FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Nr.2215 Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Heinz Kühn vom Minister für Wissenschaft und Forschung Jo hannes Rau Prof. Dr.-Ing. Franz Hildebrandt Forschungsinstitut für Rationalisierung an der Rhein.-West! Techn. Hochschule Aachen Direktor: Prof Dr.-Ing. Rolf Hackstein Verfahrensentwicklungen zur Entscheidungstechnik der Multimomentstudie Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH ISBN 978-3-531-02215-4 ISBN 978-3-663-06806-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-06806-8 © 1971 by Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1971 Inhalt 1. Einleitung ........................................................... 5 2. Modellbetrachtungen zur Multimomentstudie ............................ 6 2.1 Stochastisches Modell ............................................. 6 2.2 Modellabweichung ................................................ 9 2.3 Modellanpassung ................................................. 9 3. Multimoment-Schätzmethoden ......................................... 11 3.1 Parameter schätzung ............................................... 12 3.2 Zuverlässigkeit ................................................... 15 3.3 Verfahrens gang ................................................... 18 3.4 Verfahrensvereinfachung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 19 4. Konventionelle Testmethoden zur Multimomentstudie .................... 23 4.1 Testaufbau ....................................................... 23 4.2 Testcharakteristik ................................................. 29 4.3 Verfahrensauslegung .............................................. 30 5. Multimoment-Folgetestmethoden ....................................... 32 5.1 Sequentielles Testprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33 5.2 Verfahrensentwicklungen .......................................... 36 5.3 Mittlere Beobachtungszahlen ....................................... 41 5.4 Multimoment-Folgetestauswahl ..................................... 45 5.5 Verfahrensgestaltung .............................................. 51 5.6 Entscheidungsfälle ................................................ 55 6. Methodenvergleich ................................................... 57 7. Zusammenfassung.................................................... 58 8. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 59 Anhang................................................................ 61 3 1. Einleitung Für die Planung, Entwicklung und Steuerung betrieblicher Arbeitsprozesse werden quantitative Informationen benötigt, die Angaben über Leistungen, Kosten, Zeiten und Zuverlässigkeiten enthalten. Ergebnis und Erfolg der Dispositionen hängen in hohem Maße von der Gültigkeit der Informationen ab, auf die sie sich stützen. Dadurch erfahren die statistischen analytischen Techniken zunehmende Bedeutung. Hierzu sollen neue Verfahrensentwicklungen dargestellt werden, mit denen es möglich ist, zeit be zogene Aufschlüsse über die Sachverhalte bei Arbeitsabläufen auf rationelle Weise zu gewinnen. Die Ermittlung der Zeitwerte für die Phasen der Arbeitsprozesse gehört zu dem Auf gabenbereich der Zeitstudie. Dabei wird der Gegenstandsbereich des jeweiligen Unter suchungsfeldes auf zweckmäßige Weise in einzelne Elemente zerlegt, für die dann mit analytischen Techniken die Zeitangaben in der geforderten Genauigkeit zu bestimmen sind. Die Zerlegung der Arbeitsabläufe ergibt verschiedene Teilvorgänge, für die die Vorgangsdauer die zeitbezogene Bestimmungsgröße und die Zeitmessung die übliche analytische Technik bilden. Eine Zerlegung des Arbeitsgeschehens in Merkmale der Tätigkeitsarten