur gesetzlich verankerte Reformen und nicht et­
Middle Income Country zum Low Income Country zurückge­ wa eine ggf. nur vorübergehende Toleranz der Regierung
stuft.4 Mit einem Gini­Koeffizienten von 57,15 bleibt die Ein­ gegenüber Kritik stellen einen konkreten Fortschritt dar.6
kommensverteilung in Sambia zudem extrem ungleich.
Die neue Regierung hat mit großen Herausforderungen
Angesichts der Verhandlungen mit dem IWF beschuldigte hinsichtlich ihrer öffentlichen Kommunikation zu kämpfen.
die oppositionelle PF den Präsidenten wiederholt, das Land Häufig ist nicht klar, wer für das neue Team spricht: der
ausländischen (westlichen) Interessen auszuliefern. Auch die Sprecher des Präsidialamts, die Informationsministerin, der
Zustimmung Anfang März 2022 zur UN­Resolution, welche Sprecher oder der Generalsekretär der Regierungspartei
den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilte, wurde UPND oder einzelne Minister_innen und Staatsskeretär_in­
kritisiert. Insgesamt scheint die UPND­Regierung einen nen. Dies ist auch ein Zeichen dafür, dass es der neuen Füh­
westlich orientierten, wirtschaftsliberalen Kurs zu fahren, rung an Erfahrung und Vorbereitung fehlt. Die Pressekon­
dabei aber weiter gute Beziehungen zu China zu pflegen. ferenzen, die Präsident Hichilema gelegentlich persönlich
abhält, sind eine willkommene Entlastung der Regierung
Hinsichtlich angekündigter Gesetzesreformen ist die UP­ von öffentlichem Druck, können aber nur vorübergehend
ND­Regierung bisher deutlich hinter ihren Versprechungen Wirkung entfalten. Gleichzeitig scheint die neue Regierung
und den Erwartungen zurückgeblieben. So wurde weder häufig noch im Oppositionsmodus zu verharren. Zahlrei­
das Strafgesetz um den Tatbestand der Präsidentenbelei­ che, zumeist rein opportunistische Vorhaltungen der op­
dung bereinigt, noch wurde das von der Vorgängerregie­ positionellen PF werden bereitwillig aufgegriffen und mit
rung unter kontroversen Umständen verabschiedete Ge­ Rechtfertigungen erwidert. So entsteht ein eher unwürdi­
setz zur Cybersecurity zurückgenommen. Das sich seit ger verbaler Schlagabtausch über Nichtigkeiten, während
zwanzig Jahren in Vorbereitung befindliche Informations­ eine substanzielle politische Debatte kaum stattfindet. Die­
freiheitsgesetz wurde bisher, trotz anderslautender Wahl­ ses Verhalten der Regierung wirkt wenig souverän und
versprechen, nicht entschieden aufgegriffen und die An­ erodiert tendenziell das Vertrauen in die Führung, das Rich­
tige zu tun und Kurs zu halten. Obwohl die Belastung der
Bürger_innen durch die Kürzung von Subventionen für
Kraftstoffe und Dünger sowie die allgemeine Inflation wei­
1 Vgl. Weltbank (2021), https://data.worldbank.org/indicator/FP.CPI.
TOTL.ZG?locations=ZM (Zugriff 25.09.2022) terhin signifikant ist, scheint es der Regierung dennoch zu
2 Vgl. IWF (2022): Country Data Zambia, https://www.imf.org/en/ gelingen, erfolgreich für den Erhalt des durch die Wahl ge­
Countries/ZMB (Zugriff 25.09.2022) währten Vertrauens und für Geduld mit den eingeleiteten
3 Vgl. Trading Economics (2022): Zambia Inflation Rate, https://tradin­ Reformen zu werben. Allerdings mehren sich die Stimmen,
geconomics.com/zambia/inflation­cpi (Zugriff 25.09.2022)
die öffentlich schnellere Erfolge und spürbare Entlastungen
4 Vgl. Lusaka Times (2022): »World Bank has re­classified Zambia to
der Bürger_innen einfordern.
