Nina Baur Verlaufsmusteranalyse FOr meine Familie Nina Baur Verlaufsmuster analyse Methodologische Konsequenzen der Zeitlichkeit sozialen Handelns III VS VERLAG FUR SOZIALWISSENSCHAFTEN Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Dissertation an der Otto-Friedrich-universitat Bamberg 1. Auflage Oktober 2005 Aile Rechte vorbehalten © vs verlag fOr Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2005 Lektorat: Frank Engelhardt Der VS verlag fOr Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschlieBlich aller seinerTeile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Ver wertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim mung des verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fOr vervielfalti gungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verar beitung in elektronischen Systemen. Die wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sin ne der warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. umschlaggestaltung: KiinkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem papier ISBN 978-3-531-14727-7 ISBN 978-3-322-90815-5 (eBook) DOl 10.1007/978-3-322-90815-5 Inhaltsverzeichnis Vorwort (Gerhard Schulze) ............................................................................................................. 10 Einleitung: Zeit als Kernkategorie der Soziologie ........................................................................................... 13 TeilI Zeit als forschungsleitende Denkstrategie in Soziologie und Geschichtswissenschaft .•.••••.•. 21 Kapitell Verlaufsmusteranalyse als Schnittstelle zwischen Soziologie und Geschichtswissenschaft bei den friihen Soziologen. Oder: Warum sind Soziologie und Geschichtswissenschaft getrennte Disziplinen? ................................ 24 Kapite12 Theoretische Weiterentwicklungen der Soziologie seit 1945 ......................................................... 57 Kapite13 Zeit als theoretische Kemkategorie der modemen Geschichtswissenschaft ................................... 80 Zusanmenfassung: Notwendigkeit der Integration soziologischer und historischer Zeitkonzepte .............................. 109 Teilll Ein Bezugsrahmen fUr die sozialwissenschaftIiche Analyse von Verlaufsmustern ••••••••••••• ll0 Kapite14 Die Ereignisrnatrix ........................................................................................................................... 113 Kapite15 Verlaufsformen ................................................................................................................................ 125 Kapite16 Dauer und Zeitschichten .................................................................................................................. 138 Kapite17 Verschriinkung von Verlaufsmustem ............................................................................................. 143 Zusammenfassung: Ubersicht iiber den Bezugsrahmen ................................................................................................. 160 Teilill Erfassung von Verlaufsmustern in der bisherigen empirischen Sozialforschung •.••••.•••••.•• I64 Kapite18 Quantitative Sozialforschung .......................................................................................................... 166 Kapite19 Qualitative Sozialforschung ............................................................................................................ 235 Zusammenfassung: Sfarken, Schwachen und offene Fragen zeitbezogenen Denkens ................................................. 316 Literatur •..•••..•••.••..•.•••.••...•...•.•...••..•.•••.•.•.•.•.•.•..•.•..•....•.••.•.••.•.••.•••••••.•••••.•.•.•.•.•.•.•.•....•••••.•.•..•.•••••. 325 Dank ................................................................................................................................................ 367 Ausflihrliches Inhaltsverzeichnis Vorwort (Gerhard Schulze) ••.•.•.•••.•••••.•••.••••••••••••.••••••••.•.••••••••.••..•.•••.••••••••••••••••••••••••.•.•••••••••••••••••• 10 Einleitung: Zeit als Kernkategorie der Sozioiogie ........................................................................................... 13 TeilI Zeit als forschungsieitende Denkstrategie in Sozioiogie und Geschichtswissenschaft •.•.•••••• 21 Kapitell Verlaufsmusteranalyse als Schnittstelle zwischen Soziologie und Geschichtswissenschaft bei den frUhen Soziologen. Oder: Warum sind Soziologie und Geschichtswissenschaft getrennte Disziplinen? ........................ 24 1.1 Die Vorreiterrolle der deutschen Geschichtswissenschaft: Entwicklung eines ausgefeilten methodischen Instrumentariums ............................................. 25 1.2 Die friihe deutsche Soziologie: Komplementaritiit von Geschichtswissenschaft und Soziologie .... 28 1.3 Die Enthistorisierung der Nachkriegssoziologie ........................................................................ 38 1.4 Die Geschichtswissenschaft der Nachkriegszeit: Von der Ereignis-zur Strukturgeschichte .. 45 1.5 Die historische Soziologie: Wiederentdeckung der Kategorie ,,zeit" ...................................... 52 1.6 Zusannnenfassung: Wissenschaftspolitik und historische Zufalle ............................................ 56 Kapitel2 Theoretische Weiterentwicklungen der Soziologie seit 1945 .................................................... 57 2.1 Zeitsoziologie .............................................................................................................................. 58 2.2 Handlungsbereiche: Verschiedene Inhalte sozialer Phanomene ............................................... 63 2.3 Handlungsebenen: Die Zahl der involvierten Personen ............................................................ 69 2.4 RaUDl ............................................................................................................................................ 