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Von der Violine PDF

382 Pages·1913·16.81 MB·German
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VON DER VIOLINE VON PAUL STOEVING PROFESSOR AN DER GUILDHALL SCHOOL UND TRINITY COLLEGE OF MUSIC IN LONDON; VER. FASSER VON "ALLERLEI GEIGER GESCHICHTEN", DER "KUNST DER BOGENFÜHRUNG" USW. 3. UND 4. TAUSEND SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH Den Buchschmuck zeichnete Curt Stoeving. Es wurden von der ersten Auflage dieses Buches 200 Exemplare auf Biittenpapier gedruckt und handschriftIich numeriert; das Exemplar kostet in Pergament gebunden 12 Mark. Die eng Iische Original-Ausgabe unter dem Titei "The Story of the VioIine" verlegte T h e Wa I te r S c o tt P u b Ii s hin g C o., L t d. in L o n d o n. ISBN 978-3-663-00869-9 ISBN 978-3-663-02782-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-02782-9 Meiner Mutter gewidmet D ie Geige - welch ein wunderbares Ding eine Geige istl Sinne dem Gedanken nach, ihrem Tone, ihrer Gestalt, ihrer Geschichte und ihrer Stellung in der Kunstwelt von heute: und du stehst vor einem kleinen Wunder. Etwas Wunder bares, Unerklärliches, nenn' es wie du willst, etwas von göttlichem Vorhaben, göttlicher Kraft scheint hinter diesem kleinen zarten menschlichen Gebilde zu liegen. Einstmals, im frühesten Altertume, war ihre Ur form vielleicht das verachtetste der Instrumente; dann kam Jahrhunderte hindurch - gleichwie (ri.:h re Ge::':l\ ein Schmetterling im Werden - ein lang- sam, mühsam Formen, Sichentwickeln, ein schichte Tasten aus der Dunkelheit zum Licht, ..:: ~ bis sie, die Geige, vor dreibundert Jahren plötzlich in der Welt erschien in einer Vollkommenheit, vor der wir heute noch bewundernd stehn. Sie kam wie der Lerche Sang im März, einen neuen Frühling zu verkünden, die liebliche Erstlings frucht einer neuen Zeit, eines neuen Geistes "'_ _~ 1 auf Erden nicht allein des Geistes der ( Ihr I modernen musikalischen Kunst, sondern Kommen des Geistes einer aufgeklärteren Mensch- ...:: 'S heit, grösserer Menschenliebe und allgemeinerer Brüderlichkeit. Mit wunderbarer Schnelligkeit ist seitdem dieses kleine Wunder von Gestalt und Ton an alle Enden unserer Erde hingedrungen, sein zartes Wirken, seinen Einfluss, Freude, Trost und neues Hoffen, neues Glauben, neue Kraft zu arm wie reich, in den Palast und in die Hütte tragend. Was wäre diese, unsere Welt von heute ohne ihre Violine? Ganz Königin und doch niedre r. "":"\ Dienerin der Kunst, - was ist die liebe L"-Ibre Geige nichtl Meister der Tonkunst sogen Mission Begeisterung aus ihr; sie ist die Seele - unseres Orchesters; sie hält uns atemlos, zwingt, rührt und erhebt uns in der Hand des Künst lers, - und zu der dürft'gen Habe des Auswandrers gehört sie auch. Sie leistet ihm Gesetlschaft auf dem einsamen Gehöfte im Westen, wenn die Winterabende lang sind und die Gedanken wandern wotlen, zurück zur alten Heimat jenseits des grossen Wassers. Und wie ist sie für ihre hohe Mission unter den Menschen kindern geschaffen I Wer möchte versuchen, den Ton einer Stradi varigeige zu beschreiben, wenn ihn der echte Künstler r. _~ aus dem Verstecke zieht? Die unbeschreib (Ibr TonJ lieh süsse Stimme - Stimme, ~ie sie die .; Engel haben mögen, und doch so voll vom teuren Heimatsklang der Erde, votl irdischer Leidenschaften, Freuden, Leiden und Ekstase, so menschlich rührend und doch so übersinnlich, dass bei dem Klange die Seele von hoffnungslosem Sehnen ergriffen wird, zu folgen und mit ihr zu schweben durch unbekannte, grenzenlose Reiche, erfütlt - wir wissen's nicht - ob mit Musik oder mit Liebe. Ja, unbeschreiblich süsse Geigenstimme, wo du endest, hebt die Musik der Sphären an. (Oder ist es das vielleicht, was aus den Blumenkelchen in unsichtbaren Nebeln steigt - halb Wohlgeruch, halb Melodie, und, EIN PROLOG im Sonnenlichte zitternd, die Biene den Weg zum Honig lockt?) Und wann war Form je ein treue res Sinnbild des Tones? Schau dir dies Werk eines berühmten Meisters an: Welch feines Spiel von Linien, Bogen, Farben; der edle, sphinxartige Kopf, von dem's her- '"_ '"' abrollt oder sich entfaltet in anmutsvollen ühre Form] Arabesken; die zarte Schwellung der Decke .... ., und des Bodens; die Bernsteinfarbe, die sich zum Zentrum hin, da wo das Klangesleben am stärksten, schnellsten ist, zum reichen, dunklen Rot verdichtet und vertieft! Ein kleines Stück einer Tizian-Lein wand? Ja - oder einer von Velasquez. Und sieh die feinen Adern des Holzes durch den Lack schimmern, wie die bleichen Rosen durch meiner Schönen feingeformte Fingernägel! Was kann