Susanne Romberg Wege Erwachsener in die Welt der Schrift Susanne Romberg Wege Erwachsener in die Welt der Schrift Schreibprozesse bei funktionalen Analphabeten Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Romberg, Susanne: Wege Erwachsener in die Welt der Schrift: Schreibprozesse bei funktionalen Analphabeten / Susanne Romberg. - Opladen: Westdt. Ver!., 1993 ISBN 978-3-531-12412-4 ISBN 978-3-322-99561-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-99561-2 Alle Rechte vorbehalten © 1993 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlags gruppe Bertelsmann International. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrover filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Christine Nüsser, Wiesbaden Gedruckt auf säurefreiem Papier ISBN 978-3-531-12412-4 Vorwort Neugierde war es: Neugierde auf das, was nahezu jeder mit sich auskämpft, wenn ihn ein vor ihm liegendes leeres Blatt unerbittlich fordernd anstiert -fordernd nach einer Schöpfung aus dem Nichts, die sich des Wortes bemächtigt, gefaßt in unzäh ligen Kombinationen aus 26 bizarren Gebilden. Neugierde auch auf mich selbst: die Zumutung, mich als Verfasser stets von I neuem in Texten zu produzieren und dabei alle Fäden in der Hand zu halten, damit alles in Sätzen sitzt, wohlwissend, daß jedes Wort Folgen hat. Neugierde auch auf Analphabeten: diese Erwachsenen mit dem dringlichen, ja oft verzweifelten Wunsch, sich selbst in der Schrift zu haben, die ja nur vordergründig eine mit Schreibwerkzeugen auf Papier gebrachte Spur ist. Ihr Mut zu einem zwei ten Anlauf, die Schriftsprache endlich beherrschen zu lernen, und das damit stets verbundene Risiko, vom eigenen Unvermögen vorgeführt zu werden, lassen in dop peltem Sinne begreifen, was hinter der Rede von der 'Macht der (geschriebenen) Sprache' steckt. Das vorliegende Buch ist die Arbeit, die vom Promotionsausschuß für den Doktor in den Erziehungswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Mün ster als Inaugural-Dissertation angenommen wurde. Einen besonders herzlichen Dank möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Klaus-Peter Klein, für seine Bereitschaft aussprechen, mich in kritischer und engagierter Weise betreut und gefördert zu haben. Seine fachlichen Ratschläge und vielfältigen Ermutigungen waren mir jederzeit eine wertvolle Hilfe. Zu guter Letzt soll nicht unerwähnt bleiben, daß diese Untersuchung durch ein von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vergebenes Stipendium nach dem Graduiertenförderungsgesetz Nordrhein-Westfalens gefördert wurde. Susanne Romberg 1 Anm.d.Verf.: Aus Gründen der Lesbarkeit und Verständlichkeit verwende ich die Begriffe 'Teilnehmer' und 'Verfasser' bzw. 'Autor' im folgenden generisch, um auf Teilnehmer und Verfasser bzw. Autoren gleich welchen Geschlechts zu verweisen. 5 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 15 1.1 Problemaufriß ...................................... 15 1.2 Forschungsgegenstand und theoretisch-methodologisches Bezugssystem ...................................... 17 1.3 Literaturbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.4 Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Erscheinungsbild des funktionalen Analphabetismus ............... 24 2.1 Begriffsbestimmung 'funktionaler Analphabetismus' ........... 24 2.1.1 Diskussion verschiedener Definitionsansätze ........... . 24 2.1.2 'Funktionaler Analphabetismus' vs. 'Legasthenie' und 'Lese-Rechtschreib-Schwäche' ...................... 28 2.2 Schriftsprachkenntnisse funktionaler Analphabeten ............ 30 2.3 Genese von funktionalem Analphabetismus ................. 31 2.4 Bildungspolitisches und gesellschaftliches Problembewußtsein .... 33 3. Praxis der Re-Alphabetisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.1 Konzeptionelle Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.2 Institutionelle und finanzielle Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . 38 3.3 Teilnehmerwerbung .................................. 39 3.4 Organisatorische Bedingungen .......................... 