Was ist Wirtschafts- wachstum? Eine Betrachtung aus • makroökonomischer, • branchenbezogener • und betriebs- wirtschaftlicher Sicht Vorwort von Jean-Philippe Cotis OECD Publishing ist eine Aktivität der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die sich mit der Veröffent- lichung der Arbeiten der Organisation befasst. Sie trägt zum Ziel der OECD bei, eine weite Verbreitung der Ergebnisse ihrer Untersuchungen über wirtschaftliche und soziale Themen im Kontext der Globalisierung sicherzustellen und die von der Organisation erstellten Statistiken sowie die von den Mitgliedsländern gemeinsam angenommenen Überein- kommen, Leitsätze und Standards einem breiten Publikum zur Kenntnis zu bringen. Die OECD-Mitgliedsländer sind: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Korea, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakische Republik, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten. Für die in dieser Veröffentlichung vertretenen Meinungen und Argumente zeichnen allein die Autoren verantwortlich. Sie geben nicht unbedingt die Ansichten der OECD oder der Regierungen ihrer Mitgliedsländer wieder. © OECD 2004 Illustrations: © Philippe Mairesse / devizu Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Kopie oder Verbreitung dieser Veröffentlichung sind ohne schriftliche Genehmigung nicht gestattet. Genehmigungen zum Nachdruck von Teilen dieses Werks für nichtkommerzielle Zwecke oder zur Verwendung im Unterricht sind einzuholen beim Centre français d'exploitation du droit de copie (CFC) 20, rue des Grands-Augustins, 75006 Paris, Frankreich, Tel: (33-1) 44 07 47 70, Fax: (33-1) 46 34 67 19. Dies gilt für alle Länder mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, wo das Copyright Clearance Center Inc. (CCC), Customer Service, Tel: (508) 750-8400, 222 Rosewood Drive, Danvers, MA 01923, USA, oder CCC online: www.copyright.com die entsprechenden Genehmigungen erteilt. Alle sonstigen Anträge auf Überlassung von Nachruck- oder Übersetzungsrechten für das gesamte Dokument oder Teile davon sind zu richten an: OECD Publishing, 2, rue André-Pascal, 75775 Paris Cedex 16, Frankreich. 2 Was ist Wirtschaftswachstum? © OECD 2004 Vorwort Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzte in den meisten der heutigen OECD-Mitgliedsländer eine lange Periode des Wohlstands ein. Nahezu drei Jahrzehnte lang, von den Historikern als Zeit der „dreißig glorreichen Jahre“ bezeichnet, blieb das Wachstum außergewöhnlich dynamisch, und in vielen Ländern schloss das Pro-Kopf-Einkommen tendenziell zum amerikanischen Niveau auf. Diese Periode des Wohlstands hat viel zur Erhärtung der These beigetragen, dass sich der wirtschaftliche Aufholprozess in einem sehr offenen internationalen Umfeld praktisch automatisch vollzieht. Die Entwicklung der vergangenen zwanzig Jahre hat diesen anfänglichen Enthusiasmus weitgehend gedämpft. So kam der Prozess der Annäherung des Pro-Kopf-Einkommens an das amerikanische Niveau in der Mehrzahl der kontinentaleuropäischen Länder bereits Anfang der achtziger Jahre zum Stillstand, bevor es in den neunziger Jahren zu einem relativen Rückgang der Zuwachsraten kam. Japan erlebte in den vergangenen fünfzehn Jahren einen ähnlichen Rückschlag. Im Nachhinein sieht man, dass die ab 1995 in den Vereinigten Staaten beobachtete enorme Beschleunigung des Produktivitätswachstums nicht in dem erhofften Maße auf die anderen OECD-Länder übergegriffen hat. Verschärft wurde dieses enttäuschende Ergebnis in Europa noch durch eine vielfach verfehlte Arbeitsmarktpolitik. War diese ursprünglich dazu gedacht gewesen, den Anreiz zum Verbleib im Erwerbsleben zu