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Vertrauen in die Welt. Eine Philosophie des Films PDF

238 Pages·2013·1.529 MB·German
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FRÜCHTL VERTRAUEN IN DIE WELT Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig FILM DENKEN herausgegeben von LORENZ ENGELL OLIVER FAHLE VINZENZ HEDIGER CHRISTIANE VOSS Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig JOSEF FRÜCHTL VERTR AUEN IN DIE WELT EINE PHILOSOPHIE DES FILMS WILHELM FINK Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betriff t auch die Verviel- fältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§  und  UrhG ausdrücklich gestatten. ©  Wilhelm Fink Verlag, München (Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG, Jühenplatz , D- Paderborn) Internet: www.fi nk.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN ---- Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig INHALT Einleitung: Evidente Erfahrung der Existenz. . . . . . . . . . . . . . .  . Gilles Deleuze und der Glaube an die Welt. . . . . . . . . . . . . .  Kino und Katholizität  – Fiktion, Wahrheit und ihre neuzeitli- che Fundamentalisierung  – Glauben an das Absurde  – Glauben an den Körper  – Glauben und Skepsis  – Postscriptum: Die Sprachen der Philosophie  . Ein Kampf gegen sich selbst: das Kino als Ich-Technologie. .  Fight Club  – Subjektivität, Bewegung und Film  – Film, Gewalt und Subjektivität  – Action!  – Subjektivität und auditiver Sinn  . Die Evidenz des Films und die Präsenz der Welt: Jean-Luc Nancys cineastische Ontologie. . . . . . . . . . . . . . . .  Der post-postmoderne Film  – Evidenz  – Der Blick, die Bewegung und das Reale  – Einige Unklarheiten  . Das Weltbild der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Die Zeit des Weltbildes  – Nancy und die Welt  – Deleuze und das Bild  . Politik, Ästhetik oder Mystik des Zeigens? Benjamin und Deleuze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Kulturgeschichte der Wahrnehmung und Dispositiv  – Kult- und Ausstellungswert  – Georg Simmel und der Kampf um Sichtbarkeit  – Kino als Dispositiv  – Ontologie und Intuition: Spinoza, Bergson und Dewey  – Das Kino der Seher  Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig  INHALT . Gemacht und dennoch wahr: Zur Ästhetik der Präsenz des Helden. . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Hegel, die Moderne und die Kunst  – Sport, Stars und Zidane  – Philosophie der Präsenz  – Ästhetik der Präsenz  . Eine Kunst der Geste: Den Bildern Geschichte und Bewegung zurückgeben. . . . . .  Flags of Our Fathers  – Eine Kunst der Geste  – Die Kunst der Geste des Films  – Deleuze: Metaphysik oder Ästhetik?  . Es ist, als ob wir vertrauen könnten: Fiktion und Ästhetik des Politischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Eine kurze Geschichte der Fiktion  – Konsens und Dissens  – Ästhetische Gemeinschaft und Als-ob  – Das Als-ob jenseits von Ästhetik und Politik  – Kantianisches Vertrauen  – Po- litisches Vertrauen  – Politik und Ästhetik  . All you need is love: Cavell und die Komödie der Wiederverheiratung von Film und Philosophie. . . . . . . .  Film, Philosophie und Skeptizismus  – Anmerkung zu Kants Weltbegriff  – Film und Anerkennung  – Film als Philoso- phie  – Subjektivität und Vertrauen  – Coda  Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Nachweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig EINLEITUNG: EVIDENTE ERFAHRUNG DER EXISTENZ Blow Up, der Film von Michelangelo Antonioni, endet mit einer rätsel- haften, traumartigen Szene. Nachdem der Protagonist eine ganze Wei- le lang, eine für seine Verhältnisse, die Verhältnisse eines jungen, ge- langweilten, aber künstlerisch ambitionierten Modefotografen, sehr lange Weile, nämlich einen ganzen Tag lang versucht hat, einen schein- baren Mord aufzuklären – auf einem seiner zufällig gemachten Fotos mit einem Liebespaar in einem Park entdeckt er bei der Vergrößerung, beim blowup, im Hintergrund eine Figur mit einer Pistole und eine Leiche, die, nachdem er zu dem Ort zurückgelaufen ist, an dem er das Foto gemacht hat, auch tatsächlich dort liegt, bevor sie, wie er später feststellen muss, wieder verschwunden sein wird –, nachdem der junge Mann also vergeblich versucht hat, das Rätsel aufzuklären, triff t er wie- derum in einem Park auf eine Gruppe junger Leute, allesamt verkleidet als Clowns, dieselbe Gruppe, der er schon am Tag zuvor, am Beginn des Films, auf seiner Autofahrt durch London begegnet ist. Zwei der Clowns spielen Tennis, das heißt, sie tun so, als ob sie dieses Spiel spiel- ten. Die anderen schauen zu, das heißt, sie tun so, als ob sie einem Ballwechsel zuschauten, drehen den Kopf nach links, drehen ihn nach rechts, verharren beim (gespielten) Aufschlag. Das Erstaunliche für die Zuschauer des Films ist, dass sie zwar keinen hin und her fl iegenden Ball sehen, ihn aber hören. Als der Ball im gespielten Spiel über das Tennisfeld hinausfl iegt und in der Nähe des Fotografen landet, sehen alle zu dem jungen Mann hinüber, bis schließlich einer eine Kopfbewe- gung macht, die bedeutet: ‚Nun, mach schon! Sei so nett und wirf den Ball zurück ins Feld.