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Verkehrte Welt: Vorstudien zu einer Geschichte der deutschen Satire PDF

348 Pages·1963·11.387 MB·German
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HERMAEA GERMANISTISCHE FORSCHUNGEN NEUE FOLGE HERAUSGEGEBEN VON HELMUT DE BOOR UND HERMANN KUNISCH BAND 15 KLAUS LAZAROWICZ VERKEHRTE WELT VORSTUDIEN ZU EINER GESCHICHTE DER DEUTSCHEN SATIRE VERKEHRTE WELT VORSTUDIEN ZU EINER GESCHICHTE DER DEUTSCHEN SATIRE VON KLAUS LAZAROWICΖ MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1963 Als Habilitationsschrift gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1963 Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany Satz und Druck : Buchdruckerei Eugen GÖbel, Tübingen VORWORT Danken möchte ich allen, die meine Arbeit gefördert haben. Besonderen Dank schulde ich Herrn Professor Kli- nisch für die Aufnahme der »Verkehrten Welt« in die Her- maea-Reihe; der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewährung einer Drudsbeihilfe; und den Beamten der Bayerischen Staatsbibliothek und der Universitätsbiblio- thek München für ihre Hilfe bei der Bücherbeschaffung. Zu danken habe ich endlich meiner Frau. Ihr, meiner besten Helferin, ist dieses Buch gewidmet. Steinebach/Wörthsee, im September 1963 K. L. INHALT EINLEITUNG I. DIE BEURTEILUNG DER SATIRE IM 17. UND IM FRÜHEN 18. JAHRHUNDERT 1 1. Das Ärgernis der Satire 1 2. Das Problem der Ordination 2 a) M. Opitz, Buch von der deutschen Poeterey 3 b) D. G. Morhof, Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie 5 c) M. D. Omeis, Gründliche Anleitung zur Teutschen accura- ten Reim- und Dichtkunst 6 d) Chr. Thomasius, Höchstnöthige Cautelen 8 e) Chr. Weise, Politischer Näscher 10 f) J. B. Mencke, Ausführliche Vertheidigung Satyrischer Schriften 11 g) Chr. Wernicke, Epigramme 16 h) Chr. F. Hunold (Menantes), Satyrischer Roman 17 i) J. Chr. Gottsched, Versuch einer Critischen Dichtkunst . . 18 3. Zwischenbilanz 21 4. Die Aufgabe 25 II. LISCOWS SATIREN GEGEN PHILIPPI 28 a) Anlaß und Verlauf der Auseinandersetzung 28 b) Liscows Selbstrechtfertigung 34 c) Die Satire als ästhetisches Gebilde. Medien der satirischen Darstellung: Verkehrung, Verstellung, Verzerrung . .. 42 d) Spiel mit dem Stoff und den Figuren 52 e) Die zwecklose Satire 65 VI III. LISCOW UND RABENER IN MAUVILLONS UND UN- ZERS BRIEFWECHSEL »ÜBER DEN WERTH EINIGER DEUTSCHEN DICHTER« 72 Kritik der moralistischen Literaturbetrachtung 72 IV. DIE VERFEHLTE SATIRE 84 Jung-Stillings »Schleuder eines Hirtenknaben« 84 V. DIE »GEFALLENDE« SATIRE 95 Über Rabener und die Moralsatire als säkularisierte Predigt . . 95 a) »Lebenslauf eines Märtyrers der Wahrheit« 102 b) »Eine Todtenliste von Nikolaus Klimen« 105 c) »Roman einer alten Spröden« 110 VI. POLEMIK UND SATIRE 118 Versuch einer Abgrenzung der polemischen von der satirischen Negation an Lessings Anti-Goeze 118 1. Vorgeschichte und Chronologie 119 2. Ein »heiliger Krieg«? 