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Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit im vereinigten Deutschland: Die Dichotomie des Grundgesetzes zwischen limitierend-formalem und dirigierend-materialem Verfassungsverständnis PDF

452 Pages·2003·8.95 MB·German
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Helge Lothar Batt Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit im vereinigten Deutschland Die Dichotomie des Grundgesetzes zwischen limitierend-formalem und dirigierend-materialem Verfassungsverständnis Helge Lothar Batt Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit im vereinigten Deutschland Helge Lothar Batt Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit im vereinigten Deutschland Die Dichotomie des Grundgesetzes zwischen limitierend-formalem und dirigierend materialem Verfassungsverständnis Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2003 überarbeitete Fassung der im Sommersemester 2002 von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommenen Inauguraldissertation Erstgutachter: Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus von Beyme Zweitgutachter: Prof. Dr. Manfred G. Schmidt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme ISBN 978-3-8100-3708-4 ISBN 978-3-663-11729-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-11729-2 © 2003 Springer Fachmedien Wiesbaden 2003 Originally published by bei Leske + Budrich, Opladen in 2003 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtIich geschützt. Jede Verwertung au ßerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages un zulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt I. Problemstellung .................................................................................. 9 11. Der Gegenstand: Die strukturellen Merkmale des Grundgesetzes als einer Verfassung des mittleren Weges ............. 25 2.1 Die Struktur des Grundgesetzes .......................................................... 25 2.2 Die zentralen Verfassungsprinzipien .................................................. 27 2.2.1 Die Bundesrepublik als parlamentarische Demokratie ....................... 28 2.2.2 Die Bundesrepublik als Grundrechtestaat ........................................... 32 2.2.3 Die Bundesrepublik als kooperativ-föderalistischer Bundesstaat.. ..... 43 2.2.4 Die Bundesrepublik als Rechtsstaat .................................................... 54 2.2.5 Die Bundesrepublik als sozialer Rechtsstaat ...................................... 60 2.3 Die zwei Seiten des Grundgesetzes -limitierend-formale und dirigierend-materiale Verfassung in einem labilen Gleichgewicht ..................................................................................... 69 2.4 Die Bedeutung des Grundgesetzes für den politischen und gesellschaftlichen Diskurs in der Bundesrepublik ....................... 97 2.5 Die Gefahren der Materialisierung: Von der prozeduralisierten zur teleologischen Verfassung .......................................................... 108 2.6 Der Verfassungsstaat der Bundesrepublik -Zusammenfassung der Funktion des Grundgesetzes als "Sowohl-als-auch-VerJassung" zwischen Offenheit und Bindung ...................................................... 117 111. Verfassungspolitik im vereinigten Deutschland: Akteure, politischer Prozeß und Ergebnisse im Kontext der Verfassungsentwicklung in der Bundesrepublik seit 1949 ... 127 3.1 Die Vorgeschichte der Gemeinsamen Verfassungskommission ....... 127 3.2 Der Prozeß: Die institutionelle Struktur und das Verfahren der Verfassungsreform. ..................................................................... 135 3.2.1 Die Zusammensetzung der Gemeinsamen Verfassungskommission.135 5 3.2.2 Die fünf prägenden Konfliktlinien der Verfassungsdebatte .............. 137 3.2.3 Der Zusammenhang zwischen den inhaltlichen Positionen in der Verfassungsreformdiskussion und den dahinterstehenden grundlegenden Verfassungsmodellen .................. 150 3.2.4 Das Abstimmungsverfahren in der Gemeinsamen Verfassungskommission ................................................................... 161 3.2.5 Die Arbeitsweise der Gemeinsamen Verfassungskommission ......... 166 3.2.6 Die Beschlußfassung über die Empfehlungen der Verfassungskommission in Bundestag und Bundesrat ............. 1173 3.4 Die Ergebnisse: Die inhaltlichen Merkmale der Verfassungsreform und ihre strukturellen Folgen fur die Verfassungsordnung Deutschlands ................................................... 187 3.4.1 Der "Europa-Artikel" - Art. 23 GG n.F ........................................... 187 3.4.2 Stärkung des Föderalismus und Gesetzgebung im Bundesstaat ........ 207 3.4.3 Das Staatsziel Umweltschutz ............................................................ 221 3.4.4 Die sozialen Staatsziele und sozialen Grundrechte ........................... 228 3.4.5 Das Parlamentsrecht ......................................................................... 242 3.4.6 Der Minderheitenschutz .................................................................... 