Springer-Lehrbuch B. Ilschner • R. F. Singer Werkstoffwissenschaften und Fertigungstechnik Eigenschaften, Vorgänge, Technologien 5., neu bearbeitete Auflage Mit 235 Abbildungen und 31 Tabellen 1 3 Professor Dr. Dr.-Ing E.h. Bernhard Ilschner† Professor Dr.-Ing. Robert F. Singer Prof. em. der Eidgenössischen Technischen Universität Erlangen-Nürnberg Hochschule Lausanne, Schweiz Institut für Werkstoffwissenschaften Martensstr. 5 91058 Erlangen Deutschland [email protected] ISSN 0937-7433 ISBN 978-3-642-01733-9 e-ISBN 978-3-642-01734-6 DOI 10.1007/978-3-642-01734-6 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1982, 1990, 2002, 2005, 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. 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Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com) Vorwort zur 5. Auflage Im Januar 2006 ist Bernhard Ilschner, der dieses Lehrbuch konzipiert hat, in Lausanne verstorben. Die Nachricht wurde in der Fachwelt, und insbesondere unter seinen zahlreichen Schülern in Deutschland und aller Welt, mit großer Trauer aufgenom- men. Bernhard Ilschner war ein Mitbegründer der Werkstoffwissenschaften vor etwa 40 Jahren, als sich dieses neue Fachgebiet aus der traditionellen Metallkunde heraus zu entwickeln begann. Die neue Disziplin zeichnete sich insbesondere durch eine Durchdringung traditioneller Inhalte im Sinne der naturwissenschaftlichen Grund- lagen aus. Als gelerntem theoretischen Physiker lag Bernhard Ilschner eine solche Denkweise natürlich nahe. Dazu kam, dass er durch seine Zeit in der Industrie, ins- besondere bei Krupp, mit der Leistungsfähigkeit der modernen Industrieforschung bestens vertraut war. Ihm war bewusst, welche großartigen technischen Entwicklun- gen hier gelungen waren und welche Dynamik man für die Zukunft noch erwarten durfte. Ganz entscheidende Beiträge zur Gestaltung des neuen Fachs kamen aus den Vereinigten Staaten. Northwestern University, in der Nähe von Chicago, war die erste Universität, die ein „Department of Materials Science“ einrichtete; MIT und Stanford waren andere Schwerpunkte. Bernhard Ilschner, mit seiner herausra- genden Sprachbegabung, seiner Freude an fremden Kulturen, seiner Fähigkeit auf Menschen zuzugehen und sie zu gewinnen, wurde bei den amerikanischen Kollegen begeistert aufgenommen und stand in ganz besonderem Ansehen. Bei dem Sympo- sium zum Gedenken an Bernhard Ilschner im Herbst 2007 anlässlich der Euromat in Nürnberg wurde dies einmal mehr deutlich sichtbar. In der vorliegenden 5. Auflage wurden vor allem die Kapitel neu gestaltet, die sich mit dem Mikrogefüge und seiner Veränderung im Zuge der Herstellung und Verarbeitung der Werkstoffe befassen. Während zu Beginn der Entwicklung des Fachgebietes die Beziehung zwischen Struktur und Eigenschaften eindeutig im Vordergrund stand, ist seit einiger Zeit eine Zunahme des Interesses an der „zweiten Seite der Medaille“, der Beziehung zwischen Prozess und Struktur festzustellen. Entsprechend wurden in den letzten Jahren auch große Fortschritte im grundleg- enden Verständnis gemacht, beispielsweise was die Entstehung der Gefüge angeht, die beim Erstarren von Schmelzen entstehen, also beim Gießen, Schweißen, Löten. Die Einstellung der Mikrostruktur ist natürlich gerade auch für die Fertigungstech- nik ein wichtiger Aspekt und hier liegt nach wie vor der entscheidende Beitrag der Werkstofftechnik zur industriellen Wertschöpfung. v vi Vorwort zur 5. Auflage Im Zuge der Neuauflage wurden auch die einführenden Abschnitte zu Fragen der Rohstoffversorgung, Nachhaltigkeit und Umweltbelastung überarbeitet. Es war für mich erstaunlich, wie klar Bernhard Ilschner die Bedeutung dieser Themen bereits vor 30 Jahren erkannt hat. Andrerseits haben nicht zuletzt die euphorischen Auf- schwünge der Wirtschaft und das Versinken in der Finanzkrise in den letzten Jahren gezeigt, wie schwierig es ist, in diesem Bereich Prognosen abzugeben. An dieser Stelle möchte ich mich noch bei zwei Personen herzlich bedanken, die mich bei der Überarbeitung entscheidend unterstützt haben: Zuallererst bei Herrn Dipl.