oder Arbeitsvorkommnisse ist vorzunehmen, wenn es gilt, die zeit lichen Anteile an der Gesamtzeit zu ermitteln. Hierfür sind die Verfahren der Zeit messung häufig zu aufwendig, insbesondere dann, wenn es sich um unregelmäßig und selten auftretende Vorkommnisse handelt. Für solche Zeitstudienaufgaben sind neue analytische Techniken entwickelt worden. An Stelle der fortlaufenden Beobachtung und Zeitmessung werden die Arbeitsvor kommnisse nur zu bestimmten Zeitpunkten beobachtet und durch Registrieren der kennzeichnenden Merkmale der jeweils angetroffenen Erscheinungsformen erfaßt. Aus den Stichprobenerhebungen derartiger Multimomentaufnahmen lassen sich statistisch gesicherte Aussagen über die Zeitanteile der untersuchten Arbeitsvorkommnisse ab leiten [12; 23]*. Zeitstudien in Form von Multimomentstudien führen bei vielen Aufgabenstellungen zu einer beträchtlichen Reduktion der Aufwendungen für die Informationserschließung - gegenüber den herkömmlichen Verfahren der Zeitmessung. Beide Verfahrensweisen haben jedoch ihre spezifischen Anwendungsgebiete, in denen ihre Auswahl eindeutig durch den erforderlichen Aufwand bestimmt wird. Somit bilden die Verfahren der Multimomentstudie eine Ergänzung zu den bisherigen zeitanalytischen Techniken, indem sie den Aufgaben- und Anwendungsbereich für Zeitstudien erweitern. Als weitere Ergänzung soll mit dieser Studie eine zeitbezogene Entscheidungstechnik vorgestellt werden. Die Erfassung der Beobachtungen erfolgt ebenfalls nach dem Prinzip der Multimomentaufnahme. Ein Aufnahmebogen wird jedoch nicht benötigt, und die Anzahl der erforderlichen Beobachtungen ist relativ klein. Die Verfahren sind aus der Sequentialanalyse der mathematischen Statistik entwickelt worden. Da für sequentielle Tests auch die Bezeichnung »Folgetests« üblich ist, wird für die Verfahren der davon abgeleiteten zeitbezogenen Entscheidungstechnik die Bezeichnung »Multi moment- Folgetestverfahren « vorgeschlagen. Demgegenüber stellt das bisherige Multimomentverfahren zur Ermittlung von Zeit anteilen ein statistisches Schätzverfahren dar. Das stochastische Modell, das allen Me- * Literaturangaben in Abschnitt 8. 5 thoden der Multimomentstudie zugrunde liegt, soll zunächst in kurzer Form beschrie ben werden (Abschnitt 2). Es folgen Ausführungen über Aufbau und erweiterte An wendungstechniken zum Multimoment-Schätzverfahren (Abschnitt 3) in einer Form, die auf die Analogie der Entwicklungen zum Multimoment-Folgetestverfahren (Ab schnitt 5) ausgerichtet ist. Unter den gleichen Aspekten erfolgt die Behandlung kon ventioneller Testmethoden (Abschnitt 4). Aus dem sequentiellen Testprinzip wird dann eine ganzzahlige Zuordnungstechnik zum Multimoment-Folgetestverfahren ent wickelt und für die Anwendung auf zeitbezogene Entscheidungsprobleme in der Praxis aufbereitet (Abschnitt 5). In einem Methodenvergleich werden die Haupt eigenschaften der behandelten Verfahren gegenübergestellt (Abschnitt 6). 2. Modellbetrachtungen zur Multimomentstudie Aussagefähigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse einer Multimomentstudie hängen weitgehend von der Übereinstimmung ab, die zwischen der Struktur der Ablauf formen des Arbeitsgeschehens und dem Modell für die Abbildung besteht. Wie bei anderen analytischen Techniken der mathematischen Statistik werden die Informations mengen, die am Untersuchungsgegenstand ermittelt worden sind, in Elemente einer Modellstruktur überführt, um dann aus den sich darin abzeichnenden Konstellationen bestimmter Größen Erkenntnisse abzuleiten, denen Gültigkeit für die beobachteten Objekte zugesprochen wird. Dieser Zyklus der Erschließungstechnik bedarf daher der Relevanz in seinen einzelnen Phasen, aus der die Forderungen nach möglichst guter Anpassung der analogen Modelldarstellungen resultieren. Die Verfahren zur Multimomentstudie werden von einem stochastischen Modell ab geleitet, dessen Beschaffenheit eine kurze Charakterisierung erfahren soll (Abschnitt 2.1). Zwischen der Modellvorstellung und der Beziehungsstruktur in der abzubildenden Wirklichkeit treten Abweichungen auf, die verschiedene Ursachen haben (Abschnitt 2.2). Sie lassen sich durch Maßnahmen zur Modellanpassung einschränken (Abschnitt 2.3). 