low income status from lower middle income« in: Lusaka Times,
9.7.2022, https://www.lusakatimes.com/2022/07/09/world­bank­
has­re­classified­zambia­to­low­income­status­from­lower­middle­
income/ (Zugriff 25.09.2022) 6 Eine insgesamt kritische Stellungnahme findet sich hier: Sishuwa Sis­
5 Letzter Weltbank­Wert aus dem Jahr 2015, vgl. Weltbank (2022): huwa (2022): »Zambia’s democracy is still under attack«, in: African
Gini Index, https://data.worldbank.org/indicator/SI.POV.GINI (Zugriff Arguments, 22.3.2022, https://africanarguments.org/2022/03/zam­
25.09.2022) bia­democracy­is­still­under­attack/ (Zugriff 25.09.2022)
5
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – WIE RESILIENT IST SAMBIAS DEMOKRATIE?
4. DER KAMPF GEGEN DIE KORRUPTION von nicht konkret genannten Schattenmächten nun suk­
zessive das Stehlen und Veruntreuen beigebracht bekä­
Der effektive Kampf gegen die Korruption war ein zentrales men. Tatsächlich hat es bereits kurz nach der Wahl Auffäl­
Wahlversprechen von Präsident Hichilema und seiner UPND ligkeiten im Beschaffungsgebaren der neuen Regierung
und neben der Geschlechtergerechtigkeit der zweite Be­ gegeben. Allerdings wurde erst im August 2022, fast ein
reich, den der neue Präsident »under my a rmpit« nehmen Jahr nach dem Regierungswechsel, ein Staatssekretär im
wollte. Dabei sollten vor allem Vergehen von Mitgliedern Gesundheitsministerium entlassen, weil er unter Korrupti­
der Regierung und Verwaltung im Zentrum stehen. Schon onsverdacht stand. Auch bei der vorgeschriebenen Offen­
kurz nach Amtsantritt der neuen Regierung beeilten sich die legung der Vermögensverhältnisse ließen sich die Abge­
einschlägigen Institutionen des Landes, die Antikorruptions­ ordneten und Kabinettsmitglieder der neuen Regierungs­
behörde sowie die Behörde zur Bekämpfung von Geldwä­ partei viel Zeit, sodass es wiederum fast ein Jahr gedauert
sche und organisierter Kriminalität, Vorladungen und Ver­ hat, bis die erforderlichen Angaben gemacht worden sind.
haftungen von Angehörigen der abgewählten Regierung Augenscheinlich zweifelhafte Angaben wurden bisher
und der PF vorzunehmen. Allerdings waren diese Aktionen nicht überprüft. Allerdings hat der neu ernannte Direktor
häufig wohl eher als Tätigkeitsnachweis bzw. Loyalitätsbe­ der Antikorruptionsbehörde hier eine Intervention ange­
kundung dieser Institutionen intendiert, weil sie unter der kündigt. Präsident Hichilema nimmt für sich in Anspruch,
abgewählten PF­Regierung praktisch versagt hatten. Infol­ im Kontext seiner Kandidatur für die Wahlen bereits vor­
gedessen schienen die Behörden dann oft vorschnell zu schriftsgemäß alle nötigen Angaben zu seinen Vermö­
agieren, ohne zuvor ausreichend ermittelt zu haben, sodass gensverhältnissen gemacht zu haben. Die Opposition und
es bisher nur zu einer einzigen Verurteilung einer höherge­ Teile der Zivilgesellschaft fordern allerdings eine Aktualisie­
stellten Persönlichkeit des alten Regimes gekommen ist. rung, die der Präsident bisher verweigerte.
