HEIDELBERGERJAHRBUCHER 2002 XLVI Herausgegeben von der Universitatsgesellschaft Heidelberg Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH THOMAS FUCHS • INGE JADI BETTINA BRAND-CLAUSSEN • CHRISTOPH MUNDT (HRSG.) Wahn Welt Bild Die Sammlung Prinzhorn Beitrage zur Museumseroffnung Springer IM AUFTRAG DER UNIVERSITATSGESELLSCHAFT HEIDELBERG herausgegeben von Prof. Dr. Helmuth Kiesel Universitat Heidelberg, Germanistisches Seminar HauptstraBe 207-209, 69117 Heidelberg E-MAIL: [email protected] WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT Prof. Dr. Martin Bopp • Dr. Hermann Josef Dorpinghaus Prof. Dr. Reinhard MuBgnug • Prof. Dr. Stefan Maul • Prof. Dr. Arnold Rothe Prof. Dr. Volker Storch • Prof. Dr. Friedrich Vogel • Prof. Dr. Michael Wink SCHRIFTLEITUNG Dr. Sandra Kluwe BANDHERAUSGEBER PD Dr. Dr. Thomas Fuchs • Dr. Bettina Brand-Claussen • Prof. Dr. Christoph Mundt VoBstraBe 2, 69115 Heidelberg Dr. Inge Jadi KyffhauserstraBe 14, 10781 Berlin Mit 204 Abbildungen, davon 89 in Farbe Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Wahn Welt Bild. Die Sammlung Prinzhorn -Beitrage zur Museumseroffnung Berlin; Heidelberg; New York; Barcelona; Hongkong; London; Mailand; Paris; Tokio: Springer 2002 ISBN 978-3-540-44193-9 ISBN 978-3-642-55719-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-55719-4 ISBN 978-3-540-44193-9 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Obersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk sendung, der MikroverfIlmung oder der Vervielfâltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfâltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergiitungspilichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. http.!lwww.springer.de © Springer-Verlag Berlin Heide1berg 2002 UrsprOnglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York in 2002 Umschlaggestaltung: E. Kirchner, Heidelberg Gedruckt auf saurefreiem Papier 08/3142PS -5 4 3 2 1 O Inhaltsverzeichnis Vorwort. .................................................. IX GOTTFRIED BOEHM Die Kraft der Bilder ........................................... 1 I. Geschichte und Wirkung der Sammlung HELMUTH KIESEL Der Dadaist Hugo Ball uber die "Bildnerei der Geisteskranken" ......... 11 BEAT WySS Der blinde Fleck der Gestalt. Prinzhorns Formalismus ................ 17 THOMAS ROSKE Hans Prinzhorn - ein "Sinnender" in der Weimarer Republik .......... 31 MAIKE ROTZOLL, BETTINA BRAND-CLAUSSEN, GERRIT HOHENDORF Carl Schneider, die Bildersammlung, die Kunstler und der Mord ........ 41 PETER GORSEN Simulation als Methode ....................................... 65 EDUARD BEAUCAMP UND PETER GORSEN 1M GESPRACH Kunst ohne Nerven? .......................................... 79 II. Psychopathologie und Kunst - Wahrnehmungen und Deutungen THOMAS FUCHS Homo pictor ................................................ 91 ANDREAS MARNEROS Manisch-depressive Erkrankungen und Kreativitat ................. 107 CHRISTOPH MUNDT Die Sprache der Schizophrenen ................................. 121 FERENC JADI Intersubjektivitat, Bildlichkeit und die Welt der Schizophrenen ........ 133 GISELA STEINLECHNER Sprachnotwendigkeiten. Texte aus der Sammlung Prinzhorn .......... 