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Vom Wert der Wissenschaft und vom Nutzen der Forschung: Zur gesellschaftlichen Rolle akademischer Wissenschaft PDF

250 Pages·2016·2.124 MB·German
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Ulrich Metschl Vom Wert der Wissenschaft und vom Nutzen der Forschung Zur gesellschaftlichen Rolle akademischer Wissenschaft Vom Wert der Wissenschaft und vom Nutzen der Forschung Ulrich Metschl Vom Wert der Wissenschaft und vom Nutzen der Forschung Zur gesellschaftlichen Rolle akademischer Wissenschaft PD Dr. Ulrich Metschl Universität Innsbruch, Österreich ISBN 978-3-658-10979-0 ISBN 978-3-658-10980-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-10980-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Lektorat: Frank Schindler, Katharina Gonsior Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Inhalt 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Wissenschaft und sozialer Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 .1 Wissenschaft in der Risikogesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2 .2 Kontextualisierung der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2 .3 Wissenschaft und gesellschaftliche Einbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2 .4 Forschung als Mittel wozu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3 Die Ökonomie der Erkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3 .1 Forschungsfreiheit und Wissensbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3 .2 Das lineare Modell technologischer Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3 .3 Zweifel am linearen Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3 .4 Alternativen zum linearen Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3 .5 Forschung zu Marktbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3 .6 Forschung für die Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3 .7 Wissenschaft als öffentliches Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4 Wissenschaft als öffentliche Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4 .1 Wissenschaft und demokratische Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4 .2 Demokratie und wissenschaftliches Ethos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4 .3 Eine pragmatistische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4 .4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 5 Wissenschaft und Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 5 .1 Wohlgeordnete Wissenschaft und Wissenschaft als öffentliches Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5 .2 Love‘s Labour‘s Lost? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Einleitung 1 1 Einleitung 1 Einleitung Wer sich dieser Tage öffentlich für Wissenschaft und Forschung ausspricht und ihren hohen Stellenwert in einer modernen Gesellschaft unterstreicht, wird kaum nennenswerten Widerspruch befürchten müssen . Der gesellschaftliche Wandel, der übereinstimmend als der Übergang von der Industriegesellschaft vertrauten Zuschnitts zu einer Wissens- oder Informationsgesellschaft beschrieben wird, muss die Einsicht bestärken, dass ein an natürlichen Ressourcen knappes Land seinen Wohlstand nur aus seinem „geistigem Kapital“, verwirklicht in seiner Bereitschaft und Fähigkeit zu technologischer Innovation, erwirtschaften kann . Innovation aber setzt in einer technologisch hoch entwickelten Welt intensive Forschungsanstrengungen zwingend voraus . Wissenschaft, so der einprägsame Ruf ihrer Verfechter, ist daher Not .1 Natürlich finden sich in einer offenen, von einer Vielfalt an Meinungen und Anschauungen geprägten Gesellschaft zu jeder Frage abweichende Stimmen, und so werden, wo es um konkrete Projekte geht, unweigerlich nicht nur einzelne For- schungsvorhaben, sondern auch verschiedene Wissenschaftszweige und schließlich sogar die Bedeutung von Forschung und Wissenschaft insgesamt unterschiedlich bewertet und beurteilt werden . Selbst jene Haltung, die die moderne Wissenschaft vor allem in Gestalt der Naturwissenschaften, sowie ihre Anwendung und Umsetzung in Medizin und Technik, grundsätzlich für einen lebensfeindlichen Irrweg hält, ist nicht gänzlich unbekannt und beschert manch esoterischer Geschäftsidee sichere