Martin Koch Verselbständigungsprozesse internationaler Organisationen Martin Koch Verselbständigungs- prozesse internationaler Organisationen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1.Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2008 Lektorat:Katrin Emmerich / Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15842-6 Danksagung Diese Arbeit wäre ohne die institutionelle Einbettung und vor allem ohne die Hilfe und Unterstützung einiger Menschen nicht entstanden. Mein Dank gilt der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Institut für Weltgesellschaft und dem Graduiertenkolleg 844 „Weltgesellschaft – Die Herstellung und Repräsentation von Globalität“, in dem ich als Stipendiat die Möglichkeit hatte, mich intensiv mit meinem Thema zu beschäftigen. Ohne die materielle Unterstützung und die thematische Einbettung in das Programm des Graduiertenkollegs wäre diese Arbeit nicht entstanden. Neben dem Dank an die Institutionen gilt mein Dank allen Kollegiaten und der Sprecherin des Gradu- iertenkollegs Prof. Dr. Bettina Heintz. Vor allem die Diskussionen, die Kritik, aber auch die Ermutigungen haben mir geholfen. Ich hatte das Glück, fachlich sehr gut betreut und beraten zu werden. In diesem Zusam- menhang danke ich meinen Betreuern. Prof. Dr. Mathias Albert hat mich während der ge- samten Zeit betreut und die Arbeit durch wertvolle Anregungen und Hinweise unterstützt. Prof. Dr. Thomas Diez konnte ich während eines Forschungsaufenthalts als Zweitbetreuer für die Dissertation gewinnen. Beide waren mir eine wichtige Hilfe bei der Arbeit und ha- ben mir überdies die Gelegenheit gegeben, Teile meiner Dissertation in Kolloquien zur Diskussion zu stellen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch den Teilnehmern der Kolloquien in Bielefeld und Birmingham danken. Herzlich bedanken möchte ich mich bei Alexandra Lindenthal, Dominik Bohl und Jan Helmig. Sie haben die Arbeit mehrfach gelesen, kommentiert und korrigiert. Insbesondere in der letzten Phase war mir dies eine große Hilfe. Wichtiger noch als ihre fachliche Unter- stützung war und ist Ihre Kollegialität und Freundschaft. Besonderen Dank schulde ich meinen Eltern. Ohne ihre Unterstützung, ihren Zuspruch und ihre Liebe hätte ich es nicht geschafft. Schlussendlich möchte ich dem Menschen danken, der in dieser Zeit die meisten Entbehrungen erbracht hat: Ilka Dittmann-Koch. Sie hat mei- ne Launen mit stoischer Ruhe ertragen und mich ermutigt, wenn ich schon nicht mehr an mich geglaubt habe. Ich freue mich auf die Zeit, wenn die Arbeit nicht mehr ständiger Be- gleiter ist. Martin Koch Juni 2007 5 Inhaltsverzeichnis (cid:2) Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................................9 (cid:2) Tabellen- und Abbildungsverzeichnis..............................................................................11 (cid:2) (cid:2) 1 Einleitung....................................................................................................................13 (cid:2) (cid:2) 2 Internationale Organisationen: Von Instrumenten zu Akteuren..........................27 (cid:2) (cid:2) 2.1 Internationale Organisationen als Forschungsgegenstand...................................28 (cid:2) (cid:2) 2.1.1 Begriffliche Annäherungen...................................................................29 (cid:2) (cid:2) 2.1.2 Historische Perspektive.........................................................................33 (cid:2) 2.2 Internationale Organisationen – Instrumente, Arenen, Akteure und (cid:2) Bürokratien.........................................................................................................37 (cid:2) (cid:2) 2.2.1 Instrumente...........................................................................................38 (cid:2) (cid:2) 2.2.2 Arenen...................................................................................................40 (cid:2) (cid:2) 2.2.3 