Eduardus Koenders Kira Weise Oliver Vogt Werkstoffe im Bauwesen Einführung für Bauingenieure und Architekten Werkstoffe im Bauwesen Eduardus Koenders · Kira Weise · Oliver Vogt Werkstoffe im Bauwesen Einführung für Bauingenieure und A rchitekten Eduardus Koenders Kira Weise Institut für Werkstoffe im Bauwesen Institut für Werkstoffe im Bauwesen Technische Universität Darmstadt Technische Universität Darmstadt Darmstadt, Deutschland Darmstadt, Deutschland Oliver Vogt Institut für Werkstoffe im Bauwesen Technische Universität Darmstadt Darmstadt, Deutschland ISBN 978-3-658-32215-1 ISBN 978-3-658-32216-8 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-32216-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail- lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Ralf Harms Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Vorwort Das Werk wurde als vorlesungsbegleitendes Skript für den Teil Baustoffkunde des Moduls „Werkstoffe im Bauwesen“ an der Technischen Universität Darmstadt verfasst. Die Veranstaltung ist als Pflichtmodul Bestandteil der Bachelorstudiengänge Bauingenieurwesen und Geodäsie, Umweltingenieurwissenschaften sowie Wirtschaftsingenieurwesen mit der technischen Fachrichtung Bauingenieurwesen. Das Buch richtet sich insbesondere an Studierende des Bau- und Umweltingenieurwesens, der Architektur sowie verwandten ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen. Es kann als vorlesungsbegleitendes Lernmedium sowie im Selbststudium verwendet werden und dient Baupraktikern als nützliches Nachschlagewerk. Die Mitautoren Koenders und Vogt danken Frau Weise für die Organisation und das enorme Engagement zur Realisierung dieses Werkes. Darmstadt Eduardus Koenders im Oktober 2020 Kira Weise Oliver Vogt Inhaltsverzeichnis 1 Beton 1 1.1 Mineralische Bindemittel 2 1.1.1 Klassifizierung von Bindemitteln 3 1.1.2 Gips 6 1.1.3 Kalk 15 1.1.3.1 Luftkalk 17 1.1.3.2 Hydraulischer Kalk 21 1.1.4 Zement 23 1.2 Gesteinskörnung 50 1.2.1 Einteilung 51 1.2.2 Korngruppe und Kornzusammensetzung 52 1.2.3 Wasseranspruch 60 1.2.4 Packungsdichte 61 1.2.5 Dichte und Porosität 62 1.2.6 Anforderungen 66 1.2.7 Konformitätsnachweis 77 1.3 Betonzusätze 77 1.3.1 Betonzusatzstoffe 78 1.3.2 Fasern 91 1.3.3 Betonzusatzmittel 92 1.3.4 Betonverflüssiger (BV) 94 1.3.5 Fließmittel (FM) 95 1.3.6 Luftporenbildner (LP) 99 1.3.7 Beschleuniger (BE) 101 1.3.8 Verzögerer (VZ) 102 1.3.9 Dichtungsmittel (DM) 103 1.4 Frischbeton 103 1.4.1 Abgrenzung zu Festbeton 104 1.4.2 Eigenschaften und Frischbetonprüfungen 105 1.4.3 Verarbeitbarkeit und Konsistenzklassen 106 1.4.4 Frischbetonrohdichte 116 1.4.5 Luftgehalt 117 1.4.6 Frischbetontemperatur 118 1.4.7 Zusätzliche Eigenschaften von SVB 120 1.4.8 Einbau und Verdichten des Betons 125 VIII Inhaltsverzeichnis 1.4.9 Nachbehandlung 129 1.5 Festbeton 132 1.5.1 Eigenschaften und Festbetonprüfungen 132 1.5.2 Festigkeit 133 1.5.3 Dichte und Wassereindringtiefe 149 1.5.4 Lastabhängige Formänderungen 151 1.5.5 Lastunabhängige Formänderungen 154 1.6 Expositionsklassen 157 1.7 Mischungsentwurf 172 1.7.1 Vorgehen zur Erstellung eines Mischungsentwurfes 173 1.7.2 Beispiel eines Mischungsentwurfs 188 1.8 Literatur (Kapitel 1) 196 2 Betonstahl und Korrosion 199 2.1 Herstellung von Stahl 201 2.2 Eigenschaften 205 2.3 Formgebung 208 2.4 Betonstahl 209 2.5 Korrosion von Stahl in Beton 211 2.6 Literatur (Kapitel 2) 216 3 Holz 217 3.1 Aufbau und Zusammensetzung 218 3.2 Eigenschaften 221 3.2.1 Festigkeit und Versagensmechanismus 222 3.2.2 Holzfeuchte, Schwinden und Quellen 225 3.2.3 Verformungsverhalten 231 3.2.4 Schädlingsresistenz und Holzschutz 233 3.2.5 Brandverhalten 237 3.3 Holzwerkstoffe 238 3.3.1 Brettschichtholz 238 3.3.2 Steg- und Fachwerkträger 239 3.3.3 Sperrholz 240 3.3.4 Strang- und Flachpressplatten 242 3.3.5 Holzfaserplatten 242 3.4 Literatur (Kapitel 3) 243 Inh altsverzeichnis IX 4 Kunststoffe 245 4.1 Herstellung von Kunststoffen 246 4.1.1 Polymerisation 247 4.1.2 Polykondensation 248 4.1.3 Polyaddition 248 4.1.4 Molekulare Kräfte 249 4.2 Kunststoffarten 253 4.2.1 Thermoplaste 253 4.2.2 Duroplaste 255 4.2.3 Elastomere 256 4.3 Eigenschaften von Kunststoffen 257 4.4 Fertigungsverfahren 258 4.5 Literatur (Kapitel 4) 260 1 Beton Bereits vor 7000 Jahren wurden erste betonähnliche Kompositbaustoffe (Verbundwerkstoffe) eingesetzt, wobei das vorteilhafte Zusammenfügen von Gesteinskörnung und Bindemittel vermutlich zufällig entdeckt wurde. An der Grenze zwischen dem heutigen Rumänien und Serbien wurden