169 ROMAN KURZMEYER Elie Nadelman (1882-1946). Bildhauer und Sammler .................1 85 DIETRICH VON ENGELHARDT Pathographie - historische Entwicklung, zentrale Dimensionen ........ 199 VI Inhaltsverzeichnis III. Der asthetische Blick - Kuratoren, Kfinstler und die Sammlung Prinzhorn INGE JADI Eine wissenschaftliche Dokumentation wird zum Kunstereignis ........ 215 MATTHIAS OSTERWOLD Muzika - Musikbezogene Werke psychisch Kranker und ihre Bearbeitung durch zeitgenossische Komponisten ............ 225 KATHARINA KAISER Zeichen aus einer anderen Wirklichkeit - tiber den Umgang mit Werken aus Grenzbereichen der Kunst ........................ 245 EMIL SIEMEISTER Korperaufftihrung (Performance): "Sim-sa-Ia-Bim" ................. 257 MANOS TSANGARIS "Leben ist ein Ding an sich. Mein Werdetraum zieht durch die Welt" (v. Wines) ..................................... 275 IV. Therapie mit kfinstlerischen Mitteln HELMUT HARTWIG Kunst und NormalWit - das Dilemma der Therapie ................. 285 GERTRAUD SCHOTTENLOHER "Leben ist Kunst - Kunst ist Leben" ............................. 301 ELIZABETH MCGLYNN Kunst hat einen Transitorischen Korper .......................... 315 PHILIPP MARTIUS, FLORA VON SPRETI Der kleine Albert ........................................... 335 FRANZ RESCH Kunst spielt eine Rolle ....................................... 349 Autorenverzeichnis DR. PHIL. EDUARD BEAU CAMP Frankfurter Allgemeine Zeitung, Hellerhofstr. 9, D-60267 Frankfurt/M. PROF. DR. PHIL. GOTTFRIED BOEHM Kunsthistorisches Seminar, Kunstmuseum, St. Alban-Graben 16, CH-4010 Basel DR. PHIL. BETTINA BRAND-CLAUSSEN Sammmiung Prinzhorn, Psychiatrische Universitatsklinik, VoBstr. 2, D-69115 Heidelberg PROF. DR. MED. WOLFGANG U. ECKART Institut fur die Geschichte der Medizin, INF 327, D-69120 Heidelberg PD DR. MED. DR. PHIL. THOMAS FUCHS Psychiatrische Universitatsklinik, VoBstr. 2, D-69115 Heidelberg PROF. DR. PHIL. PETER GORSEN Eitelberger Gasse 21, A-1130 Wien PROF. HELMUT HARTWIG UDK, Institut fur Kunst im Kontext, Einsteinufer 43-53,D-10587 Berlin DR. MED. GERRIT HOHENDORF Wieninger Str. 12, D-85221 Dachau DR. MED. INGE JAD! Kyffhauser Str. 14, D-10781 Berlin PROF. DR. MED. FERENC JAD! Universitat Dortmund, Fachbereich Rehabilitation, Emil-Figge-Str. 14, D-44227 Dortmund KATHARINA KAISER Kunstamt Tempelhof-Schoneberg, Haus am Kleistpark, Grunewaldstr. 6-7, D-10823 Berlin DR. PHIL. ROMAN KURZMEYER Hebelstr. 103, CH-4056 Basel PROF. DR. MED. ANDREAS MARNEROS Martin-Luther-Universitat Halle-Wittenberg, Klinik und Poli klinik fur Psychiatrie, Julius-Kuhn-Str. 7, D-06112 Halle/S. VIII Autorenverzeichnis DR. MED. PHILIPP MART IUS Klinik Dr. Schlemmer, Postfach 340, D-83705 Bad Wiessee ELIZABETH McGLYNN Neulerchenfelder Str. 73/22, A-1160 Wien PROF. DR. MED. CHRISTOPH MUNDT Psychiatrische UniversWitsklinik, VoBstr. 2, D-69115 Heidelberg MATTHIAS OSTERWOLD Berliner Festspiele MaerzMusik-Festival fur aktuelle Musik, Schaper Str. 24, 10719 Berlin PROF. DR. MED. UWE HENDRIK PETERS Klinik und Poliklinik fur Neurolo gie und Psychiatrie der UniversWit Koln, Josef-Stelzmann-Str. 9, D-50931 Koln PROF. DR. MED. FRANZ RESCH Klinik fur Kinder- und Jugendpsy chiatrie der Psychiatrischen UniversWitsklinik Blumenstr. 8, D-69115 Heidelberg DR. PHIL. THOMAS ROSKE Sammlung Prinzhorn, Psychiatrische UniversiHitsklinik, VoBstr. 2, D-69115 Heidelberg DR. MED. MAIKE ROTZOLL SchloBberg 21 D-69117 Heidelberg PROF. DR. PHIL. Akademie fur Bildende Kunste GERTRAUTSCHOTTENLOHER Von der pfordten Str. 19, D-80687 Munchen EMIL SIEMEISTER A-7563 Konigsdorf 165 FLORA GRAFIN VON SPRETI Klinik fur Psychiatrie und Psychotherapie TUM Ismaninger Str. 22, D-81675 Munchen DR. GISELA STEINLECHNER Barichgasse 9/Io,A-1030 Wien MANOS TSANGARIS Hansaring 94, D-50670 Koln PROF. DR. PHIL. BEAT WySS Kunsthistorisches Seminar der Universitat Stuttgart Keplerstr. 17, D-70174 Stuttgart Vorwort 80 Jahre nach ihrer Entstehung markiert die ErOffnung eines eigenen Museumsbaus fur die Sammlung Prinzhorn im September 2001 einen vorHiu figen Hohepunkt ihrer Entwicklung. Sie steht fur die Anerkennung, die dieser kunstlerisch wie psychiatrisch einzigartigen Sammlung nach einer wechsel vollen Geschichte widerfahren ist. Auf Veranlassung des damaligen Direktors der Heidelberger Psychiatrischen Klinik, Karl Wilmanns, sammelte der Psychiater und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn in den Jahren 1919-21 uber 5000 Arbeiten von etwa 450 Patienten psychiatrischer Anstalten aus Deutschland und Europa. Als einer der ersten durchbrach er damit die bisherige Missachtung solcher Schopfungen und erkannte ihren kunstlerischen Rang. Die Sammlung sollte schon damals zu einem Museum ausgebaut werden und die Bedeutung der Kunst psychisch kran ker Menschen dokumentieren. Stattdessen wurde sie jedoch ab 1938 in der NS-Ausstellung Entartete Kunst als pathologisches Beweismaterial gegen die Kunst der "Moderne" instrumentalisiert und geriet nach dem 2. Weltkrieg in Vergessenheit. Gleichwohl hatte sie einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf die Kunst des 20. Jahrhunderts, insbesondere auf die surrealistische Bewegung. Anfang der 60er Jahre wurde die Sammlung wiederentdeckt und in den 80er Jahren mit Unterstutzung der Stiftung Volkswagenwerk sorgfaltig restauriert, konserviert und wissenschaftlich aufbereitet. Mit Inge Jadi wurde ab 1973 eine Personlichkeit zur Kuratorin der Sammlung bestellt, die gleichermaBen Zugang zur psychiatrischen wie zur kunstlerischen Seite der Sammlung hatte. Ihrer Sensibilitat und ihrem Engagement ist der Erhalt und die ErschlieBung der kostbaren Werke fur die Gegenwart in erster Linie zu verdanken. Gemein sam mit Bettina Brand-Claussen konnte sie der Sammlung in den letzten Jah ren durch mehrere internationale Ausstellungsprojekte zu Weltruhm verhelfen. Die ErOffnung des neuen Museums fiel zeitlich zusammen mit ihrem altersbe dingten Ruckzug aus der Tatigkeit als Kuratorin und kronte zugleich ihr Lebenswerk. Es sei ihr an dieser Stelle von seiten der Psychiatrischen Klinik und des Klinikums der Universitat Heidelberg fur die Leistungen ihrer langen Amtszeit hochste Anerkennung und Dank ausgesprochen. Wir sind sicher und freuen uns darauf, dass sie dem neuen Museum und seinen Mitarbeitern per sonlich verbunden bleiben wird. x Vorwort Nach einem langen Vorlaufhat die Sammlung nun in einem wiirdigen Rah men ihr Zuhause gefunden. Das ehemalige Horsaalgebaude, das sie kiinftig beherbergt, ist nicht nur ein architektonisches Schmuckstiick des spaten 19. Jahrhunderts, sondern war auch einer der Ausgangspunkte der anthropologi schen Medizin, wie sie Heidelberg beriihmt gemacht hat - Viktor von Weizsa cker, der Begriinder der deutschen psychosomatischen Medizin, ebenso wie die anthropologisch orientierten Neurologen Paul Vogel und Dieter Janz haben hier ihre Vorlesungen gehalten. Das Gebaude steht somit in der historischen Tradition einer Verbindung der naturwissenschaftlichen Medizin mit geistes wissenschaftlichen Ansatzen, die das Subjekt in das Zentrum medizinischen Forschens und Handelns riickten. In dieser Tradition nimmt auch die Sammlung Prinzhorn einen wichtigen Platz ein. Neben ihren vielfaltigen Einfliissen auf zeitgenossische Kiinstler hat sie vor allem zu einem vertieften psychopathologischen Verstandnis des sub jektiven Welterlebens in psychotischen Erkrankungen beigetragen. Und nicht zuletzt haben die Werke auch die stabilisierenden Wirkungen auf das Seelenle ben aufgezeigt, die von der kreativen Auseinandersetzung mit psychotischem Erleben ausgehen - ein fiir die Psychiatrie in therapeutischer Hinsicht besonders wichtiger Aspekt. Das neue Museum wird es nun erlauben, die umfangreiche Sammlung in Wechselausstellungen nach und nach der Offent lichkeit zuganglich zu machen. Mit ihrer eigenwilligen Asthetik und ihrer lebendigen Ausstrahlung konnen die Werke so iiber die Zeiten hinweg einen wichtigen Beitrag zur Entstigmatisierung psychisch Kranker leisten. Urn kiinftig die vielfaItigen Potenzen der Sammlung auch wissenschaftlich weiter zu erschlieBen und sich mit ihr auf dem jeweils aktuellen Stand des Kunstverstandnisses auseinanderzusetzen, bedarf es vor aHem eines interdis ziplinaren Vorgehens. Kiinstlerische, kunsthistorische, zeitgeschichtliche, psychopathologische, psychiatrische und anthropologische Aspekte sind dabei gleichermaBen bedeutsam, konnen einander erganzen und bereichern. Dieser polyperspektivischen Betrachtungsweise wird das Museum auch in Zukunft verpflichtet sein. Nicht zuletzt vermag die Lokalisierung der Sammlung an der Psychiatrischen Klinik Heidelberg der Kunsttherapie mit heutigen Patienten wertvolle Anregungen und Impulse zu geben. Der vorliegende Band dokumentiert die Vortrage des internationalen Kongresses, mit dem das neue Museum der Sammlung inauguriert wurde. Er behandelt das Spektrum von Psychiatrie, Kunst und GeseHschaft in ihren wechselseitigen Einfliissen und greift damit die seinerzeit neue interdiszipli nare Sichtweise Hans Prinzhorns auf. Ein erster Abschnitt von Beitragen ist der Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der Sammlung gewidmet, ein zweiter ihrem Einfluss auf die allgemeine Kunst und Kunstgeschichte. Psychopathologische Beitrage im dritten Tei! untersuchen die Wurzeln der Kreativitat in seelischen Existenzgefahrdungen und in Grenzverfassungen des Menschen. 1m vierten Abschnitt stellen sich Fragen nach dem aktuellen Umgang von Kiinstlern und Kuratoren mit dem sensiblen Material der Sammlung. Das Verstandnis von Kunst als Kommunikation fiihrt schlieBlich