Doris H. Lehmann (Hg.) VOM STREIT ZUM BILD Bildpolemik und andere Waffen der Künstler ad picturam Doris H. Lehmann (Hg.) Vom Streit zum Bild Bildpolemik und andere Waffen der Künstler Doris H. Lehmann (Hg.) VOM STREIT ZUM BILD Bildpolemik und andere Waffen der Künstler ad picturam Fachverlag für kunstwissenschaftliche Literatur e. K. Merzhausen 2017 Titelbild: Rembrandt Harmensz. van Rijn, Der Barmherzige Samariter (Ausschnitt), 1633, Amsterdam, Rijksmuseum Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft Projektnummer LE 2891/1-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http: //dnb. de abrufbar. Doris H. Lehmann (Hg.): Vom Streit zum Bild. Bildpolemik und andere Waffen der Künstler ISBN: 978-3-942919-04-3 (Hardcover) Die Online-Version dieser Publikation ist auf arthistoricum.net dauerhaft frei verfügbar (Open Access): ISBN: 978-3-946653-46-2 (PDF) URN: urn:nbn:de:bsz:16-ahn-artbook-212-0 DOI: 10.11588/arthistoricum.212.283 Umschlagentwurf: Dr. Pommes Layout und Satz: ad picturam Druck und Verarbeitung: digital art book, Ostfildern © 2017 by ad picturam Fachverlag für kunstwissenschaftliche Literatur e. K., Merzhausen Website: ad-picturam. de Made in Germany · Alle Rechte vorbehalten Inhalt Dank 7 Doris H. Lehmann Vom Streit zum Bild – Eine Einführung 9 Cristina Fontcuberta i Famadas Neider und Ignoranten: Künstlerstreit-Ikonographien des 16. und 17. Jahrhunderts 19 Doris H. Lehmann Girolamo Mocettos Schauplatz von Andrea Mantegnas Verleumdung des Apelles: Zum Künstlerstreit in Venedig 47 Giuseppe Capriotti Waffen der Verteidigung. Drei Skulpturen von Benvenuto Cellini als Reaktion auf die Angriffe Baccio Bandinellis 64 Helen Barr Bellende Konkurrenten, bissige Kommentare: Eine Spurensuche in Alessandro Alloris Werken 83 Doris H. Lehmann Künstlerstreit im Bild? Anmerkungen zu Rembrandts Hund in der Radierung Barmherziger Samariter (1633) 105 Ekaterini Kepetzis Hogarths Propagandablatt gegen Wilkes (1763) – Parteikampf und Bilderstreit im England des 18. Jahrhunderts 117 Inhalt Doris H. Lehmann Ein Künstlerpamphlet und seine Bildpolemik. Giovanni Battista Piranesis Lettere di giustificazione 146 Charlotte Mende Kritische Croquis. Mechanismen kunstkritischer Karikatur am Beispiel der Salonwerke Eugène Delacroix’ 169 Petra Kunzelmann Gemalte Antikritik. Zu bildkünstlerischen Reaktionsweisen auf die Kunstkritik 191 Bildnachweis 221 Dank Dank dafür, dass dieses Buch entstanden ist, der Hausverwaltung unter der Leitung von gebührt zunächst der Deutschen Forschungs- Guido Hoppe. Dawn Gibbs danke ich für gemeinschaft, die das Projekt Streitstrategien die Übersetzung der Tagungsausschreibung bildender Künstler in der Neuzeit gefördert sowie der Abstracts. Jean-Luc Ikelle-Matiba hat. Aus diesem Projekt entstanden die Ta- verdanken wir die hervorragende Qualität gung und vorliegende zugehörige Publi- unseres Bildmaterials. Christina Janusch kation, welche die DFG ebenfalls mit einer und Julia F. Krings sorgten auf netteste Wei- Sachbeihilfe unterstützte. Hand in Hand mit se dafür, dass ich bei Bedarf zwei Hände frei dieser Danksagung geht diejenige an den ge- hatte. Polly, Smilla, Fritzi und Grischka Petri schäftsführenden Direktor des Kunsthisto- danke ich für die gute Laune, die sie in der rischen Instituts der Rheinischen Friedrich- Laufzeit des Tagungs- und Publikationspro- Wilhelms-Universität Bonn, Roland Kanz, jektes verbreitet haben. für die Gastfreundschaft des Instituts als Ein besonderes Dankeschön gilt neben Projektheimat und Veranstaltungsort. Kris- den Referentinnen und dem Referenten, die tin Bartsch hat die Tagung mitorganisiert hier als Autorinnen und Autor versammelt und Waleria Dorogova die Publikation mit sind, den weiteren Tagungsteilnehmerinnen vorbereitet. Ohne ihre Unterstützung läge und -teilnehmern, die in die Diskussionen das Buch noch nicht vor. ihr Wissen und ihre Fragen eingebracht ha- Gedankt sei schließlich auch allen Stu- ben. Der intensive Austausch, die gegensei- dierenden, die engagiert und gastfreund- tigen Anregungen und die gute Stimmung lich die internationale Tagung mitgestaltet haben mir sehr viel bedeutet und waren die haben: Mercedes Kleinfeld, Julia Moebus, motivierende Grundlage für die Entstehung Seda Pesen, Luisa Schlotterbeck, Miriam dieses