Kliniktaschenbucher M. Daunderer N. Weger Vergiftungen Erste-Hilfe-MaBnahmen des behandelnden Arztes Dritte, neubearbeitete Auflage Mit 15 Abbildungen und einem Verzeichnis der Gifte Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1982 Dr. med. Max Daunderer Internist Ltd. Arzt des Tox-Centers Munchen Kreuzeckstr. 9, D-8023 GroBhesselohe (Tel. 089/794397) Prof. Dr. med. Nikolaus Weger Pharmakologe, Toxikologe Leiter der Toxikologischen Abteilung Pharmakologisches Institut der medizinischen Fakultat der Universitat NuBbaumstraBe 26, D-8000 Miinchen 2 Cip-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Daunderer, Max: Vergiftungen: Erste-Hilfe-MaBnahmen d. bebandelnden Arztes / M. Daunderer; N. Weger. -3. neube arb. Auf!. - Berlin; Heidelberg; New York: Springer, 1982. (Kliniktaschenbiicher) ISBN-13: 978-3-540-11093-4 e-ISBN-13: 978-3-642-96668-2 DOl: 10.1007/978-3-642-96668-2 NE: Weger, Nikolaus Das Werk ist urheberrechdich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ober setzung, des Nachdruckes, der Entnahrne von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder iilinlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten Die Vergiitungsanspriiche des § 54, Abs.2 UrhG werden durch die ,Verwertungsgesellschaft Wort', MUnchen, wahrgenommen. © by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1975, 1978, 1982 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohoe besondere Kennzeichnung nieht zu def Annahme. daB solche Namen im SinDe der Warenzeichen~ uDd Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren uod daher von jeder mann benutzt werden diirften. Satz-u. Bindearbeiten: G. Appl, Wemding, 212113140-543210 Vorwort "Giftig" oder "toxiseh" besagt, daB eine zu gro8e Menge eines Stof fes verabreieht oder aufgenommen worden ist, die zu einer Erlaan kung durch "Vergiftung" geftihrt hat. Es gibt kein Mittel, das an sich ungiftig ist. Eine tibergroBe Menge eines "ungiftigen" Stoffes (z. B. Wasser) kann zu "Vergiftungen" fiihren, wiihrend eine iirztlich verordnete Menge eines "starken Gif tes" (z. B. Digitalis) Heilwirkung haben kann. Allein die Menge (Do sis) einer Substanz macht es aus, ob die Wirkung des Mittels lebens bedrohlich (giftig), unerheblich (nicht giftig) oder heilend (Arznei) ist. Die Toxikologie ist die Lehre von den Vergiftungen. Viele Erfah rungen der Toxikologie griinden sich auf die Beobachtung von Ver giftungsfiiUen. Die auftauchenden Fragestellungen werden in Tier versuehen erarbeitet, sie fiihren zu tieferem Verstiindnis der bei Ver giftungen sich abspielenden biologischen Vorgiinge. Erst aus der Er kenntnis der Wirkungsweise von "Giften" konnen die Moglichkeiten der Behandlung und die Gegenmittel (Antidote) entwiekelt werden. Der "Klinische Toxikologe" ist auf die stationiire Behandlung von Vergiftungen spezialisiert. Er gibt im "Giftinformationszentrum" Auskunft an den behandelnden Arzt, aueh tiber allgemein nieht zu giingliche Zusammensetzung von Industrieprodukten. Die Pharmakologie ist die Lehre von der Wirkung der Arzneimittel (Pharmaka). Auch bei der Gabe von Arzneimitteln ist stets und grundsiitzlieh das Risiko der "Nebenwirkung", d. h. der "uner wiinsehten Wirkung" gegeben. Da die Anwendung von Arzneimit teln zunimmt und auf Arzneien nieht verziehtet werden kann, neh men aueh der MiBbraueh, die Oberdosis und damit die Vergiftungs mogliehkeit weiterhin zu. V Die immer bessere Aufmaehung der Publikumspraparate dureh Wer bung ist die Ursaehe von haufigeren Vergiftungen mit diesen Haus haltsmitteln. Besonders gefahrdet sind Kinder, die geme aus den hiibsehen Flasehehen mit besonders farbenpraehtigem Aufdruek (oft mit Obst und Blumen) trinken oder Beeren von den Strauehem rund urn den Spielplatz essen. 