Udo Thiedeke E ditor Virtuelle Gruppen Charakteristika und Problemdimensionen U do Thiedeke (Hrsg.) Virtuelle Gruppen Charakteristika und Problemdimensionen Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Alle Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 2000 Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden 2000 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www. westdeutscherv lg.de Höchste inhaltliche und technische Qualität unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produk tion und Verbreitung unserer Bücher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf säu refreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Einschweißfolie besteht aus Polyäthylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. U mschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt ISBN 978-3-531-13372-0 ISBN 978-3-663-11761-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-11761-2 Inhalt Udo Thiedeke Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1: Zwischen Netzwerk und Gemeinschaft: Soziale und technische Charakteristika virtueller Gruppen Udo Thiedeke Virtuelle Gruppen: Begriff und Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . 23 Karin Dollhausen und }osef Wehner Virtuelle Gruppen: gesellschafts- und medientheoretische Überlegungen zu einem neuen Gegenstand soziologischer Forschung . . . . . . . . . . . 74 Andreas Bri/1 Paradoxe Kommunikation im Netz: Zwischen Virtueller Gemeinschaft, Cyberspace und Virtuellen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Barbara Becker "Hello, I am new here" Soziale und technische Voraussetzungen spezifischer Kommunikationskulturen in virtuellen Netzwerken . . . . . . . . . . . . 113 Barry Weilman Die elektronische Gruppe als soziales Netzwerk . . . . . . . . . . . . . 134 Ute Hoffmann Neues vom Baron Muenchhausen. Die institutionelle Selbstorganisation bei der Bildung virtueller Gruppen im Usenet ................ 168 Bettina Heintz Gemeinschaft ohne Nähe? Virtuelle Gruppen und reale Netze ....... 188 6 Inhalt II: Mittelbare Unmittelbarkeit: Soziale Motivation, Stabilität und Narrnativität als Problemdimensionen virtueller Gruppen Robin B. Harnman Computernetze als verbindendes Element von Gemeinschaftsnetzen. Studie über die Wirkungen der Nutzung von Computernetzen auf bestehende soziale Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Gerit Goetzenbrucker und Bernd Läger Online Communities: Struktur sozialer Beziehungen und Spielermotivationen am Beispiel von Multi User Dimensions . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Elizabeth Reid-Steere Das Selbst und das Internet: Wandlungen der Illusion vom einen Selbst . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Nancy K. Baym Vom Heimatdorf zum Großstadtdschungel: Die Urbanisierung der On-Une Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Nicola Döring und Alexander Sehestag Soziale Normen in virtuellen Gruppen. Eine empirische Untersuchung am Beispiel ausgewählter Chat-Channels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Caroline Haythornthwaite, Barry Weilman und Laura Garton Arbeit und Gemeinschaft bei computervermittelter Kommunikation . . . 355 Michael }aeckel und Christoph Roevekamp Wie virtuell ist Telearbeit? Zu den Konsequenzen einer elektronisch gestützten Arbeitsform . . 393 Dank. . . . . . . . . . .422 Autoren und Autorinnen . . 423 Zusammenfassungen/ Abstracts . 428 Sachregister . . . . . . . . . . . 443 Einleitung Udo Thiedeke Das Soziale beginnt mit dem Anderen, der uns gegenübertritt, die Vergesellschaftung beginnt jedoch mit der Bildung einer Gruppe. Soziale Gruppen sind elementare Aggregate der Vergesellschaftung. Als Mitglie der von Gruppen lernen wir die notwendigen sozialen Spielregeln. ln Gruppen erfahren wir Unterstüi:zung, Anerkennung und Eingebundenheit, aber auch soziale Einflussnahme, Zwang zur Anpassung und Diskriminierung. Obwohl sich die Akzente der Gruppenbildung, infolge des Wandels gesell schaftlicher Differenzierung, von der stratifikatorisch zur funktional differenzier ten Gesellschaft, von familial orientierter Gruppierung auf funktions-und interes sengeleitete Formierungsprozesse verlagert haben, bleibt die Gruppe ein eigen ständiges Aggregat der Vergesellschaftung. Sie grenzt sich gegen ihre Umwelt durch eigene Grenzen der Kommunikation und Handlungen ab. Um diese Grenzen stabilisieren zu können, bedarf