Kaiser Volatilitätsprognose mit Faktor-GARCH-Modellen GABLER EDITION WISSENSCHAFT Empirische Finanzmarktforschung / Empirical Finance Herausgegeben von Professor Dr. Jan Pieter Krahnen und Professor Richard Stehle, ph.D. Im betriebswirtschaftlichen Gebiet Finanzierung hat die empiri sche Forschung in den vergangenen Jahren beträchtlich an Bedeutung gewonnen. In die vorliegende Schriftenreihe sollen Dissertationen und Habilitationen aufgenommen werden, die zur empirischen Finanzmarktforschung (im weitesten Sinne) einen wichtigen Beitrag leisten. Autoren bzw. die sie betreuen den Hochschullehrer werden aufgefordert, sich bei Interesse an einer Aufnahme der Arbeit in die Reihe mit den Herausgebern in Verbindung zu setzen. Thomas Kaiser Volatilitätsprognose mit Faktor-GARCH-Modellen Eine empirische Studie für den deutschen Aktienmarkt Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Gerd Ron n i ng DeutscherUniversitäts Verlag Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Kaiser, Thomas: Volatilitätsprognose mir Faktor-GARCH-Modellen : eine empirische Studie für den deutschen Aktienmarkt / Thomas Kaiser. Mit einem Geleitw. von Gerd Ronning. -Wiesbaden: Dt. Univ.-Verl. ; Wiesbaden: Gabler, 1997 (Gabler Edition Wissenschaft: Empirische Finanzmarktforschung) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1997 ISBN 978-3-8244-6625-2 ISBN 978-3-322-97762-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97762-5 Alle Rechte vorbehalten Gabler Verlag, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1997 Der Deutsche Universitäts-Verlag und der Gabler Verlag sind Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages u':l.zulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung uno Verarbeitung in elektroni schen Systemen. http://www.gabler-online.de Höchste inhaltliche und technische Qualität unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Auslieferung unserer Bücher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf säurefrei em und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Lektorat: Ute Wrasmann / Albrecht Driesen ISBN 978-3-8244-6625-2 Vorwort der Herausgeber Das betriebswirtschaftliche Gebiet Finanzierung hat sich in den vergangenen drei ßig Jahren im Hinblick auf die Abgrenzung von anderen wirtschaftswissenschaft lichen Teildisziplinen, aber auch im Hinblick auf die Forschungsinhalte und die Forschungsmethoden stark gewandelt. Finanzierung wird heute meist, dem ame rikanischen Gebrauch des Begriffes "Finance"folgend, als Oberbegriff für die Ge biete Unternehmensfinanzierung, Investition und Bankbetriebslehre verwendet. Diesen drei Gebieten ist gemein, daß die Funktionsweise der relevanten Geld-, Kapital- und Devisenmärkte von zentraler Bedeutung ist. In der Forschung wird üblicherweise mit mehr oder weniger stark formalisierten Modellen in einem er sten Schritt versucht, Hypothesen über die betrachteten Sachverhalte abzuleiten, in einem zweiten Schritt werden diese Hypothesen dann empirisch überprüft, d. h. mit der Realität konfrontiert. Gemessen am zeitlichen Aufwand der beteiligten Wissenschaftler und am Umfang der vorgelegten Arbeiten hat im Gebiet Finanzierung die empirische Forschung in den vergangenen Jahren beträchtlich an Bedeutung gewonnen. Dabei haben die EDV-mäßige Verfügbarkeit von Daten und die verbesserten Möglichkeiten ihrer Verarbeitung eine wichtige Rolle gespielt. In die vorliegende Schriftenreihe sollen Dissertationen und Habilitationen aufge nommen werden, die zur empirischen Finanzmarktforschung (im weitesten Sinne) einen wichtigen Beitrag leisten. Die Autoren bzw. die sie betreuenden Hochschul lehrer werden aufgefordert, sich bei Interesse an einer Aufnahme einer Arbeit mit den Herausgebern in Verbindung zu setzen. Wichtigstes Ziel der Reihe ist die effiziente Verbreitung der Forschungsergebnisse. Um den Lesern die wichtigsten Teile der Arbeiten leicht zugänglich zu machen, soll im jeweiligen Geleitwort des Betreuers auf die besonderen Stärken der Arbeit V VI hingewiesen werden. Auch die bei Drucklegung bereits bekannten Schwächen der Arbeit sollen in diesem Geleitwort Erwähnung finden. Prof. Dr. J. P. Krahnen Prof. R. Stehle, Ph.D. Johann Wolfgang Goethe Universität Humboldt-Universität zu Berlin Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Professur für Kreditwirtschaft Institut für