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„Warum haben Sie eigentlich Streit miteinander?“: Kinderbriefe an Reagan und Gorbatschow PDF

81 Pages·1988·1.579 MB·German
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Birckenbach/Sure "Warum haben Sie eigentlich Streit miteinander?" Hanne-Margret Birckenbach Christoph Sure "Warum haben Sie eigentlich Streit miteinander ?" Kinderbriefe an Reagan und Gorbatschow Leske + Budrich, Opladen 1988 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Birckenbach, Hanne-Margret "Wanun haben Sie eigentlich Streit miteinander?": Kinderbriefe an Reagan u. Gorbatschow I Hanne-Margret Birckenbach ; Christoph Sure. - Opladen : Leske und Budrich, 1987 ISBN-13: 978-3-322-83400-3 e-ISBN-13: 978-3-322-83399-0 DOl: 10.1007/978-3-322-83399-0 NE: Sure, Christoph: © 1987 by Leske + Budrich, Opladen Satz und Umbruch: Leske + Budrich Opladen Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1987 Inhaltsiibersicht 1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Ansatz und Methode der Untersuchung..................... 9 2.1 Zur Fragestellung der Untersuchung........................ 9 2.2 Das Untersuchungsmaterial und seine Adaquanz fUr die Fragestellung ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.3 Materialumfang und -auswahl................................ 13 2.4 Die Auswertung................................................. 15 3. Kriegsangst und Friedenshoffnung - ein Uberblick aber die Forschungsliteratur........................................ 21 3.1 Studien zur Kriegsangst bei Kindem........................ 21 3.2 Studien fiber kindliche Vorstellungen von "Krieg", "Frieden" und "Zukunft".................................... 27 3.3 Zusammenfassung.............................................. 31 4. ~n Kriegsiingsten und WUnschen nach Frieden........... 35 4.1 Welche Vorstellungen, Angste und Sorgen verbinden die Kinder mit den Stichworten "Krieg" und "Rustung"? Welche Fragen haben die Kinder zu diesem Thema?.... 35 4.2 Welche Vorstellungen entwickeln die Kinder vom Frieden? .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.3 Welche Vorstellungen haben Kinder von den Wegen zum Frieden? ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 5. asammenjassung und Bewertung........................... 63 6. Politisch-piidagogische SchlufJfolgerungen................. 67 Anhang........................................................... 73 1. "f>,. Letter to Both". Eine Brief-Aktion flir Kinder des Ver- €lins "Peace Bird"... ......... ......... ........ ........... ...... 75 2. Kinder befragen Politiker und Wissenschaftler - Aus zuge einer Diskussion in der Berliner Gediichtniskirche 78 Literatur.......................................................... 84 5 1. Einleitung Die Erfindung und Entwicklung von Atomwaffen hat alles veriin dert, auch die Lebensbedingungen von Kindem. Sie wachsen in ei ner Welt des Unfriedens heran, die von Feindseligkeit in der inner und zwischenstaatlichen Politik, von Gewalt und sozialer Ungerech tigkeit gepragt ist, und in einer Welt, in der es Atomwaffen gibt, in der also die Mittel zur Zerstorung der gesamten Menschheit vorhan den sind und immer weiter perfektioniert werden. Erwachsene ha ben gelemt, mit der Gefahr der Selbstvemichtung zu leben. Viele leugnen diese bedrohliche Situation und verdriingen sie aus dem Be wuBtsein. Andere engagieren sich in der Friedensbewegung und versuchen, sich aktiv an der Bewiiltigung der drangenden Probleme zu beteiligen. We1chen EinfluB hat die drohende Kriegsgefahr auf das Lebensge fiihl und die Lebensperspektive von Kindem und Jugendlichen? Wie reagieren sie auf die atomare Bedrohungssituation? Was denken sie tiber Krieg