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Werner von Blomberg : Hitlers erster Feldmarschall Eine Biographie PDF

305 Pages·2006·58.819 MB·German
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KIRSTIN A. SCHÄFER Werner von Blomberg Hitlers erster Feldmarschall Eine Biographie FERDINAND SCHONINGH PADERBORN • MÜNCHEN • WIEN • ZÜRICH Die Autorin: Kirstin A. Schäfer, Jahrgang 1973, Studium der Neueren Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie in Berlin. Stipendiatin am Deutschen Historischen Institut London und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Frankreich-Zentrum der TU Berlin. Titelbild: Hitler und Blomberg (vermutlich 1933), Postkarte, Familienarchiv von Blomberg, Rittergut Nienfeld. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibhografie (zugl. Freie Universität Berlin; Uni. Diss. 2003); detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlaggestaltung: Evelyn Ziegler, München Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier 0 ISO 9706 © 2006 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich ge schützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 13: 978-3-506-71391-9 -— "X ISBN 10:3-506-71391-4 Bayerische Staatsbibliothek München (V INHALT Geleitwort von HAGEN SCHULZE 7 Vorwort 9 Einleitung 11 I. DER WANDERER (1878-1929) 18 1. Kindheit und Jugend 18 2. Erster Weltkrieg und Nachkriegszeit 24 3. Abschied von den operativen Ideen der Schlieffen-Ara 31 4. Der erste Lehrer: Walther Reinhardt 35 5. Die »Junge Generation« 39 6. Vom Krieg der Zukunft 48 7. Die Abkehr von der Romantik: Chef der Heeresausbildungs abteilung (1925-1927) 52 8. Chef des Truppenamtes (1927-1929) 61 9. Die Sondergruppe R(ußland) 66 10. Das Studium der US-Armee (1930) 71 11. Der Verlust der Realität: Die Folgerungen aus den Studien des Truppenamtes 1928/29 75 12. Die erste Verdammung - Blombergs Sturz 1929 79 II. DER GENERAL »OHNE EIGENSCHAFTEN« (1930-1934) 84 1. Leben im militärischen Utopia - Wehrkreisbefehlshaber in Ostpreußen (1930-1933) 84 2. Erste Berührungen mit dem Nationalsozialismus 89 3. Die Genfer Abrüstungskonferenz: Die militärpolitische Realität 94 4. Von Hitler gerufen 97 5. Das Bündnis mit Hitler (1933) 100 6. Wehrhaftmachung 103 7. Reichenaus Herrschaft im Ministeramt 108 8. Die »unpolitische« Reichswehr wird beerdigt (1933/34) 111 9. Der »Herrscher der Seelen« 114 10. Zeit der Indoktrination 120 11. Diadochenkämpfe im Offizierkorps 126 12. Die Entmachtung der SA 1934 133 6 Inhaltsverzeichnis III. VERBÜNDETER SEINER TOTENGRÄBER (1934-1945) 146 1. Der Altar des Vaterlandes wird umdekoriert 146 2. Ein folgenschwerer Eid (1934) 151 3. Hitler spielt Vabanque - der Kriegsminister hat Bedenken .... 156 4. Ein kriegsunwilliger Kriegsminister? 160 5. Die Hoßbach-Niederschrift (1937) 167 6. Vor Sonnenuntergang: Die zweite Eheschließung (1938) 173 7. Die Geburt des Skandals: Die »Akte Gruhn« 180 8. Der Fall Fritsch 182 9. Das Komplott 183 10. Die zweite Verdammung (1938) 185 11. Die letzte Audienz bei Hitler 187 12. Die Rezeption der Blomberg-Affäre im Ausland 191 13. »Dulce et decorum est pro patria mori« 196 14. Rückzug (1938-1945) 199 IV. AGONIE UND TOD 206 Schlußbetrachtung 209 Anmerkungen 212 Quellen- und Literaturverzeichnis 267 Personenregister 288 Abbildungsnachweis 291 *** Bildteil nach S. 208 GELEITWORT von HAGEN SCHULZE Die Mitverantwortung der Reichswehr bei der Auflösung der Weimarer Repu blik und bei der Machtfestigung der Nationalsozialisten ab 1933 steht außer Fra ge. Aber weshalb hat sie von den politischen Institutionen Weimars so selbstbe wußt Abstand gehalten, um sich dann um so schneller von Hitler korrumpieren zu lassen? Die gängige Antwort auf diese Frage schrieb dem Militär lange Zeit zweckrationale Gründe für