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Welche Zukunft für den Sozialstaat?: Reformpolitik in Frankreich und Deutschland PDF

260 Pages·2004·9.132 MB·German
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Wolfgang Neumann (Hrsg.) Welche Zukunft fOr den Sozialstaat? wolfgang Neumann (Hrsg.) Welche Zukunft fOr den Sozialstaat? Reformpolitik in Frankreich und Deutschland I VS VERLAG FOR SOZIALWISSENSCHAFTEN + VS VERLAG FOR SOZIAlWlS5ENSCHAFTEN VS Verlag fUr Sozialwissenschaften Entstanden mit Beginn des Jahres 2004 aus den beiden Hausern LeskNBudrich und Westdeutscher Verlag. Die breite Basis fUr sozialwissenschaftliches Publizieren Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. dfi Deutsch Franz6sisches institut 1. Auflage September 2004 Aile Rechte vorbehalten © vs Verlag fUr Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004 Der VS Verlag fUr Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschUtzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fUr vervielfaltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dUrften. Umschlaggestaltung: KUnkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem papier ISBN-13: 978-3-322-80646-8 e-ISBN-13: 978-3-322-80645-1 DOl: 10.1007/978-3-322-80645-1 Inhalt Vorwort ...................................................................................................... 7 Wolfgang Neumann Einleitung . ....... ............ ................. ......... .................. .... ....... ......... ........ ....... 9 Bruno Palier Der Sozialversicherungsstaat in Noten: Herausforderungen und Reformansatze im Vergleich ...................................................................... 23 Mechthild Veil Zukunft der Alterssicherung: Rentenpolitik und Rentenreformen in Frankreich und Deutschland ...................................................................... 47 Ingo Bode Die Regulierung des Gesundheitssystems in Frankreich und Deutschland: Ahnliche Debatten, aber unterschiedliche Perspektiven ............ ..... ...... ..... 87 Wolfgang Neumann Beschaftigung und sozialer Zusamrnenhalt: ein Vergleich der Arbeitsmarktentwicklung und Arbeitsmarktpolitik in Frankreich und Deutschland ............................................................................................... 119 Pierre Concialdi Soziale Mindestsicherungen und Sozialhilfe: ein deutsch-franzosischer Vergleich .................................................................................................... 155 Jeanne Fagnani Schwestem oder entfemte Kusinen? Deutsche und franzosische Farnilienpolitik im Vergleich ..................................................................... 181 Arnaud Lechevalier Die Reform der Sozialsysteme in Deutschland und Frankreich: Vermeintliche und tatsachliche Herausforderungen flir die Zukunft ...... ... 205 Zu den Autoren ....... ......... ........ .... ......... .................. ................. ............. ..... 263 Vorwort Die Erweiterung und Vertiefung der Europaischen Union, ihre auBen- und si cherheitspolitische Positionierung, sind Herausforderungen in einer neuen Di mension - ebenso wie die Sicherung und Starkung des wirtschaftlichen Wachstums, die Bekampfung der Arbeitslosigkeit, die Suche nach neuen We gen sozialer Sicherung. Frankreich und Deutschland kommen bei der Bewaltigung dieser groBen Aufgaben eine zentrale Stellung zu. Mehr noch: Die Schaffung einer neuen bilateralen Dynamik, die sich in den Dienst einer handlungs- und wettbewerbs fahigen, einer sozialen und solidarischen Europaischen Union stellt - darin liegt in den kommenden lahren eine herausragende, gemeinsame Herausforde rung fUr die deutsch-franzosische Zusammenarbeit. Zur grenzUberschreitenden Klarung solcher gemeinsamer Zukunftsaufga ben hat das Deutsch-Franzosische Institut zusarnmen mit den drei Stiftungen Fondation Entente Franco Allemande, der Asko-Europastiftung und der Robert Bosch Stiftung die "Deutsch-Franzosische Zukunftswerkstatt" ins Leben geru fen. Sie bildete den Rahmen fUr vier Teilprojekte und hatte sich zum Ziel ge setzt, den deutsch-franzosischen Dialog tiber zentrale Zukunftsherausforderun gen zu befOrdem und wissenschaftlich zu begleiten. Neben der Zukunft des Sozialstaats wurden die Perspektiven der Wirt schaftspolitik und der Wissensgesellschaft von morgen sowie die Zukunft der Nationalstaaten in der europaischen Integration in deutsch-franzosischer Ver gleichsperspektive untersucht. Das Teilprojekt "Zukunft des Sozialstaats", dessen wichtigste Ergebnisse hier vorgelegt werden, wurde finanziell von der Fondation Entente Franco Al lemande unterstlitzt. Zur Klarung der zukunftsentscheidenden Frage nach ei nem neuen Contrat Social ftir das 21. lahrhundert beizutragen, erschien uns besonders wichtig. Umso mehr, als gerade in diesem Bereich weder der grenz tiberschreitende deutsch-franzosische Dialog noch die vergleichende Forschung ausreichend entwickelt sind. Dieser Befund erschien uns alarmierend, weil das weitere Zusammen wachsen der Wirtschafts- und Wahrungsunion eine deutlich verbesserte Ab stimmung tiber die jeweiligen Politiken sozialer Sicherung notwendiger denn je macht. 8 Vorwort Die Ergebnisse, die von deutschen und franzosischen Experten hier vor gelegt werden, sind wichtige Bausteine zum Vergleich und zur Verstiindigung tiber unsere sozialen Sicherungssysteme. Sie werden dazu beitragen, dass bis lang tiberwiegend nationale Fragestellungen der zuktinftigen sozialen Ent wicklung zusammen geftihrt und zum Gegenstand gemeinsamer Uberlegungen und Entscheidungen gemacht werden konnen. So kann deutlich gemacht wer den, dass die Entwicklungen in unseren Uindem unlosbar mit einander ver bunden sind und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Staaten erforderli cher denn je ist. Andre Bard, Minister a.D., Prasident der Fondation Entente Franco Allemande, StraBburg Wolfgang Neumann Einleitung Der Ubergang in das 21. Jahrhundert wird sich moglicherweise als Wende punkt einer wohlfahrts- und sozialstaatlichen Politik erweisen, die in bemer kenswerter Weise die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts gepragt hat. Mehr noch: Als ebenso verlasslicher wie unerlasslicher Garant gesellschaftlichen Zusammenhalts begrlindete der soziale Wohlfahrtsstaat nach dem Ende des 2. Weltkriegs eine neue Legitimationsbasis der Staaten. Die schrittweise Ausdeh nung des "Sozialen" auf nahezu alle Gesellschafts- und Politikbereiche bekam Epoche pragendes Gewicht. Die Vorstellung einer politisch zu garantierenden, umfassenden sozialen Sicherheit hat (seit der berlihmten Rede des amerikani schen Prasidenten Roosevelt 1934 bis weit in die zweite Halfte des vergange nen Jahrhunderts) einen "geradezu meteorhaften Aufstieg aus dem Nichts zu einem der Grundrechte der Menschen" (so der Nestor der Sozialstaatsfor schung Franz Xaver Kaufmann) genommen. In dieser historisch und gesellschaftspolitisch tiefen Verankerung liegt si cherlich ein Erklarungsgrund fUr das Beharrungsvermogen traditioneller sozi alstaatlicher Strukturen. Sie werden gerade in Deutschland und Frankreich mit ihren spezifischen Sozialversicherungssystemen durch rechtliche Ansprliche, die aus der Beitrags- und Versicherungspflicht resultieren noch zusatzlich sta bilisiert. Reformen oder gar der Abschied yom Sozialstaat des 