2.1 Stochastisches Modell Die theoretische Grundlage der Multimomentmethoden bildet ein stochastisches Modell mit einer quantitativen Struktur, in das die am Untersuchungsgegenstand beobachteten Erscheinungen überführt werden. Eine Multimomentstudie ist unter diesem Aspekt als eine Verifikation der unterlegten Modellform zu betrachten. Dazu erfolgt eine Zerlegung des Untersuchungsgegenstandes in einzelne Elemente, die durch die Eigenschaft des zufälligen Auftretens gekennzeichnet sind. Ein Element der Multi momentaufnahme ist der Erkenntnisgegenstand einer Beobachtung des Arbeitsablaufs in einem bestimmten Augenblick. Als Kennzeichen für diese Elemente werden m Merk male Ai definiert. Für die folgenden Betrachtungen soll angenommen werden, daß ein Element nur Träger eines der m Merkmale Ai ist. Die Ereignisse, die in dem Auftreten der Merkmale Ai bestehen, schließen also einander aus. Somit bilden die Ereignisse, die in dem gleichzeitigen Auftreten zweier oder mehrerer Merkmale in einer i-ten Be obachtung bestehen, die leere Menge D: (r = 2, 3, ... , m) (2.1) 6 Auf der Menge der Elementarereignisse Ai läßt sich eine eindeutige reelle Funktion X definieren, mit der den Ereignissen Ai Werte xi zugewiesen werden. Da die Elementar ereignisse zufällig eintreten, ist X eine zufällige Veränderliche. Wenn auf diese Weise einem Elementarereignis A der Wert x zugeordnet wird, dann ist die Wahrscheinlich keit P(A) für das Auftreten des Ereignisses A gleich der Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Variable X den Wert x annimmt. Man erhält damit die Wahrscheinlichkeits funktion P(X = x) = P(A). (2.2) Wenn einer Menge E der Elementarereignisse Ai durch die funktionale Eigenschaft der Zufallsvariablen X reelle Werte aus einem Intervall der Form (-00, x) zugeordnet werden, so ergibt sich damit eine Wahrscheinlichkeitsverteilung F(x) der zufälligen Veränderlichen X. Sie wird als »V erteilungsfunktion « bezeichnet und läßt sich in folgender Form darstellen: F(x) = P(X < x). (2.3) In einer Multimomentstudie, in der nur eine Zufallsvariable X durch die Erhebung realisiert wird, bestehen die Elementarereignisse darin, daß ein Merkmal A bei einer Beobachtung angetroffen (A) oder nicht angetroffen (A) wird. Für die Wertzuweisung wählt man zweckmäßig die Zahlen 0 und 1, also fürXi=A (2.4) für Xi =A. Die zugehörige Wahrscheinli~hkeitsfunktion kann dann ebenfalls nur zwei Werte annehmen: für Xi = 1 P(Xi = Xi) = { P (2.5) 1-p=q für Xi = O. Die Wahrscheinlichkeit p bildet in diesem Falle zugleich den einzigen Parameter, von dem die Verteilungsfunktion determiniert wird. Für das Modell wird zudem ange nommen, daß dieser Parameter invariant ist. Bei der Verifikation des stochastischen Modells in einer Multimomentstu2ie besteht das Ziel darin, statistisch gesicherte Aussagen über unbekannte Parameter Pi zu er mitteln. Zu diesem Zweck müssen in einem Experiment Informationen für die mathe matisch-statistische Erschließungstechnik gesammelt werden. In Multimomentaufnah men erfolgt hierzu das Erheben von Stichproben, indem zu bestimmten Zeitpunkten die Vorgänge auf den Arbeitsplätzen beobachtet und die dabei festgestellten Elementar ereignisse registriert werden. Eine Stichprobe umfaßt