sein Handeln und Verhalten zu: Niemand habe die Durchbrechung der Schranken von Versailles und die »Wehrhaftmachung« des deutschen Volkes so überzeugend versprochen wie Hitler. Bis weit in den Zwei ten Weltkrieg hinein habe indes immer noch eine prinzipielle Distanz der Wehr macht zum NS-Regime bestanden, resultierend aus den preußischen Traditionen, aus dem Einfluß der Seeckt-Schule, durch die die führenden Militärs gegangen waren, und aus dem tradierten Selbstverständnis der deutschen Armee als eige ner »Staat im Staate«. Erst in jüngerer Zeit haben Historiker dieses Bild gründlich revidiert. Sie ha ben u.a. darauf verwiesen, daß die innere Homogenität der bewaffneten Macht schon in der Weimarer Zeit allenfalls ein Wunschbild war. Eine nähere Untersu chung der Gruppierungen innerhalb des Offizierkorps ist aber bisher nicht hin reichend geleistet worden. Vor allem fehlt die Untersuchung einer militärtechni schen und ideologischen Strömung im Reichswehr-Offizierkorps, die im zeitgenössischen militärischen Schrifttum als »Junge Generation« bezeichnet wurde. Sie knüpfte, ungeachtet der starken Restriktionen des Versailler Vertrags, an Clausewitz an, dachte den Volkskrieg, neigte zu romantisch-nationalistischen Vorstellungen und lehnte das kalt-rationale Kalkül des Chefs der Heeresleitung, Generaloberst Hans von Seeckt, ab. Während der Weimarer Zeit blieb diese Denkrichtung marginal, blühte aber unter Hitler auf, der den Traum des totalen Kriegs und dessen Vorbereitung möglich zu machen schien, auf - daß dies a prio ri ein gegenseitiges Mißverständnis war, ergibt sich bereits daraus, daß das mili tärische Vorbild der »Jungen Generation« nicht zuletzt die Rote Armee war. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Schule gehörte der spätere Reichskriegsmini ster Werner von Blomberg. Wenige der führenden deutschen Offiziere haben den Weg von Weimar zu Hit ler so konsequent beschritten wie Blomberg. Die Verfasserin geht der Karriere nach, die er auf diesem Weg gemacht hat: Zunächst Abteilungschef im Truppen amt, dann dessen Amtschef und damit für die operative Planung der Reichswehr zuständig, 1929 als Wehrkreisbefehlshaber in Ostpreußen kaltgestellt, weil seine hochfliegenden Ideen vom Einsatz von Massenheeren im Sinne einer levee en masse dem Kurs der politischen Führung der Reichswehr diametral widerspra chen. Dann die Begegnung mit Hitler, der Blomberg die »Wehrhaftmachung des 8 Geleitwort deutschen Volkes« versprach und ihn gleich nach der Machtergreifung zum Reichskriegsminister und Oberbefehlshaber der Wehrmacht machte. Ohne selbst Anhänger der NSDAP zu sein, ließ sich Blomberg, Befürworter einer großange legten Aufrüstung, doch von Hitler um den Finger wickeln. Blombergs »Zwei- Säulen-Theorie« hatte einen autoritären Staat zum Ziel, der auf den gleichberech tigten Fundamenten von Wehrmacht und Partei ruhte, und er glaubte, wie sich zeigen sollte, irrtümlich, daß auch Hitler dieses Ziel einer »Gewaltenteilung« ver folgte. Die Verfasserin zeichnet den Aufstieg Blombergs ebenso differenziert und überzeugend nach wie seinen Abstieg und Sturz. 1936 von Hitler an dessen Ge burtstag zum Generalfeldmarschall erhoben begann schon bald darauf ein Pro zeß zunehmenden Ansehensverlustes, der im Februar 1938 in seiner Ablösung kulminierte. Die Verfasserin durchleuchtet diese Vorgänge, die, zusammen mit der gleichzeitig erfolgten Entlassung des Oberbefehlshabers des Heeres von Fritsch, eine völlige Neustrukturierung der Wehrmachtführung herbeiführten und den endgültigen Kurswechsel in Richtung auf einen bald zu führenden An griffskrieg bedeuteten, in einer bisher nicht erreichten Klarheit und Genauigkeit. Man mag sich fragen, ob angesichts der Breite des Themas »Reichswehr, Wehr macht und