Präsident Hichilema hat indes ein neues Gericht für Finanz­ Bisher bestehen wenig Zweifel daran, dass Präsident Hichile­
und Wirtschaftskriminalität ins Leben gerufen, um der gro­ ma den Kampf gegen die Korruption ernst meint und sich
ßen Zahl anhängiger Fälle beizukommen. Während dieser ihm verpflichtet fühlt. Der so häufig eingeforderte politische
Schritt allgemein als sinnvoll erachtet und begrüßt wird, Wille ist also bisher im höchsten Staats­ und Regierungsamt
fehlt es aber an wichtigen Ressourcen wie Personal und In­ vorhanden. Allerdings ist fraglich, inwieweit dieses Anliegen
frastruktur. Im Justizsystem des Landes scheint es außer­ von anderen Regierungsmitgliedern geteilt und aktiv mitge­
dem ein strukturelles Defizit zu geben. Die Leitung der Ge­ tragen wird und wie lange dieser Zustand anhält. Präsident
neralstaatsanwaltschaft, des Department of the Public Pro- Hichilema hat nach fast einem Jahr im Amt die Spitzen der
secutor (DPP), wird vom Präsidenten ernannt und genießt Antikorruptionsbehörde sowie der zentralen Strafverfol­
Security of Tenure, kann also nur im Zuge eines aufwendi­ gungsbehörde gegen Geldwäsche und organisierte Krimi­
gen Verfahrens aus dem Amt entfernt werden. Die in Sam­ nalität ausgetauscht. Zügige Erfolge bei Ermittlungen und
bia amtierende Chefin der Staatsanwaltschaft wurde vom Gerichtsverfahren, ein Vorgehen gehen Beschuldigte jed­
ehemaligen Präsidenten Lungu ernannt. Ihr wird vorge­ weder Parteizugehörigkeit und die Verabschiedung eines In­
worfen, Ermittlungen der Antikorruptionsbehörde sowie formationsfreiheitsgesetzes wären wichtige Schritte, um
anderer Strafverfolgungsbehörden gegen zentrale Figuren dem Kampf gegen Korruption in Sambia Legitimität und
der alten Regierung aus Loyalität gegenüber Ex­Präsident Glaubwürdigkeit zu verleihen. Anhand der Erfahrungen mit
Lungu torpediert zu haben. Allerdings ist fraglich, ob ein früheren Regierungswechseln ist allerdings zu befürchten,
vereinfachter Austausch der Spitze der Generalstaatsan­ dass sich der Fortlauf der Zeit nicht günstig auf den Reform­
waltschaft das Problem im Sinne einer politisch neutralen willen der Regierung auswirken wird.
Strafverfolgung lösen würde.
In der Summe ist kein übergreifender konzeptioneller bzw. 5. DER SOZIOKULTURELLE UNTERBAU:
strategischer Ansatz in der Korruptionsbekämpfung zu er­ FRIEDEN ÜBER ALLES?
kennen.7 In der Öffentlichkeit wird kritisiert, dass sich die
Ermittlungen und Vorladungen, besonders in der Anfangs­ In Debatten über die Resilienz der Demokratie Sambias fällt
phase, auf Angehörige des abgewählten Regimes und die auf, dass Sambier_innen grundlegenden kulturellen bzw.
Rückerstattung von gestohlenen oder veruntreuten Ver­ sozialpsychologischen Aspekten häufig eine wichtige Rolle
mögenswerten im Austausch gegen Straffreiheit zu kon­ zuweisen. Ein Jahr nach Amtsantritt wird der neuen Regie­
zentrieren schienen. Zudem wird auch hinsichtlich der neu­ rung augenscheinlich ein hohes Maß an Geduld und Tole­
en Regierungsmannschaft zunehmend Transparenz einge­ ranz entgegengebracht. So ist es durchaus möglich, dass
fordert, vor allem nachdem Präsident Hichilema selbst die Präsident Hichilema und seine UPND trotz einer etwaigen
Vermutung geäußert hatte, dass Mitglieder seines Teams enttäuschenden Bilanz bei den nächsten Wahlen im Jahr
2026 wieder gewinnen werden. Die Frage ist, ob die tradi­
tionelle Haltung des »give him another chance« oder Ab­
7 Vgl. hierzu: Mwenya Mofya (2022): »UPND doesn’t seem to under­ lehnung angesichts gebrochener Wahlversprechen über­
stand the full magnitude of corruption – Lifuka«, in: News Diggers!, wiegen wird. Sambier_innen bedienen selbst häufig das
29.3.2022, https://diggers.news/local/2022/03/29/upnd­ doesnt­
Narrativ einer eher friedliebenden und sanftmütigen Grund­
seem­to­understand­full­magnitude­of­corruption­lifuka/ (Zugriff
25.09.2022) haltung. Das vom »Vater der Unabhängigkeit«, Kenneth
6