Einnahmen . Abgesehen von solchen grundsätzlich ablehnenden Einstellungen ist aber vor allem auch zu erkennen, dass ein kollektiver Fortschrittsoptimismus, welcher bis in die sechziger Jahre des 20 . Jahrhunderts auf die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik vertraute, inzwischen einer ambivalenteren Hal- tung gewichen ist, die manchmal mehr für die Risiken neuer Technik als für deren 1 Diese einprägsame Formel stammt von Hans-Olaf Henkel, siehe Henkel (2001) . © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 U. Metschl, Vom Wert der Wissenschaft und vom Nutzen der Forschung, DOI 10.1007/978-3-658-10980-6_1 2 1 Einleitung versprochene Segnungen empfänglich scheint . Weil allerdings die Euphorie, die mitunter auch nur vermeintliche technische Errungenschaften begleitet, nicht immer frei von Naivität war oder ist und sie zudem auch interessensgeleitet sein kann, mag eine kritischere Haltung gegenüber den Versprechungen der Wissen- schaft mitunter durchaus ihre Berechtigung haben . Doch selbst die, oft mehr befürchtete als tatsächlich nachweisbare, Fundamen- talopposition gegen Wissenschaft und Technik, die in diesen nur menschliche Hybris zu erkennen meint, wiegt als Ausdruck einer meist eher subjektiven und nicht immer kohärenten Sichtweise die öffentlich artikulierte Zustimmung zu den Grundlagen moderner Zivilisation nicht auf . Als Haltung existieren sowohl die ra- dikale Ablehnung wie die teils fröhlich bekennende Ignoranz gerade gegenüber der modernen Naturwissenschaft, doch der Einfluss dieser Haltungen auf die öffentliche Entscheidungsfindung bewegt sich, bislang jedenfalls, in überschaubaren Grenzen . Grund zur Besorgnis besteht dennoch . So hat Philip Kitcher mit wachem Ge- spür darauf hingewiesen, dass eine den Zielen einer demokratischen Gesellschaft entfremdete Forschung ein ernstes Problem darstellt, – und dass eine Gesellschaft, die nicht ausreichend Anteil nimmt an der wissenschaftlichen Entwicklung dieser Entfremdung gerade Vorschub leistet . Doch dies unterstreicht nur die Tatsache, dass die Abhängigkeit moderner Gesellschaften von Forschung und Wissenschaft in der Tendenz eher zugenommen hat . Auch ein mitunter irrational erscheinender Widerstand gegen einzelne Technologien oder Forschungszweige, wie er in der anhaltenden Debatte um die Anwendungen der Gentechnik zu beobachten ist, die zugleich nicht in jeder Ausprägung unkritisch akzeptiert werden muss, ändert daran nichts . Unabhängig von der Vielfalt der Befindlichkeiten scheint dieser Tage zumindest Einigkeit dahingehend zu bestehen, dass sich mit dem diagnostizierten Wandel zur Wissensgesellschaft die allgemeinen Lebensbedingungen in einer Weise ver- ändern, die Wissenschaft und Forschung in ihrer Bedeutung stärken muss . Wenn Wissen und Information, wie oft zu hören ist, die traditionellen wohlstandsgene- rierenden Faktoren Arbeit und Kapital ablösen, dann werden in fachlicher und insbesondere akademischer Ausbildung erworbene Kenntnisse zu unabdingbaren Voraussetzungen für wirtschaftliches Bestehen unter Wettbewerbsbedingungen, und zwar nicht nur auf persönlicher sondern insbesondere auch auf gesamtgesell- schaftlicher Ebene . Forschung und Wissenschaft, als die entscheidenden Quellen derartiger Kenntnisse, werden so zu den wichtigsten Faktoren für die Entwick- lung (in) einer modernen Gesellschaft zählen . Da Innovation die Grundlage einer leistungs- und konkurrenzfähigen Wirtschaft bildet, sind, so die daraus gezogene Folgerung, Investitionen in Forschung und Entwicklung wesentliche Bedingung für wirtschaftliches Wachstum und für die Sicherung des bestehenden Wohlstan- 1 Einleitung 3 des . Ausgaben für Forschung und Wissenschaft, und diese begleitend auch für eine Bildung, welche die entsprechenden Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt oder auf deren Aneignung hinreichend vorbereitet, sind daher auch keineswegs wohlfahrtsstaatlicher Luxus, sondern vielmehr, wenn nicht schon die Garanten, dann doch zumindest wesentliche Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft und ihrer Ökonomie . So oder ähnlich lässt sich die Position derer skizzieren, die unter Berufung auf die Merkmale der Wissensgesellschaft öffentlich für Forschung und Wissenschaft