-Ing. Peter Randelzhofer, der die meisten Zeichnungen angefertigt hat und dem ich zahlreiche Anregungen verdanke, auch aus seiner Erfahrung im Praktikum. Weiterhin gilt mein Dank Frau Dipl.-Ing. Helga Hussy, die vor allem um die For- matierung des Manuskripts bemüht war, was sich einfach anhört, aber als komplexe Aufgabe erweist. Im Vordergrund der materialwissenschaftlichen Betrachtung steht das Mikroge- füge. Diesem Gedanken versucht das neue Umschlagsbild Rechnung zu tragen, das in Kap. 3 erklärt wird. Die Vorlage stammt von Professor Günter Petzow, dem ich an dieser Stelle ebenfalls meinen Dank ausspreche. Erlangen, im August 2009 R. F. Singer Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Der junge Ingenieur, der heute in der Ausbildung steht und morgen dazu beitragen will, ebenso komplexe wie verantwortungsvolle Zukunftsaufgaben zu lösen, sieht sich immer stärker von Werkstoffproblemen umgeben, welches auch immer sein spezielles Arbeitsgebiet ist. Die traditionelle Weise des Konstruierens mit einem begrenzten Katalog bewährter Werkstoffe, das Ausgleichen unbekannter oder unzu- verlässiger Werkstoffkennwerte durch entsprechend kräftigere Bemessung von Querschnitten, die unbestrittene Verfügbarkeit von Rohstoffen und Energien wer- den mehr und mehr durch neue Leitbilder ersetzt. Extreme Anforderungen mögen zwar manchmal ein Ausdruck übersteigerten technischen Ehrgeizes sein, sind aber weit häufiger von den Zwängen einer engen und ärmer werdenden Welt diktiert. Sie erfordern völlig neue Werkstoffkonzeptio- nen für höchste Beanspruchungen, auch bei hohen Temperaturen und in einer von aggressiven Stoffen belasteten Umgebung. Das steigende Risiko, das aus der Durch- dringung unseres Daseins mit technischen Produkten folgt, setzt neue, strengere Maßstäbe für Begriffe wie Zuverlässigkeit oder Materialfehler. Der sich abzeich- nende Mangel an Rohstoffen und Energie ruft nach der Einsparung von Gewicht – die verbleibenden schlanken Querschnitte erfordern wiederum erhöhte Festigkeit. Und hinter allem technisch Wünschbaren steht ein immer schärferer Kostendruck: Jeder Aufwand, der nicht nachweisbar nötig ist, muss unterbleiben. Zweckgerichtete Vielfalt metallischer und nichtmetallischer Werkstoffe – opti- mierter Aufbau von Bauteilen durch Verbund verschiedener Materialien – engste Zusammenarbeit zwischen Konstruktion, Fertigungstechnik und Werkstoffentwick- lung – Vermeidung von fehlerhaften Teilen durch sorgfältig überwachte Herstel- lungsverfahren und genaueste Prüftechnik – Herabsetzung der Materialverluste aufgrund korrosiver Umwelteinflüsse: Dies alles sind Merkmale einer neuen, dyna- mischen Werkstofftechnik auf wissenschaftlicher Grundlage. Das vorliegende Lehrbuch will den Studenten darauf vorbereiten, diese Prob- lemlage zu erkennen, zu verstehen, und selbständige Lösungen zu finden. Es beruht auf einer Vorlesung, die seit 1965 für Studienanfänger der Werkstoffwissenschaften, des Chemieingenieurwesens und der Elektrotechnik gehalten wird. Das Buch setzt also keine speziellen Vorkenntnisse voraus. Bei dem gegebenen Umfang bedeutet das zugleich, dass es nicht den Lehrstoff bringen kann, dessen Beherrschung man von einem fertigen Diplomingenieur dieser Fachrichtung erwartet. vii viii Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Um „Zukunftssicherheit“ des Wissens zu vermitteln, wurde dem Verständnis der Eigenschaften sowie der Vorgänge, die sich bei der Herstellung und bei der Beans- pruchung eines Werkstoffes abspielen, der Vorrang gegeben vor der detaillierten Kenntnis der einzelnen Werkstoffe und ihrer Eigenschaften selbst. Damit soll die Bedeutung der praktischen Werkstoff- undVerfahrenskenntnisse für den späteren beruflichen Erfolg keineswegs herabgesetzt werden. Für das Hineinführen in die von ständig wechselnden Stoffsystemen und Verfahren geprägte Werkstofftechnik von heute und für die Ausbildung der Fähigkeit, unterschiedliche Elemente zu unkon- ventionellen Lösungen optimal zusammenzufügen, erscheint jedoch der naturwis- senschaftliche Ansatz nach wie vor am besten geeignet. Zahlreiche Hinweise auf die praktische Anwendung und auch auf deren volkswirtschaftliches Umfeld stellen den Kontakt zwischen Werkstoffwissenschaft