129 3. Polemische Taktik 144 4. Der »einseitige Dialog« 162 Zum Stil der Anti-Goeze 162 a) Einseitigkeit 165 b) Öffentlichkeit 165 c) Irritation 166 d) Rhetorik 168 e) Dialektik 170 f) Theatralik 172 g) Witz 174 5. Invektive, Polemik, Kritik - Satire 177 VII. DIE ENTDECKUNG DER IMMANENTEN SATIRISCHEN QUALITÄTEN DER SPRACHE 185 Georg Christoph Lichtenberg 185 1. Zum »Timorus« 191 2. »Ars observandi« 196 VII 3. Physiognomik des Stils 202 4. Lichtenbergs sprachsatirisdie Experimente 207 a) Die Entlarvung des »Superfeinen« 207 b) Die Entlarvung der Phraseologie 213 VIII. DIE REHABILITIERUNG DER SATIRE 219 Die Beurteilung der Satire und des Satirikers in der Poetik und Ästhetik des ausgehenden 18. und des frühen 19. Jahrhunderts 219 a) J. G. Sulzer 219 b) C. F. Flögel 226 c) F. Schiller 228 d) J. Paul 245 Jean Pauls Theorie des Humors 251 IX. MUNDUS PERVERSUS 257 Zu Goethes »Reineke Fuchs« 257 a) Der »unpolitische« Goethe 257 b) Die vernichtende Idee des Satirischen 263 c) Die politische Tendenz des »Reineke Fuchs« 270 d) Satirische Mimesis 272 Der Prozeß 272 e) Umkehrung und Verkehrung 276 f) Satirisches Epos - Episdie Satire 293 g) Perversio - Ordo 298 X. DIE SATIRE ALS »COMPLEMENT DER GESETZE« . .. 304 BIBLIOGRAPHIE 320 VIII EINLEITUNG Meine Vorliebe für die Satire gab den ersten Anstoß zu dieser Ar- beit. Auch die nächsten Impulse gingen von vorwissenschaftlichen Re- gungen aus: ich wurde neugierig auf das, was bisher über die deutsche Satire geschrieben worden war; doch schon nach den ersten Orientie- rungsschritten stellte sich ein Gefühl der Enttäuschung darüber ein, daß der Gegenstand meiner Liebhaberei von der literarhistorischen For- schung kaum beachtet, ja, wie der gekränkte Liebhaber argwöhnte, offensichtlich mißachtet worden war. Auf der Suche nach einem zuver- lässigen Auskunftsmittel über die Geschichte der deutschen Satire stieß idi zwar auf die Darstellungen von Flögel und Ebeling. Aber die Bücher dieser Außenseiter erwiesen sich als veraltet und unbrauchbar1. Erst nach der Musterung des bereits Vorhandenen begann sich der wissenschaftliche Ehrgeiz zu regen. Wir haben, konstatierte ich, histo- rische Darstellungen des deutschen Romans, der Novelle, des Dramas, 1 C. F. Flögeis vierbändige »Geschichte der komischen Litteratur« (Liegnitz und Leipzig 1784/87) ist zwar ein respektheisdiender Wurf. Aber dieses Werk ist zu früh erschienen. So imponierend Flögeis bibliographische Kenntnisse und die Weite seiner Belesenheit auch sein mögen, so ist andererseits doch nicht zu übersehen, daß es ihm an dem erforderlichen ästhetischen Rüstzeug fehlte, das ihm die Bewältigung seiner Aufgabe ermöglicht hätte. Darin besteht (wenn man von Flögeis Schwäche für die Mikrologie absieht) der Hauptmangel seiner Darstellung, der auch durch eine völ- lige Neubearbeitung nicht zu beheben wäre. Flögel hatte sich darum bemüht, literarhistorisches Neuland zu erschließen. Der Archivar F. W. Ebeling kapriziert sich dagegen vor allem darauf, in seiner an Flö- gel anknüpfenden »Geschichte der komischen Literatur in Deutschland seit der Mitte des 18. Jahrhunderts« (3 Bde., Leipzig 1869) die professoralen Literarhistoriker der Borniertheit und Ignoranz zu überführen. Dergleichen wäre allenfalls in Kauf zu nehmen, wenn das Buch imstande wäre, die Informationswünsche des an den Animositäten des Verfassers nicht interessierten Lesers zu befriedigen. Das ist indes- sen nicht der Fall. In Ebelings Darstellung herrscht vielmehr eine totale terminolo- gische Konfusion und ein schrankenloser, sich in teilweise grotesken Fehlurteilen (etwa über