20. Jahrhunderts gestalten sich aber auch deswegen so mtihevoll, weil die Geschichte des Wohl fahrtstaates tiber weite Strecken als erfolgreiche Phase der Inklusion erlebt wurde, in der eine standig erweiterte Einbindung von Gruppen und Individuen in eine wohlfahrtsstaatlich abgesicherte Gesellschaft mit wachsendem Zusam menhalt gelang. Das scheint zu Ende. Kein Tag an dem nicht die sozialen Sicherungssys teme fUr neue Schlagzeilen sorgen. Forderungen nach neuen "Grenzen", not wendigem "Umbau" oder unausweichlichem "Abbau" des Sozialstaats bestim men die Diskussion. Konkrete MaBnahmen wie die jtingsten Beschltisse im Gesundheitswesen in Deutschland seit Beginn des Jahres 2004 oder bei der Rente in Frankreich im Sommer 2003 fUhren zu erbitterten Auseinanderset zungen. Ein Reformvorschlag jagt den anderen. Auch wenn die Halbwertszeit vieler Meinungen und Vorschlage zu Recht oft nur wenige Tage betragt, so be steht jenseits "einer Metaphorik der Krise" ein sicherlich begrlindeter sozial- 10 Wolfgang Neumann staatlicher "Reform-Dauerstress". Denn die Probleme und Herausforderungen des sozialen W ohlfahrtsstaats haben ganz unzweifelhaft in den letzten Jahren eine neue QualWit erlangt. An erster Stelle ist dabei die Frage der Finanzierbarkeit der Systeme sozia ler Sicherheit zu nennen. Die Ursachen daflir sind vielfiiltiger Art: Zu schwa ches oder gar ruckHiufiges Wachstum und seine Folgen flir die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben flir Sozialschutz, d.h. zu geringes Steuer- und Beitragsaufkommen einerseits und steigende Ausgaben z.B. flir Arbeitslosig keit andererseits; die demografische Entwicklung mit einer sich offnenden Schere zwischen Steuer- und Beitragszahler einerseits und nicht mehr Er werbstlitigen mit steigender Lebenserwartung andererseits; weitere Erkla rungsgrunde flir die Finanzkrise des Sozialstaats sind sicherlich auch Gruppen egoismen und ihre Erfolge bei der Verteidigung von Besitzstanden, die Ineffi zienz von Organisationsstrukturen - urn nur einige zu nennen. Mit diesem Problembundel unmittelbar verknupft ist eine weitere groBe Herausforderung an den Sozialstaat, namlich das auBerordentlich problemati sche Spannungsfeld zwischen okonomischer Wettbewerbsfahigkeit, Schaffung oder Erhalt von Arbeitsplatzen unter Globalisierungsbedingungen verbunden mit einem vergleichsweise hohen sozialen Sicherungsniveau. Besonders in diesem Kontext wird auch deutlich, dass ein entscheidender Faktor der konkreten Problemstellungen (und ihrer haufig unzureichenden Lo sungsmoglichkeiten) in der jeweiligen spezifischen Ausgestaltung des Sozial staates selbst liegt. So ist beispielsweise in Sozialsystemen wie in Deutschland und Frankreich, die (immer noch) weitgehend durch Beitrage aus Arbeitsein kommen finanziert werden, eine unmittelbare Folge stagnierenden Wachstums und hoher Arbeitslosigkeit die zunehmende Belastung der Arbeitskosten durch Sozialabgaben, eine Herausforderung, die gleichsam "automatisch" durch die institutionelle Spezifik betragsfinanzierter Systeme erzeugt wird. In diesen Rahmen okonomischer und finanzieller Herausforderungen und Probleme, die durch die institutionelle Architektur der sozialen Sicherung in Deutschland und Frankreich in ganz besonderer Weise verscharft werden, ge hort auch eine neue soziale und legitimatorische Krise des Sozialstaats. Sie lasst sich zusammenfassend so charakterisieren: Die strukturellen und offen sichtlich dauerhaften Probleme fur spezifische Gruppen auf dem Arbeitsmarkt, die Zunahme prekarer Arbeits- und in Folge davon auch W ohn- und Lebens bedingungen fuhren zu sozialen Spaltungstendenzen in der Gesellschaft und