Akteure..................................................................................................42 (cid:2) (cid:2) 2.2.4 Bürokratien...........................................................................................65 (cid:2) (cid:2) 2.3 Kritische Würdigung...........................................................................................72 (cid:2) (cid:2) 3 Das Organisationsverständnis internationaler Organisationen.............................77 (cid:2) (cid:2) 3.1 Zum Organisationsverständnis der Soziologie....................................................78 (cid:2) (cid:2) 3.1.1 Organisationen als rationale Systeme..................................................79 (cid:2) (cid:2) 3.1.2 Organisationen als natürliche Systeme.................................................81 (cid:2) (cid:2) 3.1.3 Organisationen als offene Systeme.......................................................82 (cid:2) (cid:2) 3.1.4 Der Nutzen für die Untersuchung internationaler Organisationen......84 (cid:2) (cid:2) 3.2 Organisationstheoretische Konzepte in den Internationalen Beziehungen.........85 (cid:2) (cid:2) 3.2.1 Das Organisationsverständnis in den Bureaucratic Politics................86 (cid:2) (cid:2) 3.2.2 Das Organisationsverständnis neoinstitutionalistischer Ansätze.........89 (cid:2) 3.2.3 Das Organisationsverständnis des Neofunktionalismus und der (cid:2) Global-Governance-Forschung............................................................92 (cid:2) (cid:2) 3.3 Der Beitrag eines offenen Organisationsverständnisses......................................99 (cid:2) (cid:2) 3.3.1 Mitgliedschaft in internationalen Organisationen..............................103 (cid:2) (cid:2) 3.3.2 Die Umwelt internationaler Organisationen......................................105 (cid:2) 3.3.3 Das Verhältnis zwischen internationalen Organisationen und (cid:2) ihrer Umwelt.......................................................................................110 (cid:2) (cid:2) 3.4 Zwischenfazit....................................................................................................112 (cid:2) (cid:2) 4 Organisationstheoretische Konzeptualisierungen von Selbständigkeit...............115 (cid:2) (cid:2) 4.1 Selbständigkeit durch Entkopplung..................................................................116 (cid:2) (cid:2) 4.1.1 Erkenntnisinteresse des soziologischen Neo-Institutionalismus.........117 (cid:2) (cid:2) 4.1.2 Der Organisationsbegriff im soziologischen Neo-Institutionalismus.122 (cid:2) (cid:2) 4.1.3 Internationale Organisationen und ihre institutionellen Umwelten...132 7 (cid:2) (cid:2) 4.2 Selbständigkeit als operative Geschlossenheit..................................................143 (cid:2) (cid:2) 4.2.1 Grundzüge der modernen Systemtheorie............................................144 (cid:2) (cid:2) 4.2.2 Organisationen als soziale Systeme....................................................147 (cid:2) (cid:2) 4.2.3 Internationale Organisationen als autopoietische Systeme................156 (cid:2) (cid:2) 4.3 Zwischenfazit....................................................................................................170 (cid:2) (cid:2) 5 Verselbständigungsprozesse am Beispiel der WTO und der ZKR......................175 (cid:2) (cid:2) 5.1 Verselbständigungsprozesse der ZKR..............................................................177 (cid:2) (cid:2) 5.1.1 Die ZKR als internationale Organisation...........................................178 (cid:2) (cid:2) 5.1.2 De-coupling und Selbständigkeit der ZKR..........................................184 (cid:2) 5.2 Verselbständigungsprozesse in der WTO durch das (cid:2) Streitbeilegungsverfahren.................................................................................190 (cid:2) (cid:2) 5.2.1 Die WTO als internationale Organisation..........................................191 (cid:2) (cid:2) 5.2.2 Das Streitbeilegungsverfahren............................................................196 (cid:2) (cid:2) 5.2.3 Das Streitbeilegungsverfahren als autopoietische Suborganisation...206 (cid:2) (cid:2) 5.3 Auswertung und theoretische Reflexion...........................................................216 (cid:2) (cid:2) 6 Zusammenfassung und Ausblick............................................................................221 (cid:2) (cid:2) 7 Literatur...................................................................................................................229 8 Abkürzungsverzeichnis ACP-States Africa, Caribbean, and Pacific States, Afrikanische, Karibische und Pazifische Staaten ASEAN Association of Southeast Asian Nations, Vereinigung südostasiatischer Staaten bzw. beziehungsweise d.h. das heißt DSB Dispute Settlement Body, Streitbeilegungsorgan DSM Dispute Settlement Mechanism, Streitbeilegungsverfahren ECOSOC Economic and Social Council, Wirtschafts- und Sozialrats der Verein- ten Nationen GATS General Agreement on Trade in Services, Allgemeines Abkommen zum grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen GATT General Agreement on Tariffs and Trade, Allgemeines Zoll- und Han- delsabkommen ggf. gegebenenfalls i.e. it est IAEA International Atomic Energy Agency, Internationale Atomenergiebe- hörde IAR Internationale Arbeitsgemeinschaft der Rheinschifffahrt ICC International Criminal Court, Internationaler Strafgerichtshof IKSR Internationale Kommission zum Schutz des Rheins ILO International Labour Organization, Internationale Arbeitsorganisation IMF International Monetary Fund, Internationaler Währungsfonds INGO International Non-Governmental Organization, Internationale Nicht- Regierungsorga-nisation ISO International Organization for Standardization, Internationale Organisa- tion für Normung ITO International Trade Organization, Internationale Handelsorganisation MERCOSUR Mercado Común del Sur, Gemeinsamer Markt des Südens NAFTA North American Free Trade Agreement, Nordamerikanisches Freihan- delsabkommen NATO North Atlantic Treaty Organization, Nordatlantikvertrag-Organisation NGO Non-Governmental Organization, Nicht-Regierungsorganisation OECD Organisation for Economic Co-operation and Development, Organisati- on für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung TPRM Trade Policy Review Mechanism, Handelspolitischer Überwachungs- mechanismus TRIPS Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums 9 UN United Nations, Vereinte Nationen UN/ECE Economic Commission for Europe, UN-Wirtschaftskommission für Europa UNDP United Nations Development Programme, Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNEP United Nations Environment Programme, Umweltprogramm der Ver- einten Nationen UNHCR United Nations High Commissioner for Refugees, Hoher Flüchtlings- kommissar der Vereinten Nationen, UN-Flüchtlingskommissariat WTO World Trade Organization, Welthandelsorganisation z.B. zum Beispiel ZKR Zentralkommission für die Rheinschifffahrt 10 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis (cid:2) Tabelle 1: Erklärungsansätze für Veränderungsprozesse internationaler (cid:2) Organisationen...............................................................................................96 (cid:2) (cid:2) Tabelle 2: Reaktionstypen auf institutionalisierte Erwartungen....................................132 (cid:2) Tabelle 3: Internationale Organisationen in technischen und institutionellen (cid:2) Umwelten.....................................................................................................138 Abbildungsverzeichnis (cid:2) (cid:2) Abbildung 1: Internationale Organisation-Umwelt-Modell...........................................107 (cid:2) (cid:2) Abbildung 2: Beteiligung von NGOs an WTO-Ministerkonferenzen...........................141 (cid:2) (cid:2) Abbildung 3: Neo-institutionalistisches Verständnis internationaler Organisationen...143 (cid:2) (cid:2) Abbildung 4: Systemtheoretisches Verständnis internationaler