Bank-, Börsen- und Finanzierung und Versicherungswesen Mertonstraße 17-21 Spandauer Straße 1 D-60054 Frankfurt am Main D-10178 Berlin Tel.: (069) 798-22568 Tel.: (030) 2093-5761 Fax: (069) 798-28951 Fax: (030) 2093-5666 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] Geleitwort Die Modellierung von Aktienvolatilitäten durch GARCH-Modelle ist vor allem im Zusammenhang mit der Analyse von Optionen von Interesse. Robert Engle hat in diesem Zusammenhang Ende der 80er Jahre sein dynamisches Faktor-GARCH Modell entwickelt. Die Volatilitäten eines Wertpapierportefeuilles werden in die sem Modell durch einen oder mehrere latente Faktoren "erklärt". Dabei sorgt die Spezifikation von bedingten Varianzen für eine Modellierung der Dynamik. Die ses Modell ist Ausgangspunkt von Kaisers Arbeit, das er - nach einer Einleitung in Kapitel 1 und einem kurzen Überblick über "Statische Faktormodelle in der Kapitalmarkttheorie" in Kapitel 2 - in Abschnitt 3 seiner Arbeit darstellt. Wesentliches Instrument in diesem Ansatz sind sogenannte "Faktorportefeuilles' , die sich als Linearkombination der "Überrenditen"ergeben und deren Gewich tungsvektoren durch faktoranalytische Methoden gewonnen werden. Dabei wird verlangt, daß die bedingten Varianzen der Faktorportefeuilles mit den Varianzen der Faktoren selbst identisch sein sollen. In der empirischen Umsetzung müssen allerdings diese Faktorportefeuilles zunächst in einer ersten Stufe bestimmt wer den, ehe die eigentliche ökonometrische Analyse der Volatilitäten beginnen kann. Es ist eine der Unvollkommenheiten von Kaisers Arbeit, daß er die durch die Zweistufigkeit der Schätzprozedur implizierten Probleme kaum (mit Ausnahme einer kurzen Bemerkung in Abschnitt 3.1) thematisiert, zumal die Schätzproze dur eigentlich dreistufig ist; denn die Schätzprozedur zerfällt nochmals in zwei Schritte (Schätzung der ARCH-Struktur und Bestimmung der Faktorladungen - siehe Abschnitt 3.2). Zur besseren Einschätzung dieser Kritik sollte ich hinzu fügen, daß dies meines Wissens auch sonst in der Literatur bis nicht geschehen ist. Genau wie im CAPM (und APT) wird nun unterstellt, daß der Erwartungs wert des Faktorportefeuilles von der Varianz dieses Portefeuilles abhängt, wobei bestimmte Annahmen über die Präfenzstruktur eine lineare Abhängigkeit impli zieren. Ferner wird eine autoregressive Struktur für diese Varianz angenommen. Ähnlich wie bei den traditionellen GARCH-Modellen hat sich inzwischen eine Vielzahl von Varianten (zumindest in der Literatur) etabliert, die sich durch die unterschiedliche dynamische Struktur unterscheiden. Kaiser faßt diese Modellva- VII VIII GELEITWORT rianten unter dem Begriff ,,xGARCH-Familie"zusammen. Eine weitere Verzweigung dieser Modellklasse ergibt sich durch unterschiedliche Verteilungsannahmen für die Störvariable in der autoregressiven Spezifikation. Genau wie bei den einzelnen Variablen weist auch jedes Portefeuille eine typi sche starke Wölbung (englisch: leptokurtosis) auf. Neben der Normalverteilung betrachtet Kaiser in Anlehnung an die bestehende Literatur deshalb auch die t Verteilung mit beliebiger Anzahl von Freiheitsgraden sowie die Verallgemeinerte Fehlerverteilung. Abschnitt 3 von Kaisers Arbeit geht auch auf die Schätzprozedur und mögliche Hypothesentests zur Überprüfung der ARCH-Struktur und von Verteilungseigen schaften ein. Kapitel 4 stellt dann die Prognose von Volatilitäten auf der Basis von Faktor-GARCH-Modellen dar. Dabei vergleicht Kaiser diese Prognosen auch mit Prognosen von univariaten ARCH-Spezifikationen, wie sie seit längerem in der Praxis verwendet werden. Die folgenden Abschnitte, die die empirischen Ergebnisse enthalten, sind als die zentralen der Arbeit anzusehen, denn hier vor allem hat Kaiser eigenständige Arbeit geleistet. Soweit ich sehen kann, ist er in Deutschland (gemeinsam mit der zeitgleich entstandenen Arbeiten von Scheicher) der erste, der das Faktor GARCH-Modell auf den deutschen Aktienmarkt angewendet hat. Kapitel 5 beschreibt die verwendeten Daten anhand statistischer Kenngrößen. In Kapitel 6 werden alternativ Resultate • für einen einzigen Faktor (Abschnitt 6.2), • für die drei Faktoren mit maximalen Eigenwerten (Abschnitt 6.4) und • für den empirisch gewonnenen Faktor des DAX-Aktienindex (Abschnitt 6.3) dargestellt. Dabei läuft die dritte Variante auf