Universiteit Gent Academiejaar 2011-2012 „Was wird hier gespielt?“ Eine Analyse der Beziehung zwischen Macht, Wahnsinn und der Spiel-im-Spiel-Struktur in Dürrenmatts Komödien Die Physiker, Die Panne und Romulus der Große Promotor: Carolin Juliane Benzing Verhandeling voorgelegd aan de Faculteit Letteren en Wijsbegeerte voor het behalen van de graad van Master in de Taal- en Letterkunde: Duits(-Engels) door Gertjan Reunes 5 Dankeswort Ich möchte besonders meiner Betreuerin Frau Carolin Juliane Benzing ganz herzlich danken für die Begleitung, Unterstützung, die Zeit und Mühe, die sie in mich investiert hat, und für die vielen Ansätze, die den mühsamen Anfang meiner Arbeit vereinfachten. Außerdem wusste sie meine Gedankengänge zu bändigen und zum Zweck der Effizienz einzusetzen. Die zweiten Worte des Dankes gelten der ganzen deutschen Fachgruppe der Universität Gent, weil ich während meines vierjährigen Studiums bei den ProfessorInnen und anderen Mitarbeitern immer Rat, Hilfe und Unterstützung fand. Dank schulde ich auch meinen Eltern bzw. meiner ganzen Familie vor allem für die psychologische Unterstützung und ihre Geduld. Dankbar bin ich auch meiner Freundin, die, im Gegensatz zu mir, immer an die Vollendung meiner Arbeit geglaubt hat, und die mir immer moralische Unterstützung verliehen hat. Zu danken habe ich zuletzt all denjenigen, die mir auf welche Art und Weise auch immer geholfen haben, und die Interesse für meine Arbeit zeigten bzw. zeigen. Möge diese Arbeit den Leser für sein Interesse belohnen und zu neuen Erkenntnissen führen. Möge diese Arbeit das Fundament für weitere Interpretationen und ergebnisvolle Diskussionen bilden. Gent, Mai 2012 6 7 Inhalt Dankeswort 5 0. Einleitung 9 1. Das ‚Spiel im Spiel’: Ein theoretischer Rahmen 15 1.1. Die primäre Spielebene: Eine Begriffsannäherung 15 1.2. Die sekundäre Spielebene 21 1.2.1. Die realitätssystemisch einfachen Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur 23 1.2.2. Die realitätssystemisch komplexen Varianten der Spiel-im-Spiel-Struktur 30 2. Die Verbindung zwischen Spiel im Spiel und Machtstrukturen 45 2.1. Vorüberlegungen zur Position Dürrenmatts in Bezug auf den Nationalsozialismus 45 2.2. Manipulation und Verstellungsspiel anhand nationalsozialistischer Terminologie 47 3. Die Verbindung zwischen Spiel im Spiel und Wahnsinn 59 3.1. Die verschiedenen Narrenfiguren 59 3.1.1. Der ‚Dürrenmattsche Narr’ 59 3.1.2. Der ‚weise Narr’ 62 3.1.3. Kontrastfiguren: ‚Natürlicher Narr’ vs. ‚Gespielter Narr’ 67 3.2. Der ‚wahnsinnige Narr’ 69 4. Schluss: Ausblick auf eine desillusionierende Spiel-im-Spiel-Struktur 81 5. Bibliografie 86 8 9 0. Einleitung Die hier vorliegende Arbeit will einen Beitrag zum theatertheoretischen Thema des ‚Spiels im Spiel’ leisten und eine innovative Sicht auf dieses viel besprochene Kunstmittel (der Inszenierungspraxis) darstellen. Um diese innovativen Perspektivierungen nachvollziehbar darzulegen, werde ich mich im ersten Kapitel dieser Arbeit mit den gängigen (und dann meine ich vor allem die aktuellsten) Auffassungen über das Spiel im Spiel auseinandersetzen. Wenn ich das Spiel im Spiel, das Theater auf dem Theater erforschen will, lässt sich die Frage, warum ich mich nicht mit dem Spiel in der Erzählung oder dem Spiel in der Lyrik beschäftige, leicht beantworten: Das Spiel im Spiel ist nun einmal eine Besonderheit des Bühnenraums. Hinzu kommt dann auch die Tatsache, dass das Theater viel mehr visuelle Faktoren als die Literatur aufweist, und die Effekte des Theaters auf das Publikum deswegen leichter zu bestimmen sind. Nur im Theater kann man eigentlich noch eine Art von (indirekter) Interaktion zwischen Handlung und Publikum wahrnehmen. Nicht nur wegen dieses Grundes habe ich mich entschlossen, die Texte des Schweizer Autors Friedrich Dürrenmatt zu analysieren, aber auch weil er betont hat, dass „ein Theater ohne Publikum nicht möglich ist“1, und weil er die Unmittelbarkeit, die das Theater verursacht, schätzte und voraussetzte. Diesbezüglich scheint mir also Dürrenmatts doppelte Kompetenz, seine Position als Theatertheoretiker und Autor, äußerst interessant. „Die Unmittelbarkeit“, differenziert Dürrenmatt, „die jedes Theaterstück anstrebt, die Sichtbarkeit, in die es sich verwandeln will, setzt das Publikum, das Theater, die Bühne voraus.