76 2.5 Zusammenfassung: Handlungsbereich, -ebene und -raUDl als theoretische Kernbereiche ...... 78 Kapitel3 Zeit als theoretische Kernkategorie der modernen Geschichtswissenschaft .•.••••••••••••••••...•.•• 80 3.1 Einordnung rnenschlichen Handelns in den Strom des Geschehens ......................................... 81 Chronologie ................................................................................................................................. 81 Periodisierung .............................................................................................................................. 82 Abgrenzung der Begriffe "Vergangenheit", "Gegenwart" und ,,zukunft" ............................... 83 3.2 Die Unmoglichkeit zeitlos giiltiger Theorien und Begriffe ....................................................... 87 Geschehene Zeit und erziililte Zeit: Der Wandel von Erkenntnisinteresse und Perspektive ... 87 Die Vergangenheit als MaBstab fUr die Gegenwart: Der historische Vergleich ...................... 93 3.3 Suche nach Mustern in der Zeit: Richtlinien fUr die zeitbezogene Theoriebildung ................. 95 Ereignis und Struktur ................................................................................................................... 95 Unterschiedliche Wandlungsgeschwindigkeiten sozialer Prozesse: Zeitschichten .................. 99 Unterschiedliche Wandlungsfonnen sozialer Prozesse: Zeitkreis, Zeitpfeil und Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeiten ......................................... 103 3.4 Zusannnenfassung: Folgen von Zeit und Zeitlichkeit fUr den Forschungsprozess ................. 107 Zusammenfassung: Notwendigkeit der Integration soziologischer und historischer Zeitkonzepte ..................... l09 Tenll Ein Bezugsrahmen fiir die sozialwissenschaftliche Analyse von Verlaufsmustern ••••••••••••• ll0 Kapitel4 Die Ereignismatrix ................................................................ _. ..................................................... 113 4.1 Einen VergleichsrnaBstab definieren ........................................................................................ 114 4.2 Ereignisse in die EreignisIDatrix einordnen .............................................................................. 118 4.3 Von der EreignisIDatrix zur Auswertung .................................................................................. 121 KapitelS VerlaufsforIlleD .............................................................................................................................. 125 5.1 Zyklen ........................................................................................................................................ 126 5.2 Geordnete Transfonnationen .................................................................................................... 130 5.3 Briiche ........................................................................................................................................ 133 Kapitel6 Dauer und bitschichten .............................................................................................................. 138 Kapitel7 Verschriinkung von Verlaufsmustern ........................................................................................ 143 7.1 Zeit und Handlungsbereich ....................................................................................................... 146 7.2 Zeit und Handlungsebene ......................................................................................................... 146 7.3 Zeit und Raum ........................................................................................................................... 152 Beispiel: Konzentration und Differenzienmg der Produktionskette ....................................... 154 Zusammeofassung: iibersicht fiber den Bezugsrahnlen ............................................................................................. 160 Teilill Erfassung von Verlaufsmustern in der bisherigen empirischen SoziaIforschung ............... I64 KapitelS Quantitative Sozialforschung ...................................................................................................... 166 8.1 Erhebungsdesigns zur Messung zeitlicher Veriioderung ......................................................... 166 8.2 Erweiterung multivariater Auswertungsverfahren urn eine Zeitkomponente ......................... 172 Beispiel: Wandel der Milieulandschaft in Deutschland (Thomas Miiller-Schneider) ........... 175 8.3 Kohortenanalyse ........................................................................................................................ 182 Beispiel: Wertewandel in der westlichen Welt (Ronald Inglehart) ......................................... 186 8.4 Zeitreihenanalyse ....................................................................................................................... 191 Beispiel 1: Zyklen der wirtschaftlichen Entwicklung (postfordismus-Theoretiker) .............. 194 Beispiel 2: Die Geschichte der Preise (Femand Braudel) ....................................................... 198 8.5 Ereignisanalyse .......................................................................................................................... 209 Beispiel: Die Reproduktion sozialer Ungleichheit fiber Heiratsmuster und Bildungssystem (Hans-Peter Blossfeld, RolfMiiller und Andreas Timm) ....................................................... 212 8.6 Sequenzanalyse .......................................................................................................................... 219 Beispiel: Vemetzung ungarischer Untemehmen im Zuge der Globalisierung (David Stark und Balazs Vedres) ............................................................................................. 223 8.7 Zusannnenfassung: Beitrag der quantitativen Forschung zur Verlaufsmusteranalyse ........... 230 Kapitel9 Qualitative Sozialforschung ••••••••••••••••••.••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• .-•••••••••••••••••••••••••••••••••••• 235 9.1 Grounded Theory ...................................................................................................................... 238 Beispiel: Interaktion mit Sterbenden (Barney Glaser / Anselm Strauss) ................................ 244 9.2 Biographische Methode ............................................................................................................ 254 Beispiel: Die neuen Regeln der Kunst (Nina Zahner) ............................................................. 262 9.3 Fallstudien (Case Studies) ......................................................................................................... 268 Beispiel: Ethikrna6nahmen in Deutschland und den USA (Nathalie Behnke) ...................... 274 9.4 Qualitative, historisch-vergleichende Sozialforschung ............................................................ 278 Beispiel 1: Die mittelalterliche Sozialstruktur (Georges Duby) .............................................. 285 Beispiel 2: Die Geschichte des Todes (philippe Aries) ........................................................... 301 9.5 Zusammenfassung: Beitrag der qualitativen Forschung zur Verlaufsrnusteranalyse ............. 310 Zusammenfassung: Stiirken, Schwiichen und offene Fragen zeitbezogenen Denkens ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 316 Literatur ......................................................................................................................................... 325 Allgemeine Literatur ........................................................................................................................ 325 Literatur zur Zeitsoziologie ............................................................................................................. 346 Dank ................................................................................................................................................ 367 Vorwort Nina Baur verfolgt in diesem Buch das ebrgeizige Ziel, die Bedeutung der Kategorie der Zeit fUr die Soziologie mnfassend - d. h. wissenschaftsgeschichtlich, theoretisch und methodisch - zu bestimmen, die Verwendungsweise dieser Kategorie in einer Vielzahl soziologischer Studien zu explizieren und den inzwischen erreichten Stand zu bewerten: Welche Fortschritte wurden ge macht? W0 hat sich die Soziologie teilweise wieder zuriick entwickelt? Welche Liicken gilt es in Zukunft zu fiillen? In welcher Weise erganzen sich verschiedene Verfahren? Biicher mit einer so breit angelegten Fragestellung sind in der Soziologie selten geworden. Die zu nehmende Zersplitterung der Disziplin in irnmer speziellere Teilbereiche verlangt nach komplexen, integrativen Studien, die den heimlichen Zusammenhang der scheinbar auseinanderfallenden Themen gebiete und Methoden wieder sichtbar machen Insofem kommt dieses Buch genau zur rechten Zeit. 1m ersten Teil der Arbeit stellt Nina Baur eine Beziehung zu zwei Ressourcen her, auf die die Soziologie gewisserrnaBen auf der Suche nach der verlorenen Zeit zuriickgreifen kann. Zurn einen beschliftigt sie sich exemplarisch mit verschiedenen Klassikem der Soziologie (Weber, Simmel, Durkheim, Marx) als beispielhaften Theoretikern, denen eine analytisch produktive Verwendung der Kategorie der Zeit noch selbstverstandlich war - so selbstverstandlich, dass sie die Losung methodologischer Probleme nur implizit volIzogen. Inzwischen, so der Tenor, ist es jedoch not wendig geworden, das Implizite explizit zu machen. Zurn anderen untersucht die Verfasserin die Geschichtswissenschaft als eine Schwesterdisziplin der Soziologie, die ihr teilweise auf ihrem ureigenen Feld voraus ist und die mehr von der Soziologie profitiert hat als umgekehrt. Nicht die Logik der Gegenstandsbereiche, sondem Wissenschaftspolitik und historische Zuflille haben zu einer Hinger dauemden Enthistorisierung der Soziologie gefiihrt, die erst in jiingerer Zeit zogemd korrigiert wird. Mit ihrem theoretisch und methodisch interessierten Blick auf ein Jahr hundert der Wissenschaftsgeschichte der beiden Disziplinen gelingt Nina Baur eine Analyse, die weit iiber die in wissenschaftshistorischen Abhandlungen iibliche Aneinanderreihung von Namen und Positionen hinausragt, da die Argumentation ihre Spannung aus der Absicht bezieht, aus der Wissenschaftsgeschichte etwas fUr die Gegenwart und Zukunft der Wissenschaft zu lemen. Die Uberlegungen miinden in das Postulat einer Integration beider Disziplinen. Was sich wie abschlie13ende Programmatik anhort, ist jedoch nur das Stichwort fUr die dann folgenden Kapitel, in denen Nina Baur ausfiihrlich und konkret darlegt, wie sie sich eine solche Integration vorstellt. 1m zweiten Hauptteil reagiert sie auf ihren wissenschaftsgeschichtlichen Befund mit theoretischen Uberlegungen, aus denen sie einen Bezugsrahmen fUr den dritten Hauptteil destilliert: die integrierte Bescbreibung und Beurteilung gegenwartig angewandter Me thoden und aktueller soziologischer Forschung unter dem Aspekt der Anforderungen, die an eine soziologische Integration der Kategorie der Zeit zu stellen sind. 1m Zentrum des theoretischen (zweiten) Teils steht der Begriff der Ereignismatrix. Mit diesem Konstrukt konstituiert die Verfasserin einen Bezugsrahmen, mit dem sich jede Art von Soziologie mit empirischem Inhalt abbilden lasst, so gegensatzlich und unvereinbar ihre Variant en auch erscheinen m6gen Ob es sich beispielsweise urn eine gesamtgeselIschaftliche Modernisierungstheorie handelt,