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Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit PDF

292 Pages·2009·2.466 MB·German
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Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit ≥ Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Neue Folge, Band 4 Berichte über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters Walter de Gruyter · Berlin · New York Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit I. Konzeptionelle Grundfragen und Fallstudien (Heiden, Barbaren, Juden) Herausgegeben von Ludger Grenzmann, Thomas Haye, Nikolaus Henkel und Thomas Kaufmann Walter de Gruyter · Berlin · New York VorgelegtvonHerrnProfessorDr.KaufmanninderSitzungvom14.Juli2006 (cid:2)(cid:2) GedrucktaufsäurefreiemPapier, dasdieUS-ANSI-NormüberHaltbarkeiterfüllt. ISBN 978-3-11-021352-2 BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschen Nationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensindimInternet überhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. (cid:2) Copyright2009byWalterdeGruyterGmbH&Co.KG,10785Berlin DiesesWerkeinschließlichallerseinerTeileisturheberrechtlichgeschützt.JedeVerwertung außerhalbderengenGrenzendesUrheberrechtsgesetzesistohneZustimmungdesVerlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, MikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen. PrintedinGermany Einbandgestaltung:MetaSystems,Wustermark DruckundbuchbinderischeVerarbeitung:Hubert&Co.GmbHundCo.KG,Göttingen Inhalt Vorwort der Herausgeber ................................... VII Frank Rexroth Wissen, Wahrnehmung, Mentalit(cid:2)t: (cid:3)ltere und j(cid:4)ngere Ans(cid:2)tze inderGeschichtswissenschaft ................................ 1 Beate Kellner Wahrnehmung und Deutung des Heidnischen in Wolframs von Eschenbach „Parzival“ ...................................... 23 Wolfgang Reinhard Christliche Wahrnehmung fremder Religionen und Fremdwahrnehmung des Christentums in der fr(cid:4)hen Neuzeit ....... 51 Christian Freigang Margaretes Paradiesvogel. Vereinnahmungen des Fremden undWunderbaren aus der Neuen Welt im fr(cid:4)hneuzeitlichen Kunstdiskurs ............................................. 73 Hans-J(cid:2)rgen Becker Die Stellung des kanonischen Rechts zu den Andersgl(cid:2)ubigen: Heiden,Judenund Ketzer ................................... 101 Michael Sievernich S.J. Interkulturelle Kommunikation und christliche Mission inderfr(cid:4)henNeuzeit ....................................... 125 Benjamin Scheller DiepolitischeStellungderJudenimmittelalterlichenS(cid:4)ditalienunddie Massenkonversion der Juden im Kçnigreich Neapel im Jahr 1292 ... 143 Stephen G. Burnett J(cid:4)dische Vermittler des Hebr(cid:2)ischen und ihre christlichen Sch(cid:4)ler imSp(cid:2)tmittelalter ......................................... 173 Thomas Noll Albrecht Altdorfers Radierungen der Synagoge in Regensburg ....... 189 Christoph Daxelm(cid:2)ller Zwischen Kabbala und Martin Luther – ElijaLevitaBachur, ein Jude zwischen den Religionen .................................... 231 VI Inhalt Norbert Schnitzler Contra naturam – SexuelleDevianzundchristlich-j(cid:4)dische Koexistenz im Mittelalter ............................................ 