die soziale Gruppe der Nähe ihrer Mitglieder zueinander. Der Vergesellschaftungsprozess in Gruppen, der überindividuelle Sachverhalte wie eigene Kommunikationsweisen oder Nor men hervorbringt, beruht auf der persönlichen Zuwendung der Mitglieder. Der Bestand einer sozialen Gruppe, die sich als eigenständiges Kommunikationssy stem selbst erhält, ist ohne die zumindest zeitweiligen persönlichen face-to-face Begegnungen ihrer Mitglieder nicht aufrechtzuerhalten. Die Gruppe wird durch die unmittelbaren, diffusen und zeitlich relativ konstanten, persönlichen Kon takte der zur Gruppe gehörenden Personen konstitutiert (vgl. Neidhardt, 1979: 642). Sie ist daher ein überschaubares, 'kleines' Aggregat. Ihre Größe ist von dieser Möglichkeit zur Unmittelbarkeit und persönlichen Kenntnis bestimmt. Die soziale Gruppe unterscheidet sich infolgedessen von solchen sozialen Kommunikationssystemen, die durch formale, gesatzte Regeln gebildet und sta bilisiert werden. ln diese Organisationen sind eine wesentlich größere Anzahl an Mitgliedern vergesellschaftet, als in sozialen Gruppen, obwohl sich ihre Mitglie der meist nur zum Teil persönlich kennen. Die Kohäsion einer Organisation beruht auf funktional definierten und formal ausgestalteten Positionen. Die hier vergesellschafteten Personen tragen durch ihre Funktionserfüllung und Aner kenntnis der formalen Regeln zum Bestand der Organisation bei, und nicht durch die persönliche Bekanntschaft und Bindung an andere. Eine soziale Gruppe unterscheidet sich andererseits aber auch von flüchti gen Interaktionssystemen Sie sind durch die zufällige Anwesenheit anderer Per sonen und durch spontane soziale Wechselwirkungen gekennzeichnet. Interak tionssysteme bilden keine formalen, gesatzten Regularien aus, die ihren Bestand 8 Udo Thiedeke über längere Zeiträume absichern. Sie zerfallen demzufolge, wenn die Beteilig ten nicht mehr anwesend sind. Zu ihrer Gründung und Fortschreibung sind soziale Gruppen also auf enge soziale Beziehungen persönlich bekannter Mitglieder angewiesen, die sich zumindest zeitweilig physisch treffen. Wechseln wir nun die Perspektive und wenden wir uns von der sozialen Kommunikation, die in ihrem Kern immer auf face-to-face Orientierungen ver weist, ab. Stattdessen soll unsere Aufmerksamkeit jetzt der medialen Kommuni kation (vgl. Thiedeke, 1997: 320; 1999: 31 f.) gelten, die durch technisch vermit telte Orientierungen der Kommunikationsteilnehmer zustande kommt. Damit wird zugleich ein Perspektivwechsel von realweltlichen, unmittelbaren sozialen Kontakten, zu virtuellen, mittelbaren und künstlichen Kontakten vollzogen. Anlass für einen solchen Wechsel der Perspektive ist das seit Mitte der 90er Jahre deutliche Wachstum eines globalen, computerbasierten Kommunikations netzwerks. Dieses 'Netz der Netze', das sich aus unzähligen institutionellen, öffentlichen und privat zugänglichen Computern zusammensetzt, bietet bisher nicht vorhandene Möglichkeiten zur individuellen und zur Massenkommunika tion durch ein einziges Medium. Der dezentrale und individuelle Zugang zu die sem 'Internet' erlaubt es, ortsunabhängig, aus privaten oder öffentlichen Kon texten heraus zu kommunizieren, und dabei nicht nur Informationen zu rezipie ren, sondern selbst als Produzent von Informationen, und als Konstrukteur von virtuellen Kommunikationssystemen aufzutreten. Das Internet ist aber noch weit mehr. Es ist die Grundlage einer virtuellen Vergesellschaftung, da es z.B. die Konstruktion von 'Schwatzbuden' (Chats), Foren, aber auch von komplexen Erlebnis-und Handlungskontexten im Kommu nikationsraum des Mediums ermöglicht, die unabhängig von der dauernden Teilnahme einzelner existieren. Somit sind die Voraussetzungen dafür geschaf fen, dass Kommunikationsteilnehmer in diesen Kommunikationsraum in Form von virtuellen Charakteren eintauchen (Immersion), und dort agieren können. Um die Qualität dieser Kommunikationsform zu verdeutlichen sei betont, dass solche Computerbasierten Kommunikationsumgehungen die soziale Teil habe eines virtuellen, künstlichen Charakters derjenigen realweltlichen Person ermöglichen, die kommuniziert. Nicht ich selbst als präsentes Individuum nehme an der Kommunikation und den Handlungen im Internet teil, sondern ein virtueller Charakter, der von mir gestaltet wurde, und als Repräsentant mei ner selbst agiert. Diese virtuelle Person kann sich mit der sozialen