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"Violenza": Gewalt als Denkfigur im michelangelesken Kunstdiskurs PDF

472 Pages·2015·30.024 MB·German
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Violenza Actus BAnd XVII et ImAgo Berliner Schriften für Bildaktforschung und Verkörperungsphilosophie Herausgegeben von Horst Bredekamp und Jürgen Trabant Schriftleitung: Marion Lauschke Andreas Plackinger Violenza Gewalt als Denkfigur im michelangelesken Kunstdiskurs Publiziert mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters "Bild Wissen Gestaltung. Ein Interdisziplinäres Labor" der Humboldt-Universität zu Berlin. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der FONTE Stiftung zur Förderung des geisteswissenschaftlichen Nachwuchses in Berlin Gefördert durch die Richard Stury Stiftung in München Einbandgestaltung unter Verwendung von Francesco Colonna: „Hypnerotomachia Poliphili“, 1499 (Vorderseite). Daniele da Volterra, David und Goliath, um 1556, Gabinetto disegni e stampe degli Uffizi, Florenz (Rückseite). ISBN 978-3-11-040346-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-040397-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-040405-0 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. © 2016 Walter De Gruyter GmbH, Berlin/Boston Redaktionelle Mitarbeiterin der Reihe: Johanna Schiffler Reihengestaltung: Petra Florath, Berlin Druck und Bindung: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Altenburg Printed in Germany Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706 www.degruyter.com INHALTSVERZEICHNIS Vorwort und Danksagung IX EINFÜHRUNG UND FRAGESTELLUNG I. Zweimal Michelangelo und Gewalt: Werk und Künstlermythos 1 II. Gewalt im michelangelesken Kunstdiskurs: Fragestellung und Ausgangsthesen 17 1. Methodische Überlegungen: Perspektiven, Grenzen und Gefahren 18 2. Forschungsstand und Literaturbericht 22 GRUNDBEGRIFFE I. Faszination Gewalt: Ein anthropologischer Zugang? 27 1. Gewalt als Souveränitätsfiktion 28 2. Der menschliche Körper als Medium der Empathie 32 II. Andere Zeiten, andere Sitten: Wahrnehmung von Gewalt im 16. Jahrhundert 36 1. Physische Gewalt als Medium von Machtverhältnissen 39 2. Nichtkriminalisierte Gewalt 43 3. Monopolisierung und Tabu 47 III. Gewalt – Violenza. Violentia zwischen vitium und virtus 50 IV. Terribilità: Eine gewaltaffine Kategorie 62 1. Männlichkeit und Dominanz als ästhetische Position 65 2. Verworrene Wurzeln: Ein Superlativ mit antiker Vorgeschichte 73 3. Licenza – Terribilità als transgressives Konzept 81 GEWALT UND PRODUKTION I. Konkurrenz und Gewalt 87 1. Paragone als Kraftprobe: Daniele da Volterras David und Goliath 88 2. Aemulatio als Akt der Unterwerfung: Pierino da Vincis Samson 103 3. Künstlerrivalität und Krieg der Malerschulen 110 II. Gewaltaffinität des Kreationsprozesses 118 1. Doppeldeutigkeit des Furors 119 2. Ingegno in Waffen 129 3. Künstlerische Arbeit als Kampf 133 4. Das destruktive Moment des Produktionsakts 149 III. Projektionen: (Auto)Mimesis als Topos 167 Exkurs: Die gewalthaltige Signatur, oder: Der Künstler als Herr über Leben und Tod 177 1. Die Gewalt im Sujet: Der Körper als Thema und Michelangelo als Mörder 190 a. Apollos Erben: Kunst und Anatomie 208 b. Michelangelo als Anatom – Bildzeugnisse/Textzeugnisse 228 c. Faszination und Angst – Sektion/Vivisektion/ Anatomie und Hinrichtung 245 2. Die Gewalt in der Form: Gestaltung als Dehumanisierung 276 a. Bewegung 286 b. Einpassung in das Bildfeld 295 c. Verkürzung 304 d. Umriss 307 e. Fragmentierung 312 GEWALT UND REZEPTION I. Das Bild als Akteur: Gewalt im Modus des Potentiellen 323 1. Der physische Übergriff auf den Betrachter 327 a. Formal übergriffige Kunstwerke – Giulio Romano/Tizian/Lelio Orsi 328 b. Sehen als physischer Oktroy: Optische Theorien der Frühen Neuzeit 348 c. Bild- und Blickmagie 353 2. Der psychische Übergriff auf den Betrachter 359 a. Antike Modelle: Rhetorik und Dramentheorie 360 b. Stoische Ideale: Kunst als Mutprobe 367 II. Gewalt und Nachruhm 373 1. Das Gewaltbild als ästhetischer Testfall 379 2. Mnemotechnik, Schmerz und Transgression 386 Zusammenfassung 397 Literaturverzeichnis 405 Personenregister 449 Bildnachweis 454 […] in Italy, for thirty years under the Borgia, they had warfare, terror, murder, and bloodshed, but they produced Michelangelo, Leonardo da Vinci, and the Renaissance. In Switzerland, they had brotherly love, they had five hundred years of democracy and peace – and what did that produce? – The cuckoo clock. Orson Welles als Harry Lime in The Third Man VORWORT UND DANKSAGUNG Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung meiner 2013 an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereichten Dissertation im Fach Kunstgeschichte, die unter Betreuung von Prof. Dr. Ulrich Pfisterer entstand. Meine Doktorarbeit war im Wesentlichen 2012 abgeschlos- sen. Bei der Vorbereitung der Drucklegung des Manuskriptes habe ich mich dazu entschieden, auf eine Einarbeitung der seither erschienenen Veröffentli chungen zu verzichten – jeder, der zu Michelangelo bzw. zu Kunst und Kunsttheorie des Cinquecento forscht, kann abschätzen, in welcher Fülle und Geschwindigkeit neue Publikationen zu diesen Themenfeldern erscheinen. Nichtsdestotrotz möchte ich aber an dieser Stelle ergänzend auf einige für die Fragestellung die- ses Buches relevante Neuerscheinungen hinweisen, die auch in das Literatur- verzeichnis am Ende des Bandes aufgenommen worden sind. In ihrem in einer italienischen Festschrift vorgelegten Aufsatz Il ‚famoso crocifisso‘ dipinto da Michelangelo. Dalle diffamazioni alle collezioni setzt sich Maia Wellington Gahtan ebenfalls mit der Legende von Michelangelos gemor- detem Modell auseinander, die auch in meiner Arbeit eine zentrale Rolle spielt, und befasst sich darin mit jenem anonymen Sonett, in dem sich das bedauerns- werte Opfer des gewaltsamen Künstlers effektvoll zu Wort meldet.1 Allerdings geht die Autorin dabei von einem Manuskript des 18. Jahrhunderts aus (MS. Mo- dena, Biblioteca Estense, 557 Il Pasticcio). Sie verortet das spannende Gedicht im Umfeld der römischen Gelegenheitsdichtung, der sogenannten Pasquinate. Offensichtlich hat sie jedoch das in meiner Arbeit herangezogene seicenteske Manuskript, in dem sich das Sonett bereits früher nachweisen lässt, nicht kon- sultiert (MS. Modena, Biblioteca Estense, Giardino di varie Compositioni). Darin lassen sich bei vielen anderen Gedichten direkte lokalgeschichtliche 1 Wellington Gahtan 2012. X Vorwort und danksagung Bezüge zum Haus Este finden – was jedoch keinen Widerspruch zu Wellington Gahtans Überlegungen darstellen muss. 2013 legten Oskar Bätschmann und Tristan Weddigen mit Paragone. Wettstreit der Künste die erste deutsche Übersetzung der an Benedetto Varchi adressierten paragone-Briefe vor.2 Im gleichen Jahr lieferte Sefy Hendler mit La guerre des arts einen neueren Überblick zum cinquecentesken Paragone-Diskurs, wobei insbesondere die französische und englischsprachige kunstgeschichtliche Forschung berücksichtigt wird.3 Ebenfalls 2013 erschien der von Nicole Hegener herausgegebene Band Künstlersignaturen von der Antike bis zur Gegenwart, der Beiträge von Alessandro della Latta, Irving Lavin, Nicole Hegener und Rudolf Preimesberger enthält, in denen Werke und Themenaspekte behandelt werden, die auch in der vorliegenden Arbeit eine Rolle spielen.4 Die darin vorgebrachten Überlegungen haben leider keinen Eingang mehr in mein Buch finden können. Morten Steen Hansens Publikation In Michelangelo’s Mirror (2013) befasst sich mit der frühen Rezeption Michelangelos unter anderem bei Daniele da Volterra.5 Die Anfang des Jahres 2015 eröffnete, von Georg Satzinger und Sebastian Schütze kuratierte Ausstellung Der Göttliche. Hommage an Michelangelo der Bundeskunsthalle in Bonn lieferte ein Panorama der Wirkungsgeschichte des Meisters.6 Gewalt fasziniert. Viele Kunstwerke der Frühen Neuzeit, die uns in Museen und Galerien innehalten lassen, zeugen davon. In der Tat ist kaum etwas Prächtige- res vorstellbar als beispielsweise der blutige Reigen eines Kindermords von Bethlehem, dargestellt von Künstlern wie Guido Reni, Rubens oder Poussin. Doch wie kann es sein, dass Kunst und Gewalt, Ästhetik und Amoral eine der- artig fruchtbare Verbindung eingehen? Gewalt kann unter gewissen Umstän- den im Dienst des Schönen auftreten. Das vorliegende Buch ist ein Versuch, diese Problematik zu durchdenken und eine Annäherung an folgende Frage zu finden: Was macht Gewalt an den Bereich des Schönen und der Künste sowie der damit verbundenen Theoriebildung anschlussfähig? Eine Art Pate für meine Unternehmung ist Dr. Helmut Institoris, seines Zeichens Kunsthistoriker in München mit einem Faible für die Kunst der Renaissance und die für ihn darin verkörperte rücksichtslose Gewalt. Wie diese skurrile Figur aus Thomas Manns Doktor Faustus (1947) stehe ich mit einer gewissen Hilflosigkeit dem unbegreiflichen Phänomen Gewalt gegenüber. Doch im Unterschied zu Herrn Institoris hege ich nicht die Absicht, mich zum Pro- 2 Varchi [1546/1547] 2013; dazu Plackinger 2012/2013. 3 Hendler 2013; dazu Plackinger 2014. 4 Hegener 2013, S. 128–231. 5 Hansen 2013. 6 Ausst. Kat. Bonn 2015.

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