251 Vorwort der Herausgeber In Fortsetzung ihrer bisherigen Usancen hat sich die ,Kommission f(cid:2)r die Er- forschung der Kultur des Sp(cid:3)tmittelalters‘ eines komplexen Themenfeldes an- genommen,dasineinerSequenzvonvierEinzeltagungenbearbeitetwurde.Die Tagungen der Jahre 2004 und 2005 werden in diesem ersten Sammelband dokumentiert. Ein zweiter und letzter Band, der die Tagungen der Jahre 2006 und 2007 dokumentieren wird, soll in B(cid:3)lde folgen. Das Epochenkonzept, mit dem die Kommission bisher gearbeitet hat, gew(cid:3)hrleistet auch weiterhin die sachlich gebotene Offenheit: Es geht um Ph(cid:3)nomene des (cid:4)bergangs zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert, wobei das 15. und das 16. Jahrhundert im ZentrumdesInteressesdieserTagungsreihe undihrereinzelnen Beitr(cid:3)gestehen. Der vorliegende Band umfasst elf Aufs(cid:3)tze von Historikern, Germanisten, Kunsthistorikern und je einem Rechts-, einem Missionshistoriker und einem Judaisten. Neben konzeptionellen (cid:4)berlegungen zur Wahrnehmungsgeschichte undzurKonstruktionvonAlterit(cid:3)tinSp(cid:3)tmittelalterundfr(cid:2)herNeuzeitstehen vor allem Interpretationen der außereurop(cid:3)ischen Fremdreligionen, des Heid- nischen in der eigenen europ(cid:3)ischen Tradition, der kirchenrechtlichen Be- handlungFremdgl(cid:3)ubigerimVerh(cid:3)ltniszudenKetzernundderwechselseitigen Wahrnehmung von Juden und Christen im Vordergrund. Der Band wird mit einem Aufsatz von Frank Rexroth erçffnet, der allge- meinen Fragen der Erforschung von Wahrnehmungen in der neueren Mittel- alterhistorie gewidmet ist. In Ankn(cid:2)pfung insbesondere an die franzçsische Mentalit(cid:3)tsgeschichte pl(cid:3)diert Rexrodt daf(cid:2)r, die Rezeptionsbedingungen his- torischer Aktanten zu profilieren und offen zu legen, inwiefern Wahrneh- mungsph(cid:3)nomene hinsichtlich ihrer sozialen Relevanzen und Tr(cid:3)gergruppen bestimmbar sind, ob sie lediglich singul(cid:3)re Beobachtungen, also Curiosa, re- pr(cid:3)sentieren und das allt(cid:3)gliche ,Wissen‘ fremder Religionen als Hinter- grundsfoliereligionsgeschichtlich einschl(cid:3)giger Wahrnehmungen rekonstruieren sowie schließlich die Frage der sozialen Wirkungen des Wahrnehmungswissens thematisieren. Beate Kellner zeigt in einem Beitrag (cid:2)ber Wolframs von Eschenbach „Par- zival“ auf, dass die Thematik des Heidnischen in einer zwischen Abwehr und Aneignung oszillierenden, hçchst ambivalenten Weise behandelt werden konnte. Heidnisches und Christliches wurden spannungsvoll integriert, ohne die Gegens(cid:3)tzlichkeit und Widerspr(cid:2)chlichkeit aufzuheben. Zugleich wird die Hybridit(cid:3)t des Christlichen, dem auch heidnische Momente eignen, am ande- ren seiner selbst ansichtig. VIII Vorwort der Herausgeber Mit seinem Beitrag (cid:2)ber ,Christliche Wahrnehmung fremder Religion und Fremdwahrnehmung des Christentums in der fr(cid:2)hen Neuzeit‘ zeigt Wolfgang Reinhard, inwieweit eine theologische, genauer: biblische Wahrnehmungspro- grammierung zu einer im Ganzen relativ einheitlichen Ablehnung fremder außereurop(cid:3)ischer Religionen als Gçtzendienst gef(cid:2)hrt hat. In Bezug auf den heidnischen Gçtzendienst wurden allerdings moralisch graduell differente Wertungen als schuldhafter Teufelsdienst oder bloß tçrichter Teufeltrug vor- genommen, denen unterschiedliche Verhaltenspraktiken korrespondieren konnten. Die empirisch weithin korrekten Beobachtungen fremder Religionen durch die Europ(cid:3)er zielten auf mentale (cid:4)berw(cid:3)ltigungen ab; dies unterscheidet die christliche Wahrnehmung der Fremdreligionen von den Fremdwahrneh- mungen der christlichen Religion insbesondere durch die Asiaten. Auch deren Wahrnehmungistethnozentrisch,dochreligionskulturellerExpansionsdranglag ihnen fern. Am Beispiel frappierender Motiv(cid:2)bereinstimmungen zwischen den Margi- nalillustrationen D(cid:2)rers zu einem Gebetbuch