eintreten, und so oder ähnlich sind die darin enthaltenen Behauptungen fester Bestandteil der politischen Debatten über Bildung, Forschung und Wettbewerbs- fähigkeit geworden . Skeptiker mögen durchaus betonen, dass die Rede von der Wissensgesellschaft notorisch unscharf ist, und dass es keineswegs so klar ist, dass die Bedeutung des Kapitals als ökonomischer Faktor schwindet . Doch die Behauptung, dass die Zukunft eher von Forschungslaboratorien als von den Äckern der Landwirtschaft geprägt wird (so unverzichtbar deren Produkte auch weiterhin sind), lässt sich schwer bestreiten . Nun ist freilich allzu viel Einigkeit grundsätzlich verdächtig . So populär die allseitige Beschwörung der Wissensgesellschaft und des mit ihr verbundenen Wandels ökonomischer Zusammenhänge auch sein mögen, und so plausibel die daraus gezogenen Folgerungen für Forschung und Wissenschaft klingen, steht es doch zu erwarten, dass die darüber herrschende Harmonie die Differenzen verdeckt, die eine genauere Betrachtung der damit angesprochenen Verhältnisse mit sich brächte . Und Fragen nach den Einzelheiten werden sich auf Dauer kaum vermeiden lassen . Die Vokabel von der Wissensgesellschaft ersetzt kein Argument, und auch den Zusammenhang von Forschung und Innovation würde man gerne genauer verstehen, gerade wenn doch letztere effektiv gestaltet werden und nicht ein bloßes Wunschdenken bleiben soll . Schon die Frage, ob Wissenschaft und Forschung nur notwendige oder auch schon hinreichende Bedingungen für Innovation sind, wird von jenen, die sonst mit diesen Begriffen flink zur Hand sind, kaum je gestellt und noch seltener beantwortet . Technikhistoriker weisen zudem gerne darauf hin, dass die gängigen Vorstellungen über Innovation und den Ursprung des Neuen in der Technik einer empirischen Überprüfung kaum standhalten . Doch offensichtlich signalisiert die gegenwärtige Debatte um Forschung und ihren Stellenwert für Innovation selbst schon einen bemerkenswerten Wandel im gesellschaftlichen Verhältnis zur Wissenschaft . Noch vor wenigen Jahren wäre eine derart offene Diskussion über die ökonomische Rolle von Forschung und Wissenschaft von Seiten der akademischen Forschung misstrauisch abgewehrt worden . Das Ansinnen, dass Wissenschaft ökonomischen Zielen zu dienen habe und somit als wirtschaftlicher Standortfaktor zu beurteilen sei, wäre bis vor kur- 4 1 Einleitung zem, obwohl eine staatlich gelenkte Forschungsförderung zugleich als notwendig angesehen wird, als eine Geringschätzung der eigentlichen, mit wissenschaftlicher Erkenntnis verbundenen Leistung verstanden worden . Stattdessen wurde gerade in den Universitäten und Akademien der gesellschaftliche Wert einer zweckfreien Grundlagenforschung stillschweigend vorausgesetzt . Die darin mitschwingende Überzeugung, dass eine von sachfremden Interessen unabhängige Wissenschaft von sich aus im Sinne und zum Wohle einer modernen Gesellschaft wirken müsse, zählte über Jahrzehnte zum allgemeinen Einverständnis, nicht nur in Deutschland . Eine gewisse Praxisferne war lange ein akzeptiertes akademisches Ideal, während die Produktion profitträchtiger Forschungsergebnisse demgegenüber als eher an- rüchig galt .2 Ein unter anderem von Robert K . Merton zitierter Trinkspruch, der unter Mathematikern im Cambridge der 1930er Jahre kursiert haben soll: „To pure mathematics, and may it never be of any use for anyone“ bezeugt eine aus heutiger Sicht fast liebenswert erscheinende Trotzhaltung, in der sich der Abstand zum ge- genwärtigen, vor allem anwendungsorientierten Interesse an Forschung erkennen lässt .3 Mit den inzwischen herrschenden Forschungsbedingungen ist eine solche Haltung kaum zu vereinbaren, und so dürfte sie auch allenfalls noch in Nischen der Forschungslandschaft oder einigen Nestern des Widerstands anzutreffen sein, zu denen gerade die in dieser Hinsicht in die Defensive geraten Geistes- und Sozi- alwissenschaften zählen dürften . Forschung und Wissenschaft sind keine starren und unveränderlichen Instituti- onen und in ihrem Selbstverständnis auch keineswegs nur von externen Vorgaben abhängig . Daher muss die Wissenschaft selbst ein vitales Interesse daran haben, klare Vorstellungen ihrer Aufgabe und gegebenenfalls auch sozialen Rolle zu formulieren . Und in gewisser Weise hat sie das auch immer getan . Zugleich freilich spiegelt das öffentlich geteilte Bild die Wissenschaft ihrer Zeit . Die Erfolge der Physik zu Beginn des 20 . Jahrhunderts, mit denen die klassische Mechanik Newtons ihre Ablösung durch Einsteins Relativitätstheorie und durch die Quantenmechanik Max Plancks erfuhr, verliehen ihr bis weit in die zweite Hälfte des 20 . Jahrhunderts den Rang einer wissenschaftlichen Leitdisziplin . Tatsächlich trugen die führenden Vertreter der Physik auf eine ganz eigene Weise zu einem Bild von Wissenschaft bei, das diese gründlich den Niederungen des Alltags – und damit auch den Zwängen der Ökonomie – enthebt . So hat Albert Einstein in stimmungsvollen Worten im Jahre 1918 anlässlich des 60 . Geburtstags von Max Planck der Wissenschaft zu höheren Weihen verholfen, indem er sie in beinahe religiös anmutenden Sphären erhob: 2 Dies wird betont u . a . von Peter Weingart, siehe Weingart (2001), S . 63 . 3 Siehe Merton (1938) . 1 Einleitung 5 Gar mancher befasst sich mit der Wissenschaft im freudigen Gefühl seiner überle- genen Geisteskraft; ihm ist die Wissenschaft der ihm gemäße Sport, der kraftvolles Erleben und Befriedigung des Ehrgeizes bringen soll; gar viele sind auch im Tempel zu finden, die nur um utilitaristischer Ziele willen hier ihr Opfer an Gehirnschmalz darbringen . Käme nun ein Engel Gottes und vertriebe alle die Menschen aus dem Tempel, die zu diesen beiden Kategorien gehören, so würde er bedenklich geleert, aber es blieben doch noch Männer aus der Jetzt- und Vorzeit drinnen […] . Etwas sonderbare, verschlossene, einsame Kerle sind es zunächst, die einander trotz dieser Gemeinsamkeiten eigentlich weniger ähnlich sind als die aus der Schar vertriebenen . Was hat sie in den Tempel geführt? Die Antwort […] kann gewiss nicht einheitlich ausfallen […] eines der stärksten Motive, Flucht aus dem Alltagsleben mit seiner schmerzlichen Rauheit und trostlosen Öde, fort aus den Fesseln der ewig wechseln- den eigenen Wünsche . Es treibt den feiner Besaiteten aus dem persönlichen Dasein heraus in die Hochgebirgslandschaft, wo der weite Blick durch die stille, reine Luft gleitet und sich ruhigen Linien anschmiegt, die für die Ewigkeit geschaffen scheinen . (Einstein, 1918) Solche Formulierungen mögen ihren über den konkreten Anlass hinausreichenden strategischen Zweck gehabt haben, der den Beteiligten mehr oder weniger bewusst gewesen sein mag .4 In jedem Fall aber bündeln sie die Vorstellung einer zweckfreien, nur der Wahrheit und der Erkenntnis der Natur verpflichteten Wissenschaft, deren Erfolgskriterien die Mathematik und die empirische Überprüfung sind, nicht aber die Entwicklung markttauglicher Produkte mit Patentschutz, die einen stets fragilen technologischen Vorsprung sichern sollen . Doch die Tage einer solchen, fast schon heroisierenden Glorifizierung einer als objektiv verstandenen Naturwissenschaft dürften gezählt sein . Wissenschaft als Lebensform, versinnbildlicht in der Figur des schrullig-weltfremden Professors, ist jedenfalls weit mehr ein Klischee als ein Modell mit Zukunft, als welches sich eher die börsenkundige und um Risikokapital werbende Mikrobiologin zu empfehlen scheint . Aber trotz aller greifbar gewordenen Veränderungen in der Forschungslandschaft, die jedes tradierte Bild in Frage stellen müssen, hat die Wissenschaftsphilosophie unserer Tage kein weithin anerkanntes Gegenbild geschaffen, das die, bei allen Unterschieden im Detail, paradigmatisch von Karl R . Popper oder Rudolf Carnap geprägten, empiristischen Vorstellungen von Wissenschaft hätte ablösen können . Bislang fehlt es an einer überzeugenden 4 Vgl . hierzu Britta Scheideler ( Scheideler 1999), die argumentiert, dass das Ideal des „wissenschaftlichen Menschen“ wie es in der Rede für Max Planck auch von Einstein vertreten wurde, nicht zuletzt die Funktion hatte, über eine Art Identitätsstiftung durch Schaffung eines Wir-Gefühls zur Aufwertung der neuartigen theoretischen Physik in ihrer konsolidierenden Anfangsphase beizutragen . Hinweise auf die sozialen Grund- lagen jedes wissenschaftlichen Ethos sind im Übrigen die durchgängige Botschaft der Wissenschaftssoziologie .

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