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Kaunda, eingeführte nationale Motto »One Zambia, One Ebenso ist zu erwarten, dass weitere Fälle von Korruption
Nation« scheint weitreichend in der Gesellschaft zu verfan­ und Amtsmissbrauch auch bei prominenten Mitgliedern der
gen. Allerdings grenzt die erwähnte Geduld des Wahlvolks neuen Führung auftreten werden. Ferner kann nicht ausge­
mit seiner Regierung häufig an Apathie. Das allgemeine In­ schlossen werden, dass auch die UPND­Regierung autoritä­
teresse an Politik geht mit zunehmender zeitlicher Distanz re Verhaltensweisen entwickeln wird, sobald der Druck auf
zu den Wahlen deutlich zurück. Die Konzentration der Auf­ die Führung zunimmt. Die persönliche Glaubwürdigkeit von
merksamkeit auf den Erwerb des Lebensunterhalts und den Präsident Hichilema, der sich vor allem der Restauration de­
unmittelbaren sozialen Kontext hat Tradition. mokratischer Freiheiten und der Bekämpfung der Korrupti­
on verpflichtet hat – das vermutlich größte Kapital der neu­
In Sambia wird offen über gefälschte Wahlen gesprochen. en Regierung –, stünde dann auf dem Spiel.
Ehemalige Wahlkommissionen galten nicht als unabhängig.
Frühere Regierungen hätten sich angeblich wiederholt irre­ In Anbetracht der Erfahrungen mit der letzten PF­Regierung
gulär an der Macht gehalten, wobei der schwierige Weg, werden sich die Sambier_innen bei einem solchen Verlauf
Wahlergebnisse juristisch anzufechten, sowie die Geduld, von der neuen Führung abwenden und bei künftigen Wah­
Toleranz und Vorliebe für Stabilität unter der Bevölkerung len verstärkt der Opposition ihr Wohlwollen schenken. Da­
letztlich zur Akzeptanz des Betrugs geführt habe – ein eher bei ist dann eher unwichtig, wie diese Opposition beschaf­
problematischer Aspekt einer friedliebenden Kultur. fen ist. Die Alternative mit den größten Erfolgsaussichten
wird beim Verlust des Vertrauens in die amtierende Regie­
Als demokratiefördernd sind die gewachsene Landschaft rung die nächsten Wahlen gewinnen. Ob sie dann auch zur
an Institutionen und die vermeintliche Grundhaltung der Siegerin erklärt wird, steht auf einem anderen Blatt. Sofern
Bevölkerung anzuführen. Miteinander konkurrierende Par­ alles rechtmäßig zugeht, ist die erfolgreiche Abwahl einer
teien, ein gewähltes Parlament, eine agile Zivilgesellschaft, Regierung, die nicht den eigenen Versprechungen bzw. den
Gewerkschaften und Kirchen sowie freie Medien sind bei Erwartungen der Wähler_innen gerecht wird, in einer De­
allen Defiziten und Rückschlägen feste Bestandteile der mokratie ein üblicher Vorgang. Infolgedessen würde sich
sambischen Gesellschaft geworden. Die große Mehrzahl der Blick dann auf die vorhandenen Alternativen richten. Al­
der Sambier_innen schätzt diese Bestandteile. Allerdings lerdings ist der derzeitigen Opposition angesichts der
zeigt die Erfahrung im Land, dass diese Errungenschaften schwachen Bedeutung, die inhaltliche Positionen und wer­
gefährdet sind und besonders vonseiten der Regierenden tebasierte Fundierung bisher innerhalb des politischen Spit­
während ihrer zweiten Amtszeit unter Druck geraten. zenpersonals in Sambia innehaben, generell nicht viel zuzu­
trauen. Die weitgehend fluide Parteienlandschaft unter­
streicht dieses Bild. Dass eine solide Regierungsarbeit unter
6. DIE WEITERE ENTWICKLUNG guter Führung, mit entsprechender Kommunikation und
spürbaren Erfolgen für die Wähler_innen vermutlich zu einer
Sowohl die Wahlen im August 2021 als auch die bisher eher Stabilisierung und langfristigen Verbesserung der Gesamtsi­
durchwachsene Bilanz der Regierung unter Präsident Hichi­ tuation führen würde, ist eher keine Überraschung. Offen
lema haben weitreichende Folgen für die weitere Entwick­ bleiben hingegen Fragen nach der Grenze der Toleranz der
lung der Demokratie in Sambia. Die sambischen Wähler_in­ Bürger_innen und etwaigen neuen politischen Akteuren,
nen haben zum dritten Mal erlebt, dass ein demokratischer vor allem wenn diese Grenze überschritten wird.