247 3.4.7 Die Einfuhrung direktdemokratischer Elemente in das Grundgesetz .......................................................................... 248 3.5 Die politik-inhaltliche Dimension der Verfassungsreform nach der Einheit Deutschlands und ihre Folgen fur die Verfassungsstruktur und den Verfassungskonsens ........................... 255 3.6 Die Chancen weitreichender Verfassungsreformen in der Bundesrepublik: Das Modell der prozessual-inkrementalistischen Verfassungs entwicklung ................ 27 0 3.6.1 Die Änderungen des Grundgesetzes ................................................. 27 0 3.6.2 Versuche der institutionalisierten Bündelung von Verfassungs änderungen ............................................................. 278 3.6.3 Der Stil der prozessualen Anpassung in der Verfassungspolitik der Bundesrepublik ........................................................................... 282 3.7 Die Konstitutionalisierung der Politik .............................................. 297 3.8 Die Stellung der Gemeinsamen Verfassungskommission im Institutionengefuge des politischen Systems der Bundesrepublik. ................................................................................ 312 3.9 Warum kam es zu den Ergebnissen der Verfassungsreform in der beschriebenen Form? .................................................................. 324 3.10 Erfolg oder Scheitern der Verfassungsreform nach der Einheit Deutschlands? ...................................................................... 336 6 IV. Fazit: Die Metamorphosen des Verfassungsstaates .•.•.•.•.•.•.•.•.•.•• 349 V. Anmerkungen .................................................................................. 460 VI. Literatur .......................................................................................... 421 7 I. Problemstellung Welches sind die historischen und strukturellen Wurzeln des bundes deutschen Verfassungsstaates, wie hat sich die grundgesetzliche Ordnung entwickelt und wie ist es um die Zukunftsfähigkeit des nationalstaatlich organisierten Verfas sungsstaates bestellt? Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht die These vom Grundgesetz als der Herrschaft des Rechts über die Politik in der besonderen Form eines verfassungsrechtlich normierten Gleichgewichts zwi schen einer limitierend-formalen und einer dirigierend-materialen Verfassung. Diese Konzeption des Grundgesetzes wird mit seiner verfassungsgeschicht lichen Entwicklung und den internen und externen Herausforderungen kon frontiert, die das innere Gleichgewicht des Grundgesetzes und seine Relevanz fiir die Festlegung der Grundzüge der staatlichen Ordnung und der rechtlichen Stellung des Individuums in Frage stellen. Seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert hat sich die Überzeugung, ein Staat müsse eine Verfassung haben, die die politische Herrschaft legiti miert, die Staatsgewalt rechtsstaatlich fundiert und begrenzt und die Grundfreiheiten der Bürger sichert, zu einer universellen politischen Idee und zu einem Erfolgsmodell der politischen Geschichte entwickelt. Dabei kann der Verfassungsstaat als eine Staatsform verstanden werden, in der die pro zessualen Grundregeln der politischen Prozesse, die an ihnen beteiligten Insti tutionen, die Strukturen der Gemeinschaftsordnung - z.B. die Gewaltentei lung und der föderative Aufbau - und das Verhältnis zwischen Bürger und Staat - insbesondere die politischen Rechte der Bürger und ihre Grundfreihei ten - und die wesentlichen materialen Rechtsgrundsätze, inhaltlichen politi schen Prinzipien und Ziele der Staatstätigkeit ...:. z.B. Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit - in einem Verfassungsdokument schriftlich niedergelegt sind - man spricht dann von einer "kodifIzierten Verfassung" - oder diese verfassungsrechtlichen Inhalte in nicht förmlich fIxierten Rechtssätzen und Rechtsgrundsätzen verankert sind - man spricht dann von einer "ungeschrie benen Verfassung" (siehe hierzu Dilcher 1988: 169, Isensee 1995: 638 ff.; Stern 19842: 48 ff.; Zippelius 199412: 50 f. sowie Maunz/Zippelius 199429: 29 f.; ähnlich auch die beschreibende Kennzeichnung der Verfassung bei Jellinek 19603: 505). "Verfassung" meint in diesem Zusammenhang heute primär das schriftlich festgelegte, gesetzlich bindende und dem einfachen Recht überge ordnete Normengefiige fiir das staatliche Gemeinwesen (siehe Mohnhaupt 9 1990: 832). In diesem Verständnis ist der Gegenstand der vorliegenden Studie das Grundgesetz in seiner historischen Entwicklung und als die Verfassung des vereinten Deutschlands zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Verfassung und Verfassungsrecht in der Bundesrepublik sollen im fol genden in dreifacher Perspektive dargestellt und analysiert werden: Erstens soll die Untersuchung einen Beitrag zur Analyse und zum Verständnis des verfassungspolitischen Rahmens des Regierens in der Bundesrepublik nach der Vollendung der Einheit Deutschlands leisten. Die Deutsche Einheit und der Vertrag von Maastricht, der neben seiner eigentlichen europapolitischen Dimension auch im Dienste der Einbindung Deutschlands in das europäische