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Warte nicht auf bessre Zeiten! Die Autobiographie PDF

600 Pages·2016·12.74 MB·German
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Das Buch Mit sechzehn ging er in die DDR, weil er sie für das bessere Deutschland hielt. Hanns Eisler ermutigte ihn, Lieder zu schreiben, bei Helene Weigel assistierte er am Berliner Ensemble. Dann fiel er bei den Parteibonzen in Ungnade, erhielt Auftritts-und Publikationsverbot. Die Stasi observierte ihn rund um die Uhr, während er im Westen geehrt wurde. Die Proteste gegen seine Ausbürgerung 1976 gelten als Anfang vom Ende der DDR. Mit der ihm eigenen Sprachkraft erzählt Wolf Biermann vom Vater, der als Kommunist eingekerkert und als Jude in Auschwitz ermordet wurde. Von der Mutter, die ihn 1943 aus dem Hamburger Bombeninferno rettete. Vom väterlichen Freund Robert Havemann, mit dem er in der DDR das Los des Geächteten teilte. Er führt uns in die absurde Welt der rotgetünchten Diktatur, erzählt von den alltäglichen düsteren Dramen und von den Sternstunden des Widerstands. Und er berichtet von seinen in den Westen geschmuggelten, im Osten heimlich kursierenden Liedern und Gedichten, deren »Verskunst und robuste Rhetorik« Marcel Reich-Ranicki feierte. Bei aller Heftigkeit des Erlebten lesen sich Biermanns Erinnerungen mitunter wie ein großer Schelmenroman. Zugleich sind sie eine authentische Lebenserzählung über den schicksalsschweren kommunistischen Jahrhunderttraum, der sich als Illusion erwies. Der Autor Wolf Biermann, Dichter und Liedermacher, wurde 1936 in Hamburg geboren. Er war die Stimme des Widerstands in der DDR und wurde 1976 ausgebürgert. Seitdem gibt er Konzerte in manchen Ländern. Für seine Dichtung wurde er vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Georg-Büchner-, dem Heinrich-Heine- und dem Hölderlin-Preis. www.wolf-biermann.de Wolf Biermann Warte nicht auf bessre Zeiten! Die Autobiographie Propyläen Besuchen Sie uns im Internet: www.ullstein-buchverlage.de Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität. Hinweise zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Widergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil-und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt. ISBN 978-3-8437-1425-9 © 2016 Wolf Biermann und Pamela Biermann © der deutschsprachigen Ausgabe 2016 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Covergestaltung: Morian & Bayer-Eynck, Coesfeld Titel-, Autorenbild: © Hans Scherhaufer E-Book: L42 AG, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Inhalt Umschlag Das Buch/Der Autor Titelseite Die Wahrheit mit der Muttermilch Der ein Rauch ward aus den Schornsteinen in Auschwitz Englische Bomben, wie Himmelsgeschenke Zur Gitarre, zum Klavier! Wer jung ist, sucht ein Vaterland Brecht, deine Nachgeborenen An die alten Genossen Warte nicht auf bessre Zeiten! Was verboten ist, das macht uns grade scharf! Da schwamm ich mit der Eisenbahn, hoch über die Mauer hin Und doch, die Hundeblume blüht… Ihr macht mich populär! Die Stasi ist mein Eckermann In Prag ist Pariser Commune Die hab ich satt! Die großen Lügner – und was wird bleiben von denen? Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt drin um! Wie nah sind uns manche Tote, doch wie tot sind uns manche, die leben Es gibt ein Leben vor dem Tod Die Wunden wollen nicht zugehn, unter dem Dreckverband Der preußische Ikarus Verdrehte Welt, das seh ich gerne Am Anfang war der Kuss Wer Hoffnung predigt, tja, der lügt. Doch wer die Hoffnung tötet, ist ein Schweinehund Nicht Rache, nein Rente Halt die Luft an – Leben geht doch weiter! Jetzt weiß ich, sie haben uns alles verziehn, was sie uns angetan haben! Heiß oder kalt, immer war da Krieg … Weil man mit Tränen keine Tyrannen zähmt Ich bleibe, was ich immer war: halb Judenbalg und halb ein Goj Ich ist ein Andrer, das ist klar… Nur wer sich ändert, bleibt sich treu Notat Bildteil Bildnachweis Feedback an den Verlag Empfehlungen Weggerissen wurde der Vater mir, als ich vier Monate alt war. Diesen Schmerz soff ich am Busen meiner Mutter bei