“2 Die drei Texte Dürrenmatts, die ich diesbezüglich beleuchten werde, sind Romulus der Große [1949], Die Physiker [1962] und Die Panne [1979]. Ich wählte diese drei, weil, meiner Meinung nach, in diesen Theaterstücken die Verbindung zwischen Spiel-im-Spiel-Struktur, Macht und Wahnsinn, die ich in dieser Arbeit diskutieren werde, am deutlichsten hervorgehoben wird. Über die Dramen besteht in der Forschung aber manchmal Zweifel bezüglich der Gattungsbezeichnung (Sind die Theaterstücke Dürrenmatts Komödien oder Tragikomödien?), aber ich bringe sie alle auf den gemeinsamen Nenner der ‚Komödie’, nicht nur, weil sie von Dürrenmatt selbst als Komödien bezeichnet werden (in den 1 Friedrich Dürrenmatt: Theaterprobleme. Zürich: Verlag AG „Die Arche“ 1955, S. 15. 2 Ebd., S. 16. 10 Untertiteln werden sie nämlich alle ‚Komödie’ genannt: Romulus der Große. Ungeschichtliche historische Komödie, Die Physiker. Komödie, Die Panne. Komödie) sondern meines Erachtens auch einfach, weil der ironische und komische Inhalt der Texte sich dazu eignet. Es muss hier aber sicherlich auch betont werden, dass es die Komödie Die Panne ist, die in dieser Arbeit analysiert wird, und nicht die zwei anderen Gattungsbezeichnungen dieses Textes, das heißt die Erzählung oder das Hörspiel, selbstverständlich, weil auch die zu untersuchenden Theaterstücke Romulus der Große und Die Physiker beide Komödien sind. Indem ich dem Spiel erhebliche Aufmerksamkeit widme, können mithin auch bessere Erkenntnisse über die spezifischen Mechanismen und die typischen Konzepte, die die dramatische Gattung der Komödie kennzeichnen, gewonnen werden. Diese Untersuchung des ‚Spiels’ und, auf einer weiteren Ebene, des ‚Spiels im Spiel’ ist deswegen sinnvoll, weil sie die scheinbare Oberflächlichkeit und Einfachheit der Form und Struktur der Gattung der Komödie unterläuft. Das Spiel im Spiel wird nämlich auch in den Tragödien oder in anderen Gattungen verwendet: Man kann die Komödie deshalb nicht als eine oberflächliche Gattung, die wenig mit anderen, ‚seriöseren’ Gattungen zu tun hat. Ich werde demnach die Spiel-im-Spiel-Strukturen der Komödie untersuchen, auch weil das Spiel im Spiel immer mehr als ein Phänomen, das vor allem in der Moderne sehr von Nutzen war, bezeichnet wird. Fischer und Greiner argumentieren nämlich, dass the anthropological ubiquitousness of both play and performance as social action as well as aesthetic experience testify to the international and multicultural dimensions of the play within the play and its function as a motif in dramatic literatures around the world.3 Es ist vor allem das Konzept der Selbstreflexivität, das das Spiel im Spiel für die Moderne so attraktiv macht. Auch Fischer und Greiner konstatieren, dass das Spiel im Spiel „a particularly apt device for the expression of the playful self-referentiality of the post-modern condition“4 ist. Das Spiel im Spiel ist demnach mehr als ein Theaterstück, das in ein anderes Theaterstück eingebettet ist. Wegen der Selbstreflexivität und der im vorstehenden Zitat erwähnten Selbstreferentialität ist das Spiel im Spiel eigentlich auch 3 Gerhard Fischer und Bernhard Greiner: „The play within the play. Scholarly perspectives“. In: The play within the play. The performance of meta-theatre and self-reflection. Hg. von Gerhard Fischer und Bernhard Greiner. Amsterdam: Rodopi 2007, S. xi. 4 Ebd., S. xiii.