reizender sein? Kein Wunder, die Menschen lieben so eine Geige, und viele sehnen sich danach und darben dafür; und manche holde Dame, unter dem Scheine, nur das Holz zu inspizieren, hat schon, wenn niemand hinsah, einen heimlichen Kuss auf solche liebliche Gestalt gedrückt. Hier schweigt mein Enthusiast. - Doch ist das alles? Betrachten wir dies zerbrechliche kleine Ding aus Holz. Nur Holz - und doch hat es der feind lichen Gewalt von zwei Jahrhunderten ge- r.: _~ trotzt. Ich sage feindliche Gewalt, denn ~ Ihr; nicht in einem Glaskasten wie eine Reli- Dauer~af-· quie oder wie ein Gemälde nur zum An- .. tigkelt schauen war es aufbewahrt. Nein, es ist in Gebrauch gewesen, in Gebrauch fast täglich; - und wie stark in Gebrauch! Bei jeder Berührung des vertrauten Bogens haben die innersten Fasern EIN PROLOG des zarten Körpers gezittert und gebebt, wie das Herz eines Mädchens unter dem Kusse des Liebsten. In Ängsten gleichsam sind die tausend Millionen Töne ge boren worden, die in zwei Jahrhunderten diesem Körper von Holz entquollen um Menschenherzen zu ent zücken. Und nicht genug damit: stellen wir uns vor, dass dieser gerüttelte und geschüttelte Bau, der nicht mehr als etwa 81/2 Unzen avoir du pois wiegt, infolge einer bewundernswerten Abwägung seiner Teile, durch welche Elastizität und Widerstand der Struktur in voll kommenem Gleichgewicht gehalten werden, dieser Bau, sage ich, eine Spannung, längsweise, von zirka 88 Pfd. und einen Druck von 26 Pfd., also zusammen ein Gewicht von über lOOPfd. aufderDeckeaushält. Eine Herkules aufgabe I Was würde unter ähnlichem Gebrauch aus der stärksten je von Menschenwitz erdachten Maschine? Ein Trümmerstück in wenigen Jahren; die mächtigsten Stahl- und Eisenstangen würden bald in ihren Lagern wackeln. Und betrachten wir nun, was beinah wie die Krone dieses kleinen Wunderwerkes erscheint. Der Stempel wahrer Grösse ist die Einfachheit. Wir haben sie hier. Jemand hat behauptet, man r" _ Ba--u:"J:\ könne eine Geige nur mit Benutzung eines Ihr Federmessers herstellen. Das mag möglich ~ sein, obwohl eine derart erzeugte Violine wenig befriedigend ausfallen dürfte. In jedem Falle beweist solche blosse Möglichkeit, wie einfach die Konstruktion dieses klingenden Organismus ist, dessen Vollkommenheit die grössten Denker von jeher mit Erstaunen und Bewunderung erfüllt hat. Holz und wieder Holz, etwas Leim, die Bretter und Brettchen und die Innenklötze zusammen zu halten, Saiten EIN PROLOG und Wirbel und der Lack - das ist alles. Was kann einfacher sein? Und doch ist hier die Einfachheit des Baus das Resultat des kompliziertesten Denk- und Erfindungs prozesses und endloser Versuche. Ändere ein Jota, und du gerährdest, verdirbst, ja zerstörst das Ganze. Ändere die Stellung der F-Löcher oder die Form des Steges; lass den Stimmstock fort oder setze ihn an eine andere Stelle - und fort ist der Ton. Wie im mensch lichen Körper jeder Teil Bezug auf das Ganze und das Ganze Bezug auf jeden Teil hat, so ist es in diesem wundersamen klingenden Körper von Holz. In seinem Tone erhalten wir die Summe all der Bedingungen, Tätigkeiten und Wirkungen, welche ihren Ursprung und ihr raison d'~tre in dieser Einfachheit haben und ausserdem die Forderung enormer Kraft und Ausdauer erfüllen. Es ist nicht zum wenigsten diese Einfachheit der Konstruktion, zusammen mit der bequemen Form, der leichten Tragbarkeit, welche der Violine r.: Bil-:]\ ihre phänomenale Popularität und Ver- [Ihre breitung gewonnen haben. Eben diese Ein- ligkeit fachheit machte billige Herstellung möglich, ~~ machte die Geige zum Instrument für den Armen wie für den Reichen; denn nachdem das Mustermodell einmal gegeben war, konnten untergeordnetes Material, schlechte, maschinenmässige Arbeit wohl die unter anderen Umständen mögliche Vollkommenheit ver ringern, nicht aber die elementaren Tugenden des Gebildes zerstören. Ja, welch ein wunderbares Ding ist eine Geige! Während in allen Gebieten menschlichen Wissens und menschlicher Tätigkeit jedes Jahr neue Entdeckungen bringt und grössere Fortschritte aufweist, sodass : EIN PROLOG 7 "was heute ein Wunder scheint, morgen schon gewöhn· lieh ist", steht es um die Geige noch wie es vor drei Jahrhunderten gestanden, und jeder Versuch ihre Form oder auch nur den kleinsten wesentlichen Teil daran zu ändern hat nur einen Misserfolg ergeben. Ist's nicht, als hätte Menschengeist einmal sein höchstes Ziel erreicht, als hätte er das Ideal, bislang nur im Herzen Gottes verborgen, auf diese Erde sich herab geholt ? ERSTER TEIL DIE GEIGE

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