Nationalsozialismus« die Biographie eines einzelnen, wenn auch her ausragenden, Soldaten nicht zu kurz griffe; die Skepsis gegenüber der Biographie als geschichtswissenschaftlichem Genre ist in Deutschland, anders als beispiels weise in den angelsächsischen Ländern, weit verbreitet. Dagegen ist zu sagen, daß die Überbetonung strukturaler Faktoren und Zwänge die zentrale Frage nach der individuellen Verantwortlichkeit der Handelnden verfehlt. Wie das Licht eben so aus Wellen wie aus Quanten besteht, so besteht Geschichte zugleich aus Ab läufen wie auch aus Situationen, die jeweils eine Fülle möglicher Zukünfte in sich bergen, und in denen sich die Entscheidungsfreiheit und die Entscheidungsmög lichkeiten der Handelnden erweisen. Dieses Element der Freiheit und des Mög lichen, das erst politisch-historische Verantwortung begründet, gilt es inmitten der zwanghaften Strukturen aufzudecken, um Geschichte als Geschichte von Menschen für die Gegenwart bedeutsam werden zu lassen. Auch das ist es, was Kirstin Schäfers Buch leistet. Es ist sorgfältig auf breiter Quellenbasis aufgebaut, und ihr ist es zudem gelungen, neue, bislang ungenutz te Quellen heranzuziehen. Ihr Buch liefert zur militärischen und politischen Situation der Weimarer Republik und der Hitler-Jahre bis 1938 bemerkens werte Einsichten und Überlegungen; es ist spannend, kritisch und differenziert geschrieben, aber auch mit pointiertem Urteil. London, im Herbst 2004 Hagen Schulze VORWORT Du sollst Dir kein Bildnis machen! Wie oft kam dieser Satz in meine Gedanken, während ich dieses Buch schrieb, um ein Skelett historischer Fakten mit Leben zu überziehen. Je mehr ich mich dem Ende der Darstellung näherte, je fertiger die Analyse des Lebensweges des Generalfeldmarschalls von Blomberg schien, um so mehr Zweifel stiegen in mir auf, ob ich dem wirklichen Menschen gerecht werden kann - ob ich mich nicht täuschen ließ von dieser oder jener Tatsache, an dieser Stelle zu wenig verstand, an jener zu viel sah, hier versüßte, dort umdeu tete. Wie gerne hätte ich ihn so vieles gefragt. Einige wichtige Menschen (und ein Hund) mußten über Jahre hinweg diese und ähnliche Gedanken geduldig ertragen, wissend, daß sie nicht allein mit mir lebten, sondern gewissermaßen auch mit dem Schatten Blombergs, der einen gro ßen Teil von mir absorbierte. Dieses Buch hätte nicht entstehen können ohne ihr Verständnis und ihre Liebe. Meinen Eltern Hans-Heino und Renate Karla Schäfer gilt mein besonderer Dank: Sie gaben mir die Freiheit, mich selbst zu wählen. Ohne ihre Unterstüt zung und ihr Vertrauen in mich wäre das Entstehen dieser Arbeit unmöglich ge wesen. Meine Mutter hat zudem das gesamte Manuskript gelesen und kritisch und sachkundig bei der Redaktion des Textes geholfen. Ich danke meinem Lehrer und akademischen Vater Prof. Dr. Hagen Schulze, der mich auf meinem bisherigen Weg stets begleitete und förderte. Gleiches gilt natürlich für Prof. Dr. Etienne Francois. Ihm und seiner Frau Beate Francois dan ke ich für ihren freundschaftlichen Rat und viele angenehme Stunden, die nicht nur mit Diskussionen über den Inhalt dieses Buches gefüllt waren. Ohne meine Freunde hätte ich nicht die Kraft gehabt, dieses Buch zu schrei ben: Jene, die an mich glaubten, mir halfen, mich begleiteten, begeistert waren, denen es gelang, mit meinen Zweifeln und meiner Verzweiflung zu jonglieren, mich anhörten und zum lachen brachten. Ihre Treue war und ist alles: zu nennen sind Dr. Ilka Mehdorn, Irene von Mering, Dr. Karsten Plöger, Esther Quednau, Donna Strothmann, Dr. Thies Schulze und Charlotte Siebenrock. Während meiner Recherchen lernte ich wunderbare Menschen kennen, die der Arbeit allein dadurch Leben gaben, daß ich sie kennenlernen durfte. Ich denke vor allem an Dr. Peter