Institutionengefüge stand und steht, stellten eine günstige Gelegenheit für das Nachdenken über die verfassungsrechtlichen Grundlagen Deutschlands dar und öffneten ein "Window to reform" (vgl. Keeler 1993) für die deutsche Verfassungspolitik. Die jüngste Zeitgeschichte seit der Einheit Deutschlands unterstreicht in mehrfacher Hinsicht die hohe Bedeutung verfassungspoliti scher Diskurse für den politischen Prozeß in der Bundesrepublik. Belege für diesen Befund sind die intensive Debatte im Vorfeld der deutschen Einheit über den Weg der Vereinigung nach Art. 23 GG a.F. (a.F. = alte Fassung) oder Art. 146 GG a.F., die Verfassungsänderungen im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Einigungsvertrages sowie die Diskussionen in der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat über die künftige Gestalt des Grundgesetzes. Im Zuge der Herstellung der staats rechtlichen Einheit Deutschlands begann somit ein Prozeß des Nachdenkens über die Aufgaben, die Bedeutung und die Inhalte des Grundgesetzes im ver einten Deutschland. Während die einen in dieser Diskussion eine prinzipielle und in die Tiefe gehende Überprüfung und Reform des Grundgesetzes forder ten, betonten die anderen die Bewährtheit und die Leistungsfähigkeit des Grundgesetzes. In dreifacher Hinsicht förderte die Verwirklichung der deut schen Einheit dieses Nachdenken über das Grundgesetz (siehe hierzu auch Kirchhof 1995: 218 ff.): zum ersten beendete die Vereinigung Deutschlands historisch gesehen die Zeit des Grundgesetzes als provisorische und vorläufi ge Verfassung und machte das Grundgesetz endgültig zur Verfassung Deutschlands, zum zweiten bedeutete die Vereinigung das Zusammenführen von zwei deutschen Staaten mit unterschiedlichem, ja entgegengesetztem Ver fassungsverständnis - demokratische versus sozialistische Verfassung - und zum dritten stellte sich im Kontext der Vereinigung eine Fülle von konkreten verfassungsrechtlichen Änderungsanliegen, die zum Teil unmittelbar mit der Vereinigung zusammenhingen (siehe hierzu Art. 5 EinigV), zum Teil aber auch bereits seit längerer Zeit in der alten Bundesrepublik vor der Vereini gung diskutiert worden waren - so z.B. die Frage der Einführung plebiszitärer Elemente oder weitergehender sozio-ökonomischer oder sozio-kultureller Staats ziele oder Grundrechte. Im Vergleich zu vorhergehenden Diskussionen über Verfassungsänderungen bedeutsam war an dieser Diskussion nach der 10 Vereinigung Deutschlands, daß die Änderungsanliegen Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre den normativen Wertekonsens des Grundgesetzes und die Grundstrukturen des Grundgesetzes selbst in Frage stellten, wie wir im weite ren Verlauf dieser Studie noch ausführlich sehen werden. Vor diesem situativen Handlungshintergrund stellt die vorliegende Studie hinsichtlich des Regierens in der Bundesrepublik drei Kernfragen: 1. Welche verfassungspolitischen Handlungsanforderungen lagen Anfang der 90er Jahre vor? 2, Wie, d.h. von welchen Akteuren, unter welchen institutionellen und pro zessualen Bedingungen und mit welchen politikinhaltlichen Ergebnissen wurden diese Handlungsanforderungen im politischen Prozeß angegan gen? 3. Warum kamen die Ergebnisse so zustande und welche Folgerungen lassen sich daraus für das Verständnis des verfassungspolitischen Policy making in der Bundesrepublik ableiten? Der zweite analytische Fokus der vorliegenden Studie bezieht sich auf das Verständnis der strukturellen Grundmuster des Grundgesetzes. Die leitenden Fragestellungen dieses zweiten Komplexes lauten: 1. Welches sind die grundlegenden Strukturmerkmale des Grundgesetzes, welche Wechselwirkungen gibt es zwischen ihnen und welche Auswir- kungen haben sie für die Politik in der Bundesrepublik? . 2. Wie hat sich das Grundgesetz im Laufe seiner Existenz als Normenge fUge für das staatliche Gemeinwesen und als Grundlage für das Handeln politischer Institutionen entwickelt? 3. Bedeuten die Verfassungsänderungen nach der Vollendung der staats rechtlichen Einheit Deutschlands einen Wandel der grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik oder deren Kontinuität? 4. Welche Bedeutung hat das Grundgesetz heute.und in der nahen Zukunft und durch welche grundsätzlichen Herausforderungen wird seine Lei stungsfähigkeit als zentrales NormengefUge des Gemeinwesens in Frage gestellt? In einer dritten analytischen Perspektive werden die Wirkungen, die vom Grundgesetz als der Verfassung Deutschlands auf den politischen Prozeß aus gehen, im Kontext der allgemeineren Frage nach der Bedeutung von Institu tionen für den politischen Prozeß untersucht. Als Institutionen werden dabei sowohl Organisationen als auch formale und informale verhaltenssteuemde Regeln, Prozeduren, Verfassungs- und Regierungsstrukturen, Konventionen und Gebräuche verstanden (siehe zum organisationssoziologischen Hinter grund DiMaggiolPowell 1991: 9 f. und Mach/Olsen 1989: 22), die den Prozeß der politischen Handlungskoordination, d.h. der Meinungsbildung, Konfliktaustragung, Konsensbildung, Entscheidungsfmdung und -implemen- 11

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