10000 Mensehen sterben jahrlieh allein in der Bundesrepublik dureh Gifteinwirkung. In Krankenhausem werden jahrlieh in der Bundes republik ca. 80000 FaIle von Vergiftungen behandelt, davon die Halfte bei Kindem. Viele sterben vor der Einlieferung ins Kranken haus, oder die Vergiftung wird gar nieht erkannt. Die Dunkelziffer ist sehr groB. Die Zahl der jahrliehen Vergiftungen in der Bundesrepu blik wird deshalb vom Bundesgesundheitsamt auf 700000-900000 gesehatzt. Ursaehen sind in 46,2% der Faile Medikamente, in 40,2% Haushaltsmittel, in 7% Giftpflanzen und in 4,2% Alkohol und Nieotin. Eine Zusammenfassung der Vergiftungsursaehen bei 12000 Fallen zeigt, daB insbesondere bei Publikumspraparaten, Pflanzen und Me dikamenten die Zahl der vergifteten Kinder wesentlieh h6her liegt als die der Erwaehsenen. BORBELY, F.: Ziiricher Informationszentrum, 1968 VI Bei Kindem treten die meisten Vergiftungen im 2. und 3. Lebensjahr auf, am hiiufigsten durch Haushaltsmittel. Oft verlaufen Vergiftungen sehr schnell, so daB der behandelnde Arzt rasch handeln und gezielt vorgehen muB. Dieser Ratgeber soIl bei Vergiftungen dem behandelnden Arzt das Erkennen einer Ver giftung erleichtem, ibm ein gezieltes Vorgehen bei den allgemeinen MaBnahmen aufzeigen und ihm bei Kenntnis des Giftes entspre chende Behandlungsmoglichkeiten iibersichtlich anbieten. Miinchen, im Oktober 1981 MAx DAUNDERER NIKOLAUS WEGER VII Inhaltsverzeichnis ABC bei Notfallsituationen Arztliche MaBnahmen beim Vergiftungsnotfall 1 A. Atemwege freimachen . . . . . . . . . . 2 B. Beatmen................. 2 C. Circulation (Kreislauf) aufrecht erhalten 3 D. Diagnostik......... 4 E. Entfemen des Giftes . . . . 5 F. Fursorge fur den Patienten 7 G. Gegengifte......... 7 H. Hausapotheke fur Vergiftungen . 13 I. Informationszentralen fUr Gifte . 15 K. Koffer zur Vergiftungsbehandlung 31 L. Leitmerkmale bei einigen Vergiftungen 34 M. Medikamente zur Vergiftungsbehandlung 37 N. Notfalldepots fUr Sera, Plasmaderivate und Antidote 47 Vergiftungsbehandlung Arztliche MaBnahmen bei Vergiiteten 53 1. Therapie eines BewuBtlosen, der erbrochen hat 53 2. (Reiz-)Gasvergiftung ... 55 3. Indikation zur Beatmung 55 4. Mund-zu-Mund-Beatmung 55 5. Beatmung von Kindem .. 57 6. Kontraindikation zur Mund-zu-Mund oder Mund-zu- Mund und -Nase-Beatmung . . . . . . . 57 7. DurchfUhrung der Atembeutel-Beatmung 57 IX 8. Frequenz der Beatmung 58 9. Erfolg der Beatmung 58 10. Guedel-Tubus ..... 58 11. Intubation . . . . . . . 59 12. Medikamentose Therapie des Atemstillstandes 61 13. Methiimoglobiniimie 62 14. Schockprophylaxe 62 15. Schocktherapie 63 16. Azidosetherapie 63 17. Notarztversorgung eines Vergifteten 64 18. Herzdruckmassage ......... 64 19. Wie geschieht die iiuBere Herzdruckmassage beim Kind? 65 20. Beatmung bei Herzmassage . . . . . . . . . . . . . . 65 21. Fortsetzung der Herzmassage . . . . . . . . . . . . . 