Kaiser Maximilians mit Vorstel- lungsbildern von der Peripherie der Erdrandzonentopographie weist Christian Freigang auf imagin(cid:3)re Erkundungen des Eigenen am Fremden hin. Die Ent- deckungderNeuenWelterçffneteeinenepochalenWandelindereurop(cid:3)ischen Wissens- und Wahrnehmungskultur, der sich nicht selten im Modus der Ver- einnahmungs- und Appropriationsgesten der fremden Kultur vollzog. In seinem Beitrag (cid:2)ber ,Die Stellung des kanonischen Rechts zu den An- dersgl(cid:3)ubigen: Heiden, Juden und Ketzer‘ spannt Hans-J(cid:2)rgen Becker den weiten Bogen von der konstantinischen Konstitution der christlichen Staatsre- ligion bis zu den Positionen einzelner Kanonisten im Streit um die Kolonial- ethik im Zusammenhang der spanischen Eroberungen. Im Zentrum stehen die Normen des kanonischen Rechts in Bezug auf die Andersgl(cid:3)ubigen, in denen Momente der Dialogizit(cid:3)t mit solchen distinkter Unterscheidungen, etwa zwi- schen friedlichen Juden und k(cid:3)mpferischen Sarazenen, verbunden waren. Eherecht, Hausgemeinschaftsrecht, Eigentumsrecht, Kleidervorschriften und Fragen der Berechtigung zur (cid:4)bernahme çffentlicher (cid:5)mter erwiesen sich als die regelungsintensivsten Konfliktfelder. Michael Sievernich rekonstruiert den spezifischen Beitrag de Vittorias zum Problemfeld ,Interkulturelle Kommunikation und christliche Mission in der fr(cid:2)hen Neuzeit‘. De Vittoria trug zur (cid:4)berwindung eines ethnozentrischen Dualismus bei und legte Grundlagen zum neuzeitlichen Verst(cid:3)ndnis der Men- schenrechte und des Vçlkerrechts, indem er einen ethnozentrischen Dualismus, der auf der Normativit(cid:3)t des Eigenen und der Diskriminierung des Anderen beruhte,(cid:2)berwand.DeVittoriaappliziertediezentralenuniversalistischenIdeen des christlichen Naturrechts auf internationale und interkulturelle Beziehungen und entwickelte regulative Prinzipien f(cid:2)r das Verh(cid:3)ltnis der Vçlker, Kulturen und Religionen zueinander. Seine Anerkenntnis kultureller und religiçser Al- Vorwort der Herausgeber IX terit(cid:3)t implizierte die Anerkennung des Anderen als homo bzw. proximus und setzte ein Pl(cid:3)doyer f(cid:2)r symmetrische Beziehungen zwischen den Vçlkern und f(cid:2)r eine christliche Mission ohne Drohung, Nçtigung oder Gewaltanwendung frei. Am prominenten Beispiel der ersten Massenkonversionen von Juden in der europ(cid:3)ischen Geschichte, die 1292 im Kçnigreich Neapel stattfanden, zeigt Benjamin Scheller, dass diese Vorg(cid:3)nge vor dem Hintergrund und als Folge der erstensystematischenJudenverfolgungendurchdieInquisitionzuinterpretieren sind. Der Konversionserfolg der Inquisitoren verdankt sich der Interessensko- alition mit der Monarchie, die bestrebt war, Juden aus der Herrschaft der Kirchen zu lçsen und ausschließlich der kçniglichen Kammer dienstbar zu machen. Insofern gehçrt die Massenkonversion von 1292 in den Kontext monarchischer Herrschaftszentrierung; diese blieb freilich auch in der Folgezeit vielfach gebrochen, da auch konvertierte Juden und ihre Nachkommen sich wieder der Herrschaft der Kirchen unterstellten. Die ersten und wichtigsten Vermittler hebr(cid:3)ischer Sprachkenntnisse im 15. und 16. Jahrhundert waren Juden, nicht zuletzt Konvertiten. Steven Burnett zeigt, dass eine sehr geringe Zahl an konvertierten j(cid:2)dischen Sprachlehrern, die zum Teil nur sehr wenige Jahre als Universit(cid:3)tslehrer in Deutschland wirkten, immense Impulse in Hinblick auf die Entstehung der christlichen Hebraistik freisetzten. J(cid:2)dische (cid:4)bersetzer erschlossen Texte u.a. der