Bandes. Kristin Bartsch und Gertrau- Schmedeke und in der Diathek Lisa Oord. de Grassi danke ich für ihren Einsatz bei Der Dank für die großartige Unterstützung der Übersetzung der spanischen und itali- hinter den Kulissen geht an Annette Eich- enischen Beiträge. Dem Anliegen der DFG hoff, Lisa Heuermann, Sibilla Kahle, Ulrike gemäß, die nationale und internationale Knauf sowie an Doris Uerdingen und das Zusammenarbeit der Forscherinnen und Geschäftszimmerteam. Weiterer Dank für Forscher zu fördern, verschwinden die Ori- ihre Heinzelmännchen-Hilfe gilt dem Team ginaltexte nicht in der Schublade, sondern 7 Dank werden Dank des Verlags ad picturam und dorfer Universität veranstalteten Vortragsrei- der Unterstützung von Maria Effinger und he Ästhetik – Geschichte – Diskurs eine weitere ihrem Team online auf arthistoricum. net zur Möglichkeit, Ansätze, Methoden und Frage- Verfügung gestellt. stellungen vorzustellen und zu diskutieren, Ein besonderer Dank geht auch an die womit sie unmittelbar auf die Tagungsvorbe- Institutionen, die unser wissenschaftliches reitungen eingewirkt haben. Ihnen wie auch Buchprojekt mit der für sie noch ungewöhn- Hans Körner danke ich herzlich für die bei lichen Form der gleichzeitigen Publikation dieser Gelegenheit gewonnenen Anregungen. einer gebundenen Auflage und einer Open- Weitere Denkanstöße, die für die vorliegen- Access-Version durch die Anpassung der de Publikation relevant wurden, verdanke Bildlizenzen unterstützt haben. ich Hans-Joachim Raupp, der mit Herzlich- Dass die vorliegende Publikation neben keit und Witz argumentative Stolpersteine den unmittelbaren Tagungsbeiträgen zu- in Stufen verwandelt und mit seinen eben- sätzliche vertiefende Studien enthält, dafür so tief- wie weitreichenden Kenntnissen die gebührt der Dank weiteren Diskussions- Diskussionen der Tagung enorm bereichert partnern. Einige Überlegungen zum Streit hat, sowie Michael Stockhausen, dessen Fra- im Bild durfte ich im Rahmen eines Werk- gen ein wichtiger Motor für die Weiterent- stattgesprächs der Trierer Arbeitsstelle für wicklung gedanklicher Ansätze waren. Hans Künstlersozialgeschichte vorstellen, wofür Ost danke ich für seine humorvollen Anre- ich Andreas Tacke sehr dankbar bin. Sabine gungen, die den Grundstein für meine künst- Meine und Petra Schaefer verdanke ich die lerstreitspezifischen Forschungen legten. vorangegangene Einladung zur Diskussion Carmen Flum danke ich dafür, dass das an das Deutsche Studienzentrum in Venedig, geplante Buch so schnell und schön Gestalt wo sich insbesondere Jana Graul mit ihrem angenommen hat. Mit Geduld, Beharrlich- Fachwissen anregend einbrachte. Dem DFG- keit und guter Laune begleitete sie das Pu- Netzwerk Gelehrte Polemik und hier stellver- blikationsprojekt. Last but not least danke ich tretend seinen Sprechern Kai Bremer und Dr. Pommes für die Gestaltung des Tagungs- Carlos Spoerhase, die mich als Assoziierte flyers, der auch die so passende Vorlage für aufnahmen, danke ich für den jahrelangen den Bucheinband lieferte. intensiven und bereichernden Austausch zu Ursula Mättig und Reinhardt Lutz gilt methodischen und inhaltlichen Fragen. An- schließlich ein besonders herzlicher Dank: dreea Badea danke ich für ihre Recherchehil- Das mir 2016 gewährte Stipendium im Rah- fe in Rom. Wiebke Windorf und Astrid Lang men des Maria von Linden-Programms kam boten mir im Rahmen ihrer an der Düssel- auch diesem Band zugute. Bonn, im Juni 2017 Doris H. Lehmann 8 Vom Streit zum Bild – Eine Einführung von Doris H. Lehmann Welche Rolle spielen innerhalb der streitstra- Dem Programm der Tagung gemäß bie- tegischen Kommunikation von Künstlern tet dieser Sammelband als erstes Überblicks- die Bildwerke als eigenständiges Medium werk zum Thema unterschiedliche Einblicke des Austauschs, der Selbstpositionierung in das weite, höchst spannende und überaus und -inszenierung? Von dieser Frage ausge- facettenreiche Forschungsfeld. Der Band hend untersuchte die am 4. und 5. Dezember stellt Kunstwerke und ihre Instrumentalisie- 2015 am Kunsthistorischen Institut in Bonn rung als Waffen bildender Künstler vor und abgehaltene Tagung Vom Streit zum Bild – rekonstruiert deren Funktionen und Kon- Bildpolemik und andere Waffen der Künstler texte. Die präsentierten Zeugnisse