Liscow, Lichtenberg und Jean Paul) niederschlagender Subjektivismus, der sich auch bei der Auswahl der Texte und bei der Bemessung des den einzelnen Autoren zugestandenen Raumes störend bemerkbar macht. Endlich zeigte sich, daß auch H. Schneegans' »Geschichte der grotesken Satire« (Straßburg 1894) für den Historiker der deutschen Satire wenig ergiebig war. Einmal wegen der Beschränkung auf eine satirische Sonderform; zum andern deshalb, weil der Romanist Schneegans an einer Bestandsaufnahme und Analyse von deutsch- sprachigen Satiren kaum interessiert war. IX der Lyrik und, seit der Hochblüte der Gattungs-Geschichtssdireibung, auch eine Geschichte des Liedes, der Ode, der Elegie, der Ballade und des Sonetts. Eine heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen genü- gende Geschichte der deutschen Satire gibt es dagegen nicht. Hier war eine Lücke zu schließen. Eine Art produktiven Neides auf die muster- gültigen Leistungen der klassischen Philologie auf dem Gebiet der Sa- tire-Forschung kam, wie ich offen bekennen will, jetzt auch ins Spiel. Es ärgerte mich, daß es viel einfacher war, sich über die Geschichte der römischen Satire zu orientieren als über die historische Entwicklung der deutschen. Aber gerade durch das Studium der Arbeiten von Ulrich Knoche und Otto Weinreich wurde mein Tatendrang merklich ge- dämpft. Ich mußte erkennen, daß diese Darstellungen sich die Erträge des Fleißes und des Scharfsinns mehrerer Gelehrten-Generationen hat- ten zunutze machen können. Zwar braucht auch der Historiker der deutschen Satire nicht ganz von vorn anzufangen. Seine Ausgangsbasis ist jedoch verhältnismäßig schmal und nicht genügend gesichert. Keine Frage, daß hier noch viel Detail-Arbeit zu leisten ist, bevor daran gedacht werden kann, ein Knoches »Geschichte der römischen Satire« vergleichbares Gegenstück in Angriff zu nehmen. Eine weitere Abkühlung erfuhr mein Eifer durch Otto Maußer. Maußer hatte im Nachwort zum ersten Band der von ihm herausgege- benen »Satirischen Bibliothek« (München 1913) die Ansicht vertreten, daß eine Geschichte der satirischen Literatur in Deutschland nur ge- schrieben und daß die Begriffe Satire, satirisch, satirische Kunst erst dann zulänglich geklärt werden könnten, wenn möglichst viele Texte neu ediert und ein »Goedeke der satirischen Produktion« (a.a.O., S. 114) geschaffen sein würde2. Daß das in den Bibliotheken und Ar- chiven aufbewahrte satirische Schrifttum dringend der bibliographi- schen und editorischen Erschließung bedarf, stand auch für mich außer Zweifel. Auf einem Trugschluß schien mir dagegen Maußers Behaup- tung zu ruhen, nach der die Definition des Satire-Begriffs oder der Ent- wurf einer Ästhetik des Satirischen erst nach Vorlage aller erreich- baren Quellen erwogen werden könne. "Wer satirische Texte edieren will, muß wissen, was eine Satire ist. Wie aber war das in Erfahrung zu bringen? War es überhaupt in Erfahrung zu bringen? Mußte man nicht vielmehr wenigstens eine ungefähre Vorstellung, eine — ich ris- 2 Ansätze dazu schon bei Erduin Julius Koch, im »Grundriß einer Geschichte der Sprache und Literatur der Deutschen von den ältesten Zeiten bis auf Lessings Tod«, 1. Bd., Berlin 21795, S. 145-205. X

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