mindern, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, so diente sie im Endeffekt nur dazu, die Erwerbsquoten zu verringern und das Pro-Kopf-Einkommen zu senken. In den letzten Jahren hingegen waren große Länder wie Australien, das Vereinigte Königreich und Kanada, aber auch eine Reihe kleinerer OECD-Länder überaus erfolgreich bei dem Bemühen, wieder an die Dynamik des wirtschaftlichen Konvergenzprozesses anzuknüpfen. Heute ist klar, dass unterschiedliche Lebensstandards nicht automatisch konvergieren und dass der technische Fortschritt kein „exogener“ Faktor ist. Die neuen Wachstumstheorien legen vielmehr mit allem Nachdruck den Schluss nahe, dass derartige Entwicklungen in Wirklichkeit von der Qualität der nationalen Institutionen wie auch der öffentlichen Politik abhängen. Der Wunsch, von der Theorie zur Praxis zu gelangen und auf diese Weise die tatsächlichen Bestimmungsfaktoren des Wachstums besser zu verstehen, bildete für die OECD den Anstoß zu einem langfristigen Forschungsprojekt, das in der vorliegenden Veröffentlichung seinen Niederschlag findet. Dank harter Arbeit, zahlloser internationaler Vergleiche und ausgeklügelter quantitativer Analysen haben die Autoren von „Was ist Wirtschaftswachstum?“ einen reichen Fundus von Erkenntnissen © OECD 2004 Was ist Wirtschaftswachstum? 3 zusammengetragen. Es wäre illusorisch, diese in wenigen Zeilen zusammenfassen zu wollen. Jedoch zeichnen sich einige besonders wichtige Lehren ab, die für die Umsetzung einer wachstumsfördernden Politik in den OECD-Ländern von Nutzen sein dürften. In den Arbeiten, die dieser Veröffentlichung zu Grunde liegen, wird die entscheidende Bedeutung von Humankapital und FuE zur Erreichung von Wachstum hervorgehoben. Ökonometrische Analysen deuten beispielsweise darauf hin, dass das Bildungsniveau starken Einfluss auf das Wirtschaftswachstum hat, dass aber auch die privatwirtschaftliche FuE einen sehr beachtlichen Beitrag leistet. Ferner untersuchen die Autoren den Anteil der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien an der jüngsten Beschleunigung des Produktivitätswachstums in den Vereinigten Staaten und einigen OECD-Ländern. Die Rolle dieser Technologien ist offenbar sehr wichtig, scheint aber auch in hohem Maße von dem ordnungsrechtlichen und institutionellen Umfeld abzuhängen, in dem sich die technologische Innovation vollzieht. So gibt es insbesondere empirische Belege dafür, dass die Öffnung der Produkt- und Dienstleistungsmärkte sowie die Flexibilität des Regulierungsrahmens deutlich zum technologischen Aufholprozess beitragen und darüber hinaus die Gründung kleiner, hoch innovativer Firmen erleichtern. Wie die Veröffentlichung ausgiebig belegt, darf darüber aber nicht der Beitrag außer Acht gelassen werden, den eine vernünftige makroökonomische Politik - niedrige, stabile Inflationsraten, moderate Steuerbelastung und Öffnung für den internationalen Handel - zum Wirtschaftswachstum leistet. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Veröffentlichung Studenten und Experten, die an Wachstumsfragen interessiert sind, die Möglichkeit gibt, sich mit den jüngsten innovativen Arbeiten auf diesem Gebiet vertraut zu machen. Ich hoffe, dass diese Veröffentlichung zu einem besseren Verständnis der großen wirtschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit und zu gewissen Klärungen im Rahmen der Debatte über das langfristige Wachstum unserer Volkswirtschaften beitragen wird. Jean-Philippe Cotis OECD-Chefökonom 4 Was ist Wirtschaftswachstum? © OECD 2004 Inhaltsverzeichnis Überblick Makroökonomische Analyse 10 Arbeitseinsatz 10 Technologischer Fortschritt 11 Makroökonomische Politik 