und Technik her. Diese Ausrichtung bringt das Buch in die Mitte zwischen den Grundvorlesun- gen in Physik und Chemie einerseits, Konstruktionslehre und anderen technischen Einführungskursen andererseits. Reale Stoffe wie Stahl oder Glas, reale Anlagen wie Hochöfen oder Strangpressen bilden den einen Pol seines Inhalts – wichtige Abstraktionen wie Zweistoffsysteme oder atomare Raumgitter den anderen. Das Buch will ein Lehr-Buch sein, aber seine Leser sind keine Schüler mehr. Der Stil nimmt sich daher die nüchterne Sprache wissenschaftlicherVeröffentlichungen zum Vorbild. Der Didaktik dienen vor allem die Abbildungen und die grau unter- legten Hervorhebungen, Übersichten und Zusammenfassungen. Erlangen, im August 1981 B. Ilschner Inhaltsverzeichnis 1 Einordnung in allgemeine Zusammenhänge ...................... 1 1.1 Werkstoffe im Stoffkreislauf ................................ 1 1.1.1 Rohstoffversorgung ................................. 1 1.1.2 Verfolgung von Stoffflüssen. Substitution bei Mangel, Pufferfunktion von Lagern, Verlust durch Dissipation ....... 6 1.2 Recycling und Wiederverwendung ........................... 8 1.3 Werkstoffe und Energie .................................... 11 1.4 Umweltbelastung durch Werkstoffherstellung ................... 12 1.5 Was kosten Werkstoffe? .................................... 13 1.6 Werkstoffe und Kulturgeschichte ............................. 14 2 Werkstoffgruppen und Werkstoffeigenschaften ................... 19 2.1 Werkstoffgruppen ......................................... 19 2.2 Werkstoffeigenschaften .................................... 22 3 Das Mikrogefüge und seine Merkmale .......................... 25 3.1 Zielsetzung und Definition .................................. 25 3.2 Probenvorbereitung für Lichtmikroskopie ...................... 27 3.3 Das Lichtmikroskop ....................................... 28 3.4 Das Elektronenmikroskop .................................. 29 3.5 Der Elektronenstrahl in der Analyse .......................... 32 3.6 Quantitative Bildanalyse ................................... 35 3.7 Einteilung und Natur der mikroskopisch nachweisbaren Gefügebestandteile ........................................ 37 3.7.1 Körner ........................................... 37 3.7.2 Die dritte Dimension der Gefüge ....................... 39 3.7.3 Poren ............................................ 40 3.7.4 Einschlüsse ........................................ 40 3.7.5 Ausscheidungen und Dispersoide ...................... 40 3.7.6 Eutektische Gefüge ................................. 42 3.7.7 Martensit ......................................... 42 ix x Inhaltsverzeichnis 3.7.8 Versetzungen ..................................... 42 3.7.9 Zwillinge ........................................ 43 3.8 Ergänzende mikroskopische Verfahren ....................... 45 3.8.1 Akustische Mikroskopie ............................. 45 3.8.2 Tunneleffekt-Rastermikroskopie ...................... 46 3.8.3 Atomare Kraftmikroskopie ........................... 46 4 Gleichgewichte ............................................. 49 4.1 Zustände und Phasen. Gew.-% und At.-% ..................... 49 4.2 Stabilität von Zuständen ................................... 50 4.3 Kinetik der Umwandlungen ................................ 52 4.4 Thermodynamische Messgrößen ............................ 53 4.4.1 Wärmeinhalt und Enthalpie .......................... 53 4.4.2 Bildungswärme ................................... 57 4.4.3 Thermodynamisches Potenzial und Entropie ............. 58 4.5 Messverfahren .......................................... 59 4.5.1 Kalorimeter, thermische Analyse, DTA ................. 60 4.5.2 Dampfdruckmessung ............................... 63 4.5.3 Temperaturmessung ................................ 64 4.6 Zustandsdiagramme metallischer und keramischer Mehrstoffsysteme ........................................ 66 4.6.1 Vorbemerkung .................................... 66 4.6.2 Wie liest man ein Zustandsdiagramm? .................. 68 4.6.3 Das Zustandsdiagramm Fe–C ........................ 73 4.6.4 Zustandsdiagramme ternärer Systeme .................. 