eine endliche Teilmenge von Elementen aus einer Grundgesamtheit, die als unendlich groß betrachtet wird, denn theoretisch ließen sich unendlich viele Beobachtungen machen. Eine Stichprobe vom Umfang N stellt eine Realisierung eines N-dimensionalen Zufallsvektors SN dar: (2.6) Alle möglichen Werte~, die der Zufallsvektor SN annehmen kann, bilden den N-dimen sionalen Stichprobenraum Q. Die Realisierung des Zufallsvektors SN durch eine Stichprobe mit den Werten (2.6') 7 läßt sich dann als Punkt oder Vektor I = ~ in dem Raum Q geometrisch veranschau lichen. Die zufälligen Stichprobenvariablen Xt (i = 1,2, ... , N) werden in dem Modell zur Multimomentstudie als unabhängig betrachtet. Dies ist einerseits dadurch gerecht fertigt, daß die Grundgesamtheit als unendlich groß gelten kann, so daß durch die Ent nahme eines Beobachtungselementes keine Veränderung der stochastischen Beziehungen für die anderen zu berücksichtigen ist. Zum anderen bildet die Unabhängigkeit der Er scheinungen eine Voraussetzung hinsichtlich der Beschaffenheit des Untersuchungs gegenstandes, die vorliegen muß, um die Methoden anwenden zu können. Bei der Multimomentaufnahme erfolgen die Beobachtungen in Zeitabständen und Reihenfolgen der Beobachtungspunkte, die nach Zufallszahlen ausgewählt werden, damit die Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe zu kommen, für jedes Zeitelement gleich groß ist. Die Erhebung nach einer solchen Auswahlmethode hat zum Ziel, eine möglichst unverfälschte Zufalls stichprobe aus dem Gegenstandsbereich zu liefern. Die Erschließung von Aussagen über die Verteilungseigenschaften der Grundgesamt heit aus dem Informationsgehalt einer Stichprobe vom Umfang N erfolgt mit Hilfe von Stichprobenfunktionen (2.7) Eine derartige Funktion hängt nur von den Stichprobenvariablen Xl, X2, ••• , XN ab und nicht von den Verteilungsparametern der Grundgesamtheit. Sie ist ebenfalls eine zufällige Veränderliche. Folglich gelten die Beziehungen (2.2) und (2.3) in ent sprechender Form. Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine Stichprobe mit den Wer ten I erhoben wird, für die die Funktion U(I) einen Wert annimmt, der kleiner als u ist, ergibt sich dann aus der Verteilungsfunktion F(u) = P(UN < u). (2.8) Wenn der Definitionsbereich der Stichprobenfunktion U N die reellen Zahlen u in einem Intervall [Ul, U2] umfaßt, wobei Ul < U2 gelten soll, so erhält man als Verteilungs funktion für die Wahrscheinlichkeit, daß der Wert u der Funktion UN - unter der Bedingung [Ul ~ U' < U2] - in das halboffene Intervall [Ul, u') fällt, die Form u' F(u) = P(U < u') = f J(u) du. (2.9) u, Die Wahrscheinlichkeitsverteilung für beliebige Intervalle [u', u"), wobei [Ul ~ U' < u" < U2] gelten möge, ergibt sich dann aus den Differenzen der Verteilungsfunk- tionen u" F(u") - F(u') = P(u' ~ u < u") = f J(u) du. (2.10) u' Mit Hilfe dieser Verteilungsfunktionen lassen sich aus dem stochastischen Modell für die Ergebnisse einer Multimomentstudie die Wahrscheinlichkeiten berechnen, die dann als statistische Sicherheiten oder in komplementärer Interpretation als statistische Risiken der Aussagen betrachtet werden. Wenn die Multimomentstudie für Parameter schätzungen angesetzt wird, so gilt es, die wahrscheinlickheitstheoretischen Vertrauens bereiche für die Aussagen zu bestimmen. Handelt es sich dagegen um die Verifikation von Testhypothesen, so lassen sich mit Hilfe der Verteilungsfunktionen die Wahr scheinlichkeiten berechnen, die bestimmten kritischen Regionen des N-dimensionalen Stichprobenraumes zuzuordnen sind. 8 2.2 Modellabweichung Zwischen der dargestellten Modellform und den Erscheinungen in der Wirklichkeit einer Multimomentstudie, die nachgebildet werden sollen, treten