‘ Der junge Mann zögert erst irritiert, aber dann tut er, was man von ihm erwartet und wirft den nicht existenten Ball mit gespielter Anstrengung zurück. Er lächelt, nimmt seine Kamera, sein Beobachtungsinstrument wieder an sich, das er ins Gras gelegt Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig  EINLEITUNG hatte, und geht seiner Wege, während die Filmkamera sich in der Vo- gelperspektive entfernt und verharrt. Für einen Moment scheint der Film eine Botschaft zu vermitteln. Hör auf, so scheint er zu sagen, der Obsession des Beobachtens und der objektiven Wahrheitsfi ndung zu folgen! Auf diese Weise nähert man sich nur dem Gegenmodell, dem subjektivistisch-expressivistischen Gebaren der Kunst, der pointilistischen Malerei, der das blowup letzt- lich immer ähnlicher wird. Was man zu erkennen glaubt, ein corpus delicti, ist nicht zu erkennen. Es hat sich in der körnigen Struktur des Fotos aufgelöst. Schließ dich vielmehr einer Praxis an, einer intersub- jektiv geteilten Handlungsweise, nicht vergessend, dass sie vom Prinzip des Als-ob mit geprägt, manchmal sogar regiert wird. In letzterem Fall spielt man Tennis, obwohl weder Schläger noch Ball vorhanden sind. Man kann die Schlussszene des Films somit ästhetisch interpretieren als Einladung, die Einstellung des Als-ob, der Fiktionalität, die mini- mal jedes Handeln prägt, zu intensivieren und eine entsprechende Le- benskunst auszubilden. Aber es geht um mehr. Es geht um eine Einla- dung zum Vertrauen. Vertrauen ist eine ebenso fundamentale wie prekäre Ressource. Sie ist fundamental im sozialen, speziell im moralischen, politischen, öko- nomischen und psychologischen Sinn, aber ebenso im ontologischen und existenziellen Sinn. Und sie ist gleichermaßen unsicher. Zu der Zeit, da ich dieses Buch, die Vorträge und Aufsätze, auf denen es auf- baut, geschrieben habe, wird das Vertrauen immer öfter zum Th ema in den Reportagen und Kommentaren der Zeitungen und Fernsehsender. Die deregulierte, fi nanzkapitalistisch dominierte Marktwirtschaft be- schert uns im Herbst des Jahres  zum ersten Male Bilder, die man in Europa seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat: panische Sparer, die die Bankschalter (der „Northern Rock“) stürmen. Seit dem Bank- rott der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers ein Jahr später, für die, im Unterschied zu anderen Großbanken, der Slo- gan „too big to fail“ nicht mehr galt, versucht die institutionalisierte Politik, die Ausbreitung der Krise – von der Banken- zur Staatsfi nan- zen- und schließlich zur sozialen Systemkrise – durch ein „Vertrauens- management“ zu verhindern, „in dem der Vertrauensverlust von Ak- teuren auf einer Ebene durch Garantien anderer Akteure höherer Vertrauensstufe ausgeglichen wird oder werden soll.“ So werden die Banken von den Staaten gerettet und die kleinen Staaten von den gro-  Jens Beckert/Wolfgang Streeck, „Die nächste Stufe der Finanzkrise“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, . Aug. . Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig EINLEITUNG  ßen. Das Ganze zahlt am Ende nach dem überlieferten Verlustesoziali- sierungsmuster die Masse derer, die (manchmal wütend, aber) brav ihre Steuern entrichten. Die Politik der parlamentarischen Demokratie bleibt bei diesem Management extrem anfällig für die Lobbytätigkei- ten derer, die von ihr gerettet werden möchten. Die Verquickung von ökonomischen und politischen, privaten und öff entlichen Interessen erhält den smarten Touch von Selbstverständlichkeit. Dann kommt es zu einem prosaischen Trauerspiel wie demjenigen, das ein deutscher Bundespräsident auff ührt, der in kleingeistiger Unschuldsmiene allen Ernstes meint, man könne sich als Politiker, noch dazu als überpartei- licher Repräsentant des Allgemeinwohls, von seinen fi nanziell betuch- ten Freunden umstandslos Geld leihen, ohne damit dem Ansehen sei- nes Amtes zu schaden. Die institutionalisierte Politik unterminiert das Vertrauen zugleich auch auf der Ebene des Rechtsstaates. Das Phänomen des politischen Terrorismus, das