von Blomberg und seine Lebensgefährtin Sigrid von Bu sse. Peter von Blomberg machte mir den Nachlaß seinen Großvaters sowie an dere persönliche Aufzeichnungen des Generals zugänglich, beantwortete meine unzähligen Fragen und war bereit, sich interessiert und äußerst kritisch mit dem Leben seines Großvaters - und somit mit einem Teil seiner eigenen Geschichte - auseinanderzusetzen. Mein Dank gilt auch Otto Freiherr von Blomberg, der mir sachkundig und hilfsbereit die Tore des Familienarchivs derer von Blomberg auf dem Rittergut Nienfeld öffnete; er gilt Dr. Andrea Bielmeier (München), die mir Einblick in den Briefwechsel ihres Großvaters mit ihrer Mutter Sybille gab und meine Suche nach dem »wahren Blomberg« mit Einfühlsamkeit und guter Kü- 10 Vorwort che versüßte. Ebenso danke ich Dorothee Keitel (München), die als einzige le bende Tochter des Kriegsministers eine wichtige Zeitzeugin und Gesprächspart nerin für mich war. Dem bemerkenswerten Fritz Tobias rechne ich hoch an, daß er mir Einblick in seine umfangreiche zeitgeschichtliche Sammlung in Hannover gewährte und seine Materialien und Forschungsergebnisse bereitwillig zur Ver fügung stellte. Potsdam, im Juli 2005 Kirstin Schäfer Der Mensch lebt nicht nur sein persönliches Leben als Einzelperson, sondern, bewußt oder unbewußt, auch das seiner Epoche und Zeitgenossenschaft Thomas Mann EINLEITUNG Im Januar 1938 erschien in der deutschen Presse ein Bild Werner von Blombergs - zu diesem Zeitpunkt deutscher Kriegsminister1 und somit Inbegriff des Krie gers in Hitlers Militärstaat. Die Fotografie zeigte den fast sechzigjährigen Gene ralfeldmarschall auf der Hochzeitsreise mit seiner jungen zweiten Frau bei einem Besuch im Leipziger Zoo, vor dem Affenkäfig.2 Gekleidet ist er in Zivil, am rech ten Arm führt er die Gattin, am linken trägt er ihre Handtasche. Die Veröffent lichung löste eine Welle des Spotts in den Kasernen und Kasinos über den »Gum milöwen« aus, wie Blomberg wegen seiner angeblichen Biegsamkeit gegenüber Hitler hinter vorgehaltener Hand genannt wurde. Es kam schlimmer: Ein Berli ner Polizist erkannte in der jungen Marschallin auf dem Foto ein Mädchen, das früher einmal in seiner Kartei als Prostituierte geführt worden war. Er meldete die Entdeckung weiter, eine Akte mit pornograpischen Aufnahmen von der neu en Frau von Blomberg tauchte auf. Eine Sittenaffäre war geboren, aus der der größte Skandal des Dritten Reiches wurde: Die noch heute von Legenden um rankte so genannte Blomberg-Fritsch-Krise3 endete im Fluidum von Gerüchten um ein Komplott gegen den Minister und mit dessen Sturz. Blomberg wurde binnen weniger Tage entlassen und von Hitler erst einmal ins Ausland »abser viert«. Er erschoß sich nicht, wie sein Marineadjutant es wütend verlangt hatte und wie der Ehrenkodex der Wehrmacht es nahegelegt hätte. Vielmehr ver schwand er völlig aus dem öffentlichen Leben. Er war aus den Höhen der Macht in die Tiefen der Verdammung gefallen, da er mit seiner Messalliance an einem neuralgischen Punkt der Geschichte des Dritten Reiches gegen den Ehrenkodex der militärischen Gesellschaft verstoßen und sich in ihrem Moralsystem schul dig gemacht hatte. Der Kult um den Kriegsminister verebbte, das Heer tilgte sei nen Namen aus den Ranglisten, die Zeitungen berichten fortan nicht mehr über ihn, seine Büsten und Bildnisse wurden entfernt und dem Vergessen übereignet - die Erinnerung an den Geächteten getilgt. Eine neuzeitliche damnatio memo- riae war über ihn verhängt worden.4 Das abrupte Ende der Karriere des Kriegsministers markierte das Ende aller Träume der preußisch-deutschen Militärelite, sie könne Politik und Kurs des Dritten Reiches entscheidend mitbestimmen: Das Amt des Reichskriegsministers wurde gestrichen. Hitler persönlich