Abweichungen in verschiedener Form auf. Um diese Diskrepanzen explizit darzustellen, müßten sehr aufwendige statistische Techniken mit variablen Parametern eingeführt werden. Der Anwendung in der Praxis wären dann jedoch sehr enge Grenzen gesetzt. Andererseits ist für die richtige Beurteilung der Ergebnisse einer Multimomentstudie die Kenntnis der Abweichungen zwischen Modell und Untersuchungsgegenstand von Bedeutung. Deshalb sollen einige Gesichtspunkte hierzu kurz angeführt werden. Die Längen der Zeitabschnitte, in denen ein Vorkommnis des Arbeitsablaufs auftritt, gehören einer bestimmten Verteilungsform an. Durch Beobachtungen zu vorgegebenen Zeitpunkten werden die Merkmale erfaßt, wobei die Intervallängen der Zeitabstände wiederum zu bestimmten Verteilungsfunktionen gehören. Damit ergibt sich eine zu sammengesetzte zeitbezogene Verteilungsfunktion für die beobachteten Merkmals erscheinungen. Diese Beziehungen sind von MEVERT ([16], S. 33) untersucht worden. Er kam zu dem Ergebnis, daß durch Zufallsstichproben die Verteilungen in der Grund gesamtheit am wenigsten verfälscht analysiert werden können. Die hierzu angesetzten Simulations studien sind mit konstanten Parametern der Verteilungsfunktionen durch geführt worden. Für die wirklichen Gegebenheiten bei Zeitstudien wird man jedoch solche Bedingungen nicht voraussetzen können. Dabei dürfte anzunehmen sein, daß sich eine Variation der Parameter in höherem Maße auswirkt als die Verschiedenartig keit der Verteilungsfunktionen, die sich lediglich auf die Qualität der Approximationen auswirkt, die nach dem zentralen Grenzwertsatz mit endlichen Teilmengen von Stich probenwerten zu erreichen sind. Ein weiterer Aspekt betrifft die Verfahrenspraxis, nach der in der Multimoment aufnahme mehrere Arbeitsplätze gleichzeitig erfaßt werden. Die Ergebnisse bilden dann die Grundlage für Schlußfolgerungen und für die Einleitung von Maßnahmen, die für die beobachteten Arbeitsplätze in gleicher Weise Gültigkeit haben. Diese Vor gehensweise stützt sich auf die Modellvorstellung, daß gleichartige Arbeitsvorkomm nisse in angenähert gleicher zeitlicher Verteilungsform auf den Arbeitsplätzen auftreten. Häufig liegt jedoch eine solche Gleichartigkeit nicht vor, wie zum Beispiel bei weit gehend manuellen Tätigkeiten. Die Multimomentstudie kann dann unzulängliche Er gebnisse liefern, wenn sie nicht so angesetzt wird, daß die individuellen Arbeitsweisen eine Berücksichtigung erfahren. Weitere Diskrepanzen zwischen dem Modell und dem wirklichen Ablaufsystem er geben sich aus zeitlichen Abhängigkeiten in der beobachteten Vorgangsfolge. Hierbei kann es sich um Abhängigkeiten innerhalb der Elemente eines Arbeitsablaufs oder zwischen den Arbeitsabläufen verschiedener Arbeitsplätze handeln. Da sich der In formations gehalt der Multimomentaufnahmen für das Aufdecken derartiger Beziehun gen wenig eignet, ist es angebracht, in Arbeitsablaufstudien auf anderen Wegen eine vorausgehende Klärung herbeizuführen. 2.3 Modellanpassung Aus den angeführten Möglichkeiten für Abweichungen zwischen dem stochastischen Modell und den Vorgängen in der Wirklichkeit bei einer Multimomentstudie resultiert die Fragestellung, wie im Einzelfall zuverlässige zeitanalytische Ergebnisse auf mög lichst einfache Weise mit einem dem Informationswert angemessenen Aufwand er mittelt werden können. Für die Verfahrenspraxis sind deshalb einige Regeln aufgestellt worden, mit deren Hilfe sich die Anwendbarkeit beurteilen läßt und deren Beachtung 9 statistische Aussagen liefert, in denen die Fehlermöglichkeiten klein und im Bereich zulässiger Toleranzen bleiben. Zunächst gilt es zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Multimomentstudie bei dem