J. ACZEL VORLESUNGEN ÜBER FUNKTIONALGLEICHUNGEN UNDIHREANWENDUNGEN MATHEMATISCHE REIHE- BAND 25 LEHRBÜCHER UND MONOGRAPHIEN AUS DEM GEBIETE DER EXAKTEN WISSENSCHAFTEN VORLESUNC-EN ÜBER FUNKTIONALGLEICHUNGEN UNDIHREANWENDUNGEN VON J.ACZEL PROFESSOR A.N DER UNIVERSITÄT DEBRECEN SPRINGER BASEL AG 1961 ISBN 978-3-0348-6905-8 ISBN 978-3-0348-6904-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-0348-6904-1 Nachdruck verboten Alle Rechte, insbesondere das der Obersetzung in fremde Sprachen und der Reproduktion auf Photostatischem Wege ader durch Mikrofilm vorbehalten © Springer Basel AG 1900 Urspriinglich erschienen bei Birkhll.user Verlag Basel 1 g6o Softcover reprint ofthe hardcover lSt edition 1900 DEM ANDENKEN AN LEOPOLD FEJER 9.FEBRUAR 1880 BIS 15.0KTOBER 1959 GEWIDMET Vorwort Das Lösen von Funktionalgleichungen bildet einen der ältesten Problem kreise der Analysis. EuLER, n' ALEMBERT, GAuss, CAUCHY, ABEL, WEIER STRASS, DARBOUX, HrLBERT, um nur ein paar der größten Namen zu nennen, befaßten sich wiederholt und eingehend mit der Auflösung von Funktional gleichungen und mit Lösungsmethoden für diese. In den letzten 50 Jahren ist rue Produktion auch in diesem wie in den übrigen Gebieten der Mathematik ungeheuer gewachsen. Da es aber in rueser so alten und für die Anwendungen so wichtigen Disziplin eigentlich gar kein zusammenfassendes Werk gab, kam es wiederholt zur Wiederentdeckung von schon Jahrzehnte früher gefundenen Resultaten. Die vorliegende Monographie setzt sich das Ziel, diesen Mangel wenigstens teilweise beseitigen zu helfen. Im Gegensatz zu den natürlich anderen Zielen ruenenden Berichten von PINCHERLE 1906, 1912 in der deutschen und fran zösischen Enzyklopädie werden hier zu den Resultaten meist auch Beweise angegeben. In den bis jetzt vorhandenen, sich zum Teil auch mit Funktional gleichungen befassenden Büchern von CzuBER 1891, PrcARD 1928, HARDY LITTLEWoon-P6LYA 1934, FRECHET 1938 und HosTINSKY 1939 sind rue be handelten speziellen Funktionalgleichungen den Anwendungen, denen sie dort dienen, untergeordnet; dagegen ordnen wir das Material eher nach den Typen der Funktionalgleichungen selbst. Da ein Plan von ScHWElTZER 1918 [3] be züglich der Zusammenstellung einer Bibliographie der Theorie der Funktional gleichungen leider nicht verwirklicht wurde, will das Literaturverzeichnis am Ende dieses Buches zum Teil auch diesem Zwecke dienen, obzwar auch jenes bei weitem nicht vollstänrug ist. Wir deuten hier den Begriff der Funktionalgleichung natürlich in seinem modernen, engeren Sinne (siehe die genaue Definition in der Einleitung, Ab schnitt 0.1.), so daß zum Beispiel rue Differentialgleichungen, Integralglei chungen, Integro-Differentialgleichungen, Differential-Funktionalgleichungen usw. nicht darin einbegriffen sind. Da das Gebiet der Funktionalgleichungen aber auch danach noch ungeheuer groß blieb, mußten wir das zu behandelnde Material weiter einschränken. Insbesondere würde unsere Interpretation dieses Begriffes unter anderem rue Differenzengleichungen noch einschließen. Die Be handlung dieser Disziplin konnte aber um so eher beiseitegelassen werden, als auf ruesem Gebiete eine große Anzahl von Standardwerken vorhanden ist. 8 Vorwort Ferner ließen wir der Folgerichtigkeit halber, und weil auch diese verhältnis mäßig oft systematisch behandelt wurden, zugleich die Untersuchung aller Funktionalgleichungen beiseite, in denen alle unbekannten Funktionen von wenigstens derselben Veränderlichenzahl sind wie die Zahl der in der Gleichung überhaupt vorkommenden unabhängigen Veränderlichen, so beispielsweise alle lterationsgleichungen. Obzwar damit eben solche Funktionalgleichungen aus geschlossen werden, bei deren Lösung Methoden dominieren, die der Behand lung der übrigen Funktionalgleichungen fremd sind, wird der Leser diesen Ver lust schon schmerzlicher empfinden. Der Verfasser sah sich aber gezwungen, diesen Schnitt durchzuführen, um einen vernünftigen Umfang und die syste matische Einheit des Buches wahren zu können. Die Einteilung des Buches ist eine Resultante mehrerer möglicher Ord nungsprinzipien: Funktionalgleichungen für Funktionen von einer und m·ehre ren Veränderlichen, für eine Funktion oder mehrere Funktionen, einfache und zusammengesetzte Gleichungen, Veränderliche, die außerhalb der gesuchten Funktionen