Überreste einer Zivilisation aufgefunden, die schon um ca. 5000 v. Chr. die Fußböden ihrer Hütten mit einer Art Mörtel ausstatteten. Der Weg bis zum heutigen Beton nahm seinen Ursprung um etwa 300 v.Chr. bei den Griechen in Süditalien. Sie bauten zwei Wände aus Natursteinen, zwischen die sie kleine und große Bruchsteine füllten und verdichteten. Darüber wurde ein Kalkmörtel gegossen, der die Materialien fest miteinander verband. Bernard Forest de Bèlidor, ein Bauingenieur aus Frankreich, beschrieb im 18. Jahrhundert eine Art Grobmörtel, aus Gesteinskörnung und hydraulischem Kalk, als „bèton“ und prägte somit den Namen dieses Baustoffes. [1] Beton ist ein Baustoff, der durch Mischen von Zement, grober und feiner Gesteinskörnung und Wasser, mit oder ohne Zugabe von Zusatzmitteln und Zusatzstoffen oder Fasern, hergestellt wird und seine Eigenschaften durch Hydratation des Zements erhält. (DIN EN 206) Mörtel ist als Beton mit einem Größtkorn (D ) von 4 mm definiert. max (DIN EN 206) Beton und Mörtel sind bis heute die meist verwendeten Stoffe im Bauwesen und folglich für den Bauingenieur von besonderer Bedeutung. Das erste Kapitel dieses Vorlesungsskriptes dient der ausführlichen Beschreibung des Verbundwerkstoffs Beton. Hierzu werden in den nachfolgenden Kapiteln zunächst die Ausgangsstoffe erklärt. Sie umfassen neben dem Zugabewasser insbesondere das Bindemittel, die Gesteinskörnung und optional Zusatzstoffe und Zusatzmittel. Anschließend werden die Eigenschaften und Prüfverfahren von Frisch- und Festbeton erläutert. Das darauf folgende Kapitel dient der Beschreibung und Kategorisierung von Umwelteinflüssen, denen Betonbauteile ausgesetzt sein können und die bei der Rezepturentwicklung des Betons anhand von Expositionsklassen berücksichtigt werden müssen. Das Vorgehen bei der Entwicklung der Betonzusammensetzung und die Berechnung der jeweiligen Anteile der Ausgangsstoffe, zum Erreichen von bestimmten Betoneigenschaften, werden im Kapitel Mischungsentwurf beschrieben. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Koenders et al., Werkstoffe im Bauwesen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32216-8_1 2 1 Beton 1.1 Mineralische Bindemittel Die ältesten Bindemittel, die zum Bauen verwendet wurden, waren vermutlich Ton und Lehm. Menschen errichteten Behausungen, wie beispielsweise Hütten, aus Ästen und füllten die entstandenen Zwischenräume mit nasser Erde. Dieses natürliche Bindemittel „erhärtet“ durch Austrocknung und ist im luftgetrockneten Zustand relativ robust. Im Unterschied zu Bindemitteln die ihre Festigkeit durch Trocknungsprozesse erlangen, läuft bei der Erhärtung von mineralischen Bindemitteln, die heutzutage im Bauwesen eingesetzt werden, meist ein chemischer Prozess ab. [1] Unter dem Begriff Bindemittel sind Stoffe zu verstehen, die primär dazu dienen, eine Vielzahl separater Partikel oder Fasern miteinander zu verbinden und auf diese Weise einen Teilchen- oder Faserverbundwerkstoff zu erzeugen. Dabei werden die Vorteile der jeweiligen Komponenten hinsichtlich eines spezifischen Anwendungszwecks miteinander kombiniert. Ein Beispiel für einen Verbundwerkstoff ist Beton. Das Bindemittel Zement reagiert mit dem Zugabewasser zu einer festen Bindemittelmatrix, dem sogenannten Zementstein. Dieser dient primär dazu, die Gesteinskörnung miteinander zu verbinden. Somit liegt ein Verbundwerkstoff, bestehend aus den Komponenten Gesteinskörnung und Zementstein vor. Dabei werden die Vorteile beider Komponenten in betontechnologischer und ökonomischer Hinsicht genutzt. Gesteinskörnung ist deutlich kostengünstiger als Zement und hat in der Regel einen höheren E-Modul, sodass Kräfte in einem Normalbeton hauptsächlich über das Gesteinsgerüst abgetragen werden. Der Zementstein wiederum dient nicht nur dem Zusammenhalt der Gesteinskörnung, sondern auch dazu, dem Beton einen erhöhten pH-Wert (>13) zu verleihen. Durch das alkalische Milieu wird die Stahlbewehrung im Beton vor Korrosion geschützt. Dieses Beispiel zeigt, dass die jeweiligen Vorteile unterschiedlicher Komponenten in einem Verbundwerkstoff durch den Einsatz von Bindemittel miteinander kombiniert und auf einen spezifischen Anwendungszweck hin abgestimmt werden können. Dieses Erfolgsrezept hat dazu geführt, dass Verbundwerkstoffe – gemessen an ihrer Baumasse und an ihren Bauvolumina – die heute weltweit meistverwendeten Baustoffe darstellen. Die Abgrenzung des Bindemittels vom klassischen Kleber erfolgt anhand von zwei wesentlichen Unterschieden: