Günther Garbrecht Wasser Vorrat, Bedarf und Nutzung in Geschichte und Gegenwart Deutsches Museum Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik Zu der Buchreihe «Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik» Naturwissenschaftliche und technische (¡egenstände sind nicht eindeutig, sondern vieldeutig. Ihre humanen, sozial- und geistesgeschichtlichen Bezie hungen zeigen sich nicht in Funktionsbeschreibungen. Ebenso sagt die rein fachliche Darstellung der Geschichte von Naturwissenschaft und Technik nichts aus über deren gesellschaftliche, wirtschaftliche und allgemein geistes geschichtliche Voraussetzungen und über die sich ergebenden Konsequenzen. Demgegenüber versucht die gemeinsam vom Deutschen Museum und dem Rowohlt Taschenbuch Verlag herausgegebene neue Buchreihe «Kulturge schichte der Naturwissenschaften und der Technik) auch jene Bezüge, welche die Fachgebiete übergreifen, zu beschreiben und durch Bilder zu veranschau lichen. Die Bände richten sich an I chrer und Ausbilder, doch sind sic so gestaltet, daß jeder interessierte I.aie sie verstehen kann. Es zeigt sich, daß der Weg durch die Geschichte nicht eine zusätzliche Erschwerung des l.ehr- und Lern stoffes bedeutet, sondern das Verständnis der modernen Naturwissenschaften und der Technik erleichtert. Der Autor: Günther Garbrecht wurde am 1(1. Januar 1925 in Bücken (Schleswig-Hol stein) geboren. Er studierte von 1946 bis 1949 Bauingenieurwesen an der Technischen I lochschule Karlsruhe und war dann bis 1954 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Theodor-Rehbock-Flußbaulaboratorium dergleichen Hoch schule. Seine Dissertation Wasserabfluß in gekrümmten Flußstrecken (I 952) wurde mit Auszeichnung bewertet. Nach Beratertätigkeiten bei der Tech nischen Universität Istanbul (1954-1957) und der staatlichen türkischen Wasserbauverwaltung in Ankara (1957—1960) war Günther Garbrecht von I960 bis 1969 als Professor für Wasserbau an der Middle East Technical Unversity (Ankara) tätig. Einer Gastprolessur an der University ot Zambia in Lusaka folgte dann 1971 die Bcrulung als Ordinarius lür Wasserwirt schaft, Wasserbau und Kulturtechnik sowie als Direktor des Leichtweiß- Instituts für Wasserbau an die Technische Universität Braunschweig. 1981 wurde ihm das Ehrendoktorat der Middle F.ast lechnical University verliehen. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten von Günther Garbrecht haben in mehr als 80 Veröffentlichungen in in- und ausländischen Fachzeit schriften ihren Ausdruck gefunden. Günther Garbrecht Wasser Vorrat, Bedarf und Nutzung in Geschichte und Gegenwart ro ro ro Deutsches Museum Rowohlt Die Buchreihe zur Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik entstand im Rahmen zweier Projekte am Deutschen Museum, die vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und der Stiftung Volkswagenwerk finanziell unterstützt wurden. Verantwortlich für die Konzeption der Reihe: Bert Heinrich, Friedrich Klemm t, Michael Matthes, Jürgen Teichmann. Die Interpretation der Fakten gibt die Meinung des Autors, nicht die des Deutschen Museums wieder. Redaktion im Deutschen Museum: Bert Heinrich Bildredaktion: l.udvik Vesely Bildrechte: Albrecht