vorkommen, und innere Veränderliche, elementare Lösungs methoden und Zurückführung auf Differential-usw. -gleichungen, die speziellen Anwendungsgebiete der Gleichungen, der historische Gesichtspunkt usw. Die Klassifikation ist keineswegs starr, und manche der, streng betrachtet, in ein gewisses Kapitel gehörenden Untersuchungen werden wegen ihres Zusammen hanges in einem anderen behandelt. Als Bindeglied zwischen Gleichungen mit einer und mit mehreren unbekannten Funktionen von einer und von mehreren Veränderlichen werden kurz auch Vektoren- und Matrizen-Funktional gleichungen endlicher Dimensionszahl behandelt. Gleichungen für beliebige Operatoren und Funktionale konnten dagegen hier nicht berücksichtigt werden, da dies uns weit in die Funktionalanalysis hineingeführt hätte. Funktional ungleichungen, deren Untersuchung beispielsweise die ganze Theorie der kon vexen Funktionen enthalten würde, werden in diesem Buche, wie schon der Titel sagt, überhaupt nicht behandelt. Wir können in diesem Rahmen auch die Verwendung von Funktionalgleichungen zur Definition von Funktionen und deren Erweiterung vom reellen auf das komplexe Gebiet, auf Matrizen usw., sowie ihre Verwendung zum Aufbau der Funktionen von mehreren Veränder lichen mittels Funktionen von wenigerVeränderlichen und ähnliche Fragen nur flüchtig berühren, da sie dem Programm dieses Buches, dessen Hauptakzent auf den Lösungsmethoden liegt, etwas ferner stehen. Gewisse einschränkende Bedingungen bezüglich des Definitionsgebietes und des Wertevorrates sowie der "Regularität" der in den Gleichungen figurierenden Funktionen mußten gestellt werden, da sonst zum Beispiel der größte Teil der Algebra als Behandlung der Funktionalgleichungen der Assoziativität, Trans formation und Distributivität hätte eingeschlossen werden müssen. Dagegen trachteten wir, algebraische Strukturen mit anderen Gesetzen wenigstens zu streifen, und die Arbeiten, in denen sie behandelt werden, größtenteils in das Literaturverzeichnis aufzunehmen. Entsprechend diesen Regularitätsbedin gungen gehen wir auch auf die singulären (nichtstetigen usw.) Lösungen von Funktionalgleichungen nicht ein. Diese Einschränkung ist wieder bedauerns- Vorwort 9 wert, da sie uns vieler analytischer und algebraischer Feinheiten beraubt; aber auch sie mußte der Kürze und Einheitlichkeit halber gemacht werden. - Auch solche selbständigen Gebiete der Mathematik, die größtenteils als Lösung und Anwendung von Funktionalgleichungen betrachtet werden können, wie etwa die Theorie der kontinuierlichen Gruppen und die der geometrischen Objekte, können hier nicht behandelt werden. Über die Funktionalgleichungen der Theorie der geometrischen Objekte ist übrigens ein gemeinsames Büchlein von Prof. Dr. S. GOLi\B mit dem Verfasser dieses Buches in Vorbereitung. Die haupt sächlich mit Funktionalgleichungen arbeitenden Aufsätze dieser Theorie haben wir aber ebenfalls im Literaturverzeichnis des vorliegenden Buches berücksich tigt. - Wir wünschen jedenfalls, die Zusammenhänge unserer Disziplin mit der Algebra und mit vielen "algebraisierten" Gebieten der Geometrie (kon tinuierliche Gruppen, Vektorrechnung usw.) ausdrücklich zu betonen. Auch die großen Anwendungsgebiete Wahrscheinlichkeitstheorie, nichteuklidische Geometrie und Mechanik, die selbst zur Entwicklung der Disziplin der Funktionalgleichungen so viel beigetragen haben, sollten hier eine würdige Rolle spielen. Die Behandlung der Anwendungen ist aber natürlich den Glei chungen selbst untergeordnet, und deshalb kann in den Vorbereitungen und Konsequenzen auf diese Gebiete nicht ausführlich eingegangen werden. Einzelheiten der Anwendungen, die zum Verständnis nötig sind, aber selbst keine Funktionalgleichungen verwenden, sowie weniger wichtige Beispiele und weitläufigere Teile gewisser Beweise sind zum Teil in Kleindruck wieder gegeben. Das Buch gliedert sich in zwei Teile nebst Vorwort, Einleitung, Schlußbemer kungen und Literaturverzeichnis. Die weitere Gliederung besteht in Kapiteln, Abschnitten und Nummern. Die Nummern werden innerhalb der einzelnen Abschnitte, die Abschnitte innerhalb der Kapitel, die Kapitel und die Formeln dagegen durch das ganze Buch laufend numeriert. So bedeutet in den Hinweisen zum Beispiel 1.2.3. (::38) die Formel (38) der Nummer 3 im Abschnitt 2 des 1. Kapitels (welches sich seinerseits im ersten Teil befindet).