künst- des DFG-Projekts Streitstrategien bildender lerischer Wehrhaftigkeit und Angriffslust Künstler in der Neuzeit das Phänomen des umfassen Beispiele vom 16. Jahrhundert bis Künstlerstreits und – als dessen Besonder- hinein in die Gegenwartskunst. Die Beiträge heit – seine kreativ-produktive Bildsprache. zeigen auf, wie Kunstwerke über von Künst- Behandelt wurde die These, dass Konfron- lern ausgetragene Fehden Auskunft geben tationen zwischen bildenden Künstlern und können, und wie sie als Träger einer spezi- deren Konflikte mit ihren Auftraggebern und fisch bildkünstlerischen Streitaustragung Kritikern als eine künstlerspezifische Son- eingesetzt und wirksam werden konnten. derform der Streitführung den Einsatz von Kunstwerken als Waffen beförderten. Künst- 1. Vorüberlegungen und Thesen lerstreit wird hier verstanden als Kategorie, die eine emotional geführte Auseinanderset- Jeder der hier behandelten Konflikte wur- zung mit einem persönlichen Gegner voraus- de individuell durch die beteiligten Streit- setzt, wobei mindestens einer Streitpartei ein parteien ausgehandelt und die zugehörigen bildender Künstler angehört, der bildkünst- Bilderfindungen zielten dabei auf eine Les- lerisch produktiv an dem Streit teilnimmt. barkeit durch Dritte – ein jeweils zu definie- 9 Doris H. Lehmann rendes Publikum – ab. Dies war deswegen und tiefreichend erforscht.2 Als Forschungs- von großer Wichtigkeit, da diese Zielgruppe lücke verblieb indes der personenbezogene Partei ergreifen sollte. Die Notwendigkeit Anteil an den von Künstlern ausgetragenen einerseits, der Situation und dem Ort ge- Meinungsverschiedenheiten und damit die mäß überzeugend argumentieren zu kön- Frage nach den Besonderheiten ihrer Streit- nen, und die Absicht andererseits, katego- führung. Dies gilt für ihre Kämpfe unterein- risch verstanden werden zu wollen, schufen ander ebenso wie für die Auseinandersetzun- Rahmenbedingungen, die zur Herausbil- gen mit denen, die ihre Bildsprache ebenfalls dung von doppeldeutigen und zugleich va- verstanden: ihren Auftraggebern und Kri- riablen Zeichenmustern beitrugen. Diese tikern. Diesen Aspekten gehen die Beiträge boten den Künstlern situationsbedingte des Bandes exemplarisch nach. Dabei trägt Vorteile, wohingegen starre ikonographi- die Schwerpunktbildung im Gegenstandsbe- sche Vorgaben weder eine institutionelle reich italienischer neuzeitlicher Fallbeispiele Zensur umgehen noch einen Gegner pass- dem bisherigen Forschungsstand Rechnung, genau hätten treffen können. Künstlerstreit gibt es doch zahlreiche Überschneidungen wurde und wird im Bild verhandelt, indem mit den zuvor bereits unter ›unpersönlichen‹ auf einer von in der Regel mehreren Lese- Gesichtspunkten erforschten Konflikten. ebenen kritische Inhalte adressatenorien- Aber auch hierüber hinaus gibt es eine Fülle tiert kommuniziert wurden. einschlägigen Materials, das neu aufzuarbei- ten ist und wesentliche Rückschlüsse auf die 2. Künstlerstreit – Zur Forschungslücke Funktionsweisen bildlich formulierter Kritik zwischen Paragone, Agon und Aemulatio zulässt. Die Untersuchungen von künstlerspezifi- 3. Künstlerstreit als Motor von Kreativität schen Konflikten konzentrierten sich lan- ge auf den einem hehren Ziel gewidmeten Die im Folgenden behandelten Werke zeu- Wettstreit der Künste, den Paragone.1 Wie gen davon, dass Streit zahlreichen bildenden andere ›harmlose‹ und unpersönlich ge- Künstlern als Motor ihrer Kreativität diente. meinte Formen der Auseinandersetzung Damit zeigen sie auch für den Bereich der unter Künstlern – sei es der sportlich faire bildenden Kunst das produktive Potenzial Wettkampf (Agon) oder der Wetteifer gegen- von Differenzen auf, welches bereits in der über einem bewunderten Vorbild (Aemula- Antike als positive Eigenschaft von Streit er- tio) – wurde dieser zum emotionsneutralen kannt worden war: So hatte Hesiod die gute Wettbewerb stilisiert und als ›edle‹ Form der von der schlechten Eris unterschieden und Verhandlung künstlerischer Interessen weit- Heraklit den Kampf (polemos) als den Vater 2 Vgl. Goffen 2002; Prochno 2006; Baader/Müller- 1 Mendelsohn 1982; Farago 1992; Varchi 2013; Hend- Hofstede/Patz 2007; Verspohl 2007; Müller/Pfiste- ler 2013. rer 2011. 10
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