Psychotherapie: Praxis Susanna Hartmann-Strauss Videotherapie und Video- supervision Praxishandbuch für Psychotherapie und Beratung online Psychotherapie: Praxis Die Reihe Psychotherapie: Praxis unterstützt Sie in Ihrer täglichen Arbeit – praxis- orientiert, gut lesbar, mit klarem Konzept und auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand. Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/13540 Susanna Hartmann-Strauss Videotherapie und Videosupervision Praxishandbuch für Psychotherapie und Beratung online Susanna Hartmann-Strauss Psychologische Praxis Calw, Deutschland ISSN 2570-3285 ISSN 2570-3293 (electronic) Psychotherapie: Praxis ISBN 978-3-662-62090-8 ISBN 978-3-662-62091-5 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-62091-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. © Fotonachweis Umschlag: © by-studio/stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell) Umschlaggestaltung: deblik Berlin Planung/Lektorat: Monika Radecki Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany „Onpa sitä maailmaa jonnekin päin“, sanoi akka kun kepillä saunan luukusta pisti. „Wie ist die Welt doch groß und weit“, sagte die Alte, als sie einen Stock zur Saunaluke herausstreckte. Finnisches Sprichwort aus Südösterbotten Vorwort Im März 2020 wurde ich, so wie viele andere Kolleginnen auch, pandemiebedingt von einem Tag zum anderen zur Videotherapeutin und Videosupervisorin. Während Einzelgespräche zum Teil noch in der Praxis möglich waren, konnten weder Paar- und Familiengespräche noch Supervisionssitzungen weiterhin statt- finden. Ich hatte bereits zuvor Videositzungen durchgeführt und auch gerne mit diesem Medium gearbeitet, es jedoch bislang vor allem als Verfahren zweiter Wahl ver- standen: Es kam lediglich zum Einsatz, wenn das bevorzugte Face-to-Face- Gespräch nicht möglich war. Grund hierfür war etwa, dass Klienten die Praxis mobilitäts- oder krankheitsbedingt nicht aufsuchen konnten oder sich Familien- oder Supervisionsgruppenteilnehmer an verschiedenen Orten aufhielten und dennoch eine gemeinsame Sitzung durchführen wollten. Von den Videositzungen erwartete ich weniger als von den Sitzungen vor Ort. Intuitiv ging ich davon aus, dass die meisten Therapietechniken online nicht anwendbar seien: Imagination? Entspannung? Oder gar Stuhldialoge? Per Video doch wohl kaum möglich. Ebenso stellte ich mir ein systemisches Vorgehen mit mehreren Personen als durch die Technik erschwert vor und fragte mich, wie es möglich sein sollte, in einem Videosetting mit zirkulären Fragen oder reflektierenden Positionen zu arbeiten. Und: Wie konnte die Arbeit in großen Supervisionsgruppen weitergehen? Fallbesprechungen, der Einsatz von Organi- grammen und Genogrammen: Das waren die Hürden, an die ich zunächst stieß. Mit einem Anteil von zeitweilig bis zu 100 % Videositzungen passierten mehrere interessante Dinge: Ich bemerkte, dass Veränderungen bei einigen Klienten schneller auftraten als im Face-to-Face-Kontakt und das veränderte Setting zu einem Mehr an Verantwortung und Selbstwirksamkeitserleben bei ihnen führte. Auch die Therapiebeziehung wurde nicht schlechter, sondern blieb stabil oder vertiefte sich sogar. Das galt nicht nur für die laufenden Prozesse, die lediglich von einem Face-to-Face- in ein Videosetting wechselten, sondern auch für Beziehungen, die direkt als Videokontakt begannen. Interessiert an diesem unerwarteten Phänomen, fing ich an zu recherchieren und entdeckte, dass längst eine eindeutige Studienlage existiert, die den Face-to-Face-Kontakt als einzige Möglichkeit, eine therapeutische Allianz zu etablieren, als Mythos entlarvt (Berger 2017; Simpson und Reid 2014). VII VIII Vorwort Nach und nach stimmte ich mein therapeutisches Inventar auf die Videoarbeit ab und stellte fest, dass auch dies nicht nur dazu führte, dass Therapien und Super- visionsprozesse in einer vergleichbaren Qualität weiterliefen, sondern dass in vielen Fällen Interventionen erst durch die Videotechnik möglich oder wirksamer wurden. Die Recherche erbrachte das Ergebnis, dass es vor allem im psycho- sozialen Beratungssektor eine vitale Onlinecommunity gibt, die bereits seit über 20 Jahren mit verschiedenen Onlinesettings experimentiert und längst in der Professionalisierung angekommen ist. Auch psychotherapeutische Forschung existiert, vorwiegend jedoch in den Ländern, in denen die Geografie zur Anwendung von Distanzbehandlungen einlädt (z. B. die USA, Kanada und Australien). Dass die deutsche Psychotherapieforschung sich bislang nur verein- zelt mit der Videotherapie beschäftigt, ist kein Wunder: Erst seit Oktober 2019 ist es überhaupt möglich, Videotherapie in der Regelversorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung anzubieten und abzurechnen. Wind und Kollegen (2020) beschreiben die Coronapandemie als „Black Swan“ für die Nutzung von internetbasierten Behandlungen im Bereich der psychischen Gesundheit: Plötzlich stellen sich weitgreifende Änderungen aufgrund eines unerwarteten Ereignisses ein. Eindeutig lässt sich der Schwarze Schwan an den Nutzungszahlen des bekanntesten Videokonferenzanbieters erkennen: Während Ende 2019 erst zehn Millionen Menschen bereits an Zoom-Meetings teilgenommen hatten, waren es nur vier Monate