Person, wie sie in face-to face Kontakten auftritt, weitgehend decken und sich auf die realweltliche soziale Identität beziehen. Eine solche Kongruenz ist in der Regel dann gegeben, wenn wir im Internet in Arbeitszusammenhängen, festen Freundschaftsbeziehungen Einleitung 9 oder wirtschaftlichen Kontexten kommunizieren. Hier ist die Kongruenz mit der realen, sozialen Person, oder doch zumindest die eindeutige Rollenzuschrei bung erwünscht. Im Rahmen der virtuellen Beziehungen erscheint hierbei eine nicht-anonyme Person, deren realweltlicher Hintergrund auch einer face-to-face Prüfung standhalten würde. Damit ist die Bildung von Vertrauen entlang persön lich und sachlich eindeutig definierter Interessenlagen und Selbstentäußerungen auch bei virtualisierten Kommunikationskontakten möglich. Aber bei der virtuellen Teilhabe an sozialen Austauschprozessen im Internet kann ebenso von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, anonym oder pseudonym in Bezug auf die reale soziale Position, das Alter, das Geschlecht, oder die Biographie aufzutreten. Virtuelle Beziehungen, die auf CMC (compu ter-mediated communication) beruhen, sind daher tendenziell instabiler, diffu ser und indifferenter, als die gewohnten realweltlichen sozialen Beziehungen. Virtuelle Beziehungen sind mittelbar, eine persönliche, unmittelbare Kenntnis der Teilnehmenden ist untypisch. Die Vertrauensbildung, die auf der definitiven Zurechnung von Normen und Sanktionen, sowie von Zuwendung und Gratifika tionen beruht, ist von Unsicherheit begleitet. Dennoch sind im Internet und bei anderen CMC-Kontakten enge soziale Beziehungen zu beobachten. Manche Netzteilnehmer berichten sogar von sta bilen Freundeskreisen, Partnerschaften oder intimen Beziehungen, die sie im Kommunikationsraum des Internet über regionale und über Sprachgrenzen hin weg etablieren konnten. Teilweise dienen diese virtuellen Beziehungen als Vor stufe oder Erweiterung für realweltliche face-to-face Beziehungen, teilweise blei ben sie auf die virtuelle Beziehungsebene beschränkt. Angesichts dieser Phänomene stellen sich die Fragen, ob sich virtuelle Bezie hungen beobachten lassen, die Ähnlichkeiten mit sozialen Gruppen, und ver gleichbare Integrationsleistungen wie diese engen sozialen Kommunikationssy steme aufweisen, und wo die Unterschiede zu unmittelbaren sozialen Gruppen liegen? Hinter diesen Fragestellungen tritt ein weiteres Problem in Erscheinung. Die funktional differenzierte, medial kommunizierende Gesellschaft erzeugt wie kein anderer Gesellschaftstyp Rahmenbedingungen, die segmentäre Gruppen bildung (Berufsgruppen, interessengeleitete Gruppen, frei gewählte soziale Ver kehrskreise) fördert, ja geradezu erfordern. Die Integrationsleistung der Inklusion in die Gesellschaft wird hier über die freiwillige Assoziation, und die 'Kreuzung sozialer Kreise' (Simmel) in wechselnden Gruppierungen erbracht. Auf den ersten Blick scheinen virtuelle Beziehungen auch dann, wenn sie als engere gruppenförmige Aggregate auftreten, aufgrund ihrer Mittelbarkeit, des leichten Wechsels der Mitgliedschaft, und ihrer Fluidität der Themen und Inter essen desintegrierend zu wirken. Die Beteiligung an sozialen Ressourcen scheint hier gegen geringe Kosten möglich, die stabilisierende Vertrauensbasis erscheint 10 Udo Thiedeke als nur schwach ausgeprägt. Die lnklusionsleistungen der Vergemeinschaftung in virtuellen Gruppen ist daher über die engeren mikro- und mesosozialen Frage stellungen hinaus von einigem Interesse. Allerdings verläuft die Diskussion solcher Fragestellungen, vor allem mit Bezug auf das Internet, bislang wenig systematisch. Sie ist häufig von großen Erwartungen und Befürchtungen in Hinblick auf die Integrationsleistungen virtu eller Beziehungsformen, und weniger von der rationalen Gewichtung der Fak tenlage gekennzeichnet. Der Forschungszugang ist dabei durch zwei Probleme erschwert. Einerseits ist der Gegenstandsbereich mit soziologischen Beobachtungs und Beschreibungsmitteln, die an der Unmittelbarkeit sozialer Beziehungen ori entiert sind, nur schwer zu erfassen. Andererseits bereitet die Berücksichtigung der sozio-technischen Spezifika virtueller Beziehungsformen bei der Gewich tung technischer und sozialer Einflusskomponenten Schwierigkeiten. Es ist aber zu beachten, dass virtuelle Beziehungen, was die Zugangsbedingungen zu ihnen, ihre Kommunikations-, Stabilitäts- und Erinnerungspotentiale