übernahm am 4. Februar 1938 den Oberbe fehl über die Wehrmacht, die er damit endgültig entmachtet hatte. Blomberg selbst durfte auch im Zweiten Weltkrieg nicht mehr in den Dienst zurückkehren, wor an er zerbrach - gehörte er doch als Offizier wilhelminischer Prägung zu jenem 12 Einleitung zentralen Typus deutscher Kulturgeschichte, für den Bernd Ulrich den Begriff »Willensmensch« geprägt hat.5 Das Horazsche Diktum des dulce et decorum est pro patria mori, jene folgenschwere Trias aus Disziplin, Gewalt- und Todesbe reitschaft, hatte er zutiefst verinnerlicht und zum Leitbild seiner Existenz erho ben. Verbittert über sein persönliches Schicksal, war er gezwungen die Entwick lung der Weltgeschichte aus der Abgeschiedenheit seines Exils in den bayerischen Bergen passiv, isoliert und gleichsam durch eine Glaswand zu betrachten. Der General, er selbst schreibt es, war »eingesargt und begraben«. Dort, im »Exil« schrieb er seine Memoiren, die bis heute unveröffentlicht sind.6 Blomberg zählte von 1933-1938 zu Hitlers engsten Vertrauten außerhalb der Partei und zu den einflußreichsten Bewunderern und Verbündeten des Diktators im militärischen Establishment; zudem hatte er, wie zu zeigen sein wird, eine wichtige symbolische Funktion bei der Erschaffung von Hitlers Mythos, der un trennbar verwoben war mit dem nationalsozialistischen Militärkult. Vor diesem Hintergrund und in einer Zeit anhaltender Popularität der Ge schichte des Dritten Reiches erstaunt die Tatsache, daß Blombergs Rolle als Wehr- und Kriegsminister in der Flut an Literatur, Filmen, TV-Sendungen zum Thema nur selten wirklich erhellend dargestellt wird, wenngleich er auf so vie len Bildern7 direkt an Hitlers Seite zu sehen ist. Als der bayerische Rundfunk 1984 eine zwölfteilige Fernsehsendung über »Hitlers Generale« ausstrahlte, wur den zahlreiche Angehörige von Generalen und Zeugen interviewt. Bei der Fami lie von Blomberg ist niemand gewesen. Die historische Substanz des Generalfeldmarschalls war zusammengeschmol zen auf die Geschichte vom »Marschall und der Hure«, die zum festen Bestand teil des Fundus von Geschichtsbildern wurde, aus dem man sich im Bedarfsfall immer wieder bedienen konnte. Der Schriftsteller Hans Hellmut Kirst wußte um den Wert des Erfolgsrezeptes der brisanten Mischung aus Intrigen, Sex und Skan dal und verarbeitete den Blomberg-Stoff zu einem Roman {Generalsaffären), der in Kürze eine Weltauflage von 5 Millionen Exemplaren erreichte.8 Auch heute noch beginnen die Erinnerung an den »Marschall und die Hure« gelegentlich er neut zu moussieren, wie jüngst die Bild am Sonntag bewies, indem sie unter dem Titel »Pornoskandal - deshalb stürzte Hitlers Kriegsminister« erstmals mit den Aufnahmen Margarethe von Blombergs aus dem Jahre 1932 aufzuwarten ver stand, die für den Minister verhängnisvoll und für die deutsche Militärgeschich te folgenschwer waren.9 Um das, was man vielleicht den »wahren Blomberg« nennen möchte, blieb es jedoch still. Die wissenschaftliche Bewertung des Generalfeldmarschalls blieb dem Verdikt jener damnatio memoriae verhaftet, das 1938 über ihn verhängt wor den war. Zuweilen wurde in der Literatur in Bezug auf die Ereignisse von 193 8 sogar nur von einer Fritsch-Krise gesprochen.10 So entstand bisher keine (wis senschaftlich fundierte) Biographie über ihn und wesentliche Fragen um seine hi - storische Rolle und Persönlichkeit blieben offen." Historische Individuen aber unterliegen den Gesetzen von Erinnern und Ver gessen12, jenen Schwestern, die zu allen Zeiten eine wichtige Funktion für den Transport und die Legitimation von Geschichtsbildern hatten. Zu einer Biogra phie über Hitlers Kriegsminister gehört, immer auch nach seiner Legende zu fra -

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