-Hinweise auf das Literaturverzeichnis lauten folgendermaßen: Zum Beispiel ist die im Text oder in einer Fußnote oder in diesem Vorwort mit ScHWElTZER 1918 [3] zitierte Arbeit im Literaturverzeichnis unter dem Haupttitel1918 bei dem Namen ScHWElTZER unter der Ziffer [3] zu finden. Leider können wir nur sehr wenige Existenz- und Unitätssätze sowie Unter suchungen über den Einfluß der Gestalt der Gleichung auf die der Lösungen bringen, da solche Resultate fast überhaupt nicht vorhanden sind. So trachteten wir wenigstens nach Möglichkeit das Prinzip durchzusetzen, daß auch die Trag weite der gegebenen Lösungsmethoden untersucht werde, daß also neben den bisher meist behandelten ganz speziellen Funktionalgleichungen mit indivi duellen Lösungsmethoden hier auch Funktionalgleichungstypen mit allgemei neren Lösungsmethoden untersucht werden. Dadurch wird auch eine gewisse Ordnung und ein gewisser Zusammenhang in dieses so atomisierte Gebiet hin eingetragen, obzwar sich natürlich der Mangel an einer einheitlichen Theorie auch so noch stark spürbar macht. 10 Vorwort Eine andere Besonderheit, die die Funktionalgleichungen etwa von den Differential-, Integral-, Differenzen- usw. -gleichungen unterscheidet, besteht, wie dies schon von ABEL bemerkt wurde, darin, daß hier eine Funktional gleichung mehrere unbekannte Funktionen enthalten kann, derart, daß aus ihr alle unbekannten Funktionen bestimmt werden können. Dem werden wir im Laufe der Arbeit sehr oft begegnen. Auch das will hier als vereinigendes Prinzip gelten, da solche Funktionalgleichungen oft viele, scheinbar verschiedene Gleichungen zusammenfassen. Während in Gebieten, die systematisiert vorliegen, die Bücher oft so an gelegt werden, daß einzelne Teile auch selbständig verständlich sind, betonen wir hier eher den Zusammenhang der sonst vereinzelten Untersuchungen. Dies nötigt oft zum Zurückblättern, obzwar eigentlich fast alle Kapitel und viele Abschnitte für sich allein verständlich sind. - Überhaupt hat das Buch etwas den Charakter einer Originalarbeit, was an Stil, Aufbau und Ausstattung wohl zu spüren ist. Wir wollen den Ursprung der vorgetragenen Untersuchungen überall aus drücklich angeben. Der Kenner wird auch manches Neue finden. Als Zwischen glied zwischen Lehrbuch, Monographie und Nachschlagewerk enthält die Arbeit gleichermaßen Sätze mit ausführlichen, skizzierten bzw. ausstehenden Be weisen. Die Voraussetzungen und die Behauptungen werden manchmal im voraus, manchmal erst nachträglich (selten überhaupt nicht explizit) formu liert. Wir trachteten meist auch nicht danach, die stärksten Behauptungen unter den schwächsten Voraussetzungen zu beweisen. Eine gewisse Anzahl der sehr zahlreichen und mannigfaltigen Lücken, Probleme und Vermutungen, die in diesem Gebiete noch offenstehen, werden im Gang der Arbeit explizit formu liert. Dies wird hoffentlich zur Verbreitung dieses elementaren und für die Anwendungen doch so wichtigen, so problemreichen und fesselnden Gebietes beitragen. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, daß ein großer Teil der Mängel, die der Kenner wohl bemerken wird, dadurch entstanden ist, daß der Ver fasser bestrebt war, zugunsten des Lernenden das Buch möglichst elementar zu halten. Die Begriffe Funktion, Monotonie und Stetigkeit genügen schon zum Verständnis eines beträchtlichen Teiles und mit der Kenntnis der Begriffe der Integrierbarkeit (Meßbarkeit), der (partiellen) Derivierten und der Jacobischen Funktionaldeterminante kommt man schon, abgesehen von einigen Anwen dungen, fast überall durch. Eben dieser elementare Charakter bildet auch im allgemeinen, wie schon bemerkt wurde, einerseits einen gewissen Reiz, an dererseits einen gewissen Mangel des heutigen Standes der Theorie der Funk tionalgleichungen. Das Ziel des vorliegenden Buches ist jedenfalls, mit Hilfe des ersteren Vorteiles auch solche neuen Anhänger dieser Disziplin zu gewinnen, die vielleicht einmal zur Beseitigung der letzteren Mängel beitragen werden. Wenn dies gelänge, so würde der Verfasser seine Arbeit als weit über sein Er warten hinaus erfolgreich betrachten. Das vorliegende Buch entstand zum Teil aus Vorlesungen, die der Verfasser, dasselbe Ziel verfolgend, in den Jahren 1953-1960 an der Universität Debrecen