und Frieden? Was erwarten sie von ihrer Zukunft? Diesen Fragen sind seit dem zweiten Weltkrieg viele in-und aus liindische Wissenschaftler nachgegangen. Aile kommen zu dem Er gebnis, daB die atomare Kriegsdrohung das Leben von Kindem ver iindert hat: Das Problem der atomaren Gefahr bedriingt sie. Sie be schiiftigen sich viel hiiufiger damit, als Erwachsene annehmen. Kinder haben jedoch eine andere Art des Erlebens, der Wahmeh mung und der Interpretation als Erwachsene, denen es hiiufig schwerfallt, sich in die spezifischen Sichtweisen der Kinder hinein zuversetzen. Die vorliegende Untersuchung von Briefen, die Kinder im Rah men der Aktion "A Letter to Both" des Vereins "Peace Bird" an den Priisidenten der USA und den Generalsekretiir der KPdSU ge schrieben haben, solI ein tieferes Verstiindnis fur die Sichtweisen und Problemlagen der Kinder ermoglichen und die Bereitschaft wecken, sich intensiver als bisher mit deren Fragen auseinanderzu setzen. Denn nur wenn die Kinder merken, daB sie ernst genommen 7 werden, werden sie bereit sein, auch langfristig - fiber ihre Kind heit hinaus - nachzudenken und sich aktiv fUr den Frieden einzu setzen. Zu Beginn der Studie skizzieren wir die Speziftka unseres Ansat zes, unsere Fragestellung, die methodischen Grundlagen und das gewiihlte Untersuchungsverfahren. 1m Anschlu6 referieren wir den Forschungsstand zum Thema Kriegsangst und Friedenshoffnungen bei Kindem und fassen die Ergebnisse der Ubersicht halber knapp zusammen. 1m folgenden Kapitel, das den Kern unserer Studie bil det, legen wir unsere Untersuchungsergebnisse dar, bevor wir eine zusammenfassende Bewertung abgeben und aus unseren Ergebnis sen einige padagogische Konsequenzen und Vorschlage ableiten. 1m Anbang informieren wir fiber die Brief-Aktion "A Letter to Both" des Vereins "Peace Bird" und dokumentieren die Abschrift einer Femsehdiskussion, in der prominente Erwachsene versuchen, den Kindem Antworten auf ihre Fragen zum Thema Krieg und Frie den zu geben. Diskussionen zwischen Kindem und Erwachsenen, gerade auch mit Politikem, baben bisher leider gezeigt, daB diese meistens nicht in der Lage sind, auf die Fragen der Kinder angemessen zu antwor ten. Das hiingt wohl auch damit zusammen, daB die Erwachsenen durch die Fragen nicht nur mit der Ratlosigkeit der Kinder, sondem auch mit ihrer eigenen Ratlosigkeit konfrontiert werden. Vielleicht hilft unsere Untersuchung, sich auf solche Situationen vorzuberei ten. Sie solI als Anreiz dienen, nach besseren Antworten zu suchen. 8 2. Ansatz und Methode der Untersuchung 2.1. Zur Fragestellung der Untersuchung Der Jmpuls fiir diese Untersuchung kam von aufien. Als Mitglie der des Instituts fiir Friedensforschung und Sicherheitspolitik sahen wir uns durch die Initiative der Aktion ,Peace Bird' mit einzelnen Kinderbriefen an Priisident Reagan und Generalsekretiir Gorbat schow konfrontiert. Diese Briefe aus dem In-und Ausland und die Herausforderung, die wir bei der ersten Lektiire empfanden, wur den zum AnlaB, Gespriiche fiber Intention und Schwierigkeiten der Aktion zu fiihren und fiber die Frage nachzudenken: Wie konnen wir als Friedensforscher die Anliegen der Kinder, die sich an einer friedenspolitischen Aktion beteiligt haben, urn zwei Staatsmiinner in Verantwortung zu nehmen, und die doch von diesen Staatsman nem wohl nie eine Antwort erhalten werden, mit Hilfe unserer wis senschaftlichen Instrumentarien unterstiitzen? Unser erster Einfall war: Man mufi dafiir sorgen, daB diese Kin der eine Antwort bekommen - wenn schon nicht von den beiden Staatsmiinnem, so doch von den Erwachsenen, die die Briefkam pagne ins Leben gerufen haben - jedenfalls ein DankeschOn und eine Information dariiber, was mit den