67 22. Medikamentose Therapie von Herzrhythmusstorungen 68 23. Therapie bei Komplikationen 69 24. Drogenauskunft . . . . . . 69 25. Fragen an den Anrufer 70 26. Telefonische Anweisungen 71 27. Asservierung ....... 71 28. Schnellnachweise ..... 72 29. Entfemung von Gift aus dem Auge 74 30. Entfemung von Gift von der Haut . 74 31. Erbrechen aus16sen ........ . 75 32. Kontraindikationen fur Erbrechen 78 33. Ipecacuanha-Apomorphin-Erbrechen 78 34. Laugen-Siiuren-Ingestion . . . 79 35. Metall(salze)-Ingestion ..... 79 36. Kontraindikationen von Milch. . 80 37. Waschmittel-(Tenside-)Ingestion 80 38. LOsungsmittel (Ather, Azeton, Benzin, Benzol, 01, Petroleum, Tri usw.)-Ingestion .......... 80 39. IndikationzurMagenspiilung . . . . . . . . . . . 81 40. Notbehelf bei Unmoglichkeit einer Magenspiilung 81 41. Was muB man vor einer Magenspiilung unbedingt beachten? ................. 81 42. Wie wird eine Magenspiilung durchgefuhrt? 82 43. Darmreinigung ............. . 83 x 44. Kontraindikationen fUr Magenspiilung ...... 84 45. Adsorbentien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 46. Forderung der Giftelimination vor der Resorption 85 47. Forderung der Giftelimination nach der Resorption 85 48. Transport .. 92 49. Selbstmorder .. 92 50. Giftwarnung . . . 93 51. Nachbehandlung 94 52. Massenvergiftungen ............... 95 53. MaBnahmen bei Einsatz chemischer Kampfstoffe 97 Verzeichnis der Gifte (alphabetiscb) . . . . . . . . . . 101 XI ABC bei Notfallsituationen Arztliche MaBnahmen beim Vergiftungsnotfall Man gehe immer in nachstehender Reihenfolge vor und beauftrage auch seinen Mithelfer, bei der Behandlung einer Vergiftung oder bei Verdacht auf eine Vergiftung unbedingt diese Reihenfolge zu beach ten. Jeder Verdacht auf eine Vergiftung wird so lange wie eine Ver giftung behandelt, bis das Gegenteil bewiesen ist. Die Ursache jeder veranderten BewuBtseinslage, wie z. B. Erregung, abnorme Miidig keit, Schliifrigkeit, Apathie, kann eine Vergiftung sein. Zu Beginn einer Vergiftung laBt sich meist das Vollbild (Schock, Organstorun gen) nicht abschatzen. Man geht daher von dem ungiinstigsten FaIle (z. B. beziiglich der aufgenommenen Dosis) aus und verfiihrt so lange dementsprechend, bis das Gegenteil bewiesen ist, was oft erst in der Klinik oder im Krankenhaus (Labor, Giftnachweis) moglich ist. Ein besonderes Problem ist immer wieder der therapeutische Einsatz im Verhaltnis zur wahrscheinlichen Vergiftung. Wenn ein Kind z. B. nur etwas Schmutz, Blumenerde, Antibabypille oder ahnliche "ungif tige" Stoffe zu sich genommen hat, soUte dies kein AniaB sein, das ganze Register vom ,Erbrechen lassen' bis ,Magenschlauch' durchzu fiihren. Der beim Kind durch diese Behandlung evtl. eintretende Schock kann zur lebenslanglichen Angst vor dem Arzt fiihren. An dererseits kann sowohl beim Kind als auch beim Selbstmorder eine solche "Behandlung" durchaus eine piidagogische Bedeutung haben. Eine nicht ernst genug genommene Vergiftung und dadurch entspre chend mangelhafte oder Dicht durchgefiihrte therapeutische Behand lung konnten spater fiir den Arzt juristische MaBnahmen zur Folge haben. Die Entscheidung hat allein der behandelnde Arzt zu fallen. Erst nach Befolgen der ersten 7 Schritte (A-G) soU der Vergiftete zur Weiterbehandlung in die Klinik gebracht werden. 1