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Was ist Antisemitismus? PDF

273 Pages·2005·0.731 MB·German
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Wolfgang Benz Was ist Antisemitismus? Wolfgang Benz Was ist Antisemitismus? Verlag C.H.Beck ZweiteAuflage.2005 ©VerlagC.H.BeckoHG,München2004 Satz:FotosatzJanß,Pfungstadt DruckundBindung:FriedrichPustetKG,Regensburg Gedrucktaufsäurefreiem,alterungsbeständigemPapier (hergestelltauschlorfreigebleichtemZellstoff) PrintedinGermany isbn3406522122 www.beck.de Inhalt Inhalt Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 FeindschaftgegenJuden.Annäherunganeinschwieriges Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 MehrheitundMinderheit.SignaleausdemPublikuman dieJudeninDeutschland . . . . . . . . . . . . . . 27 RessentimentsundihreMotive . . . . . . . . . . . 27 ÜberfremdungsangstundSelbstbewusstsein: DerZornderPatrioten . . . . . . . . . . . . . . 37 VerschlüsselteBotschaftenandieJuden . . . . . . . 46 «JüdischePrivilegien»:ParanoiaalsPrinzip . . . . . 55 Fazit:DieJudensindselbstdaranschuld, dassmansienichtmag . . . . . . . . . . . . . . 59 TraditionenderJudenfeindschaft. DasreligiöseRessentiment. . . . . . . . . . . . . . 65 AntisemitismusalsrassistischerVorbehalt. DasgesellschaftlicheRessentiment. . . . . . . . . . 83 DieKonstruktionder«Judenfrage» . . . . . . . . . 83 DieIdeologiedesRassenantisemitismus . . . . . . . 85 AdolfStoecker:Diechristlich-sozialeVarianteder Judenfeindschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 EinübungvonJudenfeindschaftdurchPropaganda . . 96 AntisemitismusimBildungsbürgertum. . . . . . . . 100 OrganisierteJudenfeindschaft . . . . . . . . . . . . 102 DielanganhaltendeWirkungdes«modernen Antisemitismus» . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 DieBrückenfunktionderJudenfeindschaftzwischender MittederGesellschaftunddemRechtsextremismus . 116 ErsterExkurs.WissenschaftundVorurteil: ÜberSigmundFreudunddiePsychoanalyse. . . . 128 ZweiterExkurs.DasKonstruktderHolocaust- Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 AntisemitismusohneAntisemiten. DieAffäreMöllemann. . . . . . . . . . . . . . . . 146 DieAffäreHohmann–dasLehrstückzurInstrumen- tierungdespatriotischenProjekts . . . . . . . . . . 155 JüdischeWeltverschwörung?VomzähenLebeneines Konstrukts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 JederfünfteDeutscheeinAntisemit? . . . . . . . . . . 193 WievielIsraelkritikisterlaubt? . . . . . . . . . . . . 200 JudenfeindschaftinEuropa. . . . . . . . . . . . . . . 209 AntisemitismusinderSchweizundinÖsterreich . . . . 221 Folgerungen:WasalsoistAntisemitismus? . . . . . . . 234 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Vorwort Vorwort Gegenstand dieses Buches ist nicht die dramatische Darstel- lung judenfeindlicher Aggression und Propaganda mit dem Ziel, Abscheu, Schuld und Betroffenheit zu erzeugen. Es geht nicht um die Verwüstung von Friedhöfen, um Neonazi-Paro- len, mit denen jüdische Einrichtungen beschmiert werden, um Beleidigung, Drohung und Gewalt, die gerichtlich zu ahnden sind,dieinderKriminalstatistikundimVerfassungsschutzbe- richt erscheinen. Dieser manifeste Antisemitismus, der von einer kleinen Minderheit in anonymen Schmähbriefen, in rechtsextremen Pamphleten und Traktaten, im Zusammen- hang von Holocaust-Leugnung und judenfeindlicher Propa- ganda agiert wird, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Auch das gewiss interessante Phänomen der Judenfeindschaft ausentgegengesetzterideologischerWurzel,der«linkeAntise- mitismus», der sich (oft amalgamiert mit Amerikafeindschaft und Antikapitalismus bei militanten Israelfeinden und Globa- lisierungskritikern) artikuliert, kann hier nicht behandelt wer- den.Absichtistesvielmehr,dasalltäglicheVorurteilderMehr- heit gegen die Minderheit zu betrachten, um seine Ursachen undWirkungenzuerkennen. Das Thema ist aktuell, nicht nur der Skandale wegen, die mit den Namen Möllemann und Hohmann verbunden sind. Judenfeindschaft, die