Hoffmann Redaktionsassistentin: Edeltraut Hörndl Diese Veröffentlichung wurde mit Mitteln des Biindesministers für Bildung und Wissenschaft gefördert. Originalausgabe Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag (¡mbH. Reinbek bei Hamburg, Dezember 1985 Umschlagentwurf: Werner Rebhuhn (Gr. Bild: Voringsfoss im Bjoreia-Tal, Norwegen; Foto B. Heinrich. München. Kl. Bild: Bogenstaumauer Zavandeh bei Esfahan, Iran; Foto N. Schnitter. Zürich) Redaktion: Jürgen Volbeding Layout: Edith l.ackmann Copyright © 1985 by Rowohlt laschenbuch Verlag GmbH. Reinbek bei Hamburg Satz Times (Linotron 2(12) Gesamtherstellung Clausen A Bosse, Leck Printed in Germany 1480-ISBN 3 499 17724 2 Inhalt Vorbemerkung 7 Zeittafel 9 I Allgemeines 1. Einleitung 31 2. Begriffe, Definitionen 33 3. Der hydrologische Kreislauf 35 4. Das Wasserdargebot (Der Wasservorrat) 37 II Das Zeitalter der Naturmythologie 1. Einleitung 39 2. Wassernutzungin vorgeschichtlicher Zeit 41 3. Wissenschaftlich-technische Kenntnisse 42 4. Die technisch-hydraulischen Prozesse in der Hydrotechnik 44 5. Bewässerung und Hochwasserschutz im Nahen Osten 58 6. Beispiele großer Wassernutzungsprojekte aus der Zeit vor 600 v. Chr. 74 III Das Zeitalter der Naturphilosophie 1. Einleitung 95 2. Die Anfänge der Hydrologie 96 3. Hydrostatik und Hydraulik 105 4. Erste Nutzungen der Wasserkraft 109 5. Flußbau 117 6. Beispiele hervorragender Wassernutzungsobjekte aus der Zeit um 600 v. Chr. bis 300 n. Chr. 121 7. Das Mittelalter 163 IV Das Zeitalter der Naturwissenschaften 1. Allgemeines 170 2. Leonardo da Vinci (1452-1519) 170 3. Die Periode von Leonardo bis Galilei (1564-1642) 174 4. Die Periode von Galilei bis Newton (1642-1727) 175 5. Das 18. und 19. Jahrhundert 178 6. Die Hydrowissenschaften im 20. Jahrhundert 196 V Wasserwirtschaft und Wasserbau in der Bundesrepublik Deutschland 1. Allgemeines 2. Wasserrecht, Wasserverwaltung 3. Wasserversorgung 4. Wasserkraftnutzung 5. Schiffahrt 6. Hochwasserschutz 7. Küstenschutz 8. Zusammenfassung 9. Die Wasserwirtschaft im Ruhrgebiet VI Versuch eines Ausblickes 1. Die Wassernutzung im Jahr 2000 2. Die Nutzung internationaler Flüsse 3. Technologische Machbarkeit und ökologische Grenzen VII Schlußwort VIII Studien im Deutschen Museum Rundgang durch die Abteilung Wasserbau (Fritz Hartung) Anhang Literaturverzeichnis Personen- und Sachregister Bildquellen Vorbemerkung Seit frühester Zeit hatte sich der Mensch in zweifacher Hinsicht mit dem Wasser auseinanderzusetzen: Er hatte einerseits das lebensnotwendige Wasser bereitzustellen (Hauswirtschaft, Landwirtschaft), und er hatte sich auf der anderen Seite gegen Wasser in seiner zerstörerischen Form (Hochwasser) zu schützen. So gehören Einrichtungen zur Wassernutzung und Bauten zum Schutz gegen das Wasser zu den ältesten technischen Großanlagen der Menschheit. Ausgedehnte Hochwasserschutzmaßnahmen und Bewässerungssy steme waren die Grundlagen der ersten geschichtlichen Hochkulturen in den Tälern des Nils, des Euphrat-Tigris, des Indus und des Hoang-Hos. Die großen Städte des Altertums hatten eine hervorragende Wasserver sorgung, meist verbunden mit bemerkenswerten Abwassersystemen. Seit rund 5000 Jahren wird auch