11 Auf Branchenebene durchgeführte Analysen 12 Regulierungsumfeld 12 Inhaltsverzeichnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen und Arbeitsrecht 12 Analyse auf Unternehmensebene 13 Regulierung und unternehmerische Aktivität 13 Technologie 14 1 Kapitel Wachstumsergebnisse der OECD-Länder 16 Messung des Wachstums:Analyserahmen 18 Die Rolle des Faktors Arbeit 22 Der Wachstumsbeitrag der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) 25 2 Kapitel Makroönomische Analyse Der Einfluss der Wirtschaftspolitik und sonstiger struktureller Faktoren 30 Grundlegende Bestimmungsfaktoren des Wachstums 32 Bildung 32 Innovation 33 Deregulierung und Investitionen 36 Politische und institutionelle Determinanten des Wachstums 37 Inflation 37 Steuerpolitik 40 Außenhandel 44 Das Finanzsystem 45 Der Gesamteffekt 48 Der Beitrag der IKT auf makroökonomischer Ebene 52 © OECD 2004 Was ist Wirtschaftswachstum? 5 3 Kapitel Analyse auf Branchenebene Marktdynamik und Produktivität 56 Wachstum auf Branchenebene 58 Strukturwandel und Arbeitseinsatz 58 Wachstum und Arbeitseinsatz 60 Empirische Analyse 60 Inhaltsverzeichnis Marktbedingungen 62 Staatliche Politik,Institutionen und Produktivität 63 Wettbewerb 63 Arbeitseinsatz 64 Innovation und FuE 64 Die Auswirkungen politischer und institutioneller Rahmenbedingungen auf die FuE-Tätigkeit 65 Der Beitrag der IKT auf Branchenebene 67 4 Kapitel Analyse auf Unternehmensebene Dynamik, Produktivität und wirtschaftspolitischer Kontext 76 Unternehmenswachstum 78 Methodologische Fragen 78 Wachstum der Arbeitsproduktivität 79 Multifaktorproduktivität 82 Produktivitätsstruktur 84 Unternehmenszu- und -abgänge 85 Überlebensquote von Unternehmen 88 Staatliche Vorschriften,institutionelle Rahmenbedingungen und Neuzugänge 90 Der Beitrag der IKT auf Unternehmensebene 93 6 Was ist Wirtschaftswachstum? © OECD 2004 1 Anhang Makroökonomische Indikatoren des Wirtschaftswachstums 109 2 Anhang Wachstumsmodell unter Einbeziehung politikbezogener und institutioneller Faktoren 137 Inhaltsverzeichnis 3 Anhang Methodologische Einzelheiten zur empirischen Analyse der sektoralen Multifaktorproduktivität 141 4 Anhang Einzelheiten zu den auf Unternehmensebene erhobenen Daten 145 Literarurverzeichnis Literaturverzeichnis 172 Liste der Definitionen Multifaktorproduktivität (MFP) 11 Aufholeffekte 18 Hedonische Preismessung 19 Festgewichtete Indizes 22 Kettengewichtete Indizes 24 Technologische Ausstrahlungseffekte 36 Hurdle-Rate 37 Verzerrende Steuern 41 Die OECD-STAN-Datenbank 70 Kreative Zerstörung 78 © OECD 2004 Was ist Wirtschaftswachstum? 7 Tabellen 1.1 Uneinheitliches BIP-Wachstum in den OECD-Ländern 20 2.1 Direkt zum Wachstum beitragende Ausgaben 42 2.2 Geschätzte Auswirkungen von Veränderungen der institutionellen und politikbezogenen Faktoren auf die Pro-Kopf-Produktion 49 2.3 Auswirkungen der IKT-Investitionen auf das BIP-Wachstum, Ergebnisse aus Länderstudien 53 3.1 Beschleunigung des US-Produktivitätswachstums, Unternehmenssektor ohne landwirtschaftliche Betriebe 73 4.1 Analyse der Produktivitätskomponenten im Verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor 83 Inhaltsverzeichnis 4.2 Die Unterschiede bei den Zugangsquoten der einzelnen Branchen sind kein langfristig anhaltendes Phänomen 89 A1.1 Tatsächliches BIP-Wachstum im OECD-Raum 118 A1.2 Tatsächliches Wachstum des Pro-Kopf-BIP im OECD-Raum 120 A1.3 Tatsächliches BIP je Beschäftigten im OECD-Raum 122 A1.4 Trendentwicklung des BIP-Wachstums im OECD-Raum 124 A1.5 Trendwachstum des Pro-Kopf-BIP im OECD-Raum 126 A1.6 Trendentwicklung des BIP je Beschäftigten im OECD-Raum 128 A1.7 Trendentwicklung des BIP-Wachstums