als Angst erzeugendes Phänomen das krasse Gegenteil von Vertrauen markiert, liefert den Anlass für die Etablierung eines Präventionsstaates, dem die Bürgerinnen und Bürger prinzipiell als überwachungsbedürftige, verdächtige Objekte erscheinen. Der Rechts- staat, dessen herausragende Leistung es unter anderem ist, soziales Ver- trauen zwischen Fremden herzustellen, behandelt seine Bürger mit generellem Misstrauen, macht sie konsequent zu Fremden und zeigt sich dann erstaunt, wenn diese sich ihrerseits dem Staat fremd fühlen. In aufdringlicher Deutlichkeit machen diese Entwicklungen klar, dass Reziprozität und Vertrauen nicht nur die Schlüsselbegriff e der Moral dauerhafter Bindungen sind, sondern, unter dem spezifi zierenden Be- griff der Mutualität, auch der kurzfristigen Bindungen des Marktes, wo zwischen Fremden vertragsmäßig bestimmte Güter getauscht werden. In der Philosophie ist, einsetzend mit Th omas Hobbes, später in der Kritik am kantianischen Universalismus, Vertrauen zunächst in der Po- litischen, der Moral- und der Sozialphilosophie zuhause. Ihr ontologi- scher und existenzieller Aspekt tritt demgegenüber, wenn auch nicht ausdrücklich unter ihrem Namen, vor allem im Existenzialismus, im  Vgl. Dorien Pessers, „Vertrouwen van burgers is verkwanseld“, in: NRC Handels- blad v. ./..; Pessers qualifiziert die Sphäre marktwirtschaftlicher Mutuali- tät als die des Misstrauens; dagegen Kenneth Arrow, The Limits of Organization, New York , S.  : „Trust is an important lubricant of a social system. It is ext- remely efficient; it saves a lot of trouble to have a fair degree of reliance on other people’s word.“ Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig  EINLEITUNG Pragmatismus, in der Phänomenologie und Existential-Ontologie her- vor. Die Kierkegaardsche Formel vom „Sprung in den Glauben“ be- nennt einen Wechsel in der Diskurs- und Existenzform, nämlich von der ethischen zur religiösen Existenz, der nicht nach dem Muster for- maler, das heißt regel- und verfahrensgeleiteter Rationalität gerechtfer- tigt werden kann. Friedrich Nietzsche verhandelt das Th ema unter dem Begriff der „Lebensbejahung“ und des Amor fati. In William James berühmter Rede „Th e Will to Believe“ () geht es ebenfalls um den religiösen Glauben, aber auch um den Status des „belief“ in der Wissenschaft (wenn Wissenschaftler an die Verifi zierung einer Hypo- these glauben) und in der individuellen Psychologie (wenn Menschen an etwas glauben, etwa an ihre eigenen Fähigkeiten, etwas zu erreichen, und eben dadurch, wenn auch nicht alleine dadurch ihr Ziel tatsäch- lich erreichen, sogenannte self-fulfi lling beliefs). Martin Heidegger wid- met sich in nachdrücklicher Schlichtheit der Analyse der „Verlässlich- keit“ als Wesenszug des „Zeugs“, am bekanntesten in seiner Analyse von Schuhen in einem kleinen Gemälde von Vincent van Gogh. Mau- rice Merleau-Ponty betont das leibverbundene Wahrnehmen, das uns an eine Welt glauben lässt. Ludwig Wittgensteins linguistisch gewen- deter Pragmatismus schließlich erinnert in seinen Notizen über Ge- wissheit daran, dass ein „Sprachspiel“, auch dasjenige der Wissenschaft, nur funktioniert, „wenn man sich auf etwas verlässt“, wenn man Ver- trauen setzt in etwas, was sich, zumindest während eines Begründungs- aktes, nicht seinerseits begründen lässt. Der Zusammenhang zwischen der ontologisch-existenziellen und der epistemologischen Bedeutung des Vertrauens ist hier off ensicht- lich. Es gibt aber auch einen Zusammenhang mit der moralischen Be- deutung. Wenn wir „Lissabon“, das Erdbeben von , und „Ausch- witz“, das Konzentrationslager der Nazis, als Namen gebrauchen, die vom Zusammenbruch des menschlichen, primär moralischen Vertrau- ens in die Welt künden (das Erdbeben sehen wir dabei als göttlich, also moralisch-metaphysisch zugelassene oder gar gewollte Naturkatastro- phe), gebrauchen wir auch eine implizite Defi nition des Bösen: Böse ist, was unser Vertrauen in die Welt erschüttert, nicht nur unser mora- lisches, sondern auch – und vielleicht sogar vor allem – unser onto- logisch-existenzielles. Das Böse ist das moralische Gegenteil des Vertrauens. Für die Philosophie hat das im Übrigen eine wenig schmei-  Vgl. Susan Neiman, Das Böse denken. Eine andere Geschichte der Philosophie, Frankfurt/ M. , S.  u. ; in seinem Buch On Evil (Yale University Press ) stellt Terry Eagleton eine These vor, die das Böse vor allem als ein Phänomen der Metaphysik be- Josef Früchtl - 978-3-8467-5506-8 Heruntergeladen von Brill.com09/06/2021 07:37:38AM via Universitat Leipzig

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