Flußschiffahrt betrieben, und künstliche Schiffahrtskanäle werden angelegt. Wie in den ersten Anfängen der Ge schichte des seßhaften Menschen, so ist auch heute die wasserwirtschaftli che Infrastruktur eine der wesentlichsten Grundlagen der Zivilisation. Die reiche Geschichte der Erforschung und der Nutzung des natürli chen Wasserpotentials und ihrer mannigfaltigen Verflechtungen mit der allgemeinen kulturgeschichtlichen und politischen Entwicklung ist noch nicht geschrieben worden. Es gibt viele Bücher über die Geschichte der Künste, der Architektur, der Philosophie, der Medizin, um nur einige Bereiche zu nennen, aber es gibt vergleichsweise wenige Bücher und Ver öffentlichungen über die Geschichte des Wasserwesens, sieht man von Publikationen über Einzelaspekte ab. Ingenieure, und zwar insbesondere Wasserbauingenieure, haben zwar oft Geschichte gemacht, sie haben es aber unterlassen, sie zu schreiben. In dieser Arbeit ist der Versuch gemacht worden, das Entstehen und die Entwicklung der Wissenschaften vom Wasser und der Hydrotechnik über die Jahrtausende der menschlichen Geschichte hinweg zu umreißen. Der beschränkte zur Verfügung stehende Raum erlaubte es dabei nicht, die umfassende Bedeutung des Wassers für das Entstehen und den Be stand der Zivilisationen in all ihren Aspekten darzustellen. Es wurde viel mehr versucht, die engen Verflechtungen zwischen Mensch und Wasser, zwischen Kultur und Technik im wesentlichen an Hand von herausragen den Beispielen geschichtlicher Wassernutzungsprojekte und von wegbe reitenden Leistungen großer Wissenschaftler und Ingenieure nachzu zeichnen. Der knappe Platz erzwang auch eine Beschränkung auf den abendländischen/nahöstlichen Kulturraum, obwohl auch aus China und 7 Südamerika historische Wasserbauten bekannt sind, die den mittelmeeri- schen Anlagen nicht nachstehen. Vorbemerkungen werden immer erst dann geschrieben, wenn die Ar beiten am Buch abgeschlossen sind und wenn der Verfasser sich rückblik- kend die Frage stellt, ob und in welchem Umfang denn nun das erreicht worden ist, was als ideale Zielvorstellung am Anfang der Arbeit stand. Im vorliegenden Fall kann sich der Autor sicherlich eifriges Bemühen atte stieren, möchte aber im nachhinein und aus kritischer Distanz heraus einige Bedenken nicht verhehlen. Zuviel faszinierende Einzelheiten sind dem Platzmangel zum Opfer gefallen, und an zu vielen Stellen mußten komplexe Zusammenhänge radikal generalisiert und vereinfacht werden. Der auf Fachdiskussionen programmierte Wissenschaftler geriet immer wieder in Konflikt mit dem Autor, dem die Aufgabe gestellt war, Ausbil der, Lehrer, Studenten und interessierte Laien anzusprechen. DerZwang schließlich zur Auswahl des Materials aus vielen Einzelveröffentlichun gen und aus eigenen Arbeiten (die man zwangsläufig geneigt ist überzu bewerten) mag zum Setzen von Schwerpunkten geführt haben, die auch anders bewertet werden können. Inwieweit diese Skepsis berechtigt ist bzw. in welchem Umfang es trotzdem gelungen ist, die faszinierende Ge schichte der Auseinandersetzung des Menschen mit dem Wasser nachzu zeichnen, muß dem Urteil der Leser überlassen bleiben. Ich möchte mich aufrichtig bei all denen bedanken, die maßgebend zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben, insbesondere bei Herrn Dr.