drohen zu einem dauerhaften gesellschaftlichen Ausgrenzungsprozess flir diese Gruppen zu flihren. Denn in einem System, in dem der Zugang zu Sozialleis tungen weitgehend darauf beruht einen Arbeitsplatz zu haben, wird der Aus schluss yom Arbeitsmarkt gewissermaBen durch einen Ausschluss yom Sozial system verdoppelt. Der traditionelle Sozialstaat deutscher und franzosischer Auspragung ist mit anderen Worten von seinem arbeits- und betragsbezoge nem Konstruktionsprinzip her immer weniger in der Lage gerade fur die sozial Schwachsten Schutzfunktionen wahr zu nehmen. In der Tat droht sich durch eine Ausweitung sozialer Bedurftigkeit als Folge hoher und anhaltender Ar- Einleitung 11 beitslosigkeit die ursprUngliche Aufgabenwahrnehmung von beitragsfinan ziertem Sozialschutz und steuerfinanzierten staatlichen Zuweisungen in der Auf- und Ausbauphase der sozialen Sicherungssysteme in ihr Gegenteil zu verkehren. Denn ursprUnglich sollten staatliche, steuerfinanzierte und soziale Hilfen auBerhalb der institutionalisierten Sicherungssysteme nur fallweise und gleichsam als residuale Hilfe gewahrt werden. Neue soziale Problemlagen, die eine dauerhafte staatliche Intervention erforderten und wachstums- und demo grafiebedingte BeitragsrUckgange, die eine staatliche Mitfinanzierung zwin gend, dauerhaft und in betrachtlicher Hohe notwendig machen, waren institu tionell gleichsam "nicht vorgesehen". Aus dieser Perspektive vielschichtiger und struktureller Systemprobleme erscheinen Forderungen nach einer grundsiitzlichen Neuausrichtung und nach einer zielgenaueren Ausrichtung sozialstaatlicher Leistungen sachlich ebenso schliissig wie politisch notwendig. Reformen, die auf die hier skizzierten Her ausforderungen und Probleme al1ein mit der Reparatur der bestehenden sozia len Sicherungssysteme - meist in Form von Beitragserhohungen undloder Ausgabenbegrenzungen - antworten, greifen deshalb zu kurz. Dies gilt auch fiir Ansiitze, die im sukzessiven Abbau des Sozialstaates, von Dupeyxroux als "Weg der Riickkehr ins 19. Jahrhundert" bezeichnet, eine zukunftsweisende Perspektive sehen. Dennoch zeichnen sich die (iibrigens im Gegensatz zur hiiu fig geiiuBerten Meinung eines Reformstillstandes) zahlreichen Reformen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte in erster Linie durch eine solche Reparatur oder Abbaulogik aus. Betrachtet man die Ausrichtung und Wirksamkeit dieser zahlreichen Kor rektur- und AnpassungsmaBnahmen, so erscheint es hochst zweifelhaft, ob die schwindende Integrationskraft des Sozialstaates auf diesem Weg zurtick ge wonnen werden kann. Vielmehr kommt es offensichtlich darauf an, neue An satze zur Stlirkung des gesellschaftlichen Zusarnmenhalts zu entwickeln, einen neuen contrat social zu begrtinden. Die Chancen dafiir scheinen aber eher gering. Denn die aktuellen Diskus sionen beiderseits des Rheins zeigen, dass die weg brechenden okonomischen und sozialen Grundlagen des tradierten Wohlfahrts- und Sozialstaats eher ein Vakuum erzeugt haben, in dem die Verstandigung tiber einen neuen Gesell schaftsvertrag offensichtlich nur schwer gelingen kann. Ein sich verschlirfen der Verteilungskampf und z.T. sehr unterschiedliche Problemwahmehmungen erschweren die Entwicklung mittel- und langfristig tragfahiger politischer Strategien erheblich. Wenn die einen nur von Kostenproblemen reden, andere ausschlieBlich von Globalisierungszwangen oder nur von Gerechtigkeitslti cken, wird jede Verstlindigung schon im Ansatz blockiert. Statt reflexhafter Reaktion auf ausschnitthaft wahrgenommene Wirklichkeiten, auf vermeintli che oder tatsachliche Herausforderungen, brauchen wir eine fundierte konsens