Briefen geschehen wfirde, an welchen Ausstellungsorten sie gezeigt und wann und wie sie iiberge ben wiirden. Wichtig schien uns zuniichst, dafiir zu sorgen, daB die Kinder nicht enttiiuscht, sondem weiter ermutigt werden, zu fragen und auf Frieden zu drangen. Doch als wir im zweiten Schritt iiberlegten, was man denn den Kin dem nun im einzelnen antworten konnte, wenn die organisatorischen Vomussetzungen dafiir gegeben wii.ren, wurden wir uns bewufit, - wie schwer es ist, Antworten auf ihre Fragen zum Thema Kriegs drohung und Frieden zu finden und - daB es gar nicht darum geht, allein dem Anliegen der Kinder ge recht zu werden, sondem daB das Anliegen der Kinder auch un ser Anliegen ist; wie hatten wir uns sonst dUTCh die Briefe so her ausgefordert fiihlen konnen? 9 So kamen wir zu der Auffassung, da6 es nicht allein darauf an kommt, ob die beiden Staatsmiinner den Kindem antworten werden, sondem in erster Linie darauf, ein politisches Urnfeld wachsen zu lassen, in dern - Kinder ermutigt werden, gegenuber den Erwachsenen ihre Fra gen und Sichtweisen zu au6em, - Erwachsene lemen, solche Fragen und Siehtweisen ernst zu nehmen, - Erwachsene lemen, diese Fragen und Sichtweisen als Spiegel ih rer eigenen Ratlosigkeit zu begreifen, und da6 - Erwachsene lemen, nach Antworten und politischen Wegen zurn Frieden zu suchen. In diesern Sinne sind die primiiren Adressaten unserer Studie nicht die Kinder. Wir leisten vielrnehr in erster Linie, angeregt durch die Kinder, einen Beitrag zur Erwachsenenpadagogik. So be ziehen sich unsere Aussagen nicht nur auf die Welt von Kindem, ihre psychische Befindlichkeit oder ihren kognitiven Bewu6tseins stand, sondem gerade auch und vor allern auf die Welt der Erwach· senen aus der Sieht von Kindem. Wir fragen: Was konnen die Er wachsenen von den Kindem lemen? Was haben die Kinder den Er wachsenen zu sagen? Urn die Transparenz unserer Untersuchung und ihrer Ergebnisse zu erhOhen, erlautem wir zunachst, mit welcher Art von Untersu chungsmaterial wir es zu tun haben, warurn wir uns auf ein pro blemzentriertes Verfahren qualitativer Sozialforschung (Witzel 1982) stiitzen, sowie Priimissen und Schwierigkeiten eines solchen Verfahrens, aber auch Wege, die Wissenschaftliehkeit der Untersu chung zu sichem. Der Terminus "problemzentriert" weist zurn ei nen darauf hin, da6 eine Methode angewandt wird, mit der indivi duelle und kollektive Verarbeitungsrnuster gesellschaftlicher Reali tat erfafit, nicht aber, Personliehkeitsrnerkmale sondiert oder gar therapeutische Zielsetzungen verfolgt werden. Zum anderen be zeichnet "problemzentriert" eine Forschungsstrategie, die sich an den Problernen aus der Sicht der Untersuchungspersonen orientiert und die Erhebung darauf zentriert. 10 2.2. Das Untersuchungsmaterial und seine Adaquanz flir die Fragestellung Was haben die Kinder den Erwachsenen zu sagen? So zu fragen setzt voraus, da6 die Kinder mit ihren Briefen tatsiichlich die Chance hatten, ihre Sieht so darzustellen, wie ihnen zurnute ist. Inwieweit entspricht das Material der Welt der beteiligten Kinder? 1st die Form des Briefes geeignet, diese auszudriicken und mitzuteilen? Wir beja hen diese Frage, weil die soziale Situation, in der ein Brief an die beiden Staatsmiinner geschrieben wird, aus mehreren Griinden Konzentrations-, Reflexions- und Thematisierungsmoglichkeiten erzeugt. a) Es handelt sich einerseits urn eine beruhigte, vertraute Situation im Rahmen von Familie, Schule oder Kindergruppe, in der man sich trauen kann, auch ungewobnte Sichtweisen zu iiufiem und Fragen zu stellen. b) Auch der Vorgang des Briefeschreibens seIber gehOrt zu den Kommunikationstechniken der Alltagswelt, in die Kinder in Familie und Schule eingefiihrt