später mehr als 300 Millionen (Wiederhold 2020). Vor allem in der kassenärztlich zugelassenen psychotherapeutischen Tätig- keit sind viele Themen bislang nur unzureichend geklärt: Gruppentherapie und Akutbehandlung dürfen nicht per Video stattfinden. Die Möglichkeit zu video- begleiteten Übungen außerhalb, wie sie vor allem für Verhaltenstherapeuten z. B. für die Expositionsbehandlung wesentlich sind, sind zumindest im Rahmen der Vorgaben für die Videosprechstunde nicht möglich. Das gleiche gilt für das Verbot, Sitzungen aufzuzeichnen. Obwohl der Datenschutzgedanke nachvollziehbar ist, erschwert dieses Verbot sinnvolle, dem Patienten dienliche Interventionen, wie z. B. das wiederholte Anhören von Interventionen, und senkt potenziell die Quali- tät psychotherapeutischer Behandlungen, da die Supervisorin keinen Einblick in die laufende Therapie bekommt. Bereits jetzt ist jedoch vieles möglich. Dieses Buch möchte Ihnen vor allem Lust auf die Nutzung der Technik und ihrer Möglichkeiten in Therapie und Super- vision machen! Um Ihnen die Anwendung der geschilderten Interventionen und Adaptionen zu erleichtern, finden Sie als Erweiterung des Buchs alle Materialien, Übungen und Vorlagen auf der virtuellen Buchpräsenz im Netz unter www. videotherapie-videosupervision.de (Stand: 01.08.2020). Sie werden beim Lesen feststellen, dass Ihnen weder Sternchen noch Binnen- I-Wortkonstruktionen begegnen. Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, finden Sie stattdessen oft alleinstehende weibliche oder männliche Formen. Bitte fühlen Sie sich frei, die jeweils (un-)passende Form gedanklich hinzuzunehmen oder auch zu entfernen. Um den Lesefluss zu erleichtern, habe ich mir zudem erlaubt, Vorwort IX abwechselnd von Therapie, Behandlung und Supervision zu sprechen. In vielen Fällen ist ein Austausch der Begriffe möglich. Gleiches gilt für die Klienten und Patienten, Supervisanden und Ratsuchenden, die Ihnen im Buch begegnen. Mein Dank geht in erster Linie an Monika Radecki, Amose Stanislaus und Jasmeen Kaur vom Springer-Verlag, die dieses Projekt in einem Tempo umgesetzt, unterstützt und begleitet haben, das ich nicht für möglich gehalten hätte. Für Korrekturen, Hinweise und überdauernde Motivation danke ich Betina Schilling von Herzen. Ein abschließendes Dankeschön gebührt allen Patienten, Familien und Supervisionsgruppen, die sich, oft ebenfalls von einem Tag auf den anderen, mit mir auf das neue Medium einließen, geduldig technische Schwierigkeiten aus dem Weg räumten und ebenso geduldig die Entwicklung der videospezifischen Vorgehensweisen begleiteten, rückmeldeten und hierdurch verbesserten. Susanna Hartmann-Strauss Literatur Berger, T. (2017). The therapeutic alliance in internet interventions: A narrative review and suggestions for future research. Psychotherapy Research, 27(5), 511–524. Simpson, S. G., & Reid, C. L. (2014). Therapeutic alliance in videoconferencing psychotherapy: A review. Australian Journal of Rural Health, 22(6), 280–299. Wiederhold, B. K. (2020). Connecting Through Technology During the Coronavirus Disease 2019 Pandemic: Avoiding „Zoom Fatigue“. Cyberpsychology, Behavior and Social Net- working, 23(7), 437–438. Wind, T. R., Rijkeboer, M., Andersson, G., & Riper, H. (2020). The COVID-19 pandemic: The ‚black swan‘ for mental health care and a turning point for e-health. Internet interventions, 20. Inhaltsverzeichnis Teil I Grundlagen und Vorbereitungen 1 Bevor es los geht: Einwände prüfen ............................ 3 1.1 Videositzungen erschweren den Zugang zu einer Behandlung ..... 4 1.2 Videositzungen verhindern den Beziehungsaufbau .............. 5 1.3 Videositzungen erschweren die Kommunikation ............... 6 1.4 Videositzungen sind virtuell, eine echte Begegnung findet nicht statt ................................................... 7 1.5 Videositzungen sind unbequemer als Gespräche vor Ort ......... 9 Literatur .................................................... 10 2 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.1 Videositzungen in der Psychotherapie ........................ 11 2.1.1 Begriffe und Definitionen .......................... 13 2.1.2 Indikation und Kontraindikation von Videobehandlungen ............................... 15 2.1.3 Blended-Ansätze in der Psychotherapie: Wann passt welches Setting? ........................ 16 2.2 Videositzungen in der Supervision .......................... 19 2.2.1 Begriffe und Definitionen .......................... 19 2.2.2 Supervisionsformate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Literatur .................................................... 21 3 Grundlagen ................................................ 25 3.1 Technische Grundlagen ................................... 26 3.1.1 Kamera und Bildausschnitt ......................... 26 3.1.2 Mikrofon ....................................... 28 3.1.3 Beleuchtung ..................................... 29 3.1.4 Anbieter von Videokommunikation ................... 30 3.2 Rechtliche Grundlagen .................................... 31 3.2.1 Psychotherapie ................................... 31 3.2.2 Supervision und Beratung .......................... 34 Literatur .................................................... 35 XI