im OECD-Raum 130 A1.8 Trendentwicklung des BIP je Beschäftigen im OECD-Raum 132 A1.9 Sensitivitätsanalyse: Schätzungen des MFP-Wachstums, 1980-2000 134 A4.1 Die STAN-Liste der Wirtschaftszweige (auf der Basis von ISIC Rev. 3) 154 A4.2 Aufschlüsselung der Arbeitsproduktivität in Frankreich 155 A4.3 Aufschlüsselung der Arbeitsproduktivität in Finnland 156 A4.4 Aufschlüsselung der Arbeitsproduktivität in Italien 158 A4.5 Aufschlüsselung der Arbeitsproduktivität in den Niederlanden 160 A4.6 Aufschlüsselung der Arbeitsproduktivität in Portugal 162 A4.7 Aufschlüsselung der Arbeitsproduktivität im Vereinigten Königreich 164 A4.8 Aufschlüsselung der Arbeitsproduktivität in den Vereinigten Staaten 166 Abbildungen 1.1 Komponenten des Pro-Kopf-BIP-Wachstums 23 1.2 Humankapitalverbesserungen tragen zum Wachstum der Arbeitsproduktivität bei 26 1.3 IKT-Investitionen in ausgewählten OECD-Ländern 26 1.4 Anteil des IKT-Sektors an der Wertschöpfung, Unternehmenssektor ohne landwirtschaftliche Betriebe, 2000 27 1.5 Große Unterschiede beim IKT-Einsatz in den einzelnen Sektoren: Informationstechnologie im Verhältnis zum Gesamtbestand an Ausrüstungsgütern und Software, Vereinigte Staaten, 2001 27 8 Was ist Wirtschaftswachstum? © OECD 2004 2.1 Private und öffentliche FuE: Steigende FuE im Unternehmenssektor, rückläufige staatliche FuE-Etats 35 2.2 Inflationshöhe und Wirtschaftswachstum 39 2.3 Variabilität der Inflation und des Wachstums zwischen den achtziger und neunziger Jahren 39 2.4 Zunehmende Handelsabhängigkeit mehrerer OECD-Länder 46 2.5 Entwicklung der Finanzsysteme 47 2.6 Beitrag der IKT-Anlageinvestitionen zum BIP-Wachstum 46 3.1 Aufschlüsselung des aggregierten Arbeitsproduktivitätswachstums in intrasektorales Produktivitätswachstum und intersektorale Beschäftigungsverschiebungen 59 Inhaltsverzeichnis 3.2 Der Beitrag der IKT-orientierten Industriezweige zum Arbeitsproduktivitätswachstum 61 3.3 Beitrag der IKT-Herstellung zum jahresdurchschnittlichen Wachstum der Arbeitsproduktivität 69 3.4 Beitrag der IKT produzierenden Dienstleistungsbranchen zum jahresdurchschnittlichen Wachstum der Arbeitsproduktivität 69 3.5 Beitrag der IKT nutzenden Dienstleistungsbranchen zum jahresdurchschnittlichen Wachstum der Arbeitsproduktivität 71 3.6 Beitrag wichtiger Sektoren zum MFP-Gesamtwachstum, 1990-1995 und 1996-2001 71 4.1 Komponenten des Wachstums der Arbeitsproduktivität im Verarbeitenden Gewerbe 80 4.2 Komponenten des Wachstums der Arbeitsproduktivität in ausgewählten Dienstleistungssektoren 81 4.3 Komponenten des Wachstums der Multifaktorproduktivität im Verarbeitenden Gewerbe 80 4.4 Hohe Fluktuationsraten des Unternehmensbestands in den OECD-Ländern 86 4.5 Differenzen bei den branchenspezifischen Zugangsquoten 87 4.6 Überlebensquoten der Unternehmen mit unterschiedlichen Zeithorizonten 91 4.7 Relative Arbeitsproduktivität der Nutzer und Nichtnutzer fortgeschrittener Technologien, Kanada 95 4.8 Einsatz von IKT-Netzwerktechnologien nach Tätigkeitsbereich, Vereinigtes Königreich, 2000 95 4.9 Einsatz von IKT-Netzwerktechnologien nach Firmengröße, Vereinigtes Königreich, 2000 103 4.10 E-Aktivitäten im Jahr 2000 im Verhältnis zur Gesamtzahl der IKT einführenden Unternehmen in verschiedenen Jahren 103 4.11 Unterschiede bei den Produktivitätsergebnissen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten 105 A4.1 Die Entwicklung der Arbeitsproduktivität und ihrer Komponenten, Verarbeitendes Gewerbe insgesamt 168 A4.2 Entwicklung des Wachstums der Multifaktorproduktivität, Verarbeitendes Gewerbe insgesamt 170 © OECD 2004 Was ist Wirtschaftswachstum? 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