Untersuchungsgegenstand gegeben sind und wie diese eventuell geschaffen oder verbessert werden können. Die zu beobachtenden Vorkommnisse müssen unabhängig in der zeitlichen Folge auftreten. Eine Zeitstudie für Arbeitsvorgänge, die sich regel mäßig wiederholen, wird deshalb zweckmäßiger mit anderen Methoden durchgeführt. Wenn mehrere Arbeitsplätze erfaßt werden sollen, so müssen sie bezüglich der zu beobachtenden Merkmale als gleichartig gelten können. Andernfalls ist zu prüfen, ob eine Multimomentstudie für jeden Arbeitsplatz einzeln noch Vorteile gegenüber anderen Verfahren bringt. Die Beobachtungen werden von einem Arbeitsstudienfachmann ausgeführt, der auf Rundgängen die jeweils angetroffenen Vorkommnisse feststellt und erfaßt. Da es nicht möglich ist, in einem Zeitintervall der theoretischen Länge Null einen geistigen V or gang des Erkennens abzuwickeln, bildet der Moment, in dem der Vorgang in den Blickwinkel des Beobachters kommt, den zeitlichen Bezugspunkt, auf den die Merkmals identifizierung reflektiert wird ([7], S. 98). Um jedem Vorkommnis die gleiche Wahrscheinlichkeit für die Erfassung zu geben, die nur von der Länge der Zeitabschnitte abhängt, werden die Beobachtungen in zufälliger Folge ausgeführt. Dazu werden einerseits die Längen der Zeitintervalle zwischen den Rundgängen nach Zufallszahlen festgelegt. Zum anderen soll auch die Reihenfolge, in der die Arbeitsplätze bei den Rundgängen aufgesucht werden, nach einer Zufallsfolge ablaufen. In der Praxis läßt sich diese Regel häufig nicht einhalten; entsprechende Verhältnisse liegen vor, wenn zum Beispiel die räumliche Anordnung der Arbeitsplätze so beschaffen ist, daß auf Rundgängen in nur einer Durchlaufrichtung vom Beobachter unbeeinflußte Momentaufnahmen gemacht werden können. Unter diesem Aspekt sind bezüglich der kleinsten Zeitintervalle zwischen den Rund gängen auch andere Regeln gültig, als die durch Simulationen gewonnenen Erkennt nisse ergeben. Die modelltheoretische Forderung, das kleinste Zeitintervall zwischen den Rundgängen größer als den kleinsten Zeitabschnitt zu machen, in dem ein V or kommnis auftritt, wird man zweckmäßig nur dann erfüllen, wenn sichergestellt ist, daß die Beobachtungen ohne Nachwirkung auf den Arbeitsablauf bleiben. Anderenfalls kann es geschehen, daß bestimmte kurzzeitige Vorkommnisse in die Pausen zwischen den Rundgängen gelegt und damit der Erfassung entzogen werden. Weitere Regeln für das Vorgehen bei einer Multimomentstudie haben zum Ziel, die Beobachtungen auf die Zeitabschnitte zu beschränken, in denen die Parameter, die die Verteilungsfunktionen der Merkmale determinieren, als invariant gelten können. Dieser Aspekt gilt vor allem für die Zeiten zu Beginn und Ende der Schichtzeit sowie für die Zeiten vor und nach den geregelten Pausen. Durch Beachten dieser Regeln lassen sich in einer Multimomentstudie Modell und Wirklichkeit einander anpassen. In der Praxis treten im allgemeinen weitere Probleme auf, die sich aus der speziellen Vorgehensweise bei der Anwendung der Verfahren ergeben. Diese sollen nicht hier bei der Modellbetrachtung, sondern später bei der Darstellung der einzelnen Verfahrensgänge behandelt werden. Häufig wird es jedoch angebracht sein, die Übereinstimmung mit der Modellvorstellung für die Bedingungen zu überprüfen, für die dies an Hand der erfaßten Informations mengen möglich ist. Dafür eignen sich statistische Signifikanztests. Auf diese Weise wird vor allem zu prüfen sein, ob bestimmte Annahmen bezüglich der Verteilungs eigenschaften der beobachteten Vorkommnisse gültig sind. Im einzelnen kann es sich darum handeln, die Annahme der Gleichartigkeit der Arbeitsplätze zu überprüfen, 10
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