Wechsel möglich ist und die Macht tatsächlich vom Volk
ausgehen kann. Derzeit erfährt die neue Regierung noch Als zentrale Restriktion bei der Erneuerung der politischen
weitgehend Geduld und Toleranz angesichts der tagtägli­ Landschaft und dem Aufbau einer breiteren Schicht von
chen wirtschaftlichen Belastung der Bürger_innen. Das kompetentem Führungspersonal gilt die starke Kommerzi­
Glücksgefühl über den Wechsel, welches vor allem durch alisierung der sambischen Politik. Die Erwartung zahlrei­
ein deutlich geringeres repressives politisches Klima nach­ cher Wähler_innen nach (Geld­)Geschenken von wahl­
wirkt, und die überschaubaren konkreten Verbesserungen kämpfenden Kandidat_innen und amtierenden Politiker_
sorgen noch für Wohlwollen gegenüber der neuen parla­ innen ist weit verbreitet. Viele Wähler_innen scheinen im
mentarischen Mehrheit und Staatsführung. Es ist aber zu er­ Kontext einer Wahl den unmittelbaren materiellen Vorteil
warten, dass die schwierige wirtschaftliche Lage, die sich in einem abstrakten Versprechen für ein besseres Leben in
drastisch gestiegenen Lebenshaltungskosten und einer an­ der Zukunft vorzuziehen. Diese »Kultur« bildet eine hohe
haltend hohen Arbeitslosigkeit 8 bzw. Unterbeschäftigung Hürde, besonders für junge Menschen, sich politisch zu be­
äußert, schon bald das Augenmerk auf die Diskrepanz zwi­ tätigen, und konterkariert den demokratischen Wettstreit
schen Wahlversprechen und Erwartungen sowie auf die von Personen und Ideen.
konkrete Situation ein Jahr nach dem Regierungswechsel
lenken wird. Die defizitäre öffentliche Kommunikation der
Regierung wird ihren Teil zu dieser Entwicklung beitragen. 7. SCHLUSSFOLGERUNGEN
Bei der Bewertung der Resilienz einer Demokratie ist an­
8 Laut Weltbank 13 Prozent im Jahr 2021, in der Realität, auch mit hand des Beispiels Sambia zunächst die Bedeutung gut or­
Blick auf den großen informellen Sektor, sicher höher. Vgl. Weltbank
ganisierter Wahlen zu nennen. Ein sauber durchgeführter
(2022): Unemployment, total – Zambia, https://data.worldbank.org/
indicator/SL.UEM.TOTL.ZS?locations=ZM (Zugriff 25.09.2022) Urnengang mit einer signifikanten Wahlbeteiligung und ei­
7
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG – WIE RESILIENT IST SAMBIAS DEMOKRATIE?