eine Analyse des CAPM hinaus, worauf der Autor auch hinweist (S. 65). Die Ergebnisse der umfangreichen Be rechnungen für die verschiedenen Modellvarianten werden ausführlich erläutert. Insbesondere werden die für einige Aktien stark abweichenden Ergebnisse disku tiert. Interessant ist vor allem, daß das 1-Faktor-Modell insgesamt dem Modell mit mehreren Faktoren vorzuziehen ist. Angesichts der Dominanz des ersten Ei genwertes (siehe Abbildung 6.1) ist dies vielleicht auch nicht gar so verwunderlich. Als besonders wichtig empfand ich die Testergebnisse bezüglich der Hypothese, daß die Restriktion des Faktor-GARCH-Modells erfüllt ist und daß die aktien spezifischen Varianzen keine Rolle bei der Bewertung spielen (Abschnitt 6.2.2). Kaiser kommt zu dem Schluß: "Somit sind die Forderungen von CAPM und APT erfüllt, daß nur das systematische Risiko bewertungsrelevant ist." Allerdings wird GELEITWORT IX dies Bild etwas gestört durch die Tatsache, daß die Residuen immer noch ARCH Effekte aufweisen. Die Ergebnisse des DAX-Faktor-Modells ähneln stark dem eigentlichen Faktor modell (Abschnitt 6.3). Dagegen ist bei dem 3-Faktor-xGARCH-Modell das un terschiedliche Verhalten der drei Faktoren bemerkenswert (siehe insbesondere Abbildung 6.9). Etwas irritierend ist für mich die Idee, daß die drei Faktoren unterschiedlichen Verteilungen folgen sollen, wie dies bei Kaiser (Abschnitt 6.4) untersucht wird. Auch ändert sich das Verhalten der Residuen, wobei eine ge wisse Interaktion zwischen dem dritten Faktor und ARCH-Effekten zu bestehen scheint. Das Kapitel 7 widmet sich dem für die Praxis der Wertpapieranalyse besonders wichtigen Aspekt der Prognose von Volatilitäten. Kaiser vergleicht Prognosen auf der Basis (verschiedener Varianten des) Faktor-GARCH-Modells mit ande ren Ansätzen. Als Yardstick verwendet er das naive Prognosemodell, ferner wird auch die Methode der exponentiellen Glättung zum Vergleich herangezogen. Zu nächst wird für die einzelnen Methoden die Unverzerrtheit überprüft. Anhand eines vom Autor vorgeschlagenen Performance- Index (siehe Abschnitt 4.3) wird das Abschneiden der verschiedenen Methoden miteinander verglichen. Recht fru strierend ist, daß sich je nach statistischem Güternaß eine andere Rangordnung ergibt. Darin gleicht diese Arbeit vielen anderen, in denen Prognosemethoden verglichen werden. Immerhin ergibt sich aus dem Faktor-GARCH-Modell eine bessere Prognose, als wenn man nur eine einzelne Aktie zugrundelegt. Anderer seits ist die exponentielle Glättung offensichtlich auch hier eine attraktive Vari ante. Bei Verwendung des DAX-Faktor-GARCH-Modells ergaben sich teilweise bessere Prognose ergebnisse, vor allem bei langem Schätzzeitraum. Überraschend ist, daß die Prognosegüte durch die Berücksichtigung weiterer Faktoren nicht nennenswert verbessert wird. (Abschnitt 7.3) Bei der "out of sample"-Analyse ist dieser Weg sogar kontraproduktiv: Die Prognose wird schlechter (Abschnitt 7.4). Der Autor beschließt seine Arbeit in Kapitel 8 mit einer längeren Schlußbetrach tung, in der er die wesentlichen Ergebnisse zusammenfaßt und u.a. darauf hin weist, daß die gefundenen Ergebnisse nicht unbedingt auch für andere Marktseg mente Gültigkeit haben müssen. Auf der Jahrestagung der Deutschen Statistischen Gesellschaft 1996 in Karls ruhe, die das Thema "Statistische Analyse von Finanzmärkten" behandelte, hat Ralf Conen, Mitglied des Vorstands der Salomon Brothers AG, in seinem Vortrag! auf die große Bedeutung des dynamischen Faktor-GARCH-Modells hingewiesen und insbesondere die Bedeutung der Prognose von Volatilitäten, wie sie in der vorliegenden Arbeit behandelt werden, herausgestellt. Allerdings 1 Für die schriftliche Fassung sei auf Ralf Conen: ,,Financial Forecasting Using a Multifactor Risk Attribute Model'. Allgemeines Statistisches Archiv 81 (1997), S. 48-61, verwiesen. x GELEITWORT berücksichtigt Conen auch beobachtbare Faktoren, insbesondere makroökono mische Variable, während sich diese Arbeit auf ,)atente", also unbeobachtbare, Faktoren beschränkt. Die Erweiterung dürfte die Prognosequalität des Ansatzes tendenziell verbessern. Abgesehen von dieser Einschränkung sollte Kaisers Arbeit deshalb auch für Praktiker, die sich über moderne ökonometrische Verfahren im Gebiet der Finanzmarktanalyse informieren wollen, von großem Interesse sein. Gerd Ronning