75 4.7 Ellingham-Richardson-Diagramme .......................... 77 5 A tomare Bindung und Struktur der Materie .................... 81 5.1 Gase .................................................. 81 5.2 Bindungskräfte in kondensierten Phasen ...................... 82 5.3 Schmelzen und Gläser .................................... 85 5.4 Kristalle ............................................... 88 5.4.1 Raumgitter und Elementarzellen ...................... 88 5.4.2 Wichtige Gittertypen ............................... 92 5.4.3 Gitterfehlstellen ................................... 96 5.4.4 Thermische Ausdehnung ............................ 97 5.4.5 Experimentelle Untersuchung von Gitterstrukturen ....... 98 5.5 Lösungen und Mischkristalle ............................... 100 5.6 Hochpolymere Werkstoffe ................................. 102 5.6.1 Molekulare Grundstrukturen ......................... 102 5.6.2 Entwicklungsprinzipien makromolekularer Werkstoffe ..... 105 5.6.3 Thermoplaste, Duroplaste, Elastomere ................. 108 6 Diffusion. Atomare Platzwechsel ............................... 111 6.1 Diffusionsvorgänge ...................................... 111 6.1.1 Definition ........................................ 111 6.1.2 Mathematische Beschreibung ........................ 112 Inhaltsverzeichnis xi 6.1.3 Lösungen der Diffusionsgleichung .................... 114 6.1.4 Schichtaufbau durch Diffusion ........................ 115 6.1.5 Abhängigkeit des Diffusionskoeffizienten. Thermische Aktivierung ....................................... 118 6.1.6 Diffusionsmechanismen ............................. 120 6.2 Andere Triebkräfte ....................................... 122 6.2.1 Ionenleitung ...................................... 122 6.2.2 Wärmeleitung ..................................... 123 7 Zustandsänderungen und Phasenumwandlungen ................. 127 7.1 Systematik der Umwandlungen ............................. 127 7.2 Keimbildung (homogen und heterogen) ...................... 128 7.3 Verdampfung und Kondensation ............................ 132 7.4 Schmelzen und Erstarren .................................. 134 7.4.1 Wärmetransport ................................... 134 7.4.2 Umverteilung von Legierungselementen. Seigerungen ..... 135 7.4.3 Instabilität der Wachstumsfront. Dendriten .............. 139 7.4.4 Ausbildung der Kornstruktur. Einkristalle, Stängelkristalle, Polykristalle ......................... 143 7.4.5 Eutektische Erstarrung .............................. 145 7.4.6 Glasige Erstarrung ................................. 146 7.5 Diffusionsgesteuerte Umwandlung im festen Zustand ........... 149 7.5.1 Schichtwachstum (ebener Fall) ....................... 149 7.5.2 Ausscheidung aus übersättigten Mischkristallen .......... 151 7.5.3 Ausscheidung in aushärtbaren Aluminiumlegierungen ..... 155 7.5.4 Ausscheidung von Ferrit aus Austenit in Stählen. Eutektoider Zerfall ................................. 157 7.5.5 Spinodale Entmischung ............................. 160 7.6 Diffusionslose Umwandlung im festen Zustand. Martensit ........ 161 8 Vorgänge an Grenzflächen .................................... 165 8.1 Grenzflächenenergie ..................................... 165 8.2 Adsorption ............................................. 166 8.3 Wachstumsformen ....................................... 167 8.4 Benetzung. Kapillarität ................................... 168 8.5 Sintern. Konsolidieren von Pulvern .......................... 169 8.5.1 Treibende Kraft ................................... 169 8.5.2 Festphasensintern .................................. 171 8.5.3 Flüssigphasensintern ............................... 172 8.6 Kornwachstum .......................................... 173 8.7 Ostwald-Reifung ........................................ 175 9 Korrosion und Korrosionsschutz .............................. 179 9.1 Beispiele für Werkstoffschädigung. Definition ................. 179 9.2 Korrosion durch wässrige Lösungen ......................... 180 9.2.1 Elektrolyte ....................................... 180 9.2.2 Elektroden ....................................... 181