als Ressentiment, als innerer Vorbehalt gegen die jüdische Minderheit, als Einstellung existiert, beein- flusst privates wie öffentliches Denken und Handeln. Juden- feindschaftgiltalsdasältestesoziale,kulturelle,religiöse,poli- tische Vorurteil der Menschheit; Judenfeindschaft äußert sich, lange bevor Diskriminierung und brachiale Gewalt das Res- sentiment öffentlich machen, in ausgrenzenden und stigmati- sierenden Stereotypen, d.h. in überlieferten Vorstellungen der MehrheitvonderMinderheit,dieunreflektiertvonGeneration zuGenerationweitergegebenwerden.DasisteinArgumentge- gen die Vermutung, es gäbe derzeit einen «neuen Antisemitis- 8 Vorwort mus», der sich in seinen Inhalten oder in der Radikalität vom «altenAntisemitismus»unterscheide.WegenderlangenTradi- tion des Vorurteils muss man sich, um es zu verstehen, aber auch mit seiner Geschichte beschäftigen, also das Erbe des christlich motivierten Antijudaismus und den Antisemitismus als Kern der Rassenlehre des 19.Jahrhunderts, der der Juden- feindschaftdenNamengab,indenBlicknehmen. DiesesBuchwillnichtanklagenoderverurteilen;dasPhäno- menderJudenfeindschaftsollinseinerDimensionundVerbrei- tung weder dramatisiert noch schöngeredet oder bagatellisiert werden.AufgeregterAlarmismus,derunentwegtvermutet,die SituationseisoernstwieniezuvorundderüberallJudenfeind- schaftargwöhnt,stehtdemVerständnisdesPhänomensebenso im Wege wie die selbstzufriedene Gewissheit, Antisemitismus sei den Deutschen fremd, und das, was Juden ängstige, ent- springe deren Einbildungskraft oder Überempfindlichkeit. Die Fragestellung«WasistAntisemitismus?»zielt–ausvielfachge- gebenem Anlass – auf unsere Wahrnehmung der jüdischen Minderheit und auf den Ort, den Juden und Judentum in den Emotionen der nichtjüdischen Mehrheit einnehmen. Die im FolgendenversuchteDarstellungdesalltäglichenundaktuellen Vorurteils gegen Juden geht von empirischen Befunden aus. Ziel sind nicht theoretische Erkenntnisse zum akademischen Gebrauch,sondernEinsichteninUrsachen,FunktionundWir- kungvonJudenfeindschaft. Feindschaft gegen Juden. Annäherung an ein schwieriges Thema AnnäherunganFeeiinndsscchhwafitergieggeesnTJhuedmena Der Begriff «Antisemitismus» bietet Möglichkeiten der Inter- pretation und damit zu Missverständnissen. Vor jeder wissen- schaftlichenDefinitionstehtaberfürdieBetroffenen–dieJu- den–dieErinnerungandieErfahrungvonFeindseligkeitund HassderMehrheit,artikuliertaufderganzenSkalavomVor- behaltüberAusgrenzungundDiffamierungbiszurGewaltge- genMenschen,vonderorganisiertenVerfolgungzumPogrom undzurletztenSteigerung,demVölkermordunternationalso- zialistischerIdeologieundHerrschaft. Die jahrhundertelange jüdische Erfahrung des Vorbehalts, der unterschiedlich begründet wird mit religiösen oder natur- wissenschaftlichen Argumenten, mit sozialen und ökonomi- schen Gegebenheiten, mit politischem Kalkül, hat die Juden wachsamgemacht,auchmisstrauischderMehrheitgegenüber, empfindlichgegenüberallem,wasalsPauschalurteilderMehr- heitüberdieMinderheitverstandenwerdenkann,undgleich- zeitig hellhörig gegenüber falschen Tönen. Denn zum Wesen des Antisemitismus gehört einerseits die offene Beleidigung, der verbale und brachiale Angriff gegen den einzelnen Juden, und andererseits die Verständigung der Nichtjuden über an- gebliche Eigenschaften, Absichten, Handlungen, die den Vor- wandbieten,dieJudenalsGesamtheitabzulehnenbiszuihrer VerfolgungundVernichtung.DieVerständigungdernichtjüdi- schenMehrheitüberdieMinderheitderJudengeschiehtinden aufgeklärten Gesellschaften Europas und der USA nur im rechtsextremen Milieu in direkter Weise durch beleidigende undgeräuschvollePropaganda,dieVorwurf,AnklageundVer- urteilung in stereotypen Formen artikuliert und durch brachi- aleAggressiongegenMenschenodergegenKulteinrichtungen. DerDiskursderMehrheitüber«DieJuden»erfolgtinderRe- gel durch Codes und über Chiffren, durch Geraune und Mut- maßung und nonverbal mit Gebärden und dem Gestus der

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