der Gestapo in Hamburg, in der Untersuchungshaftanstalt nahe Planten un Blomen, wohin Emma Biermann zu Verhören einbestellt wurde. Den gleichen Kummer schlürfte ich mit der Kunsthonigmilch in meinem Zimmerchen im Häwelmann-Bett über dem Gustavkanal, wenn unten im Fleet der kleine Schlepper mit eingeknicktem Schornstein die Schuten unter die Brücke Schwabenstraße in Richtung zum Mittelkanal zog. Diese heillose Wunde blieb lebenslänglich offen, denn ich kann diesem frühen Tod nicht entfliehen. Der Kummer um den Kommunisten, den Arbeiter, den Juden Biermann ist meine Schicksalsmacht, mein guter Geist, mein böser. Er ist das Gesetz, nach dem ich angetreten bin. So muss ich sein, so bleibe ich. Marx hin, Marx her – ich konnte auf meinem langen Weg an keiner Wegscheide je diesem Fatum entfliehen. Mein Kummer blieb lebendig und machte Metamorphosen durch. Er stumpfte nicht. Er hat sich bis heute immer wieder erneuert, hat sich gewandelt, zusammen mit mir, im Umbruch der Zeiten. Durch ihn bin ich ein frecher Zweifler geworden, dann ein frommer Ketzer, ein tapferer Renegat des Kommunismus. Ein todtrauriges Glückskind in Deutschland, ein greises Weltenkind. Dieser eingeborene Kummer um den Vater war mein Luftholen seit 1937, war mein asthmatisches Japsen seit den Bombennächten in Hammerbrook 1943. Dieser eine Grundkummer ist mein Schreien, mein Quasseln, mein Stottern, all mein Singen, mein Mut, mein Übermut, mein Gelächter, mein Schweigen. Dieser polit-genetisch gezeugte Kummer wurde all mein vegetativer Hass, aber auch meine angelernte Lust am Leben. Der Kummer um meinen Vater blieb meine verwüstbare Hoffnung, meine bedrohte Liebe. Die Wahrheit mit der Muttermilch Familie und kommunistischer Widerstand Karl-Wolf. So steht es geschrieben in meiner Geburtsurkunde. Nicht Wolf, sondern Karl-Wolf Biermann. Im vierten Jahr des Tausendjährigen Reiches, am 15. November 1936, wurde ich in Hamburg geboren, genau fünf Minuten nach zwölf. Ich war – auf den Tag genau – ein Achtmonatskind. Meine Mutter flüsterte die Standardfrage. Die Hebamme des Sankt-Georg-Krankenhauses durchschnitt die Nabelschnur und knurrte: »… is ’n Junge.« Emma gluckste vor Glück. Ausgerechnet die Arbeiterin Emma Biermann tirilierte das blöde Liedchen »Ja, wir haben einen Sohn, einen Erben für den Thron …« Die Hebamme war womöglich genervt. Sie sagte mit spitzer Zunge: »Der hat ja ’ne kleine Judennase!« War das nun die Diagnose einer erfahrenen Geburtshelferin? Oder der blinde Affekt einer missgelaunten Nazi-Hippe? Am Abend dieses Sonntags, direkt nach seiner Sonderschicht auf der Deutschen Werft, kam mein Vater in Arbeitskluft zur Klinik. Dagobert hatte Augen nur für seine Emma. Vom Balg nahm er freundlich Notiz. Ja, er war glücklich mit ihr, war verliebt in seine Frau. Und: Er war ihr dankbar. »Du bist nicht nur mein Lieb, sondern der beste Kamerad, den ich je hatte«, schrieb er später in einem Brief aus dem Gefängnis. Dagobert Biermann hatte Schlosser und Maschinenbauer erlernt. Aufgewachsen war er im »Lazarus-Gumpel-Stift zur Unterstützung bedürftiger Juden« in der Schlachterstraße 46, nahe dem Hamburger Michel, in einer Hinterhofwohnung, in die nie ein Sonnenstrahl fiel. Eine meiner ersten Erinnerungen: drei Treppenstufen hoch am Geländer. Gleich vorne die düstere Wohnstube. Großvater schlief auf dem Sofa, mit einem Hut auf’m Gesicht. John Biermann, meines Vaters Vater, war ambulanter Elektrikermeister mit nur einem Angestellten: er selber. Seine ganze »Firma« bestand aus einem wohlgeordneten Holzkasten fürs Handwerkszeug, dazu eine Stehleiter, ein paar Kabelrollen und eine schwere Kiste voll mit elektrischem Kleinkram. Großvater ging in die

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Selten sind persönliches Schicksal und deutsche Geschichte so eng verwoben wie bei Wolf Biermann. Ein Leben zwischen West und Ost, ein Widerspruchsgeist zwischen allen Fronten. Mit sechzehn ging er in die DDR, die er für das bessere Deutschland hielt. Hanns Eisler ermutigte ihn, Lieder zu schreibe
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