Organisationen...........170 (cid:2) (cid:2) Abbildung 5: Entscheidungsfindung in der ZKR...........................................................181 (cid:2) (cid:2) Abbildung 6: Ausschüsse der ZKR................................................................................183 (cid:2) (cid:2) Abbildung 7: Der Aufbau der WTO..............................................................................194 (cid:2) (cid:2) Abbildung 8: Zusammenarbeit der Organe im Streitbeilegungsverfahren.....................202 (cid:2) (cid:2) Abbildung 9: Streitfälle in GATT und WTO von 1947 bis 2006..................................205 11 1 Einleitung „The fact is that it was only at the end of the Napoleonic wars that the emperors and states- men began to think and to talk of “some form of international organisation” instead of war and offensive alliances as a practical method of con- structing international society“ (Woolf 1916: 23). Internationale Organisationen1 sind in der öffentlichen Wahrnehmung so präsent wie selten zuvor. Gleichzeitig werden sie verstärkt als Forschungsgegenstand (wieder-)entdeckt – nicht zuletzt, weil ihnen (wieder) ein zunehmendes Maß an Einfluss auf die Gestaltung zwischenstaatlicher Beziehungen zugesprochen wird.2 Neben dem sprunghaften quantitati- ven Anstieg internationaler Organisationen seit dem Ende des 2. Weltkriegs (Rochester 1986) und der Beobachtung, dass sich zunehmend staatliche und nicht-staatliche Akteure in internationalen Organisationen organisieren (Jacobson/Reisinger et al. 1986), lässt sich die Präsenz internationaler Organisationen vor allem daran ablesen, dass in nahezu allen inter- nationalen Politikfeldern neben Staaten auch internationale Organisationen aktiv sind und unterschiedliche Aufgaben übernehmen (Karns/Mingst 2004; Reinhalda 1999; Bar- nett/Finnemore 2004). Über die reine Koordinationsfunktion an Schnittstellen zwischen Staaten hinweg ist eine Zunahme und Verdichtung von Aufgaben und Kompetenzen nach- weisbar, die internationalen Organisationen übertragen werden (Alvarez 2006). Auf diese Weise wird der Aktionsrahmen internationaler Organisationen ausgebaut, indem diese beispielsweise als Mittler zwischen streitenden Staaten fungieren, als Informationspool dienen, Überwachungsmechanismen etablieren (Jacobson 1984) und Sanktionen verhängen oder legitimieren (Drenzer 2000). Internationale Organisationen können somit qua ihrer Funktion zu (partiell) selbstän- digen Akteuren avancieren, die das mitgliedstaatliche Verhalten beeinflussen bzw. eine überstaatliche Ordnungsebene ausbilden können. Wenngleich es in den Internationalen Beziehungen3 nicht an empirischen Untersuchungen mangelt, die diesen Befund untermau- ern (z.B. Martin 2006; Henry/Lingard et al. 2001; Joachim 2004; Krueger 1998b; Reinhal- da/Verbeek 2001; Vines 1998; Mohr 2005; Armstrong/Lloyd et al. 2004; Peet 2004; Heins 2005), wird dieser Erkenntnis in den Theorien Internationaler Beziehungen bisher kaum Rechnung getragen. Es bedarf eines theoretisch-konzeptionellen Rahmens, der es erlaubt, 1 Unter internationalen Organisationen werden hier ausschließlich internationale Regierungsorganisationen ver- standen. Zu einer ausführlicheren Begriffsbestimmung siehe Kapitel 2.1.1. 2 Vor allem in den 1960er Jahren gab es eine sehr intensive Phase theoretischer Diskussionen zu internationalen Organisationen, die insbesondere in Zusammenhang mit der Europäischen Integrationsforschung stand. Dieses Interesse ebbte allerdings in den 1970er Jahren zunehmend ab, als der Integrationsprozess ins Stocken geriet (Bellers/Häckel 1990; Kratochwil/Ruggie 1986). 3 Nachfolgend wird der etablierten Sprachregelung gefolgt, die die Internaitonalen Beziehungen als Teildisziplin der Politikwissenschaft von den internationalen Beziehungen als empirisch beobachtbare Beziehungen zwischen politisch abgrenzbaren Gruppen (in erster Linie Staaten, aber auch internationale Organisationen und Nicht- Regierunsorganisationen etc.) unterscheidet. 13