j(cid:2)dischen Kaballah, ermçglichtenaberzugleicheineAutonomisierungderchristlichenHebraistikals wissenschaftlicher Disziplin, die insbesondere an protestantischen Universit(cid:3)ten gepflegt wurde. Thomas Noll interpretiert die einzigartige Innenansicht der j(cid:2)dischen Syn- agoge von Regensburg, die Albrecht Altdorfer unmittelbar vor ihrer spektaku- l(cid:3)ren Zerstçrung geschaffen hat, vor dem Hintergrund der zentralperspektivi- schen Konstruktion desBildraums,diezun(cid:3)chstimItaliendes15.Jahrhunderts entwickelt wurde. Das grunds(cid:3)tzliche Interesse an einer nicht nur zeichenhaft- abbreviativen, sondern naturalistisch-detailgetreuen Schilderung eines be- stimmten Bauwerkes kn(cid:2)pft an Darstellungen erinnerungstr(cid:3)chtiger, nament- lich religiçs bedeutsamer St(cid:3)tten an. Die Weise, mit der Altdorfer zwei Juden auf dem Weg in ihr Gotteshaus darstellt, zeugt von vorurteilsloser Sachlichkeit, mutmaßlich gar Sympathie; diese Haltung veranlasste ihn dazu, ein ein- drucksvolles Bauwerk unmittelbar vor seiner Zerstçrung dem Ged(cid:3)chtnis seiner Zeitgenossen und der Nachwelt zu (cid:2)berliefern. In einem Beitrag (cid:2)ber den Gelehrten Elias Levita, einen der einfluss- reichsten Hebraisten des fr(cid:2)hen 16. Jahrhundert, der u.a. Aegidius von Viterbo die heilige Sprache beibrachte, demonstriert der Germanist Christoph Daxel- m(cid:2)ller, wie wichtig das Hebr(cid:3)ische f(cid:2)r den Humanismus war. Das offene In- tellektuellenmilieu am Hofe des Aegidius, in dem sich Levita bewegte, er- mçglichte ihm ein ,Wandern‘zwischen den religiçsen Welten. Die Verbindung X Vorwort der Herausgeber zum Protestantismus ergibt sich einerseits (cid:2)ber den Augustinereremitenorden, andererseits (cid:2)ber Sebastian M(cid:2)nsters Ankn(cid:2)pfung an Levitas Grammatik bei der Abfassung seiner eigenen. Gegenl(cid:3)ufig zur (cid:2)blichen Vorstellung eines tiefen Antagonismus zwischen beidenGlaubensgruppenzeigtNorbertSchnitzleraufderEbenelebensweltlicher Begegnung, dass es einen best(cid:3)ndigen, nur schwer kontrollierbaren Austausch und intensive soziale Kontakte zwischen Christen und Juden gegeben hat. Das generelle Verbot jeglicher commixtio zwischen Christen und Nichtchristen, das durch kirchliche und weltliche Obrigkeiten formuliert wurde, scheint vor- nehmlich in F(cid:3)llen monetarisierter Geschlechterbeziehungen aktiviert worden zusein.DienormativeVorgabe,sexuelleKontaktezwischenChristenundJuden grunds(cid:3)tzlich als deviant zu bezeichnen, stand demnach in einem spannungs- reichen Verh(cid:3)ltnis zu Formen von Koexistenz, die freilich in der archivalischen (cid:4)berlieferung nur punktuell erfassbar sind. Der Band bietet exemplarische Zug(cid:3)nge und b(cid:2)ndelt aktuelle Forschungen zu einem besonders komplexen, vielleicht gar disparaten Gegenstandsfeld. Die Sp(cid:3)tmittelalterkommission hofft mit diesem und dem nachfolgenden Band, die zentrale Bedeutung und nachhaltige Wirkung von Wahrnehmungsmustern und Handlungslogiken der Vormoderne f(cid:2)r die in der Gegenwart mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgten Fragen einer Beziehungs- und Konfliktgeschichte der Religionen und Kulturen sichtbar zu machen. Wirbedauern,dasssichdieVerçffentlichungungewçhnlichlangeverzçgerthat. Dies war einer Reihe widriger Umst(cid:3)nde geschuldet, zuletzt dem Wechsel des Hausverlages der Gçttinger Akademie. Wir danken den Autoren f(cid:2)r Ihr Ver- st(cid:3)ndnis und hoffen, dass der zweite Band in nur kurzem Abstand folgen wird.

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