ner eindeutigen Mehrheit, die eine Manipulation des Er­ Stabilisierung der Wirtschaftslage auf Basis gesünderer öf­
gebnisses erschweren, ist von grundlegender Wichtigkeit. fentlicher Finanzen, um den Staat zu umfassenden und
In Sambia wird zudem häufig die demokratieschützende nachhaltigen Reformen zu befähigen. Ein augenscheinli­
Rolle der Armee betont. Sofern die zentralen Schaltstellen ches Defizit an politischem Aktivismus in der Gesellschaft,
der Wahlkommission vor einer direkten Intervention von besonders in größerer zeitlicher Distanz zu Wahlen, sollte
Angehörigen der Regierungspartei geschützt werden, nicht über die Grenzen von Geduld und Toleranz der Wäh­
steigt die Chance auf ein legitimes Ergebnis signifikant. Die ler_innen hinwegtäuschen. In Sambia ist aktuell zu beob­
Armee tritt in Sambia nur auf besondere Anforderung zur achten, dass die neue Regierung eventuell schon zu ver­
Gewährleistung der nationalen Sicherheit zur Unterstüt­ gessen droht, dass es die Wähler_innen waren, die ihr zur
zung der Polizei an. Auch wenn dies wohl nicht immer der Macht verholfen haben. So prognostizierte jüngst die stell­
Fall war, scheint es der Armeeführung leichter zu fallen, vertretende Generalsekretärin der UPND, dass die Sambi­
sich politischer Vereinnahmung zu entziehen und neutral er_innen es in Kürze sicher willkommen heißen würden,
zu bleiben. Welche Faktoren eine solche Haltung gewähr­ wenn Präsident Hichilema einen Ein­Parteien­Staat dekla­
leisten, ist jedoch kaum zuverlässig zu ermitteln. Hinzu rieren würde, schließlich sei er so erfolgreich – eine Aussa­
kommt bei Wahlen die Notwendigkeit eines effektiven ge, welche die Verdienste der neuen Regierung über­ und
Schutzes vor elektronischer Manipulation. Zudem werden die Resilienz von Sambias Demokratie sicher unterschätzt.
im Fall Sambias die direkte persönliche Einwirkung durch
drei ehemalige afrikanische Präsidenten auf den Wahlver­
lierer und die Zusicherung von Straffreiheit als wichtige Er­
folgsfaktoren genannt.9
Das Beispiel Sambia legt nahe, dass im Nachgang zu einer
Wahl eine zügige Umsetzung von versprochenen Refor­
men10, einschließlich eines effektiven Vorgehens gegen
Korruption, und eine versierte Informationspolitik, welche
die Lage und die Bemühungen der neuen Regierung kom­
petent vermittelt, eine stabilisierende Wirkung hätten. Im
Laufe der Zeit wäre es zudem förderlich für die weitere Ent­
wicklung der Demokratie, wenn sich inhaltlich bzw. ideolo­
gisch gefestigte politische Parteien herausbilden würden
und die Entwicklung politischen Führungspersonals weni­
ger am Geldvermögen der Kandidat_innen und mehr an
ihrer Kompetenz ausgerichtet wäre. Die Stärkung der Un­
abhängigkeit zentraler Institutionen, z. B. in der Judikative
oder bei der Korruptionsbekämpfung, müsste mit einer Re­
duktion der Machtfülle des Präsidenten korrelieren. Zudem
wäre es förderlich, wenn nicht nur politische Parteien, son­
dern auch zivilgesellschaftliche Organisationen, wie z. B.
Frauen­, Antikorruptions­ und Menschenrechtsorganisatio­
nen, tiefer in die Gesellschaft hineinreichen würden und in
ihr noch besser verankert wären. Auf diese Weise könnte
eine stabile und dauerhafte Basis für einen demokratischen
Diskurs geschaffen werden, die mit der tendenziell gedul­
digen und toleranten Grundhaltung des Wahlvolks korres­
pondiert und einen Missbrauch durch die Machthaber_in­
nen verhindert.
Diese Erkenntnisse scheinen nicht neu oder Sambia­spezi­
fisch zu sein. Die resultierenden Handlungsempfehlungen
umfassen die gesamte Bandbreite zur Förderung von De­
mokratie und guter politischer Führung. Ein solcher Prozess
erfordert Zeit und verschiedene Komponenten und Akteu­
re müssen ineinandergreifen. Dazu gehört sicher auch eine
9 Eine umfangreiche Analyse von Hichilemas Wahlerfolg findet sich
hier: Sishuwa Sishuwa/Nic Cheeseman (2021): »Ein Sieg im sechsten
Anlauf«, in: welt-sichten, 28.9.2021, https://www.welt­sichten.org/
artikel/39300/ein­sieg­im­sechsten­anlauf (Zugriff 25.09.2022)
10 Vgl. hierzu auch: »High Expectations of HH«, in: Africa Confidential,
Vol. 62, Nr. 20, 8.10.2021, S. 3.
8