40 3.5 Sozialpädagogische Begleitung und Lemberatung ............. 42 3.6 Kursleiter und Kursleiterqualifizierung .................... 43 3.7 Unterrichtsmethodische Ansätze ......................... 43 3.7.1 Grundsätzliches zur Methode ....................... 43 3.7.2 Sprachsystematischer Ansatz ....................... 45 3.7.3 Fähigkeitenansatz ............................... 46 3.7.4 Spracherfahrungsansatz ........................... 48 4. Schriftspracherwerb funktionaler Analphabeten unter kognitionstheoretischem Aspekt ............................. 50 4.1 Zum Ansatz der Kognitionstheorie ....................... 50 4.1.1 Begriffsbestimmung 'Kognition' ..................... 50 4.1.2 Positionsbestimmung des kognitionstheoretischen Ansatzes .. 51 4.1.3 Terminologie .................................. 53 4.1.4 Kognition, Handlung, Motivation, Emotion . . . . . . . . . . . . . 55 4.1.5 Strukturale Aspekte .............................. 57 7 4.1.6 Funktionale Aspekte ............................. 59 4.1. 7 Kognition als Entwicklungsprodukt .................. 61 4.1.8 Kognition als Lemprodukt ......................... 63 4.2 Kognitive Prozesse bei Sprachproduktion und -rezeption ........ 65 4.2.1 Begriffsbestimmung 'Schreiben' ..................... 67 4.2.2 Relation zwischen Sprechen und Schreiben ............. 68 4.2.3 Schreiben als Problemlösen ........................ 69 4.2.3.1 Referentialisierung ........................ 71 4.2.3.2 Kontextualisierung ........................ 72 4.2.3.3 Kohärenzbildung .......................... 73 4.2.3.4 Organisation und Tradition von Wissen .......... 74 4.2.3.5 Implikationen für den Schriftspracherwerb ....... 75 4.3 Selbstkonzept und Motive funktionaler Analphabeten für den Schriftspracherwerb .................................. 77 5. Kognitionstheoretisch fundiertes Modell des Schreibprozesses ........ 82 5.1 Abriß der Forschung zum Schreibprozeß ................... 82 5.1.1 Forschungsrichtungen ............................ 82 5.1.2 Methodologie .................................. 84 5.1.3 Zielsetzungen, methodologische Grenzen und Schlußfolgerungen für die Modellkonzeption . . . . . . . . . . . . 87 5.2 Modelle des Schreibprozesses ........................... 89 5.2.1 Das Modell von RohmanIWlecke (1964) ............... 89 5.2.2 Das Modell von FlowerlHayes (1981a) ................ 91 5.2.3 Das Modell von de Beaugrande (1984) ................ 95 5.2.4 Ein kognitionstheoretisch fundiertes Modell ............ 97 5.2.4 .1 Vorbemerkungen zur Modellkonzeption ......... 97 5.2.4.2 Vorbereitungs- und Beendigungshandlungen ..... 100 5.2.4.3 Kognition und Metakognition . . . . . . . . . . . . . . .. 100 5.2.4.4 Schriftliche Ausführungshandlungen . . . . . . . . . .. 102 5.2.4.5 Situative Bedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 104 5.2.4.6 Motivation/Schreibanlaß ................... 105 5.2.4.7 Planung ............................... 106 5.2.4.8 Transformation des gedanklichen Konzepts in Schriftsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 109 5.2.4.9 Entstehender und entstandener Text ........... 113 5.2.4.10 Leseprozesse .......................... 116 5.2.4.11 Redigierende Aktivitäten ................. 118 5.2.4.12 Relationen der Subprozesse ................ 121 5.2.4.13 Zusammenfassung ...................... 122 8 6. Empirische Untersuchung ................................. 123 6.1 Methode......................................... 123 6.2 Skizzierung der Re-Alphabetisierungspraxis . . . . . . . . . . . . . . .. 127 6.3 Bezugsgruppe der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129 6.4 Analysekriterien und Verlauf der Untersuchung ............. 130 7. Analyse ............................................. 139 7.1 Einführung in das Korpus ............................. 139 7.2 Korpus .......................................... 140 7.2.1 Text (A): Ohne Überschrift ....................... 140 7.2.2 Text (B): "Anwort. die Flishen an der Wrand" .......... 151 7.2.3 Protokoll (C) ................................. 167 7.2.4 Texte (D I) und (D 11): "Eine Bildbeschreibung" ........ 