werden, so da6 davon ausgegangen werden kann, daB zusiitzliche Angste und Denkblockaden im Gegensatz zu vielen anderen Untersuchungssituationen nicht entstehen. c) Auf der anderen Seite handelt es sich urn eine Situation, die fiir Kinder fremd genug ist, urn sie zu einer Erweiterung ihrer Reflex ions-und Thematisierungsspielriiurne gegen die alltiigliche Routine zu ermutigen. Wann korrespondiert man schon in der personliehen Form des Briefes mit Staatsmiinnem und gar mit den Fiihrungsper sonen der beiden Supermiichte? Wann schon werden Kinder in frie denspolitische Arbeit in dem Sinne einbezogen, da6 sie das Gefiihl haben konnen, den Erwachsenen etwas Wichtiges mitteilen zu kon nen? Die Adressaten der Briefe vermitteln auch den jungen Autorin nen und Autoren ein Gefiihl von Wichtigkeit und Bedeutsamkeit. Vielleicht glauben sie nicht daran, da6 ihre Sichtweisen von den Adressaten wirklieh ernst genommen werden, aber sie werden in der Auffassung bestiirkt, daB ihre Sichtweisen ernst genommen wer den sollten, daB sie Wichtiges zu sagen haben. Die Briefaktion stellt ein Gegengewicht zu der allgemeinen Erfahrung gerade von Kin dem und lugendlichen dar, derzufolge es doch nichts niitzt, sondem eher schadet, wenn man seine Meinung sagt. Insofem wird ein In teresse an Reflexion und Thematisierung geffirdert. 11 d) Anders als bei der unmittelbaren Rede erlaubt die Briefform den Kindem, sich weitgehend ungebindert auf ihre Sicht zu besinnen und diese eigenstiindig strukturiert mitzuteilen. Auch wenn diese Mitteilungen durch gemalte Bilder ergiinzt werden konnen, muJ3 al lerdings einschriinkend erwahnt werden, daB das, was in den Briefen mitgeteilt werden kann, nur entsprechend der bereits erworbenen Fiihigkeit zur Niederschrift gelingt, und daB mit der Nichterfassung der gerade bei Kindem ausdrucksintensiven KOrpersprache viel yom emotionalen Gehalt der Mitteilungen verlorengeht. e) Zwar war die Teilnahme an der Briefaktion freiwillig, Anonymi tilt war jedoch als sozialwissenschaftliches Erhebungsprinzip, das den sozialen Druck verringem solI, nur erwiinschte AuJ3erungen zu tun, nicht gegeben. Die Form des Briefes und die mit ibm ange strebte Verbindlichkeit verlangt Anrede und personliche Unter schrift. So waren die Kinder auch aufgefordert worden, ihre Briefe mit Namen und Anschrift zu versehen. Die meisten sind dieser Auf forderung gefolgt. WIT sehen darin keinen Nachteil des Untersu chungsmaterials, weil die Adressaten der Briefe seIber zu weit weg sind, urn sanktionierend wirken zu konnen. f) Inwieweit haben Erwachsene die Kinder beeinfluJ3t, ihre Pro blemsicht auf Muster bin zu stilisieren, die sie flir sozial erwiinscht halten? Wie Erwachsene und andere Kinder, die sich nicht an sol chen Aktionen beteiligen, sind auch die Briefautoren/innen von ih rer Umwelt beeinfluJ3t, vor aHem durch Familie und Schule, durch das politische Klima und durch Informationen, die iiber die Massen medien in das Leben von Kindem eingreifen. Solche Einfliisse prii gen die Kinder unabhangig davon, ob sie einen Brief schreiben oder nicht. Selbst wenn hier und da der eine oder andere Erwachsene Stichpunkte geliefert haben mag, so spiegeln die Briefe doch eben Verarbeitungsweisen, die wir als typisch kindlich bezeichnen, weil die Erwachsenen sie in der Regel verlemen. Diese Verarbeitungsweisen nun systematisch auf ihren flir die Er wachsenen herausfordemden Gehalt zu untersuchen, ist Ziel dieser Arbeit. Die Auswertung der Kinderbriefe solI der originaren Pro blemsicht der Kinder, die sich hinter auch stereotypen Darstellun gen, Andeutungen und widerspriichlichen Formuiierungen verber gen mag, zurn Durchbruch verhelfen. 12

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