fclhige Situationsdeutung und ihre Umsetzung in eine neue Handlungspraxis. Dabei kann gerade der intemationale Vergleich auBerordentlich hilfreich sein. Mehr noch: "Der intemationale Vergleich kann auch in einem prakti schen Sinne dem besseren Verstandnis des eigenen Systems dienen. Die fort- 12 Wolfgang Neumann schreitende europaische Integration bringt die unterschiedlichen institutionel len Losungen lihnlicher sozialer Probleme in weit reichende Wechselwirkun gen. Das Verstandnis ftir andere europaische Systeme ist notwendig, urn kon vergierende oder zum mindesten einander nicht beeintrachtigende Losungen von Abstimmungsproblemen zwischen verschiedenen Systemen zu finden. Dnd schlieBlich nimmt derzeit in der politischen Argumentation der Rekurs auf auslandische Problemlosungen zu, die als Vorbild fUr inlandische Refor men gehandelt werden. Da kann es ntitzlich sein, sich der A.hnlichkeiten und Dnterschiede auslandischer Kontexte zu vergewissern" (Kaufmann 2003, I If.). Politisch und wissenschaftlich erscheint dabei ein deutsch-franzosischer Vergleich aus mehreren Grunden ertragreich und notwendig. Allerdings zeigt schon eine globale Bestandsaufnahme, dass der deutsch-franzosische Verstlin digungsprozess im Bereich sozialer und sozialstaatlicher Bedingungen, Her ausforderungen und Entwicklungen weder mit der notwendigen Intensitat, noch auf der Basis ausreichender Forschungsergebnisse gefUhrt wird. Politisch erscheint dieser Befund umso alarmierender, als die europaische Wirtschafts-und Wlihrungsunion eine verbesserte Abstimmung tiber die jewei ligen Politiken sozialer Sicherung (mit einiger Plausibilitat) notwendiger denn je machen wird. In der Tat: die einheitliche Wlihrung mit ihren entsprechenden Anforderungen an die Haushaltsdisziplin und an die jeweilige Finanzpolitik verschiebt den politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmen, innerhalb dessen die Sozialpolitik in den einzelnen Landern zum Tragen kommt. Sie bewirkt aber vor allem auch eine steigende Abhangigkeit von den Entscheidungen der jeweils anderen und macht eine engere Zusammenarbeit zwischen den Staaten erforderlicher denn je - unabhangig davon, ob dies bei spielsweise in Form des Stabilitatspaktes oder anderer denkbarer Instrumente umgesetzt wird. Dass dabei den beiden groBten Landern in der ED - Frank reich und Deutschland - eine zentrale Rolle zukommt, scheint offensichtlich. Dnter dem Gesichtspunkt des Forschungsstandes zum Sozialstaatsver gleich ist das konstatierte Defizit erklarungsbedlirftig. Ein Grund fUr die allen falls punktuelle gegenseitige Wahrnehmung liegt moglicherweise gerade in der durchaus bestehenden Ahnlichkeit der beiden Systeme. Frankreich und Deutschland werden in den herkommlichen Klassifikationsschemata meist dem gleichen Typus von "Sozialversicherungsstaat" zu geordnet (siehe dazu ausfUhrlich und differenziert den Beitrag von Bruno Palier in diesem Band). In der Tat scheint es eine ganze Reihe von Ubereinstimmungen zu geben. Schon ein globaler Strukturvergleich der sozialen Sicherung in Frankreich und Deutschland zeigt, dass in beiden Landern die traditionelle Sozialversiche rung der Kembereich des sozialen Sicherungssystems ist und dass beide Sys teme im Grad ihrer Ausdifferenzierung des Sozialschutzes durchaus vergleich bar sind. In beiden Landem wurde das sozialstaatliche Instrumentarium in den vergangenen Jahrzehnten noch bis in die 1990er Jahre erheblich ausgeweitet. Auch von ihren Funktionsmechanismen her waren und sind das deutsche und das franzosische System sehr vergleichbar: Soziale Sicherung ist in hohem

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