anbelangt, von den technischen Gegebenheiten der CMC (Computer-mediated Communi cation), und den technischen Kompetenzen der Teilnehmenden abhängen. ln zunehmendem Maße hängt die Qualität solcher Beziehungen sogar von den Fähigkeiten ihrer Mitglieder ab, die Kommunikation selbstständig agierender technischer Systeme (Agenten oder Robots, kurz: Bots) von den virtuell vermit telten sozialen Kommunikationsangeboten zu unterscheiden, oder an die eigene Kommunikation sinnvoll anzuschließen. Virtuelle Gruppen sind aus dem Blickwinkel gewohnter sozialer Beobach tungsperspektiven schlecht dingfest zu machen. Sie scheinen sich der Beobach tung und Beschreibung durch ihre Virtualität zu entziehen. Entsprechend diffus gestaltet sich auch die begriffliche Einordnung. Hier ist vor allem eine äußerst uneinheitliche, teilweise emphatische Verwendung des Begriffs der Gemeinschaft festzustellen. Dieser Begriff wird häufig aus der angel sächsischen Literatur übernommen, ohne dass die kulturellen Grundlagen des 'community' Begriffs weiter hinterfragt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die geringe Systematisierung von analytischen Beobachtungsdimensionen, und Bescheibungen unterschiedlicher virtueller Beziehungsformen, die Identifi kation definitorischer Merkmale der virtuellen Gruppe behindert. Der vorliegende Band will daher einen Beitrag zur Versachlichung der Beobachtung und Bescheibung des Phänomens der virtuellen Gruppe leisten. Dabei ist es allerdings noch nicht möglich, eine Theorie virtueller Gruppen, ihrer Entstehung, Entwicklungsdynamik und gesellschaftlichen Bedeutung zu formu lieren. Aufgrund der genannten Probleme der 'mittelbaren Unmittelbarkeit' Einleitung 11 solcher Beziehungsformen, kann derzeit nur ein graduelles Raster zur Identifika tion enger virtueller Beziehungsformen entworfen werden, das bei der Beschrei bung virtueller Gruppen heurstischen Wert besitzt und zur Systematisierung der Beobachtungen beitragen kann. Hierbei zeigt sich, dass virtuelle Gruppen ihr Erscheinungsbild sehr rasch zwischen einer organisatorisch/regulatorischen Struktur (z.B. Arbeitsgruppen, MUD-Welten), und dem Erscheinungsbild verteilter Interaktionssysteme (virtu elle Netzwerke) wechseln können. Im Rahmen dieser Strukturierungsmöglichkei ten treten engere virtuelle Kommunikationssysteme auf, die durch wechselsei tige Kenntnis der virtuellen Charaktere, durch diffuse Mitgliederbeziehungen, eine relative zeitliche Stabilität, und eine identitätsprägende Selbstbeschreibung gekennzeichnet sind. Die Kohäsion dieser virtuellen Gruppe ist allerdings, auf grund der spezifischen Umweltbedingungen der CMC, beständig in Frage gestellt. Mit Blick auf die Umweltbeziehungen virtueller Gruppen wird zudem deut lich, dass virtuelle Gruppen nicht als Substitut für soziale, realweltliche Gruppen oder Beziehungsformen anzusehen sind. Sie sind mit diesen vielmehr in einem komplexen Gefüge der Kommunikationen und Handlungen verzahnt. Mitglieder virtueller Gruppen sind in der Regel auch Mitglieder realweltlicher face-to-face Gruppen. Häufig dient die virtuelle Gruppe als Vorbereitung für die Bildung, die Ergänzung, oder als erweiterter Rekrutierungsbereich von face-to-face Gruppen. Hier ist also von einer Ergänzung realer und virtueller Beziehungsformen auszu gehen. Angesichts dieser vielschichtigen Problemlage nähern sich die Beiträge die ses Bandes dem Phänomen der virtuellen Gruppen aus verschiedenen Beob achtungsrichtungen. Im ersten Teil stehen hierbei die Identifikation charakteristi scher Merkmale, und im zweiten Teil die Erörterung des Phänomens anhand spezifischer Problemdimensionen im Mittelpunkt der Ausführungen. Um die Charakteristika sinnvoll einordnen zu können, ist es zunächst wich tig, eine Begriffsbestimmung, sowie ein analytisches Raster für die Beobachtung der virtuellen Gruppe selbst zu entwickeln (Thiedeke). Die Situierung der virtuel len Gruppe in einer gruppenspezifischen Umwelt, einem sozialen Kontext, ver weist zugleich auf ihre Bestimmtheit durch gesellschaftliche Rahmenbedingun gen. Da die Bildung virtueller Beziehungsformen unmittelbar auf sozio-techni sche Wechselwirkungen zurückzuführen ist, muss erörtert werden, auf welche Weise Veränderungen im System der technischen Kommunikationsmedien die Entfaltung sozialer Kommunikations- und Vergemeinschaftungsmöglichkeiten beeinflussen (Dollhausen, Wehner).