-Ing. B. Haber, Herrn Yavuz Baykal und Frau Traute Nippert. An dieser Stelle werden in Vorworten von hydro-historischen Abhand lungen gewöhnlich fernöstliche oder abendländische Philosophen zitiert. Ich möchte dieser Tradition folgen mit einer Feststellung, die nach Aristo teles auf Thaies von Milet, einen der Sieben Weisen des griechischen Al tertums, zurückgeht: «Wasser ist der Urgrund aller Dinge» Zeittafel -um, etwa (für zeitliche Unbestimmtheiten) Zeit Entwicklung im Bereich des Zeit Allgemeinhistorische, gesell Wasserbaus schaftliche und technische Daten v. Chr. v. Chr. vor Nutzung des Wassers zur Haus -5000 Beginn der Jungsteinzeit in 5000 und Brauchwasserversorgung, Europa Nutzung der Gewässer als Trans portweg, zur Fischerei und zur Erholung -4000 Ende der Periode erhöhten Nie -4750 Frühester Städtebau in Mesopota derschlags im Mittelmeerraum, mien Rückzug der Menschen in die Flußtäler, Entstehung der < Was- serbaukulturem in Mesopota mien, Ägypten, Indien und China 3500- Rohre und offene Halbschalen -3700 Sintflutartige Überschwem 3000 aus gebranntem Ton im Euphrat- mungskatastrophe in Mesopota Tal (Wasserversorgung der Stadt mien Habuba Kabira) -3200 Talsperre Jawa (Jordanien) zur Trinkwasserspeicherung 3100- Erste Aufzeichnungen von Nil 2500 hochwasserständen (Palermo- Steine) -3000 Nilometer bei Memphis -3000 Erste Stadtstaaten in Sumer Quellfassungen und Abwasseran König Menes vereinigt Ober- und lagen im Indus-Tal Unterägypten (Altes Reich bis 2190 v. Chr.) Umleitungsbauwerk Khosheish im Nil zum Schutz der Hauptstadt Memphis (König Menes) Behörde für Bewässerung und Landregistrierung in Ägypten 3000- In den Stadtstaaten von Sumer 2000 und Akkad (Mesopotamien) wer • den etwa 30000 km2 Ackerland bewässert —2600 Bau der Talsperre Sadd-el-Kafara —2600 Pyramiden von Gizeh in Ägypten (Hochwasserschutz) 9 Zeit Entwicklung im Bereich des Zeit Allgemeinhistorische, gesell Wasserbaus schaftliche und technische Daten -2500 Brunnen, Abwasseranlagen und Regenwasserzisternen in den Städten Ägyptens und Mesopota miens Wasserleitungsrohre aus gebrann tem Ton in Mohenjo Daro (Indus- Tal) ab Verwendung halbmechanischer 2500 (manueller) Einrichtungen zum Heben von Wasser (Shadouf) -2400 Schiffahrtskanal am 1. Nilkata rakt -2350- Akkad-Zcit in Mesopotamien 2150 -2300 Leitungsrohre aus Kupferblech im Totentempel des Königs Sahure bei Abusir Bewässerung von Reisfeldern am Jangtsekiang und im Tal des Hwangho (u. a. Bau von Bewäs serungskanälen) -2200 Binnenschiffahrt in China -2100- Minoisches Reich auf der Insel 1400 Kreta 2040- Mittleres Reich in Ägypten 1710 -2000 Nilpegel auf der Insel Elephantine Bau des Palastes von Knossos (Kreta), Rohre für Wasserversor gung, Regenwasserspeicher, Abwasseranlagen ab Einfache Wasseruhren in Meso 2000 potamien und Ägypten 1875 Erneuerung des Schiffahrtskanals am 1. Katarakt durch Sesostris III. 1830- Hammurabi-Dynastie in 1530 Mesopotamien -1800 Wasserstandsmarken (Hochwas -1800 Beginn der Bronzezeit in Europa ser) bei Semna (Nil, 2. Katarakt) Melioration der Fayum-Senke in Ägypten durch Amenemhet III. (Möris-See) 10