171 7.2.5 Text (E): "Grüß Dich meine SchmushkaterY" .......... 180 7.2.6 Text (F): "Liebe Birgit" .......................... 202 7.2.7 Text (G): "Paul ist sauer." ........................ 224 7.2.8 Text (H): Ohne Überschrift ....................... 255 7.3 Zusammenfassung der Analyseergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . .. 285 7.3.1 Kognition und Metakognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 285 7.3.2 Motivation/Schreibanlaß ......................... 287 7.3.3 Planung ..................................... 288 7.3.4 Transformation des gedanklichen Konzepts in Schriftsprache 289 7.3.5 Schriftliche Ausführungshandlungen ................. 292 7.3.6 Entstehender und entstandener Text ................. 293 7.3.7 Leseprozesse ................................. 294 7.3.8 Redigierende Aktivitäten ......................... 295 7.4 Diskussion der Analyseergebnisse ....................... 296 7.4.1 Zur Methode ................................. 296 7.4.2 Inhaltliche Synopse ............................. 298 8. Entwurf einer Didaktik des Schreibprozesses ................... 303 8.1 Vorbemerkungen zur Fundierung in der Kognitionstheorie ..... 303 8.2 Zum kognitiv-therapeutischen Ansatz .................... 305 8.2.1 Ziele und Inhalte .............................. 307 8.2.2 Diagnose und Planung kognitiv-therapeutischer Intervention 309 8.2.3 Felder kognitiv-therapeutischer Intervention ........... 310 8.2.3.l Thematisierung der Lerngeschichte und der aktuellen Lebensumstände .................. 310 8.2.3.2 Lernen auf der kognitiven, metakognitiven und emotionalen Ebene des Schreibprozesses ........ 312 8.2.3.3 Förderung des Selbstkonzepts und der Einstellung zum Lernen ............................ 312 9 8.2.4 Methoden kognitiv-therapeutischer Intervention ......... 316 8.2.4.1 Grundsätzliches zum Einsatz ................ 316 8.2.4.2 Se1bstverbalisation ....................... 317 8.2.4.3 Lernen am Modell ........................ 321 9. Ausblick ............................................. 323 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 331 Anhang .............................................. 366 Index ............................................... 372 10 Abbildungsverzeichnis Abb.1: Erwachsenenanalphabetismus in der Welt nach DUK. [Hrsg.] (1990, S. 3) .................... 31 Abb.2: Statistik über Anzahl und Teilnehmer an Re-Alphabetisierungskursen in NRW nach AG! [Hrsg.] (1988, S. 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Abb.3: Etappenweise Ausbildung geistiger Handlungen nach Kamper (1988, S. 174) ...................... 47 Abb.4: Vergleich traditionell-idealistischer und kontextualistischer Modelle kognitiver Entwicklung ................... 63 Abb.5: Kognitionstheoretisch fundiertes Modell der Sprachproduktion nach Herrmann (1982, S. 32) ........ 65 Abb.6: Relation zwischen gesprochener und geschriebener Sprache nach Augst (1984, S. 449) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Abb.7: Selbsterleben erwachsener funktionaler Analphabeten nach Döbert-Nauert (1985, S. 73) .................. 80 Abb.8: Modell des Schreibprozesses nach RohmanIWlecke (1964) 90 11 Abb.9: Modell des Schreibprozesses nach HayesIF10wer (1980a, S. 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Abb. 10: Modell des Schreibprozesses nach Ludwig (1983a, S. 46) 94 Abb.11: Modell des Schreibprozesses nach de Beaugrande (1984, S. 106) ................. 96 Abb. 12: Modell des Schreibprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Abb. 13: Parameter der Literalität nach de Beaugrande (1984, S. 10) 126 Abb.14 Probanden der Erhebung ........................ 129 Abb.15 Forschungsfragen und Ressourcen von Daten über den Schreibprozeß erwachsener funktionaler Analphabeten .. l38 Abb.16 Genese und Konsequenzen von (Meta)Kognitionen erwachsener funktionaler Analphabeten bei Schreibproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 300 